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Urteil Verwaltungsgericht (SO - VWBES.2015.45)

Zusammenfassung des Urteils VWBES.2015.45: Verwaltungsgericht

Die Bürgergemeinde A. hat ein Einbürgerungsreglement erlassen, das sich auf eidgenössisches und kantonales Recht bezieht. Bei der Einbürgerung müssen die Kriterien des eidgenössischen Bürgerrechtsgesetzes berücksichtigt werden. Die Gemeinde A. hat keine spezifischen Anforderungen festgelegt und den Behörden einen Ermessensspielraum eingeräumt. Es wird festgestellt, dass die Protokollierungspflicht der Verwaltung bei Gesprächen mit dem Beschwerdeführer nicht eingehalten wurde, was zu einem Verfahrensmangel führt. Das Verwaltungsgericht hebt den Entscheid der Bürgergemeinde aufgrund dieser formellen Mängel auf und weist die Sache zur erneuten Prüfung zurück.

Urteilsdetails des Verwaltungsgerichts VWBES.2015.45

Kanton:SO
Fallnummer:VWBES.2015.45
Instanz:Verwaltungsgericht
Abteilung:-
Verwaltungsgericht Entscheid VWBES.2015.45 vom 15.06.2015 (SO)
Datum:15.06.2015
Rechtskraft:-
Leitsatz/Stichwort:Einbürgerung
Schlagwörter: Einbürgerung; Gespräch; Protokoll; Bürgergemeinde; Gespräche; Entscheid; Gemeinde; Akten; Recht; Einbürgerungskommission; Vorinstanz; Protokollierung; Urteil; Einbürgerungsreglement; Kriterien; Bürgerrechtsgesetz; Behörden; Ermessen; Verwaltung; Verfahren; Anspruch; Protokollierungspflicht; Beschwerdeführers; Aussage; Bundesgerichts; Einbürgerungsvoraussetzungen; össische
Rechtsnorm: Art. 14 B?G;Art. 15b B?G;Art. 29 BV ;
Referenz BGE:124 V 372; 130 II 473; 133 I 201; 137 I 235;
Kommentar:
-

Entscheid des Verwaltungsgerichts VWBES.2015.45

Urteil des Bundesgerichts 1D_5/2010 vom 30. August 2010 E. 3.2.3). Die Bürgergemeinde A. hat ein Einbürgerungsreglement erlassen, verweist jedoch bezüglich der Einbürgerungsvoraussetzungen auf das eidgenössische und kantonale Recht (§ 2 Einbürgerungsreglement).

4. Die Gemeinde ist bei ihrem Entscheid über die Einbürgerung an die Kriterien gemäss Art. 14 eidgenössisches Bürgerrechtsgesetz (BüG, SR 141.0) gebunden (vgl. BGE 137 I 235 E. 2.4). Danach ist bei der ordentlichen Einbürgerung vor Erteilung der Bewilligung zu prüfen, ob der Bewerber zur Einbürgerung geeignet ist, insbesondere ob er in die schweizerischen Verhältnisse eingegliedert ist (lit. a), mit den schweizerischen Lebensgewohnheiten, Sitten und Gebräuchen vertraut ist (lit. b), die schweizerische Rechtsordnung beachtet (lit. c) und die innere äussere Sicherheit der Schweiz nicht gefährdet (lit. d). Die Gemeinde A. hat, wie bereits erwähnt, diese Kriterien auf kommunaler Ebene nicht weiter konkretisiert respektive keine erhöhten Anforderungen gestellt. Bei der Beurteilung der Einbürgerungsvoraussetzungen steht den zuständigen Behörden ein weiter Ermessensbereich zu, welchen die Rechtsmittelinstanzen beachten müssen. Sie dürfen einzig eingreifen, wenn die Gemeinde ihr Ermessen nicht pflichtgemäss ausübt, das heisst in Widerspruch zum Sinn und Zweck der Bürgerrechtsgesetzgebung (BGE 137 I 235 E. 2.4 mit Hinweisen). ( )

5.4 Die Wahrnehmung des Akteneinsichtsund Beweisführungsrechts durch den von einer Verfügung Betroffenen setzt eine Aktenführungspflicht der Verwaltung voraus. Die Behörden haben alles in den Akten festzuhalten, was zur Sache gehört und entscheidwesentlich sein kann (BGE 124 V 372 E. 3b). Dieser ursprünglich für das Strafverfahren entwickelte Grundsatz muss als Gehalt von Art. 29 Abs. 2 Bundesverfassung (BV, SR 101) für alle Verfahrensarten gelten. Es entspricht denn auch einem aus dem Anspruch auf rechtliches Gehör abgeleiteten allgemeinen Verfahrensgrundsatz, dass entscheidrelevante Tatsachen und Ergebnisse schriftlich festzuhalten sind. Dazu gehört auch die Pflicht zur Protokollführung über entscheidwesentliche Abklärungen, Zeugeneinvernahmen und Verhandlungen im Rechtsmittelverfahren. Wenn die Verwaltung mit einem Verfahrensbeteiligten ein Gespräch führt, ist wenigstens der wesentliche Gehalt des Gespräches im Protokoll festzuhalten (vgl. BGE 130 II 473 E. 4.1 f. mit Hinweisen).

5.5 Die beiden Gespräche mit dem Beschwerdeführer vor der Einbürgerungskommission wurden nicht protokolliert. Das bezüglich des ersten Gesprächs vorhandene Dokument, welches in zwei Versionen aktenkundig ist, erfüllt die Anforderungen an die Protokollierungspflicht offensichtlich nicht. Die Gespräche mit dem Beschwerdeführer stellen aber eine entscheidwesentliche Sachverhaltsabklärung dar. Dies umso mehr, als die Bürgergemeinde ihren ablehnenden Entscheid mehrheitlich mit Aussagen des Beschwerdeführers anlässlich der beiden Gespräche begründet. Es ist im Übrigen aufgrund der fehlenden Protokolle auch nicht nachvollziehbar, ob alle neun Mitglieder der Einbürgerungskommission an den Gesprächen teilgenommen haben. Selbstverständlich steht es der Bürgergemeinde frei, einzelne Mitglieder mit der Befragung der Gesuchsteller zu betrauen. Diesfalls ist ein Protokoll gerade für die nicht anwesenden Behördenmitglieder jedoch unerlässlich.

Die Bürgergemeinde verletzte ihre Protokollführungsund damit letztlich ihre Aktenführungspflicht, indem sie die Gespräche mit dem Beschwerdeführer nicht schriftlich festhielt. Dass über das erneute Gespräch vor der Vorinstanz am 16. Mai 2014 Protokoll geführt wurde, vermag diesen prozessualen Mangel nicht zu heilen. Zunächst verfügt das Volkswirtschaftsdepartement aufgrund der Gemeindeautonomie nicht über die gleiche Kognition wie die Bürgergemeinde, weshalb bereits deshalb eine Heilung des Verfahrensmangels ausgeschlossen ist (vgl. statt vieler BGE 133 I 201 E. 2.2). Die Vorinstanz begründete ihren negativen Entscheid in den umstrittenen Punkten ausserdem mehrheitlich mit Aussagen des Beschwerdeführers anlässlich der beiden Gespräche vor der Einbürgerungskommission. Hinzu kommt, dass wohl auch die Vorinstanz ihrer Protokollierungspflicht nur ungenügend nachkam. Im angefochtenen Entscheid wird ausgeführt, dass sich der Beschwerdeführer während der Parteiverhandlung nicht ausdrücklich von der Steinigung distanziert habe. Diese für die Vorinstanz offenbar zentrale Aussage ist im Protokoll vom 16. Mai 2014 allerdings nicht vorhanden.

6. Es ist nicht möglich, die mündlichen Angaben des Beschwerdeführers zu würdigen, wenn die wesentlichen Gesprächsinhalte vor der Einbürgerungskommission nirgendwo schriftlich festgehalten sind. Gerade im Einbürgerungsverfahren kommt den Gemeinden grosser Ermessensspielraum zu, weshalb die Verletzung der Protokollierungspflicht hier besonders schwer wiegt. Nach der unter E. 5.4 erwähnten bundesgerichtlichen Praxis verletzt die Bürgergemeinde durch die fehlende Protokollierung ihre Begründungspflicht als Ausfluss des Anspruchs auf rechtliches Gehör gemäss Art. 29 Abs. 2 BV. Der Anspruch auf eine sachliche Begründung ergibt sich im Übrigen auch aus Art. 15b Abs. 1 BüG, auf kantonaler Ebene aus § 28bis Abs. 1 kantonales Bürgerrechtsgesetz (kBüG, BGS 112.11) sowie aus § 5 Ziff. 1 Einbürgerungsreglement der Bürgergemeinde A.

7.1 Aufgrund der Aktenlage kann nicht abschliessend beurteilt werden, ob der Beschwerdeführer gemäss den Kriterien von Art. 14 BüG zur Einbürgerung geeignet ist. Aufgrund der formellen Natur der festgestellten Verfahrensmängel sind der angefochtene Entscheid und der Beschluss des Bürgerrates der Bürgergemeinde A. unabhängig von deren inhaltlicher Richtigkeit aufzuheben (vgl. dazu Urteil des Bundesgerichts 1D_2/2014 vom 11. März 2015 E. 5.4). Die Sache ist an die Bürgergemeinde A. zur Vornahme der notwendigen Verfahrensschritte und zu neuem Entscheid zurückzuweisen.

Verwaltungsgericht, Urteil vom 15. Juni 2015 (VWBES.2015.45)



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Bitte beachten Sie, dass keinen Anspruch auf Aktualität/Richtigkeit/Formatierung und/oder Vollständigkeit besteht und somit jegliche Gewährleistung entfällt. Die Original-Entscheide können Sie unter dem jeweiligen Gericht bestellen oder entnehmen.

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