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Urteil Verwaltungsgericht (SO - VWBES.2016.435)

Zusammenfassung des Urteils VWBES.2016.435: Verwaltungsgericht

Das Verwaltungsgericht hat am 15. Dezember 2016 über eine Beschwerde in Bezug auf die Bewilligung eines Pflegeplatzes für die Kinder C. und D. entschieden. Die Mutter der Kinder, A., hat gegen die Bewilligung Beschwerde eingelegt und um Aufhebung der Verfügung gebeten. Das Verwaltungsgericht prüfte die Legitimität der Beschwerdeführerin und kam zum Schluss, dass sie kein schutzwürdiges Interesse an der Anfechtung der Bewilligung hat. Daher wurde auf die Beschwerde nicht eingetreten. Die Beschwerdeführerin muss die Kosten des Verfahrens tragen, da ihr die unentgeltliche Rechtspflege aufgrund fehlender Erfolgsaussichten verweigert wurde.

Urteilsdetails des Verwaltungsgerichts VWBES.2016.435

Kanton:SO
Fallnummer:VWBES.2016.435
Instanz:Verwaltungsgericht
Abteilung:-
Verwaltungsgericht Entscheid VWBES.2016.435 vom 15.12.2016 (SO)
Datum:15.12.2016
Rechtskraft:-
Leitsatz/Stichwort:Pflegeplatzbewilligung
Schlagwörter: Pflege; Recht; Kinder; Verfügung; Pflegeplatzbewilligung; Verwaltungs; Interesse; Entscheid; Aufhebung; Verfahren; Verwaltungsgericht; Bundes; Rechtspflege; Pflegefamilie; Bundesgericht; Anfechtung; Platzierung; Urteil; Sicherheit; Verfügungen; Bewilligung; Gewährung; Kindes; Eingabe; Beziehung; Streitsache
Rechtsnorm: Art. 48 VwVG ;Art. 89 BGG ;
Referenz BGE:-
Kommentar:
Bernhard Waldmann, Basler Bundesgerichtsgesetz, Art. 89 BGG, 2011

Entscheid des Verwaltungsgerichts VWBES.2016.435

Urteil vom 15. Dezember 2016

Es wirken mit:

Präsidentin Scherrer Reber

Oberrichter Müller

Oberrichter Stöckli

Gerichtsschreiberin Kaufmann

In Sachen

A.___ vertreten durch Rechtsanwältin Therese Hintermann,

Beschwerdeführerin

gegen

1. Departement des Innern, vertreten durch Amt für soziale Sicherheit,

2. B.___

Beschwerdegegner

betreffend Pflegeplatzbewilligung


zieht das Verwaltungsgericht in Erwägung:

I.

1. Mit Verfügungen vom 18. Oktober 2016 erteilte das Amt für soziale Sicherheit namens des Departements des Innern der Familie B.___ die Bewilligung zur Aufnahme der Pflegekinder C.___ (geb. [...] 2001) und D.___ (geb. [...] 2007).

2. Dagegen erhob die Mutter der beiden Kinder, A.___ (nachfolgend Beschwerdeführerin genannt), vertreten durch Rechtsanwältin Therese Hintermann, am 21. November 2016 Beschwerde an das Verwaltungsgericht und ersuchte um Aufhebung der angefochtenen Verfügungen. Es sei der Familie B.___ die Aufnahme der Pflegekinder C.___ und D.___ zu untersagen. Zudem wurde um Nachfrist zur Präzisierung der Rechtsbegehren und einlässlichen Beschwerdebegründung, eventualiter um Wiederherstellung der 10-tägigen Rechtsmittelfrist, sowie um Gewährung der integralen unentgeltlichen Rechtspflege ersucht, alles unter Kostenund Entschädigungsfolgen. Die Verfügungen seien der Vertreterin der Beschwerdeführerin erst am 10. November 2016 durch die Kindesund Erwachsenenschutzbehörde (KESB) zugestellt worden.

3. Mit Eingabe vom 23 November 2016 ersuchte die Vertreterin der Beschwerdeführerin um Einholung und Zustellung der Akten der Vorinstanz.

4. Mit Eingabe vom 28. November 2016 stellte das Amt für soziale Sicherheit den Antrag, es sei vorfrageweise darüber zu entscheiden, ob die Beschwerdeführerin zur Einreichung der Beschwerde gegen die Pflegeplatzbewilligung vom 18. Oktober 2016 legitimiert sei. Die von der Beschwerdeführerin geforderten Unterlagen zum Pflegeplatzbewilligungsverfahren beinhalteten sensible Daten, welche insbesondere höchstpersönliche Rechte der involvierten Pflegefamilie betreffen würden. Da die Beschwer­delegitimation der Beschwerdeführerin in der vorliegenden Angelegenheit umstritten sei, könnten ihres Erachtens die entsprechenden Unterlagen nicht ohne weiteres an die Beschwerdeführerin ausgehändigt werden.

5. Mit Verfügung vom 29. November 2016 wurde der Beschwerdeführerin Gelegenheit gegeben, zu diesem Antrag Stellung zu nehmen, was sie mit Eingabe vom 9. Dezember 2016 auch tat.

II.

1.1 Gemäss Art. 27 Abs. 1 der Pflegekinderverordnung (PAVO, SR 211.222.338) unterliegen Verfügungen, welche die Kindesschutzbehörde gestützt auf diese Verordnung erlässt, der Beschwerde an das zuständige Gericht (gemäss Art. 450 des Schweizerischen Zivilgesetzbuches [ZGB, SR 210]). Sind andere Stellen mit den Befugnissen der Behörde betraut, so richtet sich die Weiterziehung der Verfügung nach kantonalem Recht (Abs. 2).

Im Kanton Solothurn ist das Departement des Innern, vertreten durch das Amt für soziale Sicherheit mit der Ausstellung der Pflegeplatzbewilligung betraut, weshalb sich das Verfahren nach dem kantonalen Verwaltungsrechtspflegegesetz (VRG, BGS 124.11) richtet (Art. 27 Abs. 2 PAVO).

1.2 Gemäss § 12 Abs. 1 VRG ist zur Verwaltungsund Verwaltungsgerichtsbeschwerde legitimiert, wer durch eine Verfügung einen Entscheid besonders berührt wird und ein schutzwürdiges Interesse an deren Aufhebung Änderung hat.

Diese Bestimmung ist im Wesentlichen identisch mit der Regelung der Legitimation im Verwaltungsverfahrensgesetz (Art. 48 VwVG, SR 172.021) des Bundes und derjenigen im Bundesgesetz über das Bundesgericht (Art. 89 Abs. 1 BGG; SR 173.110). Demnach ist zur Anfechtung eines Entscheids nur legitimiert, wer von diesem stärker als jedermann betroffen ist und in einer besonderen, beachtenswerten, nahen Beziehung zur Streitsache steht (Bernhard Waldmann in: Niggli u.a. [Hrsg.], Basler Kommentar, Bundesgerichtsgesetz, Basel 2011, Art. 89 BGG N 12). Als schutzwürdig gelten Beschwerden nur dann, wenn die verlangte Aufhebung Änderung des angefochtenen Akts der Wahrung der Interessen des Beschwerdeführers dient. Das erforderliche eigene Interesse besteht im praktischen Nutzen, den die erfolgreiche Beschwerde dem Beschwerdeführer eintragen würde. Dieser Nutzen kann rechtlicher tatsächlicher Natur sein, sei es, dass durch den Ausgang des Verfahrens die rechtliche Situation des Beschwerdeführers beeinflusst werden kann dass sich damit ein wirtschaftlicher, ideeller materieller Nachteil, den der angefochtene Entscheid für ihn zur Folge hätte, abwenden lässt. Schliesslich muss der Beschwerdeführer ein aktuelles und praktisches Interesse an der Überprüfung des angefochtenen Entscheids Erlasses haben. Dies ist der Fall, wenn der erlittene Nachteil im Zeitpunkt der Beurteilung noch besteht und durch die beantragte Aufhebung des angefochtenen Hoheitsakts beseitigt würde (Bernhard Waldmann, a.a.O., N 15 ff.). Bei Dritten, die nicht Adressaten der angefochtenen Verfügung sind, muss geprüft werden, ob sie durch den Entscheid in ihren Interessen berührt werden, in einer besonderen, beachtenswerten, nahen Beziehung zur Streitsache stehen und damit ein schutzwürdiges Interesse an der Aufhebung Änderung des angefochtenen Entscheids haben. Bei der Beurteilung der Intensität der Betroffenheit ist entscheidend, ob die Beschwerde gegen einen den Adressaten begünstigenden Entscheid ob sie zu dessen Gunsten erhoben werden soll. Dritte, die eine den Adressaten begünstigende Verfügung anfechten wollen, brauchen ein eigenes schutzwürdiges Interesse an der Aufhebung Änderung dieser Verfügung (Bernhard Waldmann, a.a.O., N. 19 f.)

1.3 Die Beschwerdeführerin lässt diesbezüglich vorbringen, als Mutter der Kinder, für welche die Pflegeplatzbewilligungen spezifisch ausgestellt worden seien, habe sie eine besonders nahe und schutzwürdige Beziehung zur Streitsache. Im Rahmen des hängigen Kindesschutzverfahrens bei der KESB habe sie die Aufhebung des Obhutsentzugs und die Rückplatzierung ihrer Kinder verlangt. Sie habe verschiedentlich deutlich gemacht, dass sie mit der Platzierung ihrer Kinder bei ihrer Schwester nicht einverstanden sei, zumal diese jegliche Zusammenarbeit mit ihr verweigere und sich die Kinder aufgrund ihrer eigenen Kinderlosigkeit «aneignen» und zusätzlich zwecks Sanierung ihrer Schulden vom Pflegegeld profitieren wolle. Soweit die Vorinstanz die Akten wegen sensiblen Daten nicht herausgeben wolle, handle es sich dabei möglicherweise um Angaben, die für die Frage der Rechtmässigkeit der Pflegeplatzbewilligung relevant wären. Es sei deshalb nicht angängig, dass diese Akten geheim gehalten würden. Verneine man die Legitimation eines Dritten zur Anfechtung einer derartigen für den Adressaten positiven Verfügung, so bestünde gar keine Möglichkeit, eine derartige Bewilligung auf ihre Rechtmässigkeit zu überprüfen. Dies würde einer willkürlichen Bewilligungserteilung Tür und Tor öffnen. Sicher könne nicht jeder Dritte zur Beschwerde zugelassen werden, doch sei die Beschwerdeführerin direkt von der Frage betroffen, ob ihre Kinder bei Pflegeeltern untergebracht seien, die nach Persönlichkeit, Gesundheit und erzieherischer Eignung für eine gute Pflege, Erziehung und Ausbildung ihrer Kinder Gewähr bieten könnten, weshalb sie als sorgeberechtigte Mutter zur Anfechtung der Pflegeplatzbewilligungen legitimiert sein müsse.

1.4 Im vorliegenden Verfahren geht es nicht primär um die Platzierung der Kinder, sondern darum, ob die Familie B.___ als Pflegefamilie zugelassen werden soll. Dabei obliegt es der Behörde, ihrer Aufsichtspflicht der Pflegefamilie gegenüber nachzukommen und zu prüfen, ob diese die Voraussetzungen zur Erteilung der Pflegeplatzbewilligung erfüllt. Es handelt sich dabei um eine Polizeibewilligung, welche bestätigt, dass eine beabsichtigte private Tätigkeit mit den gesetzlichen Vorschriften im Einklang steht. Die Beschwerdeführerin ist nicht Adressatin dieser Verfügung. Als Dritte ist sie zur Beschwerde nur legitimiert, wenn sie ein eigenes schutzwürdiges Interesse an der Aufhebung Änderung der an die Pflegefamilie erteilten Bewilligung hat und in einer besonderen, beachtenswerten, nahen Beziehung zur Streitsache steht.

Zweifellos beschwerdeberechtigt gewesen wäre die Beschwerdeführerin im Verfahren, in welchem ihr die KESB vorsorglich das Aufenthaltsbestimmungsrecht über ihre Kinder entzogen und diese in der Pflegefamilie B.___ platziert hat. Gegen diesen Entscheid hat die Beschwerdeführerin jedoch keine Beschwerde erhoben. Will sie nun im Nachhinein über die Anfechtung der Pflegeplatzbewilligung gegen den Platzierungsentscheid vorgehen, verhält sie sich zum einen widersprüchlich und zum anderen wäre dieses Vorgehen nicht zielführend, indem der Platzierungsentscheid der KESB dadurch nicht hinfällig würde, sondern vielmehr weiter fortbestünde. Sie hat ihre Interessen im Kindesschutzverfahren vor der KESB geltend zu machen, in welchem über die Platzierung der Kinder entschieden wird. Im vorliegenden Beschwerdeverfahren gegen die Pflegeplatzbewilligungen für ihre Kinder hat sie jedoch kein schutzwürdiges Interesse an der Anfechtung, weshalb auf ihre Beschwerde nicht eingetreten werden kann.

2. Bei diesem Ausgang hat die Beschwerdeführerin grundsätzlich die Kosten des Verfahrens vor Verwaltungsgericht zu bezahlen. Die Beschwerdeführerin hat die Gewährung der integralen unentgeltlichen Rechtspflege beantragt. Gemäss § 76 Abs. 1 VRG kann eine Partei, die nicht über die erforderlichen Mittel für die Prozessführung verfügt, die Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege verlangen, wenn der Prozess nicht als aussichtslos mutwillig erscheint. Wenn dies zur Wahrung der Rechte notwendig ist, kann sie die Bestellung eines unentgeltlichen Rechtsbeistands verlangen. Zwar verfügt die Beschwerdeführerin aufgrund ihrer Abhängigkeit von der Sozialhilfe nicht über die erforderlichen Mittel für die Führung des vorliegenden Prozesses, doch kann ihr die unentgeltliche Rechtspflege nicht bewilligt werden, da das Verfahren zum Vornherein mangels Beschwerdelegitimation als aussichtslos erschien. In Berücksichtigung ihrer beschränkten finanziellen Verhältnisse sind für das Verfahren vor Verwaltungsgericht ausnahmsweise keine Kosten zu erheben.

Demnach wird beschlossen:

1.    Eine Kopie der Eingabe von Rechtsanwältin Therese Hintermann vom 9. De­zember 2016 geht zur Kenntnis an die Parteien.

2.    Auf die Beschwerde wird nicht eingetreten.

3.    Das Gesuch um Gewährung der integralen unentgeltlichen Rechtspflege wird abgewiesen.

4.    Für das Verfahren vor Verwaltungsgericht werden keine Kosten erhoben.

Rechtsmittel: Gegen diesen Entscheid kann innert 30 Tagen seit Eröffnung des begründeten Urteils beim Bundesgericht Beschwerde in öffentlichrechtlichen Angelegenheiten eingereicht werden (Adresse: 1000 Lausanne 14). Die Frist wird durch rechtzeitige Aufgabe bei der Schweizerischen Post gewahrt. Die Frist ist nicht erstreckbar. Die Beschwerdeschrift hat die Begehren, deren Begründung mit Angabe der Beweismittel und die Unterschrift des Beschwerdeführers seines Vertreters zu enthalten. Für die weiteren Voraussetzungen sind die Bestimmungen des Bundesgerichtsgesetzes massgeblich.

Im Namen des Verwaltungsgerichts

Die Präsidentin Die Gerichtsschreiberin

Scherrer Reber Kaufmann

Das vorliegende Urteil wurde vom Bundesgericht mit Urteil 5A_88/2017 vom 25. September 2017 teilweise (Ziffer 3) aufgehoben.



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