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Urteil Verwaltungsgericht (SO - VWBES.2005.389)

Zusammenfassung des Urteils VWBES.2005.389: Verwaltungsgericht

Der Beschuldigte wurde am 19. Januar 2005 vom Bezirksgericht Aarau für verschiedene Straftaten schuldig gesprochen und zu einer Zuchthausstrafe von drei Jahren und acht Monaten sowie einer Busse von Fr. 400.-- verurteilt. Nach seiner Entlassung aus dem Strafvollzug wurde er vom Departement des Innern aus der Schweiz ausgewiesen. Er erhob dagegen Beschwerde, die teilweise gutgeheissen wurde, und erhielt eine befristete Aufenthaltsbewilligung. Das Verwaltungsgericht berücksichtigte bei der Entscheidung die Schwere der begangenen Straftaten sowie die Integration des Beschwerdeführers in der Schweiz. Trotz der schweren Delikte wurde die Ausweisung als unverhältnismässig angesehen, und die Niederlassungsbewilligung des Beschwerdeführers wurde in eine Aufenthaltsbewilligung umgewandelt.

Urteilsdetails des Verwaltungsgerichts VWBES.2005.389

Kanton:SO
Fallnummer:VWBES.2005.389
Instanz:Verwaltungsgericht
Abteilung:-
Verwaltungsgericht Entscheid VWBES.2005.389 vom 02.03.2006 (SO)
Datum:02.03.2006
Rechtskraft:-
Leitsatz/Stichwort:Ausweisung
Schlagwörter: Schweiz; Ausweisung; Ausländer; Aufenthalt; Niederlassung; Niederlassungsbewilligung; Verwaltungsgericht; Schwere; Verschulden; Kosovo; Arbeit; Heimatland; Aufenthaltsbewilligung; Verschuldens; Familie; Generation; Taten; Interesse; Umstände; Deliktsserie; Resozialisierungschancen; Urteil; Freiheitsberaubung; Geiselnahme; Zuchthaus; Gutheissung; Bundesgesetz
Rechtsnorm:-
Referenz BGE:122 II 435; 125 II 523; 125 II 524; 129 II 216;
Kommentar:
-

Entscheid des Verwaltungsgerichts VWBES.2005.389

Urteil vom 19. Januar 2005 wurde er vom Bezirksgericht Aarau schuldig gesprochen:

des bandenmässigen Diebstahls,

des bandenmässigen Raubes,

der mehrfachen Sachbeschädigung,

der Freiheitsberaubung,

der mehrfachen Geiselnahme,

des mehrfachen Hausfriedensbruchs und

verschiedener Strassenverkehrsdelikte.

Er wurde zu einer Zuchthausstrafe von drei Jahren und acht Monaten sowie zu einer Busse von Fr. 400.-- verurteilt. Am 2. Oktober 2005 wurde B. bedingt aus dem Strafvollzug entlassen mit einem Strafrest von 450 Tagen Zuchthaus.

Das Departement des Innern wies B. auf unbestimmte Dauer aus der Schweiz aus und wies ihn an, die Schweiz bis am 15. Januar 2006 zu verlassen. Dagegen erhob B. Verwaltungsgerichtsbeschwerde und beantragte, die angefochtene Verfügung sei ersatzlos aufzuheben, eventuell sei sie durch eine Ausweisungsandrohung zu ersetzen, subeventuell sei eine Aufenthaltsbewilligung statt einer Niederlassungsbewilligung zu erteilen. In teilweiser Gutheissung der Beschwerde hebt das Verwaltungsgericht die Ausweisungsverfügung auf. Die Niederlassungsbewilligung wird in eine auf ein Jahr befristete Aufenthaltsbewilligung umgewandelt.

Aus den Erwägungen:

2. Gemäss Art. 10 Abs. 1 lit. a ANAG (Bundesgesetz über Aufenthalt und Niederlassung der Ausländer, SR 142.20) kann ein Ausländer aus der Schweiz ausgewiesen werden, wenn er wegen eines Verbrechens Vergehens gerichtlich bestraft wurde. Die Ausweisung soll jedoch nur ausgesprochen werden, wenn sie nach den gesamten Umständen angemessen erscheint (Art. 11 Abs. 3 ANAG). Hierbei sind vor allem die Schwere des Verschuldens des Ausländers, die Dauer seiner Anwesenheit in der Schweiz und die ihm und seiner Familie drohenden Nachteile zu berücksichtigen (Art. 16 Abs. 3 der Vollziehungsverordnung zum Bundesgesetz über Aufenthalt und Niederlassung der Ausländer, ANAV, SR 142.201).

Je länger ein Ausländer in der Schweiz anwesend war, desto strengere Anforderungen sind grundsätzlich an die Anordnung einer Ausweisung zu stellen. Zu berücksichtigen ist auch, in welchem Alter der Ausländer in die Schweiz eingereist ist. Selbst bei einem Ausländer, der bereits hier geboren ist und sein ganzes Leben in der Schweiz verbracht hat (Ausländer der zweiten Generation), ist eine Ausweisung nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung indessen nicht ausgeschlossen (BGE 122 II 435 ff.). Bei schweren Straftaten, insbesondere bei Gewalt-, Sexualund schweren Betäubungsmitteldelikten und erst recht bei Rückfall beziehungsweise wiederholter Delinquenz besteht nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts ein wesentliches öffentliches Interesse an einer Ausweisung. Entscheidend sind aber immer die gesamten Umstände des Einzelfalles (BGE 125 II 523). Ausgangspunkt und Massstab für die Schwere des Verschuldens und die fremdenpolizeiliche Interessenabwägung sind die vom Strafrichter verhängten Strafen (BGE 129 II 216).

3.a) Hinsichtlich der Schwere des Verschuldens ist vorab festzuhalten, dass der Beschwerdeführer u.a. vier Raubüberfälle bandenmässig begangen hat und dabei auch vor Geiselnahmen und Freiheitsberaubungen nicht zurückschreckte. Dazu kommen mehrfach bandenmässig begangene Diebstähle. Das Verschulden muss als schwer bezeichnet werden, weshalb auch das öffentliche Interesse an einer Ausweisung erheblich ist. Selbst aber bei solch schweren Delikten ist indessen in jedem Ausweisungsfall die Verhältnismässigkeitsprüfung gestützt auf die gesamten wesentlichen Umstände des Einzelfalles vorzunehmen. Bei der Prüfung dieser Einzelumstände ist, neben den begangenen Straftaten, auch das allgemeine Verhalten des Ausländers zu berücksichtigen, sei es im Privatoder im Berufsleben und im Alltag, sowie die Dauer seines Aufenthaltes und das Ausmass der Integration in der Schweiz (vgl. BGE 125 II 524).

b) Der Beschwerdeführer hat alle seine schweren Straftaten im Alter von vierbzw. fünfundzwanzig Jahren in der Periode von September 2002 bis April 2003 begangen. Sie konzentrieren sich somit auf ungefähr sieben Monate; die dreijährige Deliktsserie, welche die Vorinstanz erwähnt, ist jedenfalls nicht aktenkundig. Die beiden Widerhandlungen gegen das Strassenverkehrsgesetz (SVG, SR 741.01) aus dem Jahr 2001 sind angesichts ihrer Geringfügigkeit ausländerrechtlich nicht relevant. Der Beschwerdeführer war vor dieser Deliktsserie nicht einschlägig vorbestraft. Er war geständig und bereut heute die Taten. Die in der Beschwerdeschrift vertretene Ansicht, dass die Schwierigkeit, als Jugoslawe aus dem Kosovo eine Arbeit zu finden, und die dadurch entstandene zeitweilige Arbeitslosigkeit dazu wesentlich beigetragen hätten, dass der Beschwerdeführer auf die schiefe Bahn geraten sei, ist nicht abwegig. Der Beschwerdeführer hat seine Strafe abgesessen und konnte zum frühestmöglichen Zeitpunkt bedingt entlassen werden. Unmittelbar nach der Entlassung hat der Beschwerdeführer Arbeit als Serviceangestellter gefunden. Mittlerweilen hat er eine Stelle als Gipser gefunden, eine Tätigkeit, die er schon früher ausgeübt hat und die ihm nach eigenen Angaben zusagt. Es kann erwartet werden, dass der Beschwerdeführer aus dem Strafverfahren und der Strafverbüssung seine Lehren gezogen hat und es ihm gelingt, nicht rückfällig zu werden.

c) Der Beschwerdeführer hat sein Heimatland bereits als Fünfjähriger verlassen und lebt seither in der Schweiz. Auch alle seine engsten Familienangehörigen wohnen hier. Er hat die Schulen in der Schweiz absolviert und ist als so genannter Ausländer der zweiten Generation hier in der Schweiz integriert. Die Beziehungen zu seinem Heimatland Serbien-Montenegro und speziell zu Kosovo erscheinen marginal.

d) Die Resozialisierungschancen hier und im Kosovo sind schwierig zu beurteilen. Zwar hat der Beschwerdeführer hier alle näheren Verwandten und wird insofern von ihnen auch unterstützt, als er nun bei seiner Schwester wohnen kann. Andrerseits ist beispielsweise auch sein Vater wiederholt mit dem Gesetz in Konflikt gekommen. Auch die notorischen Probleme von Personen aus dem Balkan in zweiter Generation werden weiterhin präsent sein. Die Möglichkeiten, im Kosovo sonst wo in Serbien-Montenegro ein geregeltes Leben zu führen, dürften unweit schwerer sein. Die Arbeitslosigkeit ist dort noch grösser und namentlich ist das Leben nach dem Krieg noch nicht ganz zur Normalität zurückgekehrt. Das Verwaltungsgericht betrachtet die Resozialisierungschancen in der Schweiz besser als im Heimatland.

e) Angesichts der langen Aufenthaltsdauer in der Schweiz und der Verwurzelung hier gegenüber der Entfremdung vom Heimatland, angesichts der engen Familienangehörigen, die allesamt in der Schweiz wohnen, und des mangelnden Beziehungsnetzes im Heimatstaat, der besseren Resozialisierungschancen in der Schweiz und angesichts der doch isoliert dastehenden Deliktsserie erscheint die Ausweisung trotz der Schwere der Delikte und der grundsätzlichen Strenge, die in solchen Fällen anzuwenden ist, als unangemessen bzw. unverhältnismässig. Von einer Ausweisung ist zum jetzigen Zeitpunkt abzusehen.

4. Auch wenn auf eine Ausweisung im jetzigen Moment zu verzichten ist, muss dem Beschwerdeführer bewusst werden, dass ein Rückfall unweigerlich zu einer Ausweisung führen wird. Die Behörden haben das künftige Verhalten zu beobachten. Zu diesem Zweck wird, nach dem Grundsatz der milderen Massnahme und in Gutheissung des subeventuellen Beschwerdeantrags die Niederlassungsbewilligung in eine blosse Aufenthaltsbewilligung umgewandelt. Sie ist vorläufig auf ein Jahr befristet. Verhält sich der Beschwerdeführer klaglos, kann ihm nach fünf Jahren wieder die Niederlassungsbewilligung erteilt werden.

 

Verwaltungsgericht, Urteil vom 2. März 2006 (VWBES.2005.389)



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