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Urteil Verwaltungsrekurskommission (SG)

Kopfdaten
Kanton:SG
Fallnummer:V-2019/31
Instanz:Verwaltungsrekurskommission
Abteilung:Kindes- und Erwachsenenschutz
Verwaltungsrekurskommission Entscheid V-2019/31 vom 09.04.2019 (SG)
Datum:09.04.2019
Rechtskraft:
Leitsatz/Stichwort:Entscheid Art. 94 Abs. 1 VRP (sGS 951.1). Verfahrensgebühr. Eine Verletzungshandlung an einem Kleinkind konnte niemandem zugeordnet werden. Eine Kostenauferlegung in der Einstellungsverfügung an die Eltern ist ungerechtfertigt, da die Eltern das Kindesschutzverfahren weder selbst eingeleitet noch durch das eigene Verhalten veranlasst haben (Verwaltungsrekurskommission, Abteilung V, 9. April 2019, V-2019/31).
Schlagwörter: Linth; Beschwerde; Eltern; Verhalten; Verfügung; Kindes; Kostenauferlegung; Gebühr; Angefochtene; Gefährdung; Veranlasst; Verfahren; Abklärung; EG-KES; Ziffer; Verletzung; Vorinstanz; Gefährdungsmeldung; Amtshandlung; Formelle; Verwaltungsrekurskommission; Auferlegt; Erhebung; Entscheid; Behörde; Abklärungsverfahren; Amtes; Gebühren; Beschwerdeführer
Rechtsnorm: Art. 25 ZGB ; Art. 314 ZGB ; Art. 440 ZGB ; Art. 448 ZGB ;
Referenz BGE:-
Kommentar zugewiesen:
Spühler, Basler Kommentar zur ZPO, Art. 321 ZPO ; Art. 311 ZPO, 2017
Weitere Kommentare:-
Entscheid
Präsident Titus Gunzenreiner, Fachrichter Heinz Erismann und Fachrichterin Heidi Roth, a.o. Gerichtsschreiberin Sandy Hefti

V. und M., Beschwerdeführer,

gegen

Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde Linth, Neue Jonastrasse 59, 8640 Rapperswil,

Vorinstanz,

betreffend

Gebühren (K., geb. 2015)

Sachverhalt:

A.- K., geb. 2015, ist die Tochter von V. und M.. Am 4. Mai 2017 wurde K. durch eine Tagesmutter betreut. Als sie am Nachmittag von ihrem Vater abgeholt wurde, seien ihm, und später auch der Mutter, leichte Verletzungen im Gesicht von K. aufgefallen, worauf die Familie am darauffolgenden Tag ihren Haus- bzw. Kinderarzt, Dr. D., aufsuchte. Auf Empfehlung des Arztes fand am selben Tag eine weitere Untersuchung von K. in der Kinderklinik des Kantonsspitals Graubünden statt, welche schliesslich zu einer Gefährdungsmeldung an die Kindesschutzbehörde Linth (nachfolgend: KESB Linth) führte.

B.- Im Rahmen des Abklärungsverfahren durch die KESB Linth konnte nicht geklärt werden, wie die Verletzung im Gesicht von K. entstanden ist. Aufgrund fehlender Hinweise auf eine Gefährdung des Kindeswohls wurde das Verfahren zur Prüfung allfälliger behördlichen Massnahmen mit Beschluss vom 31. Januar 2019 eingestellt. Mit derselben Verfügung wurde den Eltern eine Gebühr in der Höhe von Fr. 500.– auferlegt und in Rechnung gestellt (Ziffer 2).

C.- Gegen die Kostenauferlegung erhoben V. und M. mit Eingabe vom 19. Februar

2019 Beschwerde bei der Verwaltungsrekurskommission. Mit Vernehmlassung vom

28. Februar 2019 beantragte die KESB Linth die Abweisung der Beschwerde.

Auf Ausführungen der Verfahrensbeteiligten wird, soweit erforderlich, in den Erwägungen eingegangen.

Erwägungen:

1.- Die Eintretensvoraussetzungen sind von Amtes wegen zu prüfen. Die Verwaltungsrekurskommission ist zur Behandlung von Beschwerden gegen Entscheide der KESB zuständig (Art. 314 Abs. 1 ZGB i.V.m. 450 Abs. 1 ZGB und Art. 27 Abs. 1 des Einführungsgesetzes zur Bundesgesetzgebung über das Kindes- und Erwachsenenschutzrecht, sGS 912.5, abgekürzt: EG-KES). Die Beschwerde ist rechtzeitig erfolgt. Die Bestimmungen des Gesetzes über die Verwaltungsrechtspflege zum Rekursverfahren (sGS 951.1, abgekürzt: VRP) sind sinngemäss anwendbar (Art. 11 lit. a EG-KES). Die Beschwerde erfüllt in formeller und inhaltlicher Hinsicht die gesetzlichen Anforderungen (Art. 314 Abs. 1 ZGB i.V.m. Art. 450 Abs. 2 Ziff. 1 ZGB,

Art. 48 VRP). Auf die Beschwerde ist daher einzutreten.

2.- Die angefochtene Verfügung und das vorinstanzliche Verfahren sind von Amtes wegen auf die formelle Rechtmässigkeit hin zu überprüfen.

K. wohnt bei ihren Eltern in X.. Die KESB Linth war dementsprechend sowohl örtlich als auch sachlich zum Erlass der angefochtenen Verfügung zuständig (Art. 315 Abs. 1 und Art. 25 Abs. 1 ZGB). Die KESB handelt und entscheidet unter Vorbehalt abweichender Bestimmungen in der Besetzung von drei Mitgliedern (Art. 440 Abs. 2 ZGB und Art. 16

EG-KES). Die angefochtene Verfügung erging in der vorgeschriebenen Besetzung von drei Behördenmitgliedern. Die angefochtene Verfügung ist schliesslich hinreichend begründet. In formeller Hinsicht ist sie somit nicht zu beanstanden.

3.- Umstritten ist die Rechtmässigkeit der Gebührenerhebung (Ziffer 2 der angefochtenen Verfügung).

  1. Gemäss Art. 94 Abs. 1 VRP hat diejenige Partei, welche eine Amtshandlung zum eigenen Vorteil oder durch sein Verhalten veranlasst, die vorgeschriebene Gebühr zu entrichten. Unter Amtshandlungen, die zum eigenen Vorteil veranlasst werden, sind vornehmlich Gesuchsverfahren zu verstehen, bei denen Private mit dem Ersuchen um Erlass einer Verfügung oder Vornahme einer anderen Amtshandlung an die entsprechende Behörde gelangen. Ist das Verfahren hingegen nicht von den Privaten in Gang gebracht, sondern von der Behörde von Amtes wegen eingeleitet worden, dürfen den Betroffenen nur Gebühren auferlegt werden, wenn sie das fragliche Verfahren durch ihr Verhalten veranlasst haben. Kostenpflichtig ist somit der Verhaltensverursacher. Als solcher gilt, wer unmittelbar bzw. adäquat kausal durch sein eigenes Verhalten oder das Verhalten von Dritten, für die er verantwortlich ist, eine Amtshandlung veranlasst. Die Kostenpflicht des Verhaltensverursachers knüpft an ein Handeln oder Unterlassen an. Ein Verschulden des Verhaltensverursachers ist nicht erforderlich (Hirt, Die Regelung der Kosten nach st.gallischem Verwaltungsrechtspflegegesetz, S. 74).

  2. Die Beschwerdeführer machen geltend, das Abklärungsverfahren sei nicht durch sie initiiert worden und auch nicht durch sie verschuldet. Vielmehr hätten Dritte, ohne ihre Kenntnis, eine Gefährdungsmeldung bei der KESB Linth eingereicht. Es würden keine Beschuldigungen gegen sie vorliegen und die Verdächtigungen durch die KESB Linth hätten sich nicht erhärtet, weshalb auf die Erhebung einer Gebühr in der Höhe von Fr. 500.– zu verzichten sei.

    Die Vorinstanz begründet die Kostenauferlegung im Wesentlichen damit, dass dies der üblichen Praxis entsprechen würde und unabhängig sei von der Schuldfrage oder der Tatsache, dass Dritte und nicht die Eltern die Gefährdungsmeldung verfasst hätten.

  3. Vorliegend haben die Eltern das Kindesschutzverfahren weder selbst eingeleitet noch durch das eigene Verhalten veranlasst. Obwohl der behandelnde Arzt am 5. Mai 2017 von einer Gewalteinwirkung gegen K. ausging, welche nicht von einem Kleinkind stammen könne (vgl. Gefährdungsmeldung des Kantonsspitals Graubünden [act. 2.7] sowie Telefonnotiz [act. 6.15]), und damit Anlass zu einer Abklärung durch die KESB Linth gegeben war, konnte eine Verletzungshandlung niemandem zugeordnet werden. Weder konnte durch die Abklärungen der KESB Linth eine Kindesmisshandlung durch die Eltern nachgewiesen werden noch ergab sich eine anderweitige Gefährdung des Kindeswohls. Wer die Verletzung von K. tatsächlich verursacht hat, muss im vorliegenden Fall offenbleiben. Massgeblich ist hinsichtlich der Kostenauferlegung lediglich, dass die Eltern das Abklärungsverfahren nicht durch ihr eigenes Verhalten verursacht haben.

Im Übrigen haben die Eltern auch nicht ihre Mitwirkungspflichten verletzt, was unter Umständen eine Kostenauferlegung nach Art. 95 Abs. 2 VRP i.V.m. Art. 448 ZGB rechtfertigen würde. Wie von der KESB Linth angeordnet, liessen die Eltern K. regelmässig beim Kinderarzt untersuchen und erklärten sich bereit, mit der KESB Linth Gespräche zu führen.

Den Eltern kann kein Fehlverhalten vorgeworfen werden, weshalb eine Kostenauferlegung für die Einstellung des Kinderschutzverfahrens ungerechtfertigt erscheint. Auch wenn diese Kostenauferlegung der üblichen Praxis der KESB Linth entsprechen sollte, ist eine generelle Kostenauferlegung zulasten der Eltern, ohne

Prüfung des Einzelfalls, als unzulässig zu taxieren. Dementsprechend wird die Beschwerde gutgeheissen und Ziffer 2 der angefochtenen Verfügung aufgehoben.

4.- Nach Art. 11 lit. a EG-KES in Verbindung mit Art. 95 Abs. 1 VRP hat in Streitigkeiten jener Beteiligte die Kosten zu tragen, dessen Begehren ganz oder teilweise abgewiesen werden. Es gilt der Grundsatz der Kostentragung nach Massgabe des Obsiegens und Unterliegens. Angesichts des vollständigen Obsiegens der Beschwerdeführer sind die amtlichen Kosten vollumfänglich der Vorinstanz zu auferlegen. Eine Entscheidgebühr von Fr. 1'000.– erscheint angemessen (siehe Art. 7 Ziff. 122 der Gerichtskostenverordnung, sGS 941.12). Auf die Erhebung der Kosten ist zu verzichten (Art. 95 Abs. 3 VRP).

Entscheid auf dem Zirkulationsweg (Art. 11 lit. a EG-KES in Verbindung mit Art. 58 Abs. 1 VRP, Art. 22 Abs. 3 VRP sowie Art. 8bis lit. b des Reglements über den Geschäftsgang der Verwaltungsrekurskommission, sGS 941.223):

  1. Die Beschwerde wird gutgeheissen und Ziffer 2 der vorinstanzlichen Verfügung vom 31. Januar 2019 wird aufgehoben.

  2. Die amtlichen Kosten von Fr. 1'000.– werden der Vorinstanz auferlegt; auf die Erhebung der Kosten wird verzichtet.

Quelle: https://www.sg.ch/recht/gerichte/rechtsprechung.html
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