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Urteil Verwaltungsgericht (SO)

Kopfdaten
Kanton:SO
Fallnummer:VWBES.2011.332
Instanz:Verwaltungsgericht
Abteilung:-
Verwaltungsgericht Entscheid VWBES.2011.332 vom 22.03.2012 (SO)
Datum:22.03.2012
Rechtskraft:-
Leitsatz/Stichwort:Aufhebung der stationären therapeutischen Behandlung
Schlagwörter: Massnahme; Entscheid; Vollzug; Aufhebung; Gericht; Vollzugs; Zuständig; Behörde; Verfügung; Beschwerde; Stationäre; Verwahrung; Vollzugsbehörde; Recht; Verwaltungs; Vollzug; Therapeutische; Behörde; Anordnung; Amtsgericht; Entscheide; Departement; Antrag; Recht; Beschwerdeführer; Nachträglich; Verwaltungsgericht; Rechtliche; Massnahmen
Rechtsnorm: Art. 451 StPO ; Art. 48 VwVG ; Art. 59 StGB ; Art. 62 StGB ; Art. 62a StGB ; Art. 62b StGB ; Art. 62c StGB ; Art. 62d StGB ; Art. 64 StGB ;
Referenz BGE:-
Kommentar zugewiesen:
Spühler, Basler Kommentar zur ZPO, Art. 321 ZPO ; Art. 311 ZPO, 2017
Weitere Kommentare:Bernhard Waldmann;
Entscheid
Urteil des Obergerichts vom 28. Januar 1998 wegen mehrfacher Schändung, mehrfachen sexuellen Handlungen mit Kindern und weitern Delikten zu einer Zuchthausstrafe von 4½ Jahren verurteilt; anstelle des Vollzugs wurde die Verwahrung als Gewohnheitsverbrecher nach Art. 42a Strafgesetzbuch (StGB, SR 311.0) angeordnet. Seit 18. Juli 1996 befand er sich in Untersuchungshaft bzw. im vorzeitigen Strafvollzug.

Erstmals mit Entscheid vom 17. Juni 1999 beschloss die Vollzugsbehörde gestützt auf Berichte der Anstalt und die Beurteilung der Interkantonalen Fachkommission zur Beurteilung der Gemeingefährlichkeit von Straftätern der Kantone Solothurn, Basel-Landschaft und Basel-Stadt (IFKGS), wonach A. als gemeingefährlich einzustufen sei, dass die Verwahrung weitergeführt werde. Weitere analoge Entscheide fielen in den Folgejahren, letztmals am 4. April 2006, wobei A. gestützt auf weitere Berichte der IFKGS gewisse Vollzugslockerungen (externe Arbeit in einer Gruppe, begleitete Urlaube, Versetzung in die halboffene Anstalt St. Johannsen) zugestanden, andere (teilbegleitete Urlaube) aber verwehrt wurden. Die Voraussetzungen für eine probeweise Entlassung wurden immer verneint. Im Rahmen der Ãœberprüfung der altrechtlichen Verwahrungen ordnete das Amtsgericht im September 2007 anstelle der Verwahrung eine stationäre therapeutische Massnahme im Massnahmezentrum St. Johannsen an. Die Vollzugsbehörde kam bei ihrer jährlichen Ãœberprüfung am 19. Dezember 2008 zum Schluss, die stationäre Massnahme sei weiterzuführen. Ende 2009 verzichtete A. auf eine Ãœberprüfung, und am 2. Februar 2011 verfügte die Vollzugsbehörde nach einem erneuten Ergänzungsgutachten, A. werde vom halboffenen wieder in den geschlossenen Vollzug versetzt.

Mit Verfügung vom 23. September 2011 schliesslich hob das Departement des Innern die vom Amtsgericht angeordnete stationäre therapeutische Behandlung wegen Aussichtslosigkeit auf (Ziff. 1), beantragte dem Amtsgericht, es sei nachträglich die Verwahrung und Sicherheitshaft bis zum Entscheid anzuordnen (Ziff. 2), ( ). Als Rechtsmittel eröffnete das Departement die Verwaltungsgerichtsbeschwerde. Gegen diese Verfügung erhob A. Beschwerde beim Verwaltungsgericht mit den Anträgen, die Verfügung sei aufzuheben und die stationäre therapeutische Behandlung fortzusetzen.

Zwischen dem Verwaltungsgericht, dem Amtsgericht, der Strafkammer des Obergerichts und dem Amt für Justizvollzug fand ein Meinungsaustausch betreffend Zuständigkeit und Verfahren statt.

Bereits am 25. Oktober 2011 hatte das Amtsgericht entschieden, das bei ihm anhängig gemachte Verfahren betreffend nachträgliche Anordnung einer Verwahrung bis zum Entscheid des Verwaltungsgerichts zu sistieren, nachdem es beim Haftgericht einen Antrag auf Sicherheitshaft gestellt hatte, welcher mit Entscheid des Haftgerichts vom 3. Oktober 2011 für die Dauer von sechs Monaten ab Rechtskraft der Departementsverfügung bewilligt worden war.

Das Verwaltungsgericht tritt auf die Beschwerde nicht ein, soweit sie sich gegen die Aufhebung der Massnahme richtet.

Aus den Erwägungen:

2.a) Zuständig zum Entscheid über das (ersatzweise) nachträgliche Anordnen der Verwahrung nach Aufhebung einer stationären therapeutischen Massnahme ist nach Art. 62c Abs. 4 StGB «das Gericht auf Antrag der Vollzugsbehörde».

Art. 363 Schweizerische Strafprozessordnung (StPO, SR 312.0) regelt, dass das Gericht, welches das erstinstanzliche Urteil gefällt hat, auch die einer gerichtlichen Behörde übertragenen selbständigen nachträglichen Entscheide trifft, sofern Bund oder Kantone nichts anderes bestimmen (Abs. 1). Für nachträgliche Entscheide, die nicht dem Gericht zustehen, bestimmen Bund und Kantone die zuständigen Behörden (Abs. 2). Übergangsrechtlich bestimmt Art. 451 StPO, dass selbständige nachträgliche Entscheide des Gerichts nach Inkrafttreten dieses Gesetzes von der Strafbehörde gefällt werden, die nach diesem Gesetz für das erstinstanzliche Urteil zuständig gewesen wäre. Dieses erstinstanzlich zuständige Gericht ist unstreitig das Amtsgericht.

Antragstellende Vollzugsbehörde ist nach § 3 des Gesetzes über den Vollzug von Freiheitsstrafen, Ersatzfreiheitsstrafen, gemeinnütziger Arbeit, therapeutischen Massnahmen und Verwahrung (BGS 331.11) und nach § 1 Abs. 1 der Strafvollzugsverordnung (BGS 331.12) «das Departement», womit das Departement des Innern gemeint ist.

Zuständig für den Entscheid über die nachträgliche (erneute) Verwahrung an Stelle der stationären Massnahme ist also das Amtsgericht auf Antrag des Departements des Innern.

b) Der Antrag des Departements an das zuständige Amtsgericht in Ziffer 2 der angefochtenen Verfügung hat nicht Verfügungsoder Entscheidcharakter. Er ist keine Anordnung einer Behörde im Einzelfall, welche die Begründung, Änderung oder Aufhebung von Rechten und Pflichten zum Inhalt hat, solche feststellt oder entsprechende Begehren abweist oder darauf nicht eintritt (vgl. § 20 Verwaltungsrechtspflegegesetz VRG, BGS 124.11), sondern, wie aus der Bezeichnung klar hervorgeht, eine Aufforderung an das zuständige Gericht, einen Entscheid zu treffen. Dementsprechend unterliegt er nicht der Verwaltungsgerichtsbeschwerde.

3.a) Die in Ziffer 1 der angefochtenen Verfügung festgelegte Aufhebung der stationären therapeutischen Massnahme infolge Aussichtslosigkeit enthält hingegen eine Anordnung der Behörde im Einzelfall, die sich auf öffentliches Recht des Bunds stützt und die Aufhebung einer Pflicht zum Gegenstand hat wird doch darin die vom Amtsgericht am 21. September 2007 angeordnete stationäre therapeutische Behandlung, welcher sich der Beschwerdeführer zu unterziehen hat, aufgehoben.

b) Damit jemand eine Verfügung mit Beschwerde oder Verwaltungsgerichtsbeschwerde anfechten kann, muss er von ihr besonders berührt werden und ein schutzwürdiges Interesse an deren Aufhebung oder Änderung haben (§ 12 Abs. 1 VRG). Mehr berührt als jedermann ist der Beschwerdeführer durch die Aufhebung der gegen ihn ausgesprochenen Massnahme ohne weiteres, richtet sich doch die Verfügung an ihn und betrifft seine persönliche Situation im Strafbzw. Massnahmenvollzug.

Das notwendige schutzwürdige Interesse als Voraussetzung der Legitimation zur Beschwerde kann rechtlicher oder auch bloss tatsächlicher Natur sein, wobei es nicht mit dem Interesse übereinzustimmen braucht, das durch die als verletzt bezeichnete Norm geschützt wird (Vera Martantelli-Sonanini / Said Huber in: Bernhard Waldmann / Philipp Weissenberger [Hrsg.]: Praxiskommentar zum Bundesgesetz über das Verwaltungsverfahren, Art. 48 VwVG N 10). Das Interesse muss grundsätzlich aktuell und praktisch sein, also geeignet, einen mit der angefochtenen Verfügung verbundenen Nachteil zu beseitigen. Kein Rechtsschutzinteresse besteht, wenn sich die Beschwerde gegen die Begründung einer angefochtenen Verfügung richtet, ohne dass eine den Beschwerdeführer begünstigende oder entlastende Änderung des Dispositivs verlangt wird (Marantelli-Sonanini / Said Huber, a.a.O, Art. 48 VwVG N 15 f.).

c) Der anfechtbare Teil (von Ziff. 1) der Verfügung des Departements lautet dahin, dass die stationäre therapeutische Massnahme aufgehoben wird. Die vom Amtsgericht im Urteil vom 21. September 2007 gegen den Beschwerdeführer angeordnete strafrechtliche Sanktion fällt also nach dem angefochtenen Entscheid weg. In der Aufhebung einer Sanktion liegt grundsätzlich keine Belastung des Beschwerdeführers, weder rechtlicher noch tatsächlicher Art. Wenn die strafrechtliche Sanktion beendet wird, gereicht das dem Beschwerdeführer zum Vorteil, nicht zum Nachteil; er wird dadurch nicht beschwert. Die bis zum Entscheid bestehende Belastung durch die strafrechtliche Sanktion fällt weg.

Der in der Verfügung genannte Grund für den Abbruch der Massnahme, nämlich deren Aussichtslosigkeit, kann nicht Anfechtungsgegenstand sein, da er bloss das Motiv der Verfügung betrifft und die Begründung eines Entscheids nicht anfechtbar ist. Ebenfalls nicht anfechtbarer Gegenstand der Verfügung, in welcher die stationäre Massnahme aufgehoben wird, ist, ob beim Beschwerdeführer ernsthaft zu erwarten ist, dass er weitere Taten nach Art. 64 Abs. 1 StGB begehen könnte, sodass nach Aufhebung der Massnahme ein Antrag auf Verwahrung gestellt werden kann. Dazu äussert sich das Dispositiv des angefochtenen Entscheids zu Recht nicht.

d) Die Aufhebung der strafrechtlichen Massnahme bedeutet im konkreten Fall auch nicht, dass daran anschliessend zwingend eine andere für den Beschwerdeführer nachteilige Situation entsteht, indem eine andere Sanktion Platz greift oder sonst nachteilige Folgen eintreten. Ein Antrag auf nachträgliche Anordnung der Verwahrung kann zwar gestellt werden, ist aber nicht zwingende Folge der Aufhebung der therapeutischen Massnahme. Die vom Gericht ursprünglich ausgesprochene Freiheitsstrafe von 4½ Jahren ist durch die Dauer der Massnahme längst abgegolten, der Vollzug einer Reststrafe droht also im vorliegenden Fall nicht. Im Übrigen erscheint auch fraglich, ob bei einer noch vollziehbaren Reststrafe nicht erst deren Anordnung und damit die Verweigerung des bedingten Aufschubs anfechtbar wäre, und nicht bereits die vorausgehende Aufhebung der Massnahme.

e) Auf die Beschwerde ist daher mangels Beschwer bzw. in Folge eines fehlenden schutzwürdigen Interesses an der Aufhebung der angefochtenen Verfügung, soweit diese überhaupt Verfügungscharakter hat und der Beschwerde unterliegt, nicht einzutreten, jedenfalls soweit sie sich gegen die Aufhebung der Massnahme richtet.

4.a) Im Weiteren erscheint ohnehin fraglich, ob in der vorliegenden Konstellation überhaupt das Departement zum Entscheid über die Aufhebung der Massnahme zuständig sei. Wie schon im alten Recht sollen auch nach dem geltenden Strafgesetzbuch bestimmte Nachoder Vollzugsentscheide dem Richter vorbehalten bleiben, insbesondere wenn es um Sanktionen gegen Täter, bei welchen eine Verwahrung möglich ist, oder um den stationären Massnahmenvollzug geht. So ist nach Art. 59 Abs. 4 StGB das Gericht zuständig, auf Antrag der Vollzugsbehörde über eine Verlängerung der Massnahme zur Behebung von psychischen Störungen zu befinden. Nach Art. 62 Abs. 4 StGB ist bei der bedingten Entlassung für die Verlängerung der Probezeit das Gericht auf Antrag der Vollzugsbehörde zuständig. Ebenso ist nach Art. 62a StGB das Gericht zuständig, bei fehlender Bewährung eines bedingt aus einer Massnahme Entlassenen die Rückversetzung anzuordnen, die Massnahme aufzuheben und allenfalls eine neue Massnahme oder den Vollzug einer Freiheitsstrafe anzuordnen. Es liegt auch in der Zuständigkeit des Gerichts, von der Rückversetzung abzusehen und mildere Ersatzmassnahmen wie Bewährungshilfe, Weisungen etc. anzuordnen (Art. 62a Abs. 5 StGB) und ebenso, bei deren Nichtbefolgen die weiteren Folgen zu bestimmen (Art. 62a Abs. 5 und Art. 95 Abs. 3 bis 5 StGB).

b) Die Prüfung der Entlassung aus dem Massnahmenvollzug und die Aufhebung der Massnahme sind zwar in Art. 62d StGB nicht generell «dem Gericht» zugewiesen, aber auch nicht «der Vollzugsbehörde», sondern der «zuständigen Behörde». Nach der bisherigen Praxis, die sich auf das früher geltende Recht stützt, ist dies in den meisten Kantonen wohl in beiden oder allen diesen Fällen die Vollzugsbehörde. Nach der Lehre hätte jedoch grundsätzlich eine gerichtliche Behörde darüber zu befinden, wenn es um eine Weiterführung des Freiheitsentzugs durch Verweigerung der Entlassung oder um die Anordnung weiterer anderer freiheitsbeschränkender Massnahmen geht, handelt es sich doch dabei um einen Entscheid nach Art. 5 Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK, SR 0.101; Stefan Trechsel: Schweizerisches Strafgesetzbuch, Praxiskommentar, Zürich/St. Gallen 2008, Art. 62d StGB N 1 f.) und um einen Entscheid, der eigentlich eine Fortsetzung oder Ergänzung der Hauptverhandlung zum Inhalt hat (Marianne Heer in: Marcel Alexander Niggli / Hans Wiprächtiger [Hrsg.]: Strafrecht I, Basler Kommentar, Basel 2007, Art. 62d StGB N 2).

Art. 62d StGB muss wohl so verstanden werden, dass die «zuständige Behörde» als Oberbegriff für die nach den gesetzlichen Bestimmungen in den vorangehenden Artikeln in Frage kommenden Behörden dient, die für einzelne Verfahrensschritte oder Entscheide während der Dauer des Vollzugs von Massnahmen zuständig erklärt werden, also für die Vollzugsbehörde(n), allenfalls die Staatsanwaltschaft (als Antragsbehörde) und das Gericht. Für die Entscheide nach Art. 62 Abs. 1 und 3 StGB (bedingte Entlassung) und nach Art. 62b StGB (endgültige Entlassung nach bedingter Entlassung) ist dies die Vollzugsbehörde. Für die Entscheide nach Art. 62c StGB (Aufhebung der Massnahme) wäre dies wie auch für die Entscheide nach Art. 62 Abs. 4 und Art. 62a StGB (Nichtbewährung) das Gericht. Art. 62c StGB verweist denn auch immer, wenn es von einer konkreten Behörde spricht, die etwas zu entscheiden hat, auf das Gericht, das zum Entscheid zuständig sei, nicht nur für die Anordnung der Verwahrung (Abs. 4), sondern auch für die Aufhebung einer bestehenden und die Anordnung einer andern stationären therapeutischen Massnahme (Abs. 6). Und Art. 62c Abs. 2 StGB setzt ja voraus, dass das Gericht über den Vollzug der Reststrafe befindet, hat es doch nach Art. 62c Abs. 3 StGB die Möglichkeit, an Stelle des Strafvollzugs eine andere Massnahme anzuordnen (so auch Heer, a.a.O., Art. 62c StGB N 3).

c) Es liegt also nahe, Art. 62c und 62d StGB so auszulegen, dass die Aufhebung der Massnahme jedenfalls immer, wenn sie als Vorstufe für die allfällige Anordnung einer Ersatzmassnahme nötig ist, in der Kompetenz des Gerichts liegen soll, zumal es in diesen Fällen klarerweise immer dem Gericht obliegt, über allfällige Ersatzmassnahmen oder den noch ausstehenden Vollzug einer Freiheitsstrafe zu befinden. Das würde bedeuten, dass nicht nur die Aufhebung der stationären therapeutischen Massnahme vor oder während des Vollzugs nach Art. 62c Abs. 6 StGB, wo das Gericht explizit zuständig erklärt ist, sondern auch die Aufhebung vor der Anordnung des Restvollzugs (Art. 62c Abs. 2 StGB) und diejenige vor der Prüfung, ob eine Verwahrung anzuordnen ist (Art. 62c Abs. 4 StGB) durch das Gericht vorzunehmen ist, soweit dieser Aufhebung überhaupt selbständige Bedeutung zukommt.

d) Mit der alleinigen Zuständigkeit des Gerichts in diesen Fällen wäre auch die höchst problematische Folge vermieden, dass in zwei getrennten Verfahren über weitgehend dieselben Fragen entschieden wird, womöglich mit unterschiedlichem Ergebnis, nämlich einerseits auf dem Wege des Verwaltungs(gerichts)verfahrens über die Frage der Aufhebung der bestehenden Massnahme, und dann durch das Gericht im Straf(nach)verfahren über die Anordnung der Ersatzmassnahme, welche auch wieder in derselben Massnahme bestehen kann (vgl. Heer, a.a.O, Art. 62 StGB N 9 f.). Problematisch ist die bis anhin nach der Praxis angenommene doppelte Zuständigkeit insbesondere auch deshalb, weil nach Auffassung der Lehre der erste Entscheid über die Aufhebung der Massnahme zwar rechtskräftig wird, das Gericht aber in seinem anschliessenden Entscheid gleichwohl nicht daran gebunden ist und beispielsweise trotz festgestellter Aussichtlosigkeit der stationären therapeutischen Massnahme nach Art. 59 StGB erneut eine Massnahme nach Art. 59 StGB anordnen kann (dazu Heer, a.a.O., Art. 62d StGB N 1; BGE 6B_81/2011).

Das praktische Problem, dass sich nach Art. 62d Abs. 2 StGB bei Tätern, die eine Tat im Sinne von Art. 64 Abs. 1 StGB begangen haben, wie das hier der Fall ist, sowohl die Vollzugsbehörden im Verwaltungsverfahren wie anschliessend das Gericht im Strafverfahren je auf ein Gutachten eines psychiatrischen Sachverständigen und eine Anhörung der Fachkommission stützen müssen, wäre damit ebenfalls erheblich gemildert, ist doch gerichtsnotorisch, dass unabhängige Gutachter, die im Verlaufe eines längerdauernden Strafoder Massnahmenvollzugs den Täter noch nicht begutachtet oder behandelt haben, nur schwer zu finden sind.

Ebenso würde sich das Problem nicht stellen, dass nach Aufhebung der Massnahme durch die Vollzugsbehörde unklar ist, was bis zum Entscheid des Gerichts über eine allenfalls anschliessende (Ersatz-) Massnahme gilt. Bei fehlender Anfechtung des Entscheids über die Beendigung der Massnahme, soweit diese überhaupt anfechtbar sein kann, wäre ein Verurteilter in der Situation, wie im hier zu behandelnden Fall, ja grundsätzlich freizulassen, bei einem Strafrest wohl in den Strafvollzug zu versetzen.

e) Im kantonalen Recht ist heute nicht explizit geregelt, wer zuständige Behörde im Sinne von Art. 62d StGB ist. Da für den Vollzug von Freiheitsstrafen etc. nach dem Gesetz ausschliesslich Verwaltungsbehörden zuständig erklärt werden und dies von der Lehre (bisher) nicht als bundesrechtswidrig betrachtet wird, muss nach § 1 Strafvollzugsverordnung das Departement als zuständige Behörde im Kanton Solothurn betrachtet werden. Das gilt aber zwingend nur, soweit es sich um Strafvollzug bzw. Entscheide während der Dauer des Vollzugs handelt, der der Vollzugsbehörde übertragen ist. Soweit die Entscheide einem Gericht übertragen sind, ist das jeweilige erstinstanzliche Amtsgericht zum Entscheid zuständig.

Verwaltungsgericht, Urteil vom 22. März 2012 (VWBES.2011.332)



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