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Urteil Versicherungsgericht (SG)

Kopfdaten
Kanton:SG
Fallnummer:-
Instanz:Versicherungsgericht
Abteilung:BV - berufliche Vorsorge
Versicherungsgericht Entscheid - vom 20.01.2015 (SG)
Datum:20.01.2015
Rechtskraft:
Leitsatz/Stichwort:Entscheid Art. 23 BV. Anspruch auf Invalidenrente aus beruflicher Vorsorge. Der Eintritt bzw. das Weiterbestehen einer rentenbegründenden Arbeitsunfähigkeit während und unmittelbar nach Beendigung des Vorsorgeverhältnisses bei der Beklagten ist mit überwiegender Wahrscheinlichkeit nicht anzunehmen (Entscheid des Versicherungsgerichts des Kantons St. Gallen vom 20. Januar 2015, BV 2013/10).Präsident Joachim Huber, Versicherungsrichterinnen Miriam Lendfers undLisbeth Mattle Frei; Gerichtsschreiberin Della BatlinerEntscheid vom 20. Januar 2015in SachenA. ,Klägerin,vertreten durch Rechtsanwalt lic. iur. Thomas Zogg, rechtsanwälte.og42,Oberer Graben 42, 9000 St. Gallen,gegenZ. - Pensionskasse, Bachmattstrasse 59, Postfach,
Schlagwörter: Arbeit; IV-act; Arbeitsunfähigkeit; Sicherung; Invalidität; Vorsorge; Invalidenversicherung; Leistung; Invaliditätsgrad; Eintritt; Person; Gesundheitlich; Recht; Bundes; Rente; Invalid; Versicherung; Vorsorgeeinrichtung; Beckenfraktur; Urteil; Gesundheitliche; IV-Stelle; Zeitpunkt; Kündigung; Gesundheitlichen; Klage; Pensum; Versicherungsgericht; Sturz
Rechtsnorm: Art. 23 BV ; Art. 6 BV ; Art. 73 BV ;
Referenz BGE:118 V 35; 120 V 109; 120 V 112; 120 V 113; 123 V 262; 126 V 308; 130 V 445; 134 V 20;
Kommentar zugewiesen:
Spühler, Basler Kommentar zur ZPO, Art. 321 ZPO ; Art. 311 ZPO, 2017
Weitere Kommentare:Ulrich Meyer;
Entscheid
8048 Zürich,Beklagte,vertreten durch Rechtsanwältin Dr. iur. Isabelle Vetter- Schreiber, Seestrasse 6, 8027 Zürich,betreffend Invalidenrente - Sachverhalt:

A.

    1. A. (nachfolgend: Klägerin) war seit 9. November 1989 in B. als Kassiererin arbeitstätig und dadurch bei der Z. , Zürich (nachfolgend: Beklagte), vorsorgeversichert (IV-act. 28).

    2. Wegen Knieproblemen nach einem Skiunfall 1972 hatte sich die Klägerin zwischen 1972 und 1992 mehreren Knieoperationen unterzogen und musste das rechte Knie nach Infektion und Entfernung der eingesetzten Totalprothese letztlich versteifen lassen (vgl. zur Anamnese IV-act. 2-3, 7-1/9).

    3. Im März 1993 hatte sie sich zum Bezug von Leistungen der Invalidenversicherung angemeldet (IV-act. 1). Mit Verfügung vom 20. Juli 1994 war der Klägerin von der Invalidenversicherung ab 1. April 1992 eine Viertelsrente, ab 1. Mai 1992 eine halbe

      Rente und vom 1. August 1992 bis 28. Februar 1993 eine befristete ganze Rente ausgerichtet worden (IV-act. 13-2/3).

    4. Am 30. März 2002 war eine dynamische Hüftschraubenversorgung nach petrochantärer Femurfraktur (undislozierte laterale Schenkelhaltsfraktur rechts; IV-act. 22-3/4f. und 30-14/17f.) und am 23. Mai 2003 eine Resektions-Interpositions- Arthroplastik nach Epping bei peritrapezoider Arthrose des rechten Handgelenks durchgeführt worden (IV-act. 22-2/4 und 30-10/17f.).

    5. Das Arbeitsverhältnis bei B. war per Ende Mai 2007 aufgelöst worden (IV- act. 28). Seit 1. Juni 2007 hatte sich die Klägerin mit einem Pensum von 50% als

arbeitslos gemeldet (IV-act. 27). Ab 2. August 2007 war die Klägerin bei der C. , als Mitarbeiterin im Versand auf Abruf tätig (IV-act. 49f.). Nach einem Sturz am

27. Dezember 2007 auf die rechte Hüfte wurde im Januar 2008 eine Beckenfraktur festgestellt (IV-act. 22-1/4). Am 12. Februar 2008 diagnostizierte Dr. med. D. , Innere Medizin/Rheumatologie FMH, bei der Klägerin eine bereits mit Frakturen manifeste fortgeschrittene Osteoporose (IV-act. 30-6/17f.).

B.

    1. Im Februar 2008 meldete sich die Klägerin wegen multipler Gelenkbeschwerden seit 2002 nochmals zum Bezug von Leistungen der Invalidenversicherung an (IV- act. 14). Das Arbeitsverhältnis bei der C. AG wurde auf den 31. August 2008 aufgelöst (IV-act. 49f.). Mit Vorbescheid vom 11. März 2009 (IV-act. 74) teilte die IV-

      Stelle der Klägerin mit, bei Qualifikation der Erwerbstätigkeit mit einem Anteil von 80%, bei einer Einschränkung von 24%, und der Tätigkeit als Hausfrau mit 20%, bei einer Einschränkung von 14%, resultiere ein Invaliditätsgrad von 22%. Dagegen erhob die Beklagte am 12. März 2009 vorsorglich Einwand, zog diesen jedoch mit Schreiben vom

      16. April 2009 zurück (IV-act. 75, 79). Die Klägerin liess durch ihren damaligen Rechtsvertreter am 9. Juni 2009 ebenfalls Einwand erheben (IV-act. 85). Mit Verfügung vom 10. Juni 2009 wies die IV-Stelle das Leistungsbegehren der Klägerin ab (IV-

      act. 86). Die dagegen erhobene Beschwerde vom 16. Juli 2009 (IV-act. 89) wurde mit Entscheid des Versicherungsgerichts des Kantons St. Gallen vom 6. Mai 2011

      (IV 2009/255; IV-act. 99) dahingehend gutgeheissen, dass der Klägerin eine

      Viertelsrente zugesprochen wurde. Zur Festsetzung des Rentenbeginns und der Rentenhöhe wurde die Sache an die IV-Stelle zurückgewiesen.

    2. Mit Vorbescheid vom 29. Juni 2011 (IV-act. 104) legte die IV-Stelle den Zeitpunkt des Beginns der einjährigen Wartezeit auf den 27. Dezember 2007 (Beckenfraktur nach Sturz) fest und sprach der Klägerin ab Dezember 2008 eine Viertelsrente zu. Der Rechtsvertreter der Klägerin teilte mit Schreiben vom 21. Juli 2011 mit, er sei mit dem Vorbescheid einverstanden (IV-act. 105). Am 4. Oktober 2011 verfügte die IV-Stelle im Sinne des Vorbescheids (IV-act. 109).

C.

    1. Mit Klage vom 8. Mai 2013 liess die Klägerin, vertreten durch Rechtsanwalt lic. iur. Thomas Zogg, St. Gallen, beantragen, die Beklagte sei zu verpflichten, ihr mit Wirkung ab 1. Juni 2008 eine Invaliden-Viertelsrente nach BVG zu bezahlen; unter Kosten- und Entschädigungsfolge (act. G1). Zur Begründung liess sie insbesondere anführen, nicht die Beckenfraktur nach Sturz, sondern die polymorbiden Beschwerden im Bewegungsapparat hätten zur Arbeitsunfähigkeit und Invalidität geführt. Die Diagnosen einer Kniegelenksarthodese rechts nach Infekt, einer dynamischen Hüftschraube rechts nach lateraler Schenkelhalsfraktur sowie die Resektions-Interpositions-Arthroplastik nach Epping bei peritrapezoider Arthrose rechts hätten zweifelsohne bereits in der Zeit bestanden, als sie noch bei B. angestellt gewesen sei. Die medizinischen Berichte in den IV-Akten dokumentierten die erwähnten gesundheitlichen Beschwerden gut. Die Osteoporose habe nicht erst im Jahr 2007, sondern wesentlich früher bestanden. Aufgrund ihrer Beschwerden habe die Klägerin nie mehr als 50% gearbeitet. Der Leistungsabfall habe zur Kündigung seitens der Arbeitgeberin B. geführt. Bei der

      C. AG sei sie nur im Stundenlohn auf Abruf angestellt gewesen und habe nie mehr als 43 Stunden pro Monat gearbeitet. Somit sei sie auch nicht zwischenzeitlich wieder arbeitsfähig geworden. Die invalidisierende Arbeitsunfähigkeit liege Jahre vor der IV- Anmeldung im Jahr 2008 zurück, weshalb die diesbezügliche Feststellung der Invalidenversicherung nicht verbindlich sei. Sodann sei von einer qualifizierten Unrichtigkeit des IV-Entscheids auszugehen, da er in krasser Weise von den effektiven Diagnosen, die zur Invalidität geführt hätten, abweiche.

    2. Mit Klageantwort vom 6. September 2013 schloss die Beklagte, vertreten durch Rechtsanwältin Dr. iur. Isabelle Vetter-Schreiber, Zürich, auf die vollumfängliche Abweisung der Klage unter Kosten- und Entschädigungsfolgen zulasten der Klägerin (act. G7). Zur Begründung liess sie im Wesentlichen vorbringen, die Feststellungen der IV-Organe hinsichtlich der Höhe des Invaliditätsgrades, der Entstehung des Rentenanspruchs bzw. des Beginns der invalidisierenden Arbeitsunfähigkeit seien grundsätzlich für die Vorsorgeeinrichtung verbindlich und stünden auch im Einklang mit den Arztberichten sowie mit der erwerbsmässigen Situation. Daher seien sie nicht offensichtlich unhaltbar, was die Klägerin mit ihrem Einverständnis auch selbst ausdrücklich bestätigt habe. Erst aufgrund der Beckenfraktur sei eine fortgeschrittene Osteoporose diagnostiziert worden und dies habe zunächst zu einer vollen und anschliessend zu einer 50%-igen Arbeitsunfähigkeit in einer adaptierten Tätigkeit geführt. Die Kündigung sei wegen mehrfachen Weisungsverstössen und nicht wegen eines Leistungsabfalls aus gesundheitlichen Gründen erfolgt. Die Einbusse an Leistungsvermögen sei während der Tätigkeit bei B. arbeitsrechtlich nicht in Erscheinung getreten. Es sei nicht echtzeitlich belegt, dass die Klägerin aus gesundheitlichen Gründen nur 50% tätig gewesen sei. Nach ihrer Tätigkeit bei B. habe die Klägerin fast ein halbes Jahr lang bis zum Beckenbruch bei der C. AG die uneingeschränkte Bereitschaft gezeigt, zu arbeiten. Das effektive tiefe Pensum gründe im Arbeitsvolumen und nicht in gesundheitlich bedingten Leistungseinbussen.

    3. Mit Replik vom 7. November 2013 (act. G14) und Duplik vom 3. März 2014 (act. G20) hielten die Parteien an ihren bisherigen Anträgen fest.

    4. Mit Schreiben vom 4. März 2014 (act. G21) orientierte das Versicherungsgericht die Parteien über den Beizug der IV-Akten und räumte ihnen die Gelegenheit ein, Einsicht zu nehmen und gegebenenfalls eine Stellungnahme abzugeben.

    5. Die Rechtsvertreterin der Beklagten reichte am 23. April 2014 eine Stellungnahme ein (act. G28) und hielt darin im Wesentlichen fest, die Klägerin habe aus gesundheitsfremden Gründen bis 2007 im 50%-Pensum gearbeitet und hätte diese Erwerbstätigkeit maximal im Rahmen von 60% ausgeübt. Selbst in letzterem Fall bestünde lediglich ein nicht rentenbegründender Invaliditätsgrad von 30%, da der Statuswechsel auf den in der beruflichen Vorsorge massgebenden Invaliditätsgrad

      keine Auswirkungen hätte. Erst seit April 2008 bestünden Einschränkungen der Arbeitsfähigkeit.

    6. Mit Stellungnahme vom 14. Juli 2014 (act. G34) äusserte sich der Rechtsvertreter der Klägerin dahingehend, dass sämtliche gesundheitlichen Beschwerden, die gemäss den Arztberichten Auswirkungen auf die Arbeitsfähigkeit gehabt und zur Invalidität der Klägerin geführt hätten, in der Zeit aufgetreten seien, als die Klägerin bei der Beklagten versichert gewesen sei. Dass die entsprechenden Diagnosen eine relevante Arbeitsunfähigkeit zur Folge gehabt hätten, ergebe sich klar aus medizinischen Unterlagen. Nach Angaben der Klägerin habe diese vermehrt Pausen einlegen müssen und Kurzabsenzen gehabt, die nicht durchwegs in der Absenzenkontrolle B. ersichtlich seien. Die Klägerin hätte ihr Arbeitspensum wesentlich früher als im Mai 2008 auf 80% erhöht, was als Statuswechsel bei der Berechnung des Invaliditätsgrads nach BVG zu berücksichtigen sei.

Erwägungen:

1.

    1. Die sachliche Zuständigkeit des angerufenen Versicherungsgerichts geht aus Art. 73 Abs. 1 des Bundesgesetzes über die berufliche Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenvorsorge (BVG; SR 831.40) in Verbindung mit Art. 65 Abs. 1 lit. ebis des Gesetzes über die Verwaltungspflege (VRP; sGS 951.1) hervor, die örtliche Zuständigkeit folgt aus Art. 73 Abs. 3 BVG.

    2. Streitig ist, ob die Beklagte der Klägerin für die Zeit ab 1. Juni 2008 Invaliden­

leistungen auszurichten hat.

2.

    1. Anspruch auf Invalidenleistungen haben gemäss Art. 23 BVG unter anderem Personen, die im Sinn der Invalidenversicherung zu mindestens 40 % invalid sind und bei Eintritt der Arbeitsunfähigkeit, deren Ursache zur Invalidität geführt hat, versichert waren (lit. a). Auf Art. 23 lit. a BVG ist jedoch nur abzustellen, soweit ihm neben den reglementarischen Regelungen der Beklagten eine eigenständige Bedeutung zukommt

      (vgl. BGE 130 V 445 ff.; Urteile vom 24. August 2006, B 14/06, E. 3.1.1 und 3.1.2 [mit Hinweis] und vom 30. November 2005, B 41/05, E. 2).

    2. Aus der engen Verbindung zwischen dem Recht auf eine Rente der Invalidenver­ sicherung und demjenigen auf eine Invalidenleistung nach BVG wie auch aus der einheitlichen Definition in Art. 8 Abs. 1 des Bundesgesetzes über den Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts (ATSG; SR 830.1) ergibt sich, dass der Invaliditätsbegriff im obligatorischen Bereich der beruflichen Vorsorge und in der Invalidenversicherung grundsätzlich der gleiche ist. Aufgrund von Art. 6 BVG steht es den Vorsorgeeinrichtungen frei, den Invaliditätsbegriff bereits in der obligatorischen Versicherung zugunsten des Versicherten zu erweitern oder Invalidenrenten schon bei einem Invaliditätsgrad von weniger als 40% auszurichten. Die Vorsorgeeinrichtungen sind frei in der Wahl des Invaliditätsbegriffs; sie haben sich aber an eine einheitliche Begriffsanwendung zu halten. Gehen sie ausdrücklich oder unter Hinweis auf das Gesetz vom gleichen Invaliditätsbegriff aus wie die Invalidenversicherung, sind sie hinsichtlich des versicherten Ereignisses an die Invaliditätsbemessung der IV-Stellen (der Kantone und des Bundes) gebunden, es sei denn, dass diese sich als offensichtlich unhaltbar erweist (vgl. BGE 126 V 308; 115 V 208; 115 V 215; 118 V 35

      E. 2b/aa; 120 V 106 E. 3c). Stellt die Vorsorgeeinrichtung auf die invalidenversicherungsrechtliche Betrachtungsweise ab, muss sich die versicherte Person diese grundsätzlich entgegenhalten lassen, soweit diese für die Festlegung des Anspruchs auf eine Invalidenrente entscheidend war (vgl. Urteil des Eidgenössischen Versicherungsgerichts [EVG; seit 1. Januar 2007: Sozialrechtliche Abteilungen des Bundesgerichts] vom 14. August 2000, B 50/99, E. 2b), und zwar ungeachtet dessen, ob der Vorsorgeversicherer im IV-Verfahren beteiligt war oder nicht (vgl. dazu Urteil des EVG vom 9. Februar 2004, B 39/03, E. 3.1).

    3. Bei Teilzeitbeschäftigung wird der Invaliditätsgrad in der Invalidenversicherung nach der gemischten Methode (Art. 27bis der Verordnung über die Invalidenversicherung [IVV; SR 831.201]) ermittelt. Danach werden der Invaliditätsgrad für den erwerblichen Bereich und für den Haushaltbereich je gesondert ermittelt und nachher der Gesamtinvaliditätsgrad berechnet. Da im Rahmen des BVG nur der erwerbliche Teil der Tätigkeit versichert ist, ist nur der in diesem Bereich festgestellte Invaliditätsgrad massgeblich, und nur insoweit ist die Vorsorgeeinrichtung an die

      Invaliditätsbemessung der Invalidenversicherung gebunden (Jürg Brühwiler, Obligatorische berufliche Vorsorge, in: Schweizerisches Bundesverwaltungsrecht, Soziale Sicherheit, Ulrich Meyer (Hrsg.), 2. Auflage, Basel 2007, Rz 111; BGE 120 V 109).

    4. Invalidenleistungen nach BVG werden von derjenigen Vorsorgeeinrichtung geschuldet, der die anspruchsberechtigte Person bei Eintritt des versicherten Ereignisses angeschlossen ist. Dieser Zeitpunkt fällt mit dem Eintritt der Arbeitsunfähigkeit zusammen, deren Ursache zur Invalidität geführt hat. Die Versicherteneigenschaft muss nur bei Eintritt der Arbeitsunfähigkeit gegeben sein, dagegen nicht notwendigerweise auch im Zeitpunkt des Eintritts oder der Verschlimmerung der Invalidität. Für eine einmal aus – während der Versicherungsdauer aufgetretenen – Arbeitsunfähigkeit geschuldete Invalidenleistung bleibt die Vorsorgeeinrichtung somit leistungspflichtig, selbst wenn sich nach

Beendigung des Vorsorgeverhältnisses der Invaliditätsgrad ändert. Entsprechend bildet auch der Wegfall der Versicherteneigenschaft keinen Erlöschungsgrund (BGE 118 V 35

  1. 5; BGE 123 V 262 E. 1a). Auf diese Weise wird dem Umstand Rechnung getragen, dass die versicherte Person meistens erst nach einer längeren Zeit der Arbeitsunfähigkeit invalid wird. Damit kommt der Schutz der zweiten Säule zum Tragen, wonach das Invaliditätsrisiko auch dann gedeckt sein muss, wenn es rechtlich gesehen erst nach einer langen Krankheit eintritt, während der die leistungsbegehrende Person unter Umständen dem Obligatorium nicht mehr unterstanden hat (BGE 118 V 35 E. 2a/bb; BGE 120 V 113 E. 2b). Damit die frühere Vorsorgeeinrichtung jedoch leistungspflichtig bleibt, ist allerdings nicht nur erforderlich, dass die Arbeitsunfähigkeit zu einer Zeit einsetzte, als die versicherte Person ihr angeschlossen war, sondern auch, dass zwischen dieser Arbeitsunfähigkeit und der Invalidität sowohl ein sachlicher als auch ein zeitlicher Zusammenhang besteht (BGE 120 V 112 E. 2b und c).

    3.

    Gemäss Art. 28 Abs. 1 des Vorsorgereglements der Z. -Pensionskasse, Ausgabe

    1. Januar 2008 (nachfolgend: Vorsorgereglement) ist Invalidität im Sinne der Eidgenössischen Invalidenversicherung die voraussichtlich bleibende oder längere Zeit dauernde ganze oder teilweise Erwerbsunfähigkeit. Anspruch auf die Invalidenrente

haben unter anderem versicherte Personen, die im Sinne der Eidgenössischen Invalidenversicherung zu mindestens 40% invalid sind und bei Eintritt der Arbeitsunfähigkeit, deren Ursache zur Invalidität geführt hat, versichert waren (Art. 29 Abs. 1 des Vorsorgereglements). Sind die Voraussetzungen nach Art. 28 und 29 erfüllt, wird der versicherten Person eine ganze Invalidenrente ausgerichtet, wenn sie im Sinne der Eidgenössischen Invalidenversicherung mindestens zu 70%, eine Dreiviertelsrente, wenn sie mindestens zu 60%, eine halbe Rente, wenn sie mindestens zur Hälfte und eine Viertelsrente, wenn sie mindestens zu 40% invalid ist (Art. 30 des Vorsorgereglements). Damit geht die Beklagte vom selben Invaliditätsbegriff aus wie die Invalidenversicherung.

4.

    1. Im Konkreten ist die Frage zu prüfen, ob bei der Klägerin während des vom

      9. November 1989 bis 30. Juni 2007 dauernden Vorsorgeverhältnisses bei der Beklagten (inkl. Nachdeckungsfrist von einem Monat; vgl. Art. 8 Abs. 2 des Reglements) eine Arbeitsunfähigkeit aufgetreten ist, welche in einem sachlichen und zeitlichen Zusammenhang zu der von der IV-Stelle mit Verfügung vom 4. Oktober 2011 (IV-act. 109) anerkannten Invalidität steht.

    2. Unter Arbeitsunfähigkeit ist die gesundheitlich bedingte Einbusse an funktionellem Leistungsvermögen im bisherigen Beruf zu verstehen (vgl. BGE 134 V 20 E. 5.3). Diese muss erheblich, offensichtlich und dauerhaft sein. Die Erheblichkeit wird in der Regel dann bejaht, wenn die Einschränkung mindestens 20% beträgt (vgl. Bundesamt für Sozialversicherung, Mitteilungen über die berufliche Vorsorge, Nr. 44 N 258 mit

Hinweis auf Urteil des EVG vom 7. Oktober 1998, B 48/97). Die Verminderung der Leistungsfähigkeit muss überdies in dem Sinne von dauerhafter Natur sein, dass der ihr zugrunde liegende Gesundheitsschaden auf längere Sicht geeignet ist, die Arbeitsfähigkeit der versicherten Person erheblich zu beeinträchtigen; wiederholte, kurzfristige, krankheitsbedingte Arbeitsplatzabsenzen von wenigen Tagen oder Wochen erfüllten dieses Erfordernis in der Regel nicht (Urteil des EVG vom

12. September 2005, B 44/05, E. 1.2; Urteil des Bundesgerichts vom 25. Oktober 2007, B 157/06, E. 2.2). Die Beklagte wurde in das Invalidenversicherungsverfahren miteinbezogen und stellt auf den von der IV-Stelle verfügungsweise angesetzten

Beginn der Wartefrist bzw. Eintritt der massgeblichen Arbeitsunfähigkeit bei der Klägerin im Dezember 2007 ab (vgl. Klageantwort S. 7; act. G7). Demzufolge ist das Gericht unter Vorbehalt der offensichtlichen Unrichtigkeit an die Feststellungen der Invalidenversicherung gebunden.

4.3

      1. Gemäss Arztzeugnis von Dr. med. E. , Spezialarzt FMH für Orthopädische Chirurgie, vom 5. März 1993 war die Klägerin vom 1. Januar bis 15. November 1992 voll arbeitsunfähig, danach attestierte er ihr eine "definitive" Arbeitsunfähigkeit von 50% (IV-act. 3-7/7). Allerdings könne die Arbeitsfähigkeit bei Kniearthrodese mit einem Spezialstuhl möglicherweise auf 70-80% gesteigert werden (IV-act. 4). In der IV- Anmeldung vom März 1993 gab die Klägerin an, seit 16. November 1992 variabel rund 20 Stunden pro Woche zu arbeiten, wobei kein Lohnausgleich von der Krankenkasse oder einer anderen Versicherung geleistet werde (IV-act. 1-4/6, 3-2/7). Aus der Lohnabrechnung des Jahres 1991 ist ersichtlich, dass die Klägerin auch in jenem Jahr nicht in einem höheren Pensum arbeitstätig gewesen war (IV-act. 3-6/7). Auch deuten die Auszüge aus dem individuellen Konto der Klägerin nicht auf eine 100%-ige Arbeitstätigkeit in den davorliegenden Jahren hin (IV-act. 5). Die Arbeitgeberin gab im Fragebogen vom 29. März 1993 an, gesundheitliche Gründe und viele Absenzen seien der Grund, weshalb keine Festanstellung mit Voll- oder Teilzeitbeschäftigung erfolgt sei (IV-act. 3-2/7). Bei der Haushaltsabklärung am 17. September 1993 äusserte die Klägerin gegenüber der Abklärungsperson, ohne Behinderung hätte sie die Erwerbstätigkeit auf 25-26 Stunden pro Woche ausgedehnt (IV-act. 7). Diese Angaben wurden bei der Bemessung des befristeten Rentenanspruchs übernommen und es wurde von einer Erwerbstätigkeit von 62% ausgegangen (IV-act. 7-7/9, 13-2/3).

      2. Bei der erneuten IV-Anmeldung im Februar 2008 ging aus den Angaben des Hausarztes Dr. med. F. vom 7. Februar 2008 hervor, dass die Klägerin nach der Kniearthrodese rechts im Jahr 1992 eine Hüftfraktur rechts 2002 mit dynamischer Hüftschraube sowie eine peritrapezoide Arthrodese rechts 2003 mit Arthoplastik nach Epping operativ hatte versorgen lassen müssen und eine nicht dislozierte Beckenfraktur nach einem Sturz am 27. Dezember 2007 in konservativer Behandlung gestanden hatte (IV-act. 14-5/8, 19). Gemäss den Absenzdaten B. (vgl. IV-

        act. 28-8/12f.) war die Klägerin im Jahr 2002 bereits ab 12. Januar wegen Krankheit zunächst voll, und vom 11. Februar bis 10. März 2002 im Umfang von 50% arbeitsunfähig gewesen. Am 30. März 2002 (Samstag) war die Hüftfraktur operiert worden (IV-act. 30-14/17f.) und vom 1. April 2002 bis 7. Juli 2002 hatte eine volle Arbeitsunfähigkeit wegen der Folgen des erlittenen Nichtberufsunfalls bestanden. Vom

        8. Juli bis 4. August 2002 und vom 19. August bis Ende September 2002 hatte eine 50%-ige, vom 1. Oktober bis 4. Januar 2003 eine 25%-ige Arbeitsunfähigkeit bestanden. Weitere krankheitsbedingte Absenzen waren bei der Klägerin vom 15. April bis 22. Mai 2003 im Umfang von 50% zu verzeichnen. Ausserdem war die Klägerin nach der Resektions-Interpositions-Arthroplastik nach Epping vom 23. Mai 2003 bis Ende August 2003 voll arbeitsunfähig gewesen (vgl. auch IV-act. 22-2/4). Vom

        1. September 2003 bis 9. Januar 2004 hatte eine 50%-ige Arbeitsunfähigkeit bestanden. Im Jahr 2004 war die Klägerin acht Tage, im Jahr 2005 fünf Tage und im Jahr 2006 13 Tage krankheitshalber von der Arbeit ferngeblieben. Per Ende Mai 2007 war das Arbeitsverhältnis der Klägerin durch B. gekündigt worden mit der Begründung, sie habe mehrmals Weisungen nicht eingehalten und mit einem Kassenbestand von Fr. 3'200.-- klar die Bestandeslimite überschritten (act. G 1.3). Am

        27. Dezember 2007 hatte sich die Klägerin bei einem Sturz eine Beckenfraktur zugezogen. Dr. Kaiser hatte ihr ab 9. Januar 2008 eine volle Arbeitsunfähigkeit, voraussichtlich für zwei bis drei Monate, attestiert (IV-act. 19). Im Februar 2008 hatte Dr. D. die Diagnose einer fortgeschrittenen Osteoporose, speziell der LWS gestellt (IV-act. 30-6/17f.).

      3. Der "definitive" Charakter der von Dr. E. im Jahr 1993 attestierten Arbeitsunfähigkeit von 50% war bereits von vornherein fraglich, da diese selbst nach seiner Ansicht durch einen Spezialstuhl hätte verringert werden können. Zudem stellt sein Attest für die Zeit nach dessen Ausstellung am 5. März 1993 lediglich eine Prognose dar, die einer Evaluation nach diesem Zeitpunkt bedarf. Jedenfalls reicht dieses Arztzeugnis nicht aus, um eine seither dauerhaft bestehende Arbeitsunfähigkeit im Umfang von 50% zu beweisen. Im Übrigen gab die Klägerin damals an, im Gesundheitsfall 25-26 Stunden pro Woche zu arbeiten. Die zu jenem Zeitpunkt bestehende Arbeitsunfähigkeit war seit der Wiederaufnahme der angestammten Tätigkeit im 50%-Pensum daher auch nicht mehr erheblich (ca. 10%). Aus dem weiteren Verlauf ist ersichtlich, dass die Klägerin erhebliche und länger dauernde

        Absenzen wegen der Hüftfraktur im März 2002 (mehr als drei Monate volle Arbeitsunfähigkeit, ca. zwei Monate Arbeitsunfähigkeit von 50% und mehr als drei Monate Arbeitsunfähigkeit von 25%) sowie nach der Resektions-Interpositions- Arthroplastik am 23. Mai 2003 (mehr als drei Monate volle Arbeitsunfähigkeit, mehr als vier Monate Arbeitsunfähigkeit von 50%) aufgewiesen hatte. Allerdings sind in den Jahren 2004, 2005 und 2006 keine nennenswerten, und im Jahr 2007 gar keine Arbeitsplatzabsenzen mehr dokumentiert. Die Klägerin hatte in diesem Zeitraum ihr vorheriges versichertes Arbeitspensum wieder zu leisten vermocht (vgl. Urteil des Bundesgerichts vom 7. Februar 2003, B 7/01, E. 2) und aus den Akten ist keine Arbeitsfähigkeitseinschränkung ersichtlich.

      4. Gemäss Kündigungsschreiben vom 1. Februar 2007 (act. G1.3) war die Kündigung per Ende Mai 2007 nicht aus gesundheitlichen Gründen erfolgt. Die darin genannten Gründe erscheinen glaubhaft, obwohl die Arbeitgeberin im März 1993 angegeben hatte, aus gesundheitlichen Gründen keine Festanstellung der Klägerin zu erwägen. Da ein langer Zeitraum vor der Kündigung gerade nicht mehr von vielen Absenzen der Klägerin geprägt war, ist mit überwiegender Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass der mehrmalige Verstoss gegen Weisungen und die klare Überschreitung der Bestandeslimite (für Bargeld in der Kasse) tatsächlich den Ausschlag für die Kündigung der Klägerin gegeben hatte. Daran vermögen auch die von Dr. F. festgehaltenen anamnestischen Angaben der Klägerin zu ihrer angeblich mangelhaften Leistung (zu langsame Kassiertätigkeit wegen Schmerzen, Konzentrationsprobleme und Rechnungsfehler) nichts zu ändern (IV-act. 30-2/17), zumal keine leistungseinschränkende Arbeitsunfähigkeit anhand von echtzeitlichen Arztzeugnissen dokumentiert ist.

      5. Der Eintritt bzw. das Weiterbestehen einer rentenbegründenden Arbeitsunfähigkeit während und unmittelbar nach Beendigung des Vorsorgeverhältnisses bei der Beklagten ist in diesem Sinn nicht mit überwiegender Wahrscheinlichkeit ausgewiesen. Jedenfalls erscheint der von der Invalidenversicherung festgelegte Zeitpunkt des Eintritts der massgebenden, anhaltenden Arbeitsunfähigkeit (27. Dezember 2007; Beckenfraktur) nicht offensichtlich unrichtig.

5.

Im Sinn der vorstehenden Erwägungen ist die Klage abzuweisen. Gerichtskosten sind keine zu erheben (Art. 73 Abs. 2 BVG). Eine Parteientschädigung ist aufgrund des vollumfänglichen Unterliegens der Klägerin nicht zuzusprechen.

Demgemäss hat das Versicherungsgericht im Zirkulationsverfahren gemäss Art. 39 VRP entschieden:

  1. Die Klage wird abgewiesen.

  2. Es werden keine Gerichtskosten erhoben.

Quelle: https://www.sg.ch/recht/gerichte/rechtsprechung.html
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