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Urteil Verwaltungsgericht (SO - VWBES.2016.389)

Zusammenfassung des Urteils VWBES.2016.389: Verwaltungsgericht

A.___ aus Nigeria wurde zu einer Freiheitsstrafe verurteilt und beantragte eine bedingte Entlassung, die jedoch vom Departement des Innern verweigert wurde. Trotz positiver Entwicklungen im Strafvollzug und Vorbereitungen für eine Rückkehr nach Nigeria wurde die bedingte Entlassung erneut abgelehnt. Das Verwaltungsgericht hob diese Entscheidung auf und ordnete die bedingte Entlassung an, verbunden mit der Organisation der Ausschaffung nach Nigeria. Die Kosten des Verfahrens trägt der Kanton Solothurn.

Urteilsdetails des Verwaltungsgerichts VWBES.2016.389

Kanton:SO
Fallnummer:VWBES.2016.389
Instanz:Verwaltungsgericht
Abteilung:-
Verwaltungsgericht Entscheid VWBES.2016.389 vom 24.11.2016 (SO)
Datum:24.11.2016
Rechtskraft:-
Leitsatz/Stichwort:Verweigerung der bedingten Entlassung
Schlagwörter: Entlassung; Beschwerde; Vollzug; Beschwerdeführers; Therapie; Vollzug; Nigeria; Verwaltungsgericht; Verhalten; Vollzugs; Delikt; Urteil; Departement; Bericht; Freiheit; Innern; Justizvollzug; Solothurn; Kanton; Persönlichkeit; Voraussetzung; Verweigerung; Freiheitsstrafe; Lenzburg
Rechtsnorm: Art. 75a StGB ;Art. 86 StGB ;
Referenz BGE:119 lV 5; 124 IV 193; 124 lV 193; 133 IV 201;
Kommentar:
-

Entscheid des Verwaltungsgerichts VWBES.2016.389

Urteil vom 24. November 2016

Es wirken mit:

Präsidentin Scherrer Reber

Oberrichter Müller

Oberrichter Stöckli

Gerichtsschreiberin Gottesman

In Sachen

A.___ vertreten durch Rechtsanwältin Eveline Roos

Beschwerdeführer

gegen

Departement des Innern, vertreten durch Amt für Justizvollzug

Beschwerdegegner

betreffend Verweigerung der bedingten Entlassung


zieht das Verwaltungsgericht in Erwägung:

I.

1. A.___, geboren am 1. Oktober 1984, von Nigeria, wurde mit Urteil der Strafkammer des Obergerichts des Kantons Solothurn vom 16. Januar 2013 wegen versuchter vorsätzlicher Tötung und wegen Erschleichens einer Leistung (geringfügiges Vermögensdelikt) zu einer Freiheitsstrafe von 7 Jahren und einer Busse von CH 150.00 (Ersatzfreiheitsstrafe 2 Tage) verurteilt. Die bis dahin erstandene Untersuchungshaft sowie die Zeit im vorzeitigen Strafvollzug (18. Dezember 2010 bis 16. Januar 2013) wurden an die Freiheitsstrafe angerechnet. Seit dem 11. September 2012 befindet sich A.___ in der Justizvollzugsanstalt (JVA) Lenzburg.

2. Das ordentliche Strafende dieser Freiheitsstrafe fällt auf den 21. Dezember 2017. Zwei Drittel der Strafe und damit der früheste Zeitpunkt für eine bedingte Entlassung waren am 19. August 2015 erreicht.

3. Das Staatssekretariat für Migration (SEM) war am 29. November 2012 auf das Asylgesuch von A.___ nicht eingetreten und hatte ihn aus der Schweiz weggewiesen. Damit steht fest, dass er die Schweiz nach Verbüssung der Haftstrafe zu verlassen hat.

4. Mit Schreiben vom 22. Mai 2015 stellte A.___ ein Gesuch um bedingte Entlassung nach Art. 86 Schweizerisches Strafgesetzbuch (StGB, SR 311.0).

5. Nachdem das Departement des Innern (DdI) einen Führungsbericht der JVA Lenzburg (mit Ergänzung) und eine Stellungnahme der Bewährungshilfe eingeholt und A.___ das rechtliche Gehör gewährt hatte, verfügte es am 30. Juli 2015, A.___ werde die bedingte Entlassung auf den 19. August 2015 verweigert und es sei vor Ablauf eines Jahres erneut zu prüfen, ob die bedingte Entlassung gewährt werden könne. Zusammengefasst zog das DdI das Fazit, die Schlussfolgerungen der Vollzugsbehörde seien nachvollziehbar, schlüssig und konsistent. Das Vollzugsverhalten müsse bestenfalls als durchzogen beurteilt werden und es müsse vom Fortbestehen der Risikofaktoren, auch zur Begehung von erneuten schweren Gewaltdelikten, ausgegangen werden.

6. Eine dagegen eingereichte Beschwerde wies das Verwaltungsgericht mit Urteil VWBES.2015.296 vom 15. Oktober 2015 ab. Allerdings zog es abschliessend in Erwägung, dass bei einem weiter anhaltenden problemlosen Vollzug (ohne Disziplinierungen) und einer Klärung des sozialen Empfangraums in Nigeria eine vorzeitige Entlassung kombiniert mit einer Ausschaffung nach Nigeria gestützt auf den Bericht der Abteilung Strafund Massnahmenvollzug anlässlich der nächsten Prüfung wohl nicht mehr verweigert werden könne.

7. Am 4. Juli 2016 liess die Vollzugsleitung der JVA Lenzburg dem Amt für Justizvollzug das Gesuch von A.___ um bedingte Entlassung zukommen, dies zusammen mit einem Empfehlungsschreiben. Die Rechtsanwältin des Gesuchstellers ersuchte das Amt mit Schreiben vom 20. Juli 2016 zusätzlich, die Entlassungsvorbereitungen in die Wege zu leiten. Begründet wurde der Entlassungsantrag sinngemäss damit, dass seit dem Urteil des Verwaltungsgerichts beinahe 10 Monate vergangen seien, eine Zeit, in der A.___ alles unternommen habe, um die an ihn gestellten Anforderungen für eine bedingte Entlassung zu erfüllen. Er habe ein Entlassungssetting in Nigeria und nehme regelmässig an Therapiegesprächen teil.

8. Nachdem das Amt für Justizvollzug einen Therapieverlaufsbericht und eine schrift­liche Empfehlung der Bewährungshilfe eingeholt hatte, gewährte es A.___ das rechtliche Gehör und stellte ihm in Aussicht, beim Departement die Verweigerung der bedingten Entlassung zu beantragen. Mit Verfügung vom 13. Oktober 2016 folgte das DdI diesem Antrag: Es verweigerte die bedingte Entlassung auf den 13. Oktober 2016.

9. Dagegen gelangte A.___ mit Eingabe vom 18. Oktober 2016 ans Verwaltungsgericht. Er beantragte die Aufhebung der angefochtenen Verfügung des DdI und die Gewährung der bedingten Entlassung aus dem Strafvollzug. Gleichzeitig ersuchte er um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung. Er machte sinngemäss und im Wesentlichen geltend, er erfülle alle Voraussetzungen nach Art. 86 StGB. Weshalb ihm das DdI entgegen der Empfehlung der JVA Lenzburg die bedingte Entlassung verweigere, sei unverständlich.

10. Das Amt für Justizvollzug schloss namens des DdI am 14. November 2016 auf Abweisung der Beschwerde.

11. Der Beschwerdeführer wiederum hielt in seiner Eingabe vom 16. November 2016 sinngemäss an seinen Anträgen und deren Begründung fest.

12. Für die weiteren Ausführungen der Parteien wird auf die Akten verwiesen; soweit erforderlich, ist im Folgenden darauf einzugehen.

II.

1. Die Beschwerde ist fristund formgerecht erhoben worden. Sie ist zulässiges Rechtsmittel und das Verwaltungsgericht zur Beurteilung zuständig (vgl. § 36 des Justizvollzugsgesetzes, JUVG, BGS 331.11, i.V.m. § 49 Gerichtsorganisationsgesetz, GO, BGS 125.12). A.___ ist durch den angefochtenen Entscheid beschwert und damit zur Beschwerde legitimiert. Auf die Beschwerde ist einzutreten.

2.1 Der dem Beschwerdeführer auferlegten Freiheitsstrafe liegt gemäss Urteil des Obergerichts vom 16. Januar 2013 folgender Sachverhalt zugrunde: Der Beschwerdeführer sei vom späteren Opfer vor weiteren Bewohnern einer Asylunterkunft beleidigt und geringfügig körperlich verletzt worden. Nach einer Auseinandersetzung sei der Beschwerdeführer in die Küche gegangen, habe ein Messer geholt und das Opfer vor der Tür «abgepasst». Als dieses aus der Tür getreten sei, habe er es mit mehreren Stichen eines 11.5 cm langen Messer im Bereich von Kopf, Hals und Schulter verletzt und somit die unmittelbare Gefahr einer lebensgefährlichen Verletzung mit Todesfolge geschaffen. Sein Motiv sei ehrlos und egoistisch gewesen.

2.2 Hat der Gefangene zwei Drittel seiner Strafe, mindestens aber drei Monate verbüsst, so ist er durch die zuständige Behörde bedingt zu entlassen, wenn es sein Verhalten im Strafvollzug rechtfertigt und nicht anzunehmen ist, er werde weitere Verbrechen Vergehen begehen (Art. 86 Abs. 1 StGB). Die zuständige Behörde prüft von Amtes wegen, ob der Gefangene bedingt entlassen werden kann. Sie holt einen Bericht der Anstaltsleitung ein. Der Gefangene ist anzuhören (Art. 86 Abs. 2 StGB). Wird die bedingte Entlassung verweigert, so hat die zuständige Behörde mindestens einmal jährlich neu zu prüfen, ob sie gewährt werden kann (Art. 86 Abs. 3 StGB).

2.3 Für die bedingte Entlassung zuständige Behörde im Kanton Solothurn ist das Departement des Innern (vgl. § 6 lit. b JUVG i.V.m. § 3 lit. b der entsprechenden Vollzugsverordnung, JUVV, BGS 331.12).

2.4 Die bedingte Entlassung bildet die Regel, von der nur aus guten Gründen abgewichen werden darf. Der bedingt Entlassene soll den Umgang mit der Freiheit erlernen, was nur in Freiheit möglich ist. Diesem rein spezialpräventiven Zweck stehen die Schutzbedürfnisse der Allgemeinheit gegenüber, welchen umso höheres Gewicht beizumessen ist, je hochwertiger die gefährdeten Rechtsgüter sind. Die Prognose über das künftige Wohlverhalten ist in einer Gesamtwürdigung zu erstellen, welche neben dem Vorleben, der Persönlichkeit und dem Verhalten des Täters während des Strafvollzugs vor allem dessen neuere Einstellung zu seinen Taten, seine allfällige Besserung und die nach der Entlassung zu erwartenden Lebensverhältnisse berücksichtigt. Dabei steht der zuständigen Behörde ein Ermessensspielraum zu (vgl. BGE 133 IV 201 E. 2.3 mit Hinweisen). Unter dem Gesichtspunkt der Differentialprognose ist sodann zu prüfen, ob die Gefahr einer Begehung weiterer Straftaten bei einer bedingten Entlassung bei Vollverbüssung der Strafe höher einzuschätzen ist. Bei Vorliegen zweier eindeutig negativer Prognosen ist die bedingte Entlassung aus spezialpräventiver Sicht zu verweigern (vgl. Cornelia Koller in: Marcel Alexander Niggli et al. [Hrsg.], Basler Kommentar, Strafrecht I, Basel 2013, Art. 86 N 16).

2.5 Unbestrittenermassen erfüllt sind im vorliegenden Fall die formellen Voraus-setzungen der bedingten Entlassung nach Art. 86 StGB. Das Departement des Innern hat als zuständige Behörde über die bedingte Entlassung entschieden, der Beschwerdeführer hat zwei Drittel seiner Freiheitsstrafe verbüsst, ihm wurde das rechtliche Gehör gewährt, und die Berichte der Anstaltsleitung und der Bewährungshilfe liegen vor.

3. Das Verwaltungsgericht hat sich bereits im Oktober 2015 eingehend mit dem Fall des Beschwerdeführers befasst, weshalb sich ausführliche Erwägungen zu den von Gesetz und Rechtsprechung formulierten Anforderungen erübrigen. Der Vollständigkeit halber seien aber gewisse grundsätzliche Darlegungen dennoch wiederholt.

3.1 Fraglich ist wiederum das Vorliegen der materiellen Voraussetzungen für eine bedingte Entlassung des Beschwerdeführers. Die Gewichtung dieser Voraussetzungen ist in der Lehre umstritten. Die Praxis in der Rechtsprechung des Bundesgerichts tendiert seit längerer Zeit dazu, verstärkt auf spezialpräventive Kriterien abzustellen. Ein vorbildliches Verhalten im Strafvollzug ist nicht mehr unabdingbare Voraussetzung für eine bedingte Entlassung. Das Bundesgericht stellte sogar fest, es sei fraglich, ob das Benehmen des Inhaftierten während des Strafvollzuges überhaupt noch als selbständiges Kriterium bloss als Teilelement bei der Beurteilung der Bewährungsaussichten im Gesamtzusammenhang mitzuberücksichtigen sei. Es sei im Wesentlichen auf die Bewährungsprognose abzustellen (vgl. BGE 133 IV 201; BGE 119 lV 5; BGE 124 lV 193). Das Benehmen während des Vollzugs ist allerdings nicht völlig ausser Acht zu lassen. Ungeachtet der Schwerpunkte, welche die heutige Rechtsprechung bezüglich der Gewichtung der einzelnen Kriterien setzt, darf die Norm keinesfalls entgegen dem Wortlaut ausgelegt werden. Art. 86 Abs. 1 StGB nennt ausdrücklich das Erfordernis, das Verhalten während des Strafvollzuges dürfe nicht gegen eine Entlassung sprechen.

3.2 Welche Art von Delikt zur Freiheitsstrafe geführt hat, ist an sich für die Prognose nicht entscheidend. Die Entlassung darf nicht für gewisse Tatkategorien erschwert werden. Die Umstände der Straftat sind insoweit beachtlich, als sie Rückschlüsse auf die Täterpersönlichkeit und damit auf das künftige Verhalten erlauben. Ob die mit einer bedingten Entlassung in gewissem Masse stets verbundene Gefahr neuer Delikte zu verantworten ist, hängt im Übrigen nicht nur davon ab, wie wahrscheinlich ein neuer Fehltritt ist, sondern auch von der Bedeutung des eventuell bedrohten Rechtsguts. So darf bei unbedeutenden Eigentumsdelikten ein höheres Risiko eingegangen werden als bei Gewaltverbrechen gegen hochwertige Rechtsgüter wie Leib und Leben. Bei der Würdigung der Bewährungsaussichten ist ein vernünftiges Mittelmass zu halten in dem Sinne, dass nicht jede noch so entfernte Gefahr neuer Straftaten eine Verweigerung der bedingten Entlassung zu begründen vermag, ansonsten dieses Institut seines Sinnes beraubt würde. Es darf aber auch nicht aufgrund einzelner günstiger Faktoren die bedingte Entlassung bewilligt werden, obwohl gewichtigere Anhaltspunkte für die Gefahr neuer Rechtsbrüche sprechen (Urteil 6B_1188/2015 des Bundesgerichts vom 22. Februar 2016 E. 1.1.4, mit Hinweis auf BGE 124 IV 193 E. 3).

4. Schon in seinem letztjährigen Urteil hat das Verwaltungsgericht in E. 4.8 festgehalten, bei einem weiter anhaltenden problemlosen Vollzug (ohne Disziplinierungen) und einer Klärung des sozialen Empfangsraums (in Nigeria) könne eine vorzeitige bedingte Entlassung kombiniert mit einer Ausschaffung nach Nigeria gestützt auf den Bericht (zur Beurteilung des aktuellen Rückfallrisikos) der Abteilung Strafund Massnahmenvollzug anlässlich der nächsten Prüfung wohl nicht mehr verweigert werden, zumal unklar erscheine, woraus sich eine Pflicht zur Vorlage der Vollzugsöffnung an die KOFAKO (nach Art. 75a StGB) wegen Gemeingefahr ergeben solle. Es fragt sich also, ob diese Voraussetzungen nun erfüllt sind.

4.1 Dem von der JVA Lenzburg gestellten Gesuch um bedingte Entlassung vom 4. Juli 2016 ist zu entnehmen, dass der Beschwerdeführer noch immer in der Küche arbeitet, jedoch nun hauptsächlich beim Kochen hilft. Die Gewerbemeister seien nach wie vor zufrieden mit seinen Leistungen.

Der Beschwerdeführer besuche nun seit mehreren Monaten regelmässig Therapiesitzungen bei der Psychologin der JVA. Diesbezüglich sei ein separater Bericht einzufordern.

Der Beschwerdeführer halte sich meist an die Hausordnung und befolge die Weisungen der Vollzugsangestellten ohne Widerrede. Von den insgesamt drei durchgeführten Urinproben hätten zwei ein negatives Ergebnis auf Cannabis, Kokain und Opiate ergeben. Eine Urinprobe habe der Beschwerdeführer verweigert. Seit dem 26. Mai 2015 sei es zu zwei nennenswerten Disziplinierungen gekommen, am 20. Januar 2016 zu fünf Tagen Arrest wegen Verweigerung der Urinprobe und am 17. Juni 2016 zu einer Umtriebsentschädigung von CHF 100.00 wegen Verweigerung von Handund Fussfesseln für den Polizeitransport ins Röntgeninstitut Aarau.

Der Beschwerdeführer habe im persönlichen Gespräch mit dem Sozialdienst angegeben, dass er nach der bedingten Entlassung nach Nigeria zurückkehren möchte. Seine Familie erwarte ihn am Flughafen. Er werde bei ihnen wohnen, bis er eine Arbeitsstelle gefunden habe. Zusätzlich möchte er sich um seine kranke Mutter kümmern. Er werde sich um eine Arbeitsstelle im Bereich Administration bemühen. Sollte er dort keinen Job finden, werde er sich vorübergehend Arbeit in einer Küche suchen. Später möchte er eine eigene Wohnung und grundsätzlich ein neues Leben aufbauen. Zudem wolle er regelmässigen Kontakt zu seinen Söhnen. Sobald er genug Geld gespart habe, plane er, ein eigenes Unternehmen aufzubauen.

Seit mehreren Monaten besuche der Beschwerdeführer regelmässige Therapiegespräche beim Psychologischen Dienst. Das R&R-Programm («Reasoning and Rehabilitation Program») sei nie durchgeführt worden, weshalb er auch nicht daran habe teilnehmen können.

Die Anstaltsleitung führte weiter aus, aufgrund des angepassten Verhaltens im Vollzugsalltag spreche aus ihrer Sicht nichts gegen eine bedingte Entlassung. Der Beschwerdeführer sei darum auf den nächstmöglichen Termin unter Ansetzung einer angemessenen Probezeit bedingt aus dem Strafvollzug zu entlassen, sofern das Verhalten bis dahin zu keinen schwerwiegenden Beanstandungen Anlass gebe sowie unter der Voraussetzung einer unmittelbar an den Vollzug anschliessenden kontrollierten Ausreise aus der Schweiz. Von der Anordnung einer Sozialaufsicht sei im Hinblick auf die zu vollziehende Wegweisung abzusehen.

4.2 Ergänzend dazu präzisierte der Sicherheitsbeauftragte (SI/CSD Stv.) der JVA, B.___, zuhanden der Rechtsanwältin des Beschwerdeführers am 28. September 2016 die näheren Umstände, die zu den Disziplinierungen geführt hatten. Diese seien in beiden Fällen «höchst brisant» und die Reaktion des Beschwerdeführers sei zwar der Hausordnung zuwiderlaufend, jedoch für den Schreibenden mit seinen 35 Dienstjahren verständlich. Es schmerze «in der Seele, wenn man zu den Handschellen, die ausreichen würden, noch Fussschellen angelegt» bekomme, um dann «im öffentlichen Raum vorgeführt zu werden». Die Verweigerung einer Urinprobe führe immer zu einer Disziplinierung. In manchen Fällen lasse sich aber über den Sinn und Zweck einer Urinprobe streiten allerdings nicht mit den Insassen. Wäre der Beschwerdeführer in einer anderen Anstalt untergebracht gewesen, hätte er nach Meinung des Sicherheitsbeauftragten vielleicht nie eine Urinprobe abgeben müssen. Die Betäubungsmittelpolitik sei von Anstalt zu Anstalt verschieden.

4.3 Der Therapieverlaufsbericht der «forio» AG (Forensisches Institut Zentralschweiz) vom 5. August 2016 hält zum Behandlungssetting zunächst fest, der Beschwerdeführer habe seit dem 5. November 2015 freiwillig wöchentlich stattfindende Therapiesitzungen im Einzelsetting bei der Psychologin aufgenommen. Die bis dahin 29 Sitzungen seien in englischer Sprache durchgeführt worden. Übergeordnetes Ziel sei die Verminderung der Rückfallgefahr für neue einschlägige Delikte. Der Beschwerdeführer habe sich auch über eine R&R2-Schulung informiert, es sei aber im fraglichen Zeitpunkt keine angeboten worden und es gebe auch keine Möglichkeit, diese auf Englisch zu besuchen.

Sodann wird dargelegt, dass beim Beschwerdeführer augenscheinlich keine psychischen Störungen vorlägen. Seine Persönlichkeit werde vor allem durch seine Impulsivität und aufbrausende Art beschrieben. Er sei selber der Meinung, er trage viel Wut und Enttäuschung in sich, dies seit seiner Kindheit. Der Beschwerdeführer sei ausserordentlich stur im Denken und in seinen Einstellungen, jedoch fähig, andere Meinungen anzuhören. Ebenfalls zeige er eine starke traditionelle Wertvorstellung, in der die Mutter eine zentrale Rolle einnehme. Aufgrund seiner Erfahrungen in der Vergangenheit (Trennung von der Ex-Frau) zeige sich der Beschwerdeführer zurückhaltend und bekunde Mühe, Vertrauen aufzubauen. Im therapeutischen Verlauf seien die Themen Wut, Impulsivität, Familie und Vertrauen thematisiert worden. Der Beschwerdeführer sei jeweils zuverlässig zu den Therapiesitzungen erschienen und habe, nach anfänglichen Schwierigkeiten, ein hinreichend vertrauensvolles Arbeitsbündnis zur Therapeutin aufbauen können. Der Beschwerdeführer habe während seiner Inhaftierung tragische Schicksalsschläge erlebt, so den Tod eines Bruders und des Vaters, die schwere Erkrankung der Mutter und die prägende Scheidung von seiner Ex-Frau. Er trage als ältester Sohn viel Verantwortung für seine Geschwister und deren Familien, eine Aufgabe, die ihm enorm wichtig sei. Das Delikt habe er in einer Sitzung erläutert, er sei jedoch nicht bereit gewesen, dieses aufzuarbeiten. Eine Tataufbereitung im eigentlichen Sinn habe nicht stattgefunden. Der Beschwerdeführer habe sich aber bereit gezeigt, deliktrelevante Faktoren zu identifizieren und damit zu arbeiten. Somit seien das Thema Wut und der Umgang damit sowie die Anspannung und Entspannung zum «roten Faden» der Therapie geworden. Das Delikt sei stetig wieder angesprochen und in die Analyse mit einbezogen worden. Bei der Schilderung der gemeinsamen Therapiearbeit führt die Psychologin u.a. aus, es sei dem Beschwerdeführer gut gelungen, Strategien im Umgang mit Wut im Alltag umzusetzen.

Bis zur möglichen bedingten Entlassung im Oktober 2016 sei eine Weiterführung der Therapie indiziert. Weitere Ziele seien das Erarbeiten von Strategien und Optionen im Umgang mit der Sturheit des Beschwerdeführers, insbesondere beim Verstehen und Annehmen von anderen Meinungen und in Diskussionen. Weiter stehe die Bearbeitung seines persönlichen Risikomanagements an. Es sei von zentraler Wichtigkeit, dass der Beschwerdeführer seine eigenen Risikofaktoren besser und differenzierter kenne. Bezüglich der Entlassung habe der Beschwerdeführer klare Vorstellungen, was er machen möchte. Er plane, zurück nach Nigeria zu fliegen, um sich um die kranke Mutter zu kümmern und werde vorerst bei der Familie leben. Anschliessend wolle er seine Kinder besuchen und einen Job im Administrativwesen finden. Sein grosses Ziel sei, sich irgendwann selbständig zu machen.

Abschliessend hielt die Psychologin fest, zum aktuellen Zeitpunkt könne aus therapeutischer Sicht bezüglich der Legalprognose und des Rückfallrisikos keine fundierte Aussage gemacht werden.

4.4 Kurz gehalten ist der Bericht der Bewährungshilfe vom 17. August 2016. Dort wird ausgeführt, seit Mai 2015 habe der Beschwerdeführer zwar therapeutische Sitzungen wahrgenommen, sich aber nicht vertieft mit der Tat auseinandergesetzt. Ebenfalls gehe aus dem Bericht der Therapeutin nicht hervor, dass der Beschwerdeführer die Verantwortung übernommen und sich ernsthaft auf einen Veränderungsprozess eingelassen hätte. Ebenso wenig sei es ihm gelungen, den Vollzug ohne weitere Beanstandungen zu meistern, er habe zweimal diszipliniert werden müssen. Die Bewährungshilfe könne der bedingten Entlassung zum heutigen Zeitpunkt (also im August 2016) nicht zustimmen.

4.5 Gestützt auf diese Ausgangslage schloss das Amt für Justizvollzug, der Beschwerdeführer werde als Persönlichkeitstäter erachtet, bei welchem davon auszugehen sei, dass situative Umstände bei der Tatbegehung eine untergeordnete Rolle gespielt hätten. So arbeite «forio» denn auch vor allem an deliktrelevanten Persönlichkeitsauffälligkeiten beim Beschwerdeführer und nenne als deliktrelevante Faktoren ausschliesslich solche. Eine eigentliche Tataufarbeitung habe nicht stattgefunden. Dies lasse darauf schliessen, dass der Beschwerdeführer «immer noch weit weg von einer Verantwortungsübernahme für das eigene Handeln» sei. Anfangs August habe der Beschwerdeführer noch über kein tragfähiges Risikomanagement verfügt. Dem versuchten vorsätzlichen Tötungsdelikt hätten vor allem fest in der Persönlichkeit verankerte dysfunktionale Verhaltensweisen zugrunde gelegen. Um zu verhindern, dass es in einer vergleichbaren Konfliktund Belastungssituation wieder zu einer Eskalation unter Gewaltanwendung komme, bedürfe es entweder einer nachhaltigen Veränderung in der Persönlichkeitsdisposition der Beschwerdeführer müsse lernen, sich besser zu kontrollieren und zu steuern. In Bezug auf Ersteres sei der Zeitbedarf sehr hoch, in Bezug auf die Fähigkeit zur Selbstkontrolle und steuerung eine Tataufarbeitung zentral. In Ansätzen mögen sich aus Sicht des Amts eine Veränderung in der Persönlichkeit und ein Risikomanagement feststellen lassen, jedoch könne zum heutigen Zeitpunkt bei weitem noch nicht von einer ausreichend deliktpräventiven Wirkung ausgegangen werden. Aufgrund der Schwere des Delikts bedürfe es bei der Gewährung von Vollzugsöffnungen, im Speziellen einer bedingten Entlassung, einer hohen Handlungssicherheit. Eine solche fehle weiterhin. Insgesamt sei positiv zu werten, dass sich der Beschwerdeführer einer freiwilligen ambulanten Therapie unterziehe und die Entlassungsvorbereitungen nun realistischer erschienen als bei der letzten Prüfung. Es liessen sich jedoch noch keine bedeutenden und nachhaltigen, legalprognostisch relevanten Fortschritte erkennen, welche das in der Person des Beschwerdeführers liegende Rückfallrisiko für schwere Gewaltdelikte ausreichen zu verändern kompensieren vermöchten. Ob die Familie einen schützenden Faktor spiele, müsse offen gelassen werden. In der Vergangenheit sei dies nicht der Fall gewesen. Es fänden sich keine Hinweise dafür, dass die Rückfallgefahr bei einer Rückkehr nach Nigeria geringer wäre als bei einem Verbleib in der Schweiz. Differenzialprognostisch falle die legalprognostische Einschätzung nach wie vor ungünstig aus.

5.1 Mit ihrer Argumentation verkennt die Vorinstanz, dass beim Beschwerdeführer nachgerade keine Therapie verfügt wurde. Es dürfte denn auch ziemlich schwierig sein, eine solche in einer Fremdsprache erfolgreich durchzuführen. Dass er sich nun wenn auch unter dem Eindruck des letztjährigen Entscheids und um eine bedingte Entlassung zu erreichen dennoch freiwillig etlichen Therapiesitzungen unterzogen hat, ist ihm zugute zu halten. Die Anforderungen, welche die Vor­instanz an die Verminderung der Rückfallgefahr stellt, lassen eine bedingte Entlassung grundsätzlich illusorisch werden, dies, obwohl sie eigentlich den Regelfall darstellen sollte. Hinzu kommt, dass der Therapieverlaufsbericht durchaus positive Aspekte erwähnt. Auch wenn keine eigentliche Deliktsaufarbeitung im engeren Sinn möglich war was schon aufgrund sprachlicher Barrieren nicht einfach sein dürfte , hat der Beschwerdeführer sich doch bemüht, Strategien zu erarbeiten, um mit seiner Wut umzugehen. Hinzu kommt, dass das Delikt an sich nicht einfach verdrängt wurde. Wie dem Bericht der «forio» zu entnehmen ist, sei dieses stetig wieder angesprochen und in die Analyse mit einbezogen worden. Das ordentliche Strafende ist am 21. Dezember 2017 erreicht. Ob die Legalprognose mittels Therapie bis dahin tatsächlich massgeblich verbessert werden kann, scheint zweifelhaft, zumal die Motivation des Beschwerdeführers durch den abschlägigen Entscheid des DdI ziemlich gedämpft worden sein dürfte.

5.2 Des Weitern ist zu beachten, dass der Beschwerdeführer im Verlaufe des gesamten Vollzugs nie gewalttätig aufgefallen ist. Zwar wurde er dieses Jahr zweimal diszipliniert. Indes sind diese Vorfälle nicht deliktrelevant und lassen nicht per se auf eine mangelnde Anpassungsbereitschaft des Beschwerdeführers schliessen. Die dazu gemachten Relativierungen des Sicherheitsbeauftragten der JVA sind durchaus nachvollziehbar. Wie der Antrag der JVA Lenzburg vom 4. Juli 2016 zeigt, wurde sein Verhalten weiterhin positiv beurteilt. Der Beschwerdeführer ist denn auch kein Wiederholungstäter, was bei der Beurteilung der Rückfallgefahr ebenfalls in die Waagschale zu werfen ist.

5.3 Konkreter wenn auch nicht wirklich ausgereift und überprüfbar sind mittlerweile die Vorstellungen des Beschwerdeführers zu seinem Leben in Nigeria nach dem Strafvollzug. Ein starkes Motiv für seinen Rückkehrwillen scheint die Betreuung der kranken Mutter zu sein. Er hat sich, soweit ersichtlich, realistische Gedanken zu seiner Wohnsituation (bei seiner Familie) und den beruflichen Aussichten gemacht. Dabei zieht der Beschwerdeführer auch in Erwägung, seine im Strafvollzug erlangten Kenntnisse in der Heimat anzuwenden und allenfalls in einer Küche zu arbeiten, bis sich bessere Möglichkeiten bieten. Dies scheint plausibel und ein ausgereifterer Plan als noch vor einem Jahr.

5.4 Künftiges Verhalten lässt sich nicht (mit Sicherheit) voraussagen. Für eine bedingte Entlassung ist nicht die Überzeugung vorauszusetzen, der Verurteilte werde sich bewähren. Es genügt, wenn dies vernünftigerweise erwartet werden kann (vgl. Cornelia Koller in: Marcel Alexander Niggli et al. [Hrsg.], Basler Kommentar, Strafrecht I, Basel 2013, Art. 86 StGB N 15). Wie gesehen verlangt das Bundesgericht keine Gewissheit, dass sich der Beschwerdeführer gebessert hat. In BGE 133 IV 201 hatte es den Fall eines einschlägig vorbestraften Beschwerdeführers zu beurteilen und hielt in E. 3.2 fest: «Soll nämlich die bedingte Entlassung nach dem klaren Willen des Gesetzgebers die Regel bilden, geht es nicht an, die günstige Legalprognose gestützt allein auf das (Bedenken weckende) Vorleben zu verneinen». Es dürfe weder allein auf das Vorleben des Beschwerdeführers abgestellt, noch das Schutzbedürfnis der Bevölkerung verabsolutiert werden, weil mit dieser Argumentation die bedingte Entlassung für jeden einschlägig vorbestraften Täter von vornherein ausgeschlossen wäre, was Sinn und Zweck der gesetzlichen Regelung widerspreche, eine Überschreitung des Ermessensspielraum darstelle und damit Art. 86 Abs. 1 StGB verletze (vgl. BGE 133 IV 201 E. 3.2 S. 206 f).

Wenn dies für einen einschlägig vorbestraften Täter gilt, muss diese Überlegung vorliegend erst recht zu berücksichtigen sein, da keine derartigen Vorstrafen zur Diskus­sion stehen. Einzig auf das (bislang einmalige) ausschlaggebende Delikt und die mangelhafte, aber nicht gänzlich fehlende Auseinandersetzung mit der Tat abzustellen und daraus ein nicht hinnehmbares Rückfallrisiko abzuleiten, geht nicht an.

6. Die Beschwerde erweist sich somit als begründet, sie ist gutzuheissen: Die Verfügung des Departements des Innern vom 13. Oktober 2016 ist aufzuheben. Der Beschwerdeführer ist bedingt zu entlassen. Die Sache ist an die Vorinstanz zurückzuweisen, um mit dem Migrationsamt die Modalitäten der Ausschaffung des Beschwerdeführers nach Nigeria zu organisieren.

7. Die Rechtsvertreterin des Beschwerdeführers ersuchte um unentgeltliche Rechtspflege unter Beiordnung ihrer Person als unentgeltliche Rechtsvertreterin. Über das Gesuch wurde bisher nicht entschieden. Mit dem Obsiegen im Beschwerdeverfahren ist das Gesuch gegenstandslos geworden. Der Kanton Solothurn hat demnach die Kosten des Verfahrens vor Verwaltungsgericht zu tragen. Gemäss der von der Rechtsanwältin des Beschwerdeführers eingereichten, angemessenen Honorarnote ist der Aufwand für das Beschwerdeverfahren vor dem Verwaltungsgericht zu entschädigen. Dies ergibt eine Entschädigung von total CHF 2372.20 (11.92 Stunden à CHF 180.00 zuzügl. CHF 51.50 Auslagen + 8 % MWST), welche vom Kanton Solothurn zu bezahlen ist (§ 77 VRG i.V.m. §§ 160 und 161 des Gebührentarifs, GT, BGS 615.11).

Demnach wird erkannt:

1.    Die Beschwerde wird gutgeheissen: Die Verfügung des Departements des Innern vom 13. Oktober 2016 wird aufgehoben.

2.    Die Sache wird an das Departement des Innern zurückgewiesen zur bedingten Entlassung von A.___, verbunden mit der Organisation der Ausschaffung von A.___ nach Nigeria in Rücksprache mit dem Migrationsamt des Kantons Solothurn.

3.    Der Kanton Solothurn trägt die Kosten des Verfahrens vor Verwaltungsgericht.

4.    Der Kanton Solothurn hat A.___ eine Parteienschädigung von CHF 2372.20 (inkl. Auslagen und MWST) zu bezahlen.

Rechtsmittel: Gegen diesen Entscheid kann innert 30 Tagen seit Eröffnung des begründeten Urteils beim Bundesgericht Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten eingereicht werden (Adresse: 1000 Lausanne 14). Die Frist wird durch rechtzeitige Aufgabe bei der Schweizerischen Post gewahrt. Die Frist ist nicht erstreckbar. Die Beschwerdeschrift hat die Begehren, deren Begründung mit Angabe der Beweismittel und die Unterschrift des Beschwerdeführers seines Vertreters zu enthalten. Für die weiteren Voraussetzungen sind die Bestimmungen des Bundesgerichtsgesetzes massgeblich.

Im Namen des Verwaltungsgerichts

Die Präsidentin Die Gerichtsschreiberin

Scherrer Reber Gottesman



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