Zusammenfassung des Urteils VWBES.2016.319: Verwaltungsgericht
A.___ hatte seinen Führerschein bereits für drei Monate verloren, nachdem er unter Drogeneinfluss gefahren war. Später verursachte er einen Auffahrunfall und erhielt eine Geldstrafe. Die Motorfahrzeugkontrolle entzog ihm daraufhin erneut den Führerschein für einen Monat. A.___ beschwerte sich dagegen, aber das Verwaltungsgericht entschied, dass die Massnahme gerechtfertigt war. Er muss die Verfahrenskosten von CHF 800.00 tragen.
Kanton: | SO |
Fallnummer: | VWBES.2016.319 |
Instanz: | Verwaltungsgericht |
Abteilung: | - |
Datum: | 05.10.2016 |
Rechtskraft: | - |
Leitsatz/Stichwort: | Führerausweisentzug |
Schlagwörter: | Verkehr; Führer; Führerausweis; Fahrzeug; Strasse; Widerhandlung; Verkehrsregel; Verwaltungsgericht; Gefährdung; Recht; Führerausweises; Verkehrsregeln; Gefahr; Person; Urteil; Verfügung; Personenwagen; Aufmerksamkeit; Abstand; Entscheid; Beschwerde; Strassenverkehrsgesetz; Verschulden; Administrativmassnahme; Motorfahrzeug; Solothurn; Kantons; Hintereinanderfahren; Fahrzeugs; ändig |
Rechtsnorm: | Art. 12 VRV ;Art. 16 SVG ;Art. 16a SVG ;Art. 3 VRV ;Art. 31 SVG ;Art. 34 SVG ; |
Referenz BGE: | 115 IV 248; 126 II 358; 131 IV 133; |
Kommentar: | - |
Es wirken mit:
Vizepräsident Stöckli
Oberrichterin Jeger
Oberrichter Flückiger
Gerichtsschreiberin Kofmel
In Sachen
A.___
Beschwerdeführer
gegen
Bauund Justizdepartement, Werkhofstrasse 65, Rötihof, 4509 Solothurn, vertreten durch Motorfahrzeugkontrolle, Abt. Administrativmassnahmen, Gurzelenstrasse 3, 4512 Bellach,
Beschwerdegegner
betreffend Führerausweisentzug
zieht das Verwaltungsgericht in Erwägung:
I.
1.1 A.___, geb. [...], ist seit dem 23. März 2004 im Besitze des Führerausweises.
1.2 Mit Verfügung vom 25. August 2014 entzog ihm die Motorfahrzeugkontrolle des Kantons Solothurn (nachfolgend: MFK) den Führerausweis für drei Monate wegen einer schweren Widerhandlung gegen die Strassenverkehrsvorschriften (Führen eines Personenwagens unter Drogeneinfluss ohne Unfallfolge, begangen am 27. Januar 2014).
2.1 Gemäss Polizeirapport vom 12. Mai 2015 verursachte A.___ als Lenker eines Lieferwagens in [...] eine Auffahrkollision mit einem abgebremsten Personenwagen.
2.2 Mit Verfügung vom 11. Dezember 2015 wurde A.___ über das eingeleitete Administrativverfahren orientiert und dieses bis zum Vorliegen eines rechtskräftigen Entscheids der Strafbehörde sistiert.
2.3 Die Staatsanwaltschaft des Kantons Basel-Stadt verurteilte A.___ mit rechtskräftigem Strafbefehl vom 25. Mai 2016 wegen einer einfachen Verletzung der Verkehrsregeln durch mangelnde Aufmerksamkeit zu einer Busse von CHF 150.00, ersatzweise zwei Tage Freiheitsstrafe.
3. Mit Verfügung vom 12. August 2016 entzog die MFK, namens des Bauund Justizdepartements, A.___ den Führerausweis für die Dauer eines Monats. Sie stufte das Fahrverhalten von A.___ als leichte Verkehrswiderhandlung ein (ungenügender Abstand beim Hintereinanderfahren, Nichtbeherrschen des Fahrzeugs mit Unfallfolge).
4.1 Dagegen erhob A.___ (nachfolgend: Beschwerdeführer) am 24. August 2016 Beschwerde an das Verwaltungsgericht des Kantons Solothurn und erklärte, mit dem Entzug des Führerausweises nicht einverstanden zu sein.
4.2 Die Präsidentin des Verwaltungsgerichts erteilte der Beschwerde mit Verfügung vom 29. August 2016 die aufschiebende Wirkung.
5. Für die Parteistandpunkte und die Erwägungen der Vorinstanz wird grundsätzlich auf die Akten verwiesen. Soweit erforderlich, ist nachfolgend darauf einzugehen.
II.
1. Die Beschwerde ist fristund formgerecht erhoben worden. Sie ist zulässiges Rechtsmittel und das Verwaltungsgericht zur Beurteilung zuständig (vgl. § 49 des Gerichtsorganisationsgesetzes [GO, BGS 125.12]). Der Beschwerdeführer ist durch den angefochtenen Entscheid beschwert und damit zur Beschwerde legitimiert. Auf die Beschwerde ist einzutreten.
2. Der Beschwerdeführer rügt den einmonatigen Entzug des Führerausweises als unverhältnismässig und rechtswidrig. Er hält eine Verwarnung für angebracht.
3.1 Der Fahrzeuglenker muss das Fahrzeug ständig so beherrschen, dass er seinen Vorsichtspflichten nachkommen kann (Art. 31 Abs. 1 des Strassenverkehrsgesetzes [SVG, SR 741.01]). Er muss seine Aufmerksamkeit der Strasse und dem Verkehr zuwenden (Art. 3 Abs. 1 Satz 1 der Verkehrsregelnverordnung [VRV, SR 741.11]). Das Mass der Aufmerksamkeit, die der Fahrzeugführer nach Art. 31 Abs. 1 SVG i.V.m. Art. 3 Abs. 1 VRV der Strasse und dem Verkehr zuzuwenden hat, richtet sich nach den gesamten Umständen, namentlich der Verkehrsdichte, den örtlichen Verhältnissen, der Zeit, der Sicht und den voraussehbaren Gefahrenquellen (BGE 127 II 302 E. 3c; 122 IV 225 E. 2b; 120 IV 63 E. 2a). Die Anforderungen an den Führer, sein Fahrzeug ständig zu beherrschen gehört zu den wesentlichsten und wohl wichtigsten Verkehrsregeln (Andreas Roth in: Marcel Alexander Niggli et al. [Hrsg.], Strassenverkehrsgesetz, Basler Kommentar, Basel 2014, Art. 31 N 1; Philippe Weissenberger, Kommentar Strassenverkehrsgesetzgebung und Ordnungsbussengesetz, Zürich/St. Gallen 2015, Art. 31 N 2).
3.2 Nach Art. 34 Abs. 4 SVG ist gegenüber allen Strassenbenützern ein ausreichender Abstand zu wahren, namentlich unter anderem beim Hintereinanderfahren. Diese Pflicht soll sicherstellen, dass bei überraschendem Abbremsen des voranfahrenden Fahrzeugs rechtzeitig angehalten werden kann (Art. 12 Abs. 1 VRV). Dieser Bestimmung kommt grosse Bedeutung zu, weil sich zahlreiche Unfälle dadurch ereignen, dass ein zweites Fahrzeug nicht genügend Abstand zum ersten einhält (vgl. BGE 126 II 358 E. 1.a mit Hinweis auf BGE 115 IV 248 E. 3a). Der Sinn der Verkehrsregel betreffend ausreichenden Abstand beim Hintereinanderfahren besteht in erster Linie darin, dass der Fahrzeuglenker auch bei überraschendem Bremsen des voranfahrenden Fahrzeugs rechtzeitig hinter diesem halten kann. Das überraschende Bremsen schliesst auch ein brüskes Bremsen mit ein (Weissenberger, a.a.O., Art. 34 N 51).
4.1 Gemäss Strafbefehl vom 25. Mai 2016 führte A.___ am 12. Mai 2015 um 10.20 Uhr in [...] einen Lieferwagen [...]. Dabei hat er, die Vorsichtsund Aufmerksamkeitspflicht missachtend, das abrupte pflichtwidrige Abbremsen des ihm vorausfahrenden Personenwagens zu spät bemerkt und ist trotz eingeleiteter Vollbremsung in dessen Heck hineingefahren.
4.2 Die MFK geht bezüglich des Vorfalls vom 12. Mai 2015 von einer leichten Widerhandlung i.S.v. Art. 16a Abs. 1 lit. a SVG aus. Eine leichte Widerhandlung i.S.v. Art. 16a Abs. 1 lit. a SVG begeht, wer durch Verletzung von Verkehrsregeln eine geringe Gefahr für die Sicherheit anderer hervorruft und den dabei nur ein leichtes Verschulden trifft. Nach einer leichten Widerhandlung wird der Lernfahroder Führerausweis für mindestens einen Monat entzogen, wenn in den vorangegangenen zwei Jahren der Ausweis entzogen war eine andere Administrativmassnahme verfügt wurde (Abs. 2). Die fehlbare Person wird verwarnt, wenn in den vorangegangenen zwei Jahren der Ausweis nicht entzogen war und keine andere Administrativmassnahme verfügt wurde (Abs. 3). In besonders leichten Fällen wird auf jegliche Massnahme verzichtet (Abs. 4).
4.3 Der Beschwerdeführer will den Vorfall vom 12. Mai 2015 als besonders leichte Verkehrsregelverletzung i.S.v. Art. 16a Abs. 4 SVG qualifiziert wissen. Denn nur falls sein Fehlverhalten als besonders leicht zu qualifizieren wäre, könnte ihm der Führerausweis belassen werden, handelt es sich doch bereits um die zweite Widerhandlung gegen die Strassenverkehrsvorschriften innert zwei Jahren (vgl. Weissenberger, a.a.O., Art. 16a N 22, vgl. auch Bernhard Rütsche/Denise Weber in: Marcel Alexander Niggli et al. [Hrsg.], Strassenverkehrsgesetz, Basler Kommentar, Basel 2014, Art. 16a N 21).
4.4 Was ein besonders leichter Fall i.S.v. Art. 16a Abs. 4 SVG ist, ergibt sich in Abgrenzung zur leichten Widerhandlung nach Art. 16a Abs. 1 SVG. Ein besonders leichter Fall setzt demnach voraus, dass der Fahrzeugführer eine besonders geringe Gefahr für die Sicherheit anderer schafft und ihn dafür nur ein besonders leichtes Verschulden trifft. Es braucht für den besonders leichten Fall folglich eine besondere Geringfügigkeit sowohl in Bezug auf die Gefährdung als auch das Verschulden. Das Bundesgericht orientiert sich in seiner neuen Rechtsprechung für die Auslegung der besonders leichten Fälle i.S.v. Art. 16a Abs. 4 SVG an den Verkehrsregelverletzungen, die nach dem Ordnungsbussengesetz erledigt werden und damit ebenfalls keine Administrativmassnahmen nach sich ziehen. Eine besonders leichte Gefährdung entspricht demnach von ihrer Intensität her den Gefährdungen, die durch Widerhandlungen gemäss Ordnungsbussenliste hervorgerufen werden, sofern im Einzelfall nicht besondere Umstände wie schlechte Sichtverhältnisse, dichter Verkehr unübersichtliche Verkehrssituationen vorliegen, welche die Gefahr als höher erscheinen lassen. Ein mögliches Beispiel für eine besonders leichte Gefährdung (ausserhalb des Ordnungsbussenkatalog) ist eine geringfügige Streifkollision das Zusammenprallen der Rückspiegel bei sehr tiefer Geschwindigkeit auf einem Parkplatz (Rütsche/Weber, a.a.O., Art. 16a N 25 f.).
4.5 Es kann nicht davon ausgegangen werden, der Beschwerdeführer habe mit seiner Fahrweise nur eine besonders geringe Gefahr für die Sicherheit anderer geschaffen. Im vorliegenden Fall kollidierte der von ihm gelenkte Lieferwagen mit einem voraus fahrenden Personenwagen. Dadurch wurde dessen Lenkerin konkret gefährdet und es ist erheblicher Sachschaden an beiden Fahrzeugen entstanden. Auch weil es sich sowohl bei Art. 31 Abs. 1 SVG als auch bei Art. 34 Abs. 4 SVG um zentrale Verkehrsregeln handelt (vgl. E. II/3.1 und 3.2 hievor; BGE 131 IV 133 E. 3.2.1), ist die Geringfügigkeit hinsichtlich einer Gefährdung zu verneinen. Aufgrund des Gesagten qualifizierte die MFK den streitbetroffenen Vorfall daher zu Recht als leichte und eben nicht als besonders leichte Widerhandlung i.S.v. Art. 16a Abs. 1 lit. a SVG.
5. Bei der Festsetzung der Dauer des Lernfahroder Führerausweisentzugs sind laut Art. 16 Abs. 3 SVG zwar auch immer die Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen, namentlich die Gefährdung der Verkehrssicherheit, das Verschulden, der Leumund als Motorfahrzeugführer sowie die berufliche Notwendigkeit, ein Motorfahrzeug zu führen. Die Mindestentzugsdauer darf jedoch nicht unterschritten werden, weshalb beim Beschwerdeführer nicht vom Ausweisentzug abgesehen werden kann. Aus diesem Grund können die vom Beschwerdeführer vorgebrachten Argumente betreffend beruflicher Notwendigkeit des Führerausweises keine Berücksichtigung finden.
6.1 Die Beschwerde erweist sich somit als unbegründet, sie ist abzuweisen. Bei diesem Ausgang hat der Beschwerdeführer die Kosten des Verfahrens vor Verwaltungsgericht zu bezahlen, die einschliesslich der Entscheidgebühr auf CHF 800.00 festzusetzen sind. Sie werden mit dem von ihm geleisteten Kostenvorschuss in gleicher Höhe verrechnet.
6.2 Der Beschwerde wurde mit Präsidialverfügung vom 29. August 2016 die aufschiebende Wirkung erteilt. Für die Einreichung des Führerausweises bei der MFK ist dem Beschwerdeführer deshalb eine neue Frist anzusetzen. Der Führerausweis ist spätestens innert 30 Tagen nach Rechtskraft des vorliegenden Urteils bei der MFK einzureichen.
Demnach wird erkannt:
1. Die Beschwerde wird abgewiesen.
2. A.___ hat den Führerausweis spätestens innert 30 Tagen nach Rechtskraft des vorliegenden Urteils bei der MFK einzureichen.
3. A.___ hat die Kosten des Verfahrens vor Verwaltungsgericht von CHF 800.00 zu bezahlen.
Rechtsmittel: Gegen diesen Entscheid kann innert 30 Tagen seit Eröffnung des begründeten Urteils beim Bundesgericht Beschwerde in öffentlichrechtlichen Angelegenheiten eingereicht werden (Adresse: 1000 Lausanne 14). Die Frist wird durch rechtzeitige Aufgabe bei der Schweizerischen Post gewahrt. Die Frist ist nicht erstreckbar. Die Beschwerdeschrift hat die Begehren, deren Begründung mit Angabe der Beweismittel und die Unterschrift des Beschwerdeführers seines Vertreters zu enthalten. Für die weiteren Voraussetzungen sind die Bestimmungen des Bundesgerichtsgesetzes massgeblich.
Im Namen des Verwaltungsgerichts
Der Vizepräsident Die Gerichtsschreiberin
Stöckli Kofmel
Bitte beachten Sie, dass keinen Anspruch auf Aktualität/Richtigkeit/Formatierung und/oder Vollständigkeit besteht und somit jegliche Gewährleistung entfällt. Die Original-Entscheide können Sie unter dem jeweiligen Gericht bestellen oder entnehmen.
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