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Urteil Verwaltungsgericht (SO - VWBES.2016.437)

Zusammenfassung des Urteils VWBES.2016.437: Verwaltungsgericht

Ein Kindesschutzverfahren vor der KESB führte dazu, dass A.___ unentgeltliche Rechtspflege beantragte, was zunächst abgelehnt wurde. Nach einer Beschwerde bewilligte das Verwaltungsgericht die unentgeltliche Rechtspflege ab dem 15. Dezember 2016. Die Beschwerdegegnerin, die KESB, entschied jedoch, dass die Rechtspflege erst ab Einreichung des Gesuchs bewilligt werden könne. Die Beschwerde von A.___ wurde abgewiesen, da die unentgeltliche Rechtspflege nur ab Gesuchseinreichung gilt.

Urteilsdetails des Verwaltungsgerichts VWBES.2016.437

Kanton:SO
Fallnummer:VWBES.2016.437
Instanz:Verwaltungsgericht
Abteilung:-
Verwaltungsgericht Entscheid VWBES.2016.437 vom 20.12.2016 (SO)
Datum:20.12.2016
Rechtskraft:-
Leitsatz/Stichwort:Unentgeltliche Rechtspflege
Schlagwörter: Rechtspflege; Verfahren; Gesuch; Verwaltungsgericht; Verfahren; KESB-Verfahren; Gewährung; Entscheid; Gesuchs; Schweizerische; Rechtsvertreterin; Beschwerde; Zivilprozessordnung; Verfahrens; Urteil; Einreichung; Bestimmungen; Schweizerischen; Lukas; Huber; Verhältnisse; Verwaltungsrechtspflegegesetz; Obhut; Gesuchseinreichung; Kanton
Rechtsnorm: Art. 118 ZPO ;Art. 119 ZPO ;
Referenz BGE:122 I 203;
Kommentar:
-

Entscheid des Verwaltungsgerichts VWBES.2016.437

Urteil vom 20. Dezember 2016

Es wirken mit:

Präsidentin Scherrer Reber

Oberrichter Stöckli

Oberrichter Müller

Gerichtsschreiberin Kaufmann

In Sachen

A.___ vertreten durch Advokatin Helena Hess,

Beschwerdeführerin

gegen

KESB Dorneck-Thierstein/Thal-Gäu,

Beschwerdegegnerin

betreffend unentgeltliche Rechtspflege


zieht das Verwaltungsgericht in Erwägung:

I.

1. Im Kindesschutzverfahren vor der Kindesund Erwachsenenschutzbehörde (KESB) Thal-Gäu/Dorneck-Thierstein reichte die Rechtsvertreterin von A.___ am 15. Dezember 2015 ein Gesuch um Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege sowie eine Kostennote ein, welche Aufwendungen ab dem 22. Januar 2015 auflistete.

2. Nachdem mit Entscheid vom 3. Februar 2016 die unentgeltliche Rechtspflege bewilligt worden war, reichte die Rechtsvertreterin am 10. Oktober 2016 eine aktualisierte Kostennote über einen Betrag von insgesamt CHF 2592.55 ein.

3. Mit Entscheid vom 19. Oktober 2016 legte die KESB die Entschädigung auf CHF 561.15 fest mit der Begründung, dass die unentgeltliche Rechtspflege nicht rückwirkend, sondern erst ab Einreichung des Gesuchs d.h. ab dem 15. Dezember 2016 bewilligt werden könne.

4. Gegen diesen Entscheid liess A.___ (nachfolgend Beschwerdeführerin genannt), vertreten durch Advokatin Dr. Helena Hess, am 21. November 2016 Beschwerde an das Verwaltungsgericht erheben und unter Aufhebung des angefochtenen Entscheids die Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege im Verfahren vor der KESB ab 21. April 2015 sowie auch für das Beschwerdeverfahren vor dem Verwaltungsgericht beantragen.

5. Die KESB verzichtete auf eine Vernehmlassung und reichte die Akten ein.

II.

1. Die Beschwerde ist fristund formgerecht erhoben worden. Sie ist zulässiges Rechtsmittel und das Verwaltungsgericht zur Beurteilung zuständig (vgl. Art. 450 Schweizerisches Zivilgesetzbuch [ZGB, SR 210] i.V.m. § 130 Abs. 1 Einführungsgesetz zum ZGB [EG ZGB, BGS 211.1]). A.___ ist durch den angefochtenen Entscheid beschwert und damit zur Beschwerde legitimiert. Auf die Beschwerde ist einzutreten.

2.1 Gemäss § 39ter i.V.m. § 76 Abs. 1 des Verwaltungsrechtspflegegesetzes (VRG, BGS 124.11) kann eine Partei, die nicht über die erforderlichen Mittel für die Prozessführung verfügt, die Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege verlangen, wenn der Prozess nicht als aussichtslos mutwillig erscheint. Wenn dies zur Wahrung der Rechte notwendig ist, kann sie die Bestellung eines unentgeltlichen Rechtsbeistands verlangen. Das Gesuch ist schriftlich einzureichen und kann, ab dem Eintritt der Rechtshängigkeit, jederzeit angebracht werden (Abs. 3). Im Übrigen gelten für die unentgeltliche Rechtspflege und den unentgeltlichen Rechtsbeistand die Bestimmungen des Einführungsgesetzes zur Schweizerischen Zivilprozessordnung (EG ZPO, BGS 211.2) und die Bestimmungen der Schweizerischen Zivilprozessordnung (ZPO, SR 272) sinngemäss (Abs. 4). Nach Art. 119 Abs. 4 ZPO kann die unentgeltliche Rechtspflege ausnahmsweise rückwirkend bewilligt werden. Von dieser Möglichkeit ist jedoch äusserst restriktiv Gebrauch zu machen. Sie kommt gemäss der bundesgerichtlichen Rechtsprechung höchstens dann in Betracht, wenn es wegen der zeitlichen Dringlichkeit einer sachlich zwingend gebotenen Prozesshandlung nicht möglich war, gleichzeitig auch das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege zu stellen. Umstände und Ereignisse, die bloss die finanzielle Situation der gesuchstellenden Partei betreffen, vermögen hingegen für sich alleine keine rückwirkende Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege zu rechtfertigen (vgl. BGE 122 I 203 E. 2.f und 2.g sowie 120 Ia 14, E. 3.e, zitiert durch Lukas Huber in: Alexander Brunner et al. [Hrsg.], Schweizerische Zivilprozessordnung [ZPO] Kommentar, 2. Auflage, Zürich/St. Gallen 2016, Art. 119 ZPO N 12). Gemäss verschiedenen Lehrmeinungen wäre die rückwirkende Gewährung auch denkbar, wenn die Partei zuerst gehofft hatte, den Prozess selbst finanzieren zu können, was ihr infolge einer Verschlechterung der finanziellen Verhältnisse während des Prozesses plötzlich nicht mehr möglich ist (vgl. Lukas Huber, a.a.O., Art. 119 ZPO N 12 mit Hinweisen). Die unentgeltliche Rechtspflege gilt jeweils ausschliesslich für das Verfahren und die Instanz, für welche sie bewilligt wurde. Allerdings umfasst die für den Hauptprozess gewährte unentgeltliche Rechtspflege ebenfalls damit zusammenhängende Nebenund Zwischenverfahren, wie z.B. ein Verfahren um Erlass vorsorglicher Massnahmen (vgl. Lukas Huber, a.a.O., Art. 118 ZPO N 26).

2.2 Die Beschwerdeführerin lässt vorbringen, nach dem Verwaltungsrechtspflegegesetz könne das Gesuch um Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege jederzeit eingereicht werden. Es gebe Kantone wie z.B. Baselland, welche Bemühungen bis sechs Monate zurück ohne weiteres vergüteten. Im Verfahren betreffend Obhutsentzug sei sie aus unentgeltlicher Rechtspflege entschädigt worden. Danach sei die Regelung und Erweiterung des Besuchsrechts und schliesslich die Rückgabe der Obhut an die Mutter gefolgt. Es habe sich um ein einziges Verfahren gehandelt. Zu Beginn habe die Beschwerdeführerin den Prozess selbst finanzieren wollen. Da sie aber ihre Arbeitsstelle verloren habe, als das Besuchsrecht auf fast jeden Tag ausgedehnt worden sei, hätten sich ihre Finanzen verschlechtert. Die Behörde könne nach Billigkeit entscheiden, ab wann die anwaltlichen Bemühungen entschädigt würden. Als mit Entscheid vom 3. Februar 2016 die unentgeltliche Verbeiständung gewährt worden sei, sei nicht festgelegt worden, dass dies erst ab Gesuchseinreichung gelte, weshalb davon habe ausgegangen werden dürfen, dass dies für das ganze Verfahren gelte. Das KESB-Verfahren sei Folge des Strafverfahrens gewesen, weshalb das KESB-Verfahren das Schicksal des Strafverfahrens zu teilen habe und die Rechtsvertreterin voll zu entschädigen sei. Da das Verwaltungsrechtspflegegesetz keine zeitliche Beschränkung vorsehe und nur sinngemäss die Zivilprozessordnung angewendet worden sei, entspreche es der Logik, auch die Kosten für das KESB-Verfahren voll zu übernehmen. Durch die Einstellung des Strafverfahrens sei auch die Grundlage für das KESB-Verfahren entfallen, welches gar nicht nötig gewesen wäre. Ihr müsse deshalb für das ganze KESB-Verfahren die unentgeltliche Rechtsverbeiständung gewährt werden.

2.3 Auch wenn es in anderen Kantonen wie Baselland Praxis sein mag, unentgeltliche Rechtspflege rückwirkend zu gewähren, so entspricht dies nicht der Regelung der eidgenössischen ZPO der bundesgerichtlichen Rechtsprechung dazu, weshalb daraus für ein im Kanton Solothurn geführtes Verfahren nichts abgeleitet werden kann. Dass es sich vorliegend um ein einziges Verfahren gehandelt haben solle, für welches die unentgeltliche Rechtspflege gewährt worden sein soll, trifft nicht zu. Vielmehr wurde der Beschwerdeführerin im September 2013 die Obhut über ihre Tochter entzogen und eine dagegen erhobene Beschwerde mit Urteil des Verwaltungsgerichts vom 18. Dezember 2013 abgewiesen. Für dieses Verfahren war die Rechtsvertreterin entschädigt worden. Aufgrund eines Antrags der Beiständin vom 9. März 2015 um Erstellung eines kinderpsychiatrischen Gutachtens betreffend eine allfällige Rückplatzierung eröffnete die KESB am 13. März 2015 ein neues Verfahren (vgl. Verfügung der KESB vom 4. Mai 2015). Aus der Verfügung vom 3. Februar 2016, durch welche der Beschwerdeführerin die unentgeltliche Rechtspflege bewilligt worden war, kann sie nichts zu ihren Gunsten ableiten, da die strittigen Aufwendungen vor dieser Verfügung getätigt wurden. Auch aus dem Argument, das KESB-Verfahren müsse das Schicksal des Strafverfahrens teilen, aus welchem es sich ableite, kann die Beschwerdeführerin keine Vorteile ziehen, da die unentgeltliche Rechtspflege jeweils nur für die Instanz bzw. Behörde gilt, für welche sie bewilligt wurde. Das KESB-Verfahren ist vom Strafverfahren unabhängig. Auch wenn das Strafverfahren letztlich eingestellt wurde, ändert dies nichts an der Tatsache, dass das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege für das KESB-Verfahren zu spät gestellt wurde und deshalb die unentgeltliche Rechtspflege erst ab dem Datum der Einreichung und nicht für das gesamte Verfahren bewilligt werden kann. Die Beschwerdeführerin macht keine Gründe geltend, dass es ihr nicht eher möglich gewesen wäre, das Gesuch zu stellen. Zwar könnte darüber diskutiert werden, ob allenfalls die unentgeltliche Rechtspflege nachträglich gewährt werden könnte, wenn die Beschwerdeführerin, wie sie vorbringen lässt, den Prozess anfänglich selbst bezahlen wollte, sich aber ihre finanziellen Verhältnisse in der Zwischenzeit verschlechtert haben und sie dann im Nachhinein trotzdem noch ein Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege einreicht. Die Beschwerdeführerin hat die verspätete Einreichung ihres Gesuchs vor der Vorinstanz jedoch nicht mit diesem Argument (sondern gar nicht) begründet, weshalb diese nachgeschobene Behauptung unglaubhaft erscheint und daraus nichts abgeleitet werden kann. Der Beschwerdeführerin wurde die unentgeltliche Rechtspflege somit zurecht erst ab Gesuchseinreichung bewilligt.

2.4 Der Beschwerdeführerin wurde für die Zeit nach Gesuchseinreichung sämtlicher Aufwand (inkl. Auslagen und MWST) sowie die Zeit, die sie für die Eingabe vom 15. Dezember 2015 geltend machte, zum gesetzlichen Ansatz entschädigt (vgl. § 161 i.V.m. § 160 Gebührentarif [GT, 615.11]).

5. Die Beschwerde erweist sich somit als unbegründet, sie ist abzuweisen. Bei diesem Ausgang hat A.___ grundsätzlich die Kosten des Verfahrens vor Verwaltungsgericht zu bezahlen. Sie liess auch für das vorliegende Verfahren die integrale unentgeltliche Rechtspflege beantragen, was jedoch wegen Aussichtslosigkeit abzuweisen ist. Unter Berücksichtigung der beschränkten finanziellen Verhältnisse der Beschwerdeführerin werden für das Verfahren vor Verwaltungsgericht keine Kosten erhoben.

Demnach wird erkannt:

1.    Die Beschwerde wird abgewiesen.

2.    Das Gesuch um Gewährung der integralen unentgeltlichen Rechtspflege für das Verfahren vor Verwaltungsgericht wird abgewiesen.

3.    Für das Verfahren vor Verwaltungsgericht werden keine Kosten erhoben.

Rechtsmittel: Gegen diesen Entscheid kann innert 30 Tagen seit Eröffnung des begründeten Urteils beim Bundesgericht Beschwerde in Zivilsachen eingereicht werden (Adresse: 1000 Lausanne 14). Die Frist wird durch rechtzeitige Aufgabe bei der Schweizerischen Post gewahrt. Die Frist ist nicht erstreckbar. Die Beschwerdeschrift hat die Begehren, deren Begründung mit Angabe der Beweismittel und die Unterschrift des Beschwerdeführers seines Vertreters zu enthalten. Für die weiteren Voraussetzungen sind die Bestimmungen des Bundesgerichtsgesetzes massgeblich.

Im Namen des Verwaltungsgerichts

Die Präsidentin Die Gerichtsschreiberin

Scherrer Reber Kaufmann



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