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Urteil Verwaltungsrekurskommission (SG - V-2006/66)

Zusammenfassung des Urteils V-2006/66: Verwaltungsrekurskommission

X.Y., geboren 1971, wurde aufgrund von finanziellen Schwierigkeiten und strafrechtlichen Verurteilungen einer Beistandschaft unterstellt. Nach mehreren Verurteilungen und psychiatrischen Gutachten wurde eine Vormundschaft gemäss Art. 369 ZGB über ihn errichtet. X.Y. erhob Klage gegen diesen Beschluss, da das Gutachten nicht den Anforderungen an ein Doppelgutachten entsprach. Das Gericht entschied, dass die Vormundschaftsbehörde das Gutachten ergänzen und neu beurteilen muss. Die Kosten wurden je zur Hälfte X.Y. und der Gemeinde Z. auferlegt, wobei der Vertreter von X.Y. eine Entschädigung erhielt.

Urteilsdetails des Verwaltungsgerichts V-2006/66

Kanton:SG
Fallnummer:V-2006/66
Instanz:Verwaltungsrekurskommission
Abteilung:Verwaltungsrekurskommission
Verwaltungsrekurskommission Entscheid V-2006/66 vom 13.12.2006 (SG)
Datum:13.12.2006
Rechtskraft:
Leitsatz/Stichwort:Entscheid Art. 374 Abs. 2 ZGB, Art. 67 Abs. 2 Satz 1 EG zum ZGB: Begutachtung bei Entmündigung wegen Geisteskrankheit oder Geistesschwäche (Verwaltungsrekurskommission, 13. Dezember 2006, V-2006/66)
Schlagwörter: Gutachten; Vormundschaft; Recht; Drmed; Vormundschaftsbehörde; Entmündigung; Begutachtung; Vorinstanz; Klägers; Anhörung; Kanton; Vertreter; Klage; Geisteskrankheit; Verwaltungsrekurskommission; Verfahrens; Psychotherapie; Wohnsitz; Doppelgutachten; Person; Sachverständige; Entmündigungsverfahren; Ergänzung; Fachstelle; Sozialpsychiatrie
Rechtsnorm: Art. 369 ZGB ;Art. 373 ZGB ;Art. 374 ZGB ;Art. 376 ZGB ;Art. 386 ZGB ;
Referenz BGE:117 II 132; 126 III 415; 85 II 462;
Kommentar:
-

Entscheid des Verwaltungsgerichts V-2006/66

Art. 374 Abs. 2 ZGB, Art. 67 Abs. 2 Satz 1 EG zum ZGB: Begutachtung bei Entmündigung wegen Geisteskrankheit Geistesschwäche (Verwaltungsrekurskommission, 13. Dezember 2006, V-2006/66)

Präsident Ralph Steppacher, Fachrichter Edwin Bigger und Heinz Erismann; Gerichtsschreiber Michael Rutz

In Sachen Y.X.,

Kläger, vertreten durch,

vorläufiger Vertreter:

gegen

Vormundschaftsbehörde Z., , Vorinstanz,

betreffend

Entmündigung (Vormundschaft gemäss Art. 369 ZGB)

Sachverhalt:

A.- X.Y. (Jahrgang 1971) wuchs in A./SZ auf. Er absolvierte nach der Primarschule zwei Werkjahre und danach eine Anlehre zum Käser. Darauf arbeitete er zuerst kurz auf diesem Beruf und danach bei verschiedenen Arbeitgebern im Detailhandel und im Gastgewerbe. Im Alter von 23 Jahren zog er bei seinen Eltern aus und nahm sich eine eigene Wohnung. Nachdem festgestellt wurde, dass er Mühe mit seinen Finanzen bekundet und seine Schulden in den Jahren 1996 bis 1998 eine Höhe von rund Fr. 62'000.-- erreicht hatten, errichtete die Vormundschaftsbehörde E./SZ am 12. März 1998 eine Beistandschaft auf eigenes Begehren für X.Y. Am 20. Dezember 1998 wurde er wegen mehrfacher sexueller Handlungen mit Kindern zu einer bedingten Gefängnisstrafe verurteilt. Nach einer weiteren Verurteilung wegen mehrfacher Begehung der gleichen Straftat verbüsste er vom Mai 2000 bis April 2001 eine Freiheitsstrafe im Kanton Schwyz. Im Rahmen des Strafverfahrens wurde am 29. August 2000 ein psychiatrisches Gutachten über X.Y. von der Fachstelle für Sozialpsychiatrie und Psychotherapie, G., erstellt, welches zum Schluss kam, dass er an einer mangelhaften geistigen Entwicklung und an Pädophilie leide. Später wurde er ausserdem mit Strafverfügung vom 7. April 2004 wegen sexueller Belästigung mit einer Busse von Fr. 200.-- bestraft.

Seit dem 1. Mai 2001 erhält X.Y. eine ganze IV-Rente. Am 1. November 2001 verlegte er seinen Wohnsitz von R. nach Z. und trat am 1. Februar 2002 nach einem freiwilligen Aufenthalt in der Kantonalen Psychiatrischen Klinik (nachfolgend: KPK) St. Pirminsberg in Pfäfers in die Institution BEWO (Betreutes Wohnen) S. ein. Nachdem ihm dort gekündigt wurde, fand er ab 31. April 2004 einen Platz im Männerheim in W. Am 6. September 2004 musste er das Männerheim verlassen und nahm sich darauf eine eigene Wohnung im Kanton Graubünden.

Die Vormundschaftsbehörde Z. übernahm zwischenzeitlich am 11. Februar 2003 die von der Vormundschaftsbehörde E./SZ errichtete Beistandschaft zur Weiterführung und entzog X.Y. am 5. November 2004 vorläufig die Handlungsfähigkeit und ernannte den bisherigen Beistand zu seinem vorläufigen Vertreter im Sinn von Art. 386 ZGB. Die gegen diese Verfügung eingereichte Beschwerde hiess das Justiz- und Polizeidepartement des Kantons St. Gallen am 6. Januar 2005 teilweise gut, indem es die vorläufige Entziehung der Handlungsfähigkeit und die Ernennung eines vorläufigen Vertreters im Umfang der Vermögensrechte bestätigte (Ziff. 1a des Dispositivs) und im Bereich der Persönlichkeitsrechte auf die Bestimmung der Unterkunft und der zugehörigen Betreuung beschränkte (Ziff. 1b des Dispositivs). Im September 2005 zog er alleine in eine 4-Zimmer-Wohnung in N.

X.Y. war auf freiwilliger Basis sechsmal in der KPK St. Pirminsberg hospitalisiert, letztmals vom 10. September bis 26. November 2004. Er besuchte zudem eine Therapie in Horgen und erhält regelmässig eine Depotspritze Androcur. Nach einem weiteren freiwilligen Klinikeintritt in die KPK Wil verfügte der Bezirksarzt (heute: Amtsarzt) Alttoggenburg und Wil, Dr.med. Hans Arregger, am 27. Oktober 2005 die Rückbehaltung von X.Y. in der KPK Wil. Eine dagegen eingereichte Klage, wies die Verwaltungsrekurskommission mit Entscheid vom 9. November 2005 ab. Noch im November 2005 wurde er wieder aus der KPK Wil entlassen. Seither ist er auf der Suche nach einer Arbeitsstelle in einer Behindertenwerkstatt und wohnt seit Februar 2006 in einer betreuten Wohngemeinschaft.

B.- Inzwischen wurde am 6. Juli 2005 Dr.med. Kurt April, Facharzt FMH für Psychiatrie und Psychotherapie, Horgen, von der Vormundschaftsbehörde im Hinblick auf die Errichtung einer Vormundschaft beauftragt, ein Doppelgutachten über X.Y. zu erstellen.

In seinem Gutachten vom 10. Mai 2006 bejahte Dr.med. Kurt April das Vorliegen einer Geisteskrankheit im Sinn des Schweizerischen Zivilgesetzbuches. Er diagnostizierte eine Persönlichkeitsstörung mit unreifen und haltlosen Zügen, unter einer leichten Intelligenzverminderung und einer Pädophilie.

Mit Beschluss vom 13. Juni 2006 (versandt am 19. Juni 2006) errichtete die Vormundschaftsbehörde gestützt auf die Gutachten vom 29. August 2000 und 10. Mai 2006 eine Vormundschaft gemäss Art. 369 ZGB über X.Y.. Zum Vormund ernannte sie den bisherigen Beistand und vorläufigen Vertreter.

C.- Gegen diesen Beschluss erhob X.Y. durch seinen Vertreter mit Eingabe vom 29. Juni 2006 (eingegangen am 30. Juni 2006) öffentlich-rechtliche Klage bei der Verwaltungsrekurskommission mit den Anträgen, der angefochtene Entscheid sei aufzuheben und es sei ein Obergutachten zu erstellen. Dem Kläger sei die unentgeltliche Prozessführung sowie die Bestellung des Unterzeichneten als Rechtsbeistand zu gewähren. Zudem sei die aufschiebende Wirkung zu erteilen; alles unter Kosten- und Entschädigungsfolge.

Mit Vernehmlassung vom 22. September 2006 beantragte die Vorinstanz die kostenfällige Abweisung der Klage.

Am 18. Oktober 2006 bewilligte der zuständige Abteilungspräsident der Verwaltungsrekurskommission das Gesuch betreffend Gewährung der unentgeltlichen Prozessführung und ernannte Rechtsanwalt M. zum Vertreter des Klägers.

D.- Auf die von den Verfahrensbeteiligten zur Begründung ihrer Anträge vorgebrachten Ausführungen und die Akten wird, soweit notwendig, in den nachstehenden Erwägungen eingegangen.

Erwägungen:

1.- Die Eintretensvoraussetzungen sind von Amtes wegen zu prüfen.

Verfügungen der Vormundschaftsbehörde betreffend Bevormundung, Verbeiratung und Verbeiständung von Erwachsenen können innert zehn Tagen mit öffentlich-rechtlicher

Klage bei der Verwaltungsrekurskommission angefochten werden (Art. 373 Abs. 1 des Schweizerischen Zivilgesetzbuches, SR 210, abgekürzt: ZGB; Art. 64 Abs. 2 des Einführungsgesetzes zum Schweizerischen Zivilgesetzbuch, sGS 911.1, abgekürzt: EG zum ZGB; Art. 71a lit. b des Gesetzes über die Verwaltungsrechtspflege, sGS 951.1, abgekürzt: VRP). Das Rechtsmittel ist rechtzeitig eingereicht worden. Die Eingabe vom

29. Juni 2006 (Postaufgabe) erfüllt in formeller und inhaltlicher Hinsicht die gesetzlichen Anforderungen (Art. 71d in Verbindung mit Art. 48 Abs. 1 VRP). Auf die Klage ist daher einzutreten.

2.- Die angefochtene Verfügung und das vorinstanzliche Verfahren sind von Amtes wegen auf ihre formelle Rechtmässigkeit hin zu überprüfen.

  1. Die örtliche Zuständigkeit für die Errichtung einer Vormundschaft bestimmt sich nach Bundesrecht. Gemäss Art. 376 Abs. 1 ZGB erfolgt die Bevormundung am Wohnsitz der zu bevormundenden Person. Im massgebenden Zeitpunkt der Einleitung des Entmündigungsverfahrens mit der Anordnung der vorläufigen Fürsorge am 5. November 2004 (vgl. BGE 126 III 415 E. 2c) hatte der Kläger Wohnsitz in Z. Im Übrigen hat er soweit aus den Akten ersichtlich seit der dortigen Wohnsitznahme am 1. November 2001 keinen neuen Wohnsitz begründet. Die Vormundschaftsbehörde Z. ist daher örtlich zur Errichtung einer Vormundschaft nach Art. 369 ZGB zuständig.

  2. Art. 373 Abs. 1 ZGB enthält keine Regelung des Entmündigungsverfahrens, sondern überbindet den Kantonen im Sinn eines unechten Vorbehalts das Recht und die Pflicht zum Erlass der entsprechenden Normen. Der Kanton St. Gallen regelt das Verfahren betreffend den Erlass vormundschaftlicher Massnahmen in den Art. 64 ff. EG zum ZGB. Die sachliche Zuständigkeit liegt im Kanton St. Gallen bei der Vormundschaftsbehörde (vgl. dazu Art. 4 und 64 Abs. 1 EG zum ZGB). In der Regel verfügt die Gesamtbehörde, was vorliegend der Fall war. Auch die sachliche Zuständigkeit der Vorinstanz ist somit gegeben.

  3. Gemäss Art. 374 Abs. 1 ZGB ist die zu entmündigende Person vorgängig persönlich anzuhören. Die Anforderungen an die mündliche Anhörung gehen dabei über Art. 29 Abs. 2 der Bundesverfassung (SR 101) hinaus (Schnyder/Murer, Berner Kommentar zum schweizerischen Privatrecht, Band II/3/1, 3. Aufl. 1984, N 26 ff. zu Art. 374 ZGB).

    Die Anhörung dient nicht nur der Wahrung der Verteidigungsrechte der betroffenen Person, sondern sie bildet auch ein Mittel der von Amtes wegen erfolgenden Erhebung des Sachverhaltes, das der urteilenden Behörde ein Urteil über die körperliche und geistige Verfassung dieser Person und über die Notwendigkeit der Anordnung einer vormundschaftlichen Massnahme ermöglichen soll. Nach der geltenden bundesgerichtlichen Praxis erfordert die in Art. 374 ZGB vorgeschriebene Anhörung bei Entmündigung nicht die Einvernahme durch die gesamte entscheidende Behörde. Mit Blick auf die grosse Bedeutung, welche der Beurteilung der Persönlichkeit und der unmittelbaren Wahrnehmung des Betroffenen von Bundesrechts wegen zukommt, ist eine persönliche Anhörung des Betroffenen durch einen einzelnen Beamten aber in der Regel nur dann mit Art. 374 ZGB vereinbar, wenn dieser auch in der Sache selbst entscheidungsbefugt ist (BGE 117 II 132 ff.).

    Den Akten ist nicht zu entnehmen, dass der Kläger vorgängig persönlich angehört wurde. So fehlt insbesondere ein Anhörungsprotokoll. Aus den übereinstimmenden Ausführungen der Beteiligten ergibt sich jedoch, dass dem Kläger von der Sekretärin der Vormundschaftsbehörde das Gutachten von Dr.med. Kurt April in groben Zügen zur Kenntnis gebracht sowie die vorgesehene Entmündigung eröffnet wurde. Ob die Vormundschaftssekretärin Mitglied der Behörde und damit in der Sache selbst entscheidungsbefugt ist, ergibt sich nicht aus den Akten. Mangels Protokolls ist auch der Inhalt dieser Anhörung nicht bekannt. Somit ist nicht nachvollziehbar, ob dem Kläger die Tatsachen, auf welche die Vorinstanz ihren Entscheid stützt, bekannt gegeben wurden. Soweit die Anhörung nur durch eine Behördendelegation durchgeführt wird, muss ein Protokoll erstellt und dieses der gesamten Behörde zur Kenntnis gebracht werden (T. Geiser, in: Honsell/Vogt/Geiser [Hrsg.], Basler Kommentar zum Schweizerischen Privatrecht, Zivilgesetzbuch I, Art. 1-456 ZGB, 3. Auf. 2006, N 3 zu Art. 374 ZGB).

    Ob die Vorinstanz die bundesrechtlichen Anforderungen an die Durchführung der Anhörung erfüllt hat, kann jedoch offen gelassen werden, da die angefochtene Verfügung wegen ungenügender Begutachtung aufzuheben ist.

  4. Art. 374 Abs. 2 ZGB bestimmt, dass die Entmündigung wegen Geisteskrankheit und Geistesschwäche nur nach Einholung eines Gutachtens von Sachverständigen erfolgen

    darf, das sich auch über die Zulässigkeit einer vorgängigen Anhörung des zu Entmündigenden auszusprechen hat. Gemäss Art. 67 Abs. 2 Satz 1 EG zum ZGB hat die Begutachtung durch zwei Sachverständige, unter denen sich der Amtsarzt der Arzt einer staatlichen Heilanstalt befinden muss, zu erfolgen (ABl 2005 S. 2660). Nach der Praxis der Verwaltungsrekurskommission müssen die beiden Experten, d.h. Ärzte mit genügenden psychiatrischen Kenntnissen, aufgrund eigener Untersuchung und unabhängig voneinander, sowie ohne an die Weisungen des anderen Experten gebunden zu sein, sich eine eigene Meinung bilden und sich anschliessend mit dem anderen Experten beraten, so dass sie, selbst wenn sie sich nicht bis ins letzte Detail einig sind, zumindest am Schluss zu einem übereinstimmenden Ergebnis über die zu beantwortende Frage gelangen, ob der Betroffene an einer psychischen Erkrankung leidet und daher des vormundschaftlichen Schutzes bedarf. Es kann sich beim Doppelgutachten auch um zwei Dokumente mit je einer Unterschrift der zwei Experten handeln, sofern sie das Ergebnis vorangegangenen Austausches sind und in den Resultaten übereinstimmen (vgl. zum Ganzen GVP 2004 Nr. 41 mit Hinweisen).

    Die Vorinstanz hat am 6. Juli 2005 Dr.med. Kurt April mit der Erstellung eines Gutachtens über das Vorliegen einer Geisteskrankheit beim Kläger und die Notwendigkeit einer vormundschaftlichen Massnahme beauftragt. Dr.med. Kurt April, stützte sich bei Ausarbeitung seines Gutachtens unter anderem auf eine Exploration des Klägers vom 12. April 2006 sowie das psychiatrische Gutachten der Fachstelle für Sozialpsychiatrie und Psychotherapie vom 29. August 2000. Im Rahmen des Entmündigungsverfahrens erfolgte keine weitere Begutachtung durch einen zweiten Sachverständigen. Auch ein entsprechender Auftrag wurde von der Vormundschaftsbehörde nicht erteilt. Das Gutachten von Dr.med. Kurt April vom 10. Mai 2006 wird als Ergänzungsgutachten bezeichnet. In den einleitenden Bemerkungen hält der Begutachter fest, dass bereits ein psychiatrisches Gutachten vom 29. August 2000 bestehe. Daher habe man ihm bestätigt, dass ein Ergänzungsgutachten genüge. Das erwähnte psychiatrische Gutachten über den Kläger vom 29. August 2000 wurde im Rahmen eines Strafverfahrens zuhanden des Verhöramts des Kantons Schwyz von der Fachstelle für Sozialpsychiatrie und Psychotherapie, Goldau, erstellt. Es wurde von der Assistenzärztin Dr.med. Annette Forrer unterzeichnet und vom Chefarzt Dr.med. Roland Weber eingesehen.

    Es ist zu prüfen, ob das Gutachten von Dr.med. Kurt April vom 10. Mai 2006 in Verbindung mit dem Gutachten der Fachstelle für Sozialpsychiatrie und Psychotherapie vom 29. August 2000 den kantonalrechtlichen Voraussetzungen an ein Doppelgutachten genügt. Der Wortlaut von Art. 67 Abs. 1 EG zum ZGB deutet darauf hin, dass im Fall der Bevormundung wegen Geisteskrankheit Geistesschwäche die Vormundschaftsbehörde in der Regel ein neues Gutachten einholen muss. Nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung kann jedoch ausnahmsweise ein früher, ausserhalb des Entmündigungsverfahrens eingeholtes psychiatrisches Gutachten formell genügen, wenn es alle nötigen Feststellungen enthält (BGE 85 II 462). Im konkreten vom Bundesgericht geprüften Fall, liegt zwischen der Begutachtung und der Entmündigung ein Zeitraum von rund 11 Monaten. Vorliegend wurde das erste Gutachten jedoch bereits rund sechs Jahre vor der Errichtung der Vormundschaft erstellt. Unter diesen Umständen kann nicht mehr gesagt werden, dass das Gutachten alle notwendigen Angaben enthält, da diese nicht mehr aktuell sind. Im Übrigen hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte am 8. November 2005 entschieden, dass es gegen Art. 6 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (SR 0.101) verstösst, wenn im Entmündigungsverfahren auf ein Gutachten abgestellt wird, welches mehr als ein Jahr früher erstellt wurde, obwohl sich der Zustand der betroffenen, in psychiatrischer Behandlung stehenden Person hätte verändern können (ZVW 2006 S. 93). Dazu kommt, dass das st. gallische Recht die Besonderheit des Doppelgutachtens kennt, was voraussetzt, dass zwei Sachverständige ein gemeinsames Gutachten erstellen (vgl. A. Kley-Struller, Kantonales Privatrecht, St. Gallen 1992, S. 131). Dies bedingt ein Mindestmass an Zusammenwirken der beiden Gutachter. Von einem gemeinsamen Gutachten kann bei einem zeitlichen Unterschied von sechs Jahren indes nicht mehr gesprochen werden. Es erscheint auch fraglich, ob das alte Gutachten alle nötigen Feststellungen enthält, zumal es sich hauptsächlich mit der Frage der Schuldfähigkeit des Klägers auseinandersetzt. Zudem wird in diesem Gutachten im Gegensatz zu demjenigen von Dr.med. Kurt April das Vorliegen einer Geisteskrankheit ausdrücklich verneint. Schliesslich ist die Begutachtung auch deshalb mangelhaft, weil keiner der begutachtenden Ärzte ein Amtsarzt ein Arzt einer staatlichen Heilanstalt ist. An diesem Ergebnis würde auch die mit dem V. Nachtrag zum Gesetz über die Verwaltungsrechtspflege geplante Abschaffung der kantonalrechtlich erforderlichen Doppelbegutachtung im Entmündigungsverfahren

    nichts ändern, da auch nach neuem Recht die Begutachtung durch einen Amtsarzt durch den Arzt eines staatlichen psychiatrischen Dienstes zu erfolgen hat (vgl. ABl 2006 S. 845 f., 875 und 3369). Dr.med. Kurt April ist frei praktizierender Psychiater und steht soweit aus den Akten ersichtlich nicht im Dienste eines ausserkantonalen staatlichen psychiatrischen Dienstes.

  5. Zusammenfassend ergibt sich, dass das Gutachten von Dr.med. Kurt April vom 10. Mai 2006 in Verbindung mit dem Gutachten vom 29. August 2000 der Fachstelle für Sozialpsychiatrie und Psychotherapie den Anforderungen an ein Doppelgutachten im Sinn von Art. 67 Abs. 2 Satz 1 EG zum ZGB nicht genügt. Um als Doppelgutachten im Sinn von Art. 67 Abs. 2 Satz 1 EG zum ZGB zu gelten, muss es durch eine weitere Begutachtung durch einen zweiten Sachverständigen ergänzt werden. Dies kann der Amtsarzt aber auch ein Arzt einer staatlichen Heilanstalt sein, welcher nach eigener Untersuchung des Klägers und nach einem Meinungsaustausch mit Dr.med. Kurt April zu einem übereinstimmenden Ergebnis gelangt. Diese Ergänzung der Begutachtung ist auch nach Inkrafttreten des V. Nachtrages zum Gesetz über die Verwaltungsrechtspflege erforderlich, da Dr.med. Kurt April wie erwähnt die neurechtlichen Voraussetzungen, welche an die Person des Begutachters gestellt werden, nicht erfüllt.

    Eine Heilung des festgestellten Mangels im Klageverfahren fällt vorliegend ausser Betracht, da eine Rückweisung gemäss Art. 71d in Verbindung mit Art. 56 Abs. 2 VRP unumgänglich ist, zumal noch zusätzliche Sachverhaltsabklärungen, namentlich die Ergänzung des Gutachtens durch einen zweiten Sachverständigen, erforderlich sind, welche nicht im Rechtsmittelverfahren vorgenommen werden können.

  6. Aus dem Dargelegten folgt, dass der Beschluss der Vormundschaftsbehörde Z. vom

13. Juni 2006 aufzuheben und die Streitsache zur Ergänzung des Gutachtens im Sinn der Erwägungen sowie zur Neubeurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen ist.

3.- Nach Art. 95 Abs. 1 VRP hat in Streitigkeiten jener Beteiligte die Kosten zu tragen, dessen Begehren ganz teilweise abgewiesen werden. Es gilt der Grundsatz der Kostentragung nach Massgabe des Obsiegens und Unterliegens. Da der angefochtene Beschluss wegen eines formellen Mangels aufgehoben und die Streitsache an die

Vorinstanz zurückgewiesen wird, gleichzeitig aber Anhaltspunkte für die Notwendigkeit einer vormundschaftlichen Massnahme bestehen, ist verfahrensmässig – auch ohne materielle Prüfung der Rechtslage durch das Gericht – von einem teilweisen Obsiegen des Klägers auszugehen. Die amtlichen Kosten von Fr. 1'000.-- (vgl. Ziff. 362 des Gerichtskostentarifs, sGS 941.12) sind je zur Hälfte dem Kläger sowie der Politischen Gemeinde Z., der Wohnsitzgemeinde des Klägers, zu überbinden. Auf die Erhebung der Kosten ist zufolge Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege bzw. gestützt auf Art. 95 Abs. 3 VRP zu verzichten.

Unabhängig vom Verfahrensausgang ist der Vertreter des Klägers zufolge Gewährung der unentgeltlichen Rechtsverbeiständung zu entschädigen. Er hat keine Kostennote eingereicht. Ein pauschales Honorar von Fr. 1'600.-- zuzüglich 4% Barauslagen (Fr.

64.--) erscheint angemessen (Art. 19, 22 Abs. 1 lit. b, 28 und 29bis der Honorarordnung für Rechtsanwälte und Rechtsagenten, sGS 963.75, abgekürzt: HonO). Infolge der gewährten unentgeltlichen Rechtsverbeiständung (act. 17) sind lediglich 80 % des Honorars, somit Fr. 1'280.--, zuzusprechen (Art. 31 Abs. 3 Anwaltsgesetz, sGS 963.70). Der Staat hat den Vertreter des Klägers somit ausseramtlich mit Fr. 1'446.15 (davon Mehrwertsteuer Fr. 102.15) zu entschädigen. Der Staat kann auf die Politische Gemeinde Z. Rückgriff nehmen, soweit sie kostenpflichtig ist (Art. 282 Abs. 1 lit. c letzter Satz des Zivilprozessgesetzes, sGS 961.2, und VerwGE vom 24. Januar 2001 in Sachen G.H., S. 11).

Entscheid:

  1. Der Beschluss der Vormundschaftsbehörde Z. vom 13. Juni 2006 wird aufgehoben und die Streitsache zur Ergänzung der Begutachtung und zur Neubeurteilung an die Vorinstanz zurückgewiesen.

  2. Die amtlichen Kosten von Fr. 1'000.-- werden je zur Hälfte dem Kläger und der Politischen Gemeinde Z. auferlegt; auf die Erhebung der Kosten wird verzichtet.

  3. Der Anspruch des Rechtsvertreters des Klägers aus unentgeltlicher Rechtsverbeiständung im Klageverfahren gegenüber dem Staat beträgt Fr. 1'446.15

(davon Mehrwertsteuer Fr. 102.15). Der Staat kann im Umfang von Fr. 723.05 auf die Politische Gemeinde Z. Rückgriff nehmen.

Quelle: https://www.sg.ch/recht/gerichte/rechtsprechung.html
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