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Urteil Versicherungsgericht (SG)

Kopfdaten
Kanton:SG
Fallnummer:UV 2015/21
Instanz:Versicherungsgericht
Abteilung:UV - Unfallversicherung
Versicherungsgericht Entscheid UV 2015/21 vom 23.05.2018 (SG)
Datum:23.05.2018
Rechtskraft:
Leitsatz/Stichwort:Entscheid Art. 18 und Art. 26 Abs. 1 UVG, Art. 17 und 25 ATSG. Revisionsweise Aufhebung der Rentenleistungen und Hilflosenentschädigungen sowie Rückforderung unrechtmässig ausgerichteter Leistungen bestätigt. Verwertbarkeit von illegal beschafftem Observationsmaterial ausnahmsweise bejaht (Entscheid des Versicherungsgerichts des Kantons St. Gallen vom 23. Mai 2018, UV 2015/21).
Schlagwörter: Beschwerde; UV-act; Beschwerdeführer; Recht; Verhalten; Observation; Medizinisch; Medizinische; Beschwerdeführers; Recht; Verfügung; Versicherungsgericht; Beschwerdegegnerin; Leistung; Rente; Medizinischen; Einsprache; Verhaltens; Verfahren; Unfall; Erheblich; Bundesgericht; Hilflosenentschädigung; Rückforderung; Entscheid; Observationsmaterial; Bellikon; Beurteilung
Rechtsnorm: Art. 17 ATSG ; Art. 18 UVG ; Art. 20 UVG ; Art. 25 ATSG ; Art. 26 UVG ; Art. 5 BV ; Art. 7 ATSG ; Art. 8 ATSG ; Art. 9 ATSG ;
Referenz BGE:143 I 377; 143 I 386;
Kommentar zugewiesen:
Spühler, Basler Kommentar zur ZPO, Art. 321 ZPO ; Art. 311 ZPO, 2017
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Entscheid
Entscheid vom 23. Mai 2018

Besetzung

Präsident Joachim Huber, Versicherungsrichterinnen Christiane Gallati Schneider und

Miriam Lendfers; Gerichtsschreiber Philipp Geertsen Geschäftsnr.

UV 2015/21

Parteien

  1. ,

    Beschwerdeführer,

    vertreten durch Fürsprecher lic. iur. Daniel Küng, Anwaltskanzlei St. Jakob, St. Jakob Strasse 37, 9000 St. Gallen

    gegen

    Schweizerische Unfallversicherungsanstalt (Suva), Fluhmattstrasse 1, Postfach 4358, 6002 Luzern,

    Beschwerdegegnerin,

    Gegenstand

    Versicherungsleistungen (Rente, Hilflosenentschädigung) Sachverhalt

    A.

    1. A. , erlitt am 31. Oktober 1991 einen fremdverschuldeten Verkehrsunfall (Unfallmeldung vom 5. November 1991, UV-act. 1). Dabei zog er sich ein Schädel-Hirn- Trauma, multiple Wunden im Schulterbereich und am Kopf zu. Wegen eines Epi- und Subduralhämatoms wurde am 2. November 1991 eine Trepanation durchgeführt (Arztzeugnis von Dr. med. B. , Facharzt für Allgemeine Medizin FMH, UV-act. 2). Die Suva erbrachte in der Folge Heilbehandlungs- und Taggeldleistungen.

    2. Im nervenärztlichen Sachverständigengutachten vom 10. Dezember 1992 hielt Dr. med. C. , Facharzt für Neurologie und Psychiatrie, als Unfallverletzungsfolgen fest: subjektive Restbeschwerden indirekt mühsam erhebbar; mehrfache an sich blande Narben im Bereich des Hinterhaupts sowie der Schulterhöhen und des linken Schulterblattes; eine Mischsymptomatik eines posttraumatischen Psychosyndroms und eines erheblichen reaktiv-psychogenen Verhaltensmusters. Die massivsten psychogenen Reaktionen hätten zumindest bei der einmaligen Untersuchung vom 20. Oktober 1992 jegliche seriöse Trennung des Faktors „hirnorganisches Psychosyndrom“ und des zusätzlich verursachenden Faktors der rein sekundären psychogenen Mechanismen vereitelt. Daher empfahl Dr. C. eine stationäre Abklärung in einer neurologischen Klinik (UV-act. 57). Vom 9. Februar bis 1. April 1993 befand sich der Versicherte in der Rehabilitationsklinik Bellikon. Die dort behandelnden medizinischen Fachpersonen führten im Austrittsbericht vom 6. April 1993 aus, als

      Unfallfolgen lägen eine mittelschwere bis schwere neuropsychologische Funktionsstörung mit posttraumatischer Wesensveränderung und eine Cephalea vor. Möglich sei eine Innenohrschwerhörigkeit rechts. Der Versicherte sei seit dem Unfalldatum 100% arbeitsunfähig (UV-act. 62). Im Verlaufsbericht vom 7. Juni 1993 gelangten die medizinischen Fachpersonen der Klinik für Neurologie am Kantonsspital St.Gallen (KSSG) zu gleichen Schlüssen (UV-act. 70). Am 2. November 1993 fand in der Rehabilitationsklinik eine ambulante neuropsychologische Untersuchung des Versicherten statt. Die medizinischen Fachpersonen berichteten am 3. November 1993, die Befunde seien jetzt insgesamt als schwere neuropsychologische Funktionsstörung zu gewichten, wobei die psychopathologische Fehlentwicklung bei persistierender Schmerzsymptomatik als Unfallfolge zu werten sei (UV-act. 79; siehe auch die ergänzende Stellungnahme vom 24. November 1993 [Datum Posteingang], UV-act. 78). Dr. med. D. , Facharzt für Chirurgie, Suva Abteilung Unfallmedizin, schätzte den Integritätsschaden beim Versicherten auf 70% (Beurteilung vom 9. Dezember 1993,

      UV-act. 81). Am 17. Dezember 1993 teilte die Suva dem Versicherten mit, dass die Heilbehandlungs- und Taggeldleistungen per 31. Januar 1994 eingestellt würden (UV- act. 82). Mit Verfügung vom 10. Januar 1994 sprach die Suva dem Versicherten ab 1. Februar 1994 eine Invalidenrente für eine 100%ige Erwerbsunfähigkeit und eine Integritätsentschädigung für eine 70%ige Integritätseinbusse zu (UV-act. 84). Die IV- Stelle sprach dem Versicherten am 22. April 1994 mit Wirkung ab 1. Oktober 1992 eine ganze Rente zu (IV-act. 24), weshalb die Suva rückwirkend ab 1. Februar 1994 eine Komplementärrente festsetzte (Verfügung vom 31. Mai 1994, UV-act. 89).

    3. Im Rahmen eines von Amtes wegen eingeleiteten Revisionsverfahrens bestätigte

      die Suva am 8. März 1996 den Rentenanspruch des Versicherten (UV-act. 104).

    4. Im Rahmen eines neuerlichen von Amtes wegen eingeleiteten Rentenrevisionsverfahrens und zur Abklärung eines Anspruchs auf eine Hilflosenentschädigung war der Versicherte vom 23. Februar bis 1. März 2000 in der Rehabilitationsklinik Bellikon hospitalisiert. Die dort betreuenden Ärztinnen berichteten, bei Eintritt hätten immer noch deutliche interaktionelle Verhaltensauffälligkeiten mit zweitweise kaum vorhandener Ansprechbarkeit imponiert. Zeitweise seien vom Versicherten verbale Aufträge befolgt worden. Gemäss eigenen Beobachtungen sei er stark hilfsbedürftig und in Eigenaktivitäten deutlich eingeschränkt. Aus rein

      neurologischer Sicht hätten kleine Unsicherheiten bei Gleichgewichtsreaktionen festgestellt werden können. Es müsse jedoch hinzugefügt werden, dass die neurologische Examination nicht vollständig habe ausgeführt werden können wegen fehlender Kooperation. Im grobmotorischen Bereich seien die Funktionen gut erhalten, so dass eine volle Mobilität des Versicherten gegeben sei. Abschliessend könne mit allen zu bedenkenden Einschränkungen in der alltäglichen Beobachtung des Versicherten eine deutliche Hilflosigkeit bestätigt werden (Austrittsbericht vom 23. März 2000, UV-act. 123). Mit Verfügung vom 4. Oktober 2000 sprach die Suva dem Versicherten ab 1. Juni 1999 eine Hilflosenentschädigung für eine Hilflosigkeit leichten Grads zu (UV-act. 129).

    5. Vom 11. bis 26. Oktober 2004 befand sich der Versicherte erneut stationär in der Rehabilitationsklinik Bellikon (UV-act. 156). Er wurde dort am 12. Oktober 2004 psychiatrisch und am 13. Oktober 2004 neuropsychologisch untersucht. Im psychiatrischen Untersuchungsbericht vom 13. Oktober 2004 führte Dr. med. E. im Rahmen der Diagnosestellung aus, es bestehe keine hinlänglich abgrenzbare oder klare psychopathologische Störung von Krankheitswert. Es liege ein abnormes Krankheitsverhalten im Sinn einer Präsentation eines massiven Nichtwissens in verschiedener Hinsicht, inhaltlich und in Bezug auf die Befundlage jedoch inkonsistent, vor. Zeichen einer dissoziativen Störung hätten nicht festgestellt werden können. Die Befunde seien nicht beweisend für ein bewusst gesteuertes Vorgeben von Defiziten, doch spreche auch nichts eindeutig dagegen. Im Mindesten bestehe ein bewusstseinsnahes Danebenantworten im Sinn einer Pseudodemenz (UV-act. 154). Lic. phil. F. , Fachpsychologin für Neuropsychologie FSP, gab im von Dr. med.

      1. , Facharzt FMH für Neurologie und Physikalische Medizin und Rehabilitation, visierten neuropsychologischen Untersuchungsbericht vom 22. Oktober 2004 an, der Versicherte sei affektiv-emotional, aber auch geistig nicht erreichbar. Es sei kein verlässlicher Kontakt herstellbar, geschweige denn eine kohärente Kooperation im Gespräch oder bei einer anderen Aktivität etablierbar. Das aktuelle Zustandsbild sei mit nicht mehr näher bestimmbaren posttraumatischen kognitiven Einschränkungen weiterhin durch die im Verlauf eingetretene Fehlverarbeitung mit erheblichen, interaktionellen Verhaltensauffälligkeiten deutlich dominiert. Das Ausmass des gesamten Zustandsbilds werde weiterhin als mittelschwer bis schwer beurteilt. Der Versicherte sei nicht in der Lage, zu erwerblichen Zwecken in der freien Wirtschaft

        arbeitstätig zu sein (UV-act. 155). In der von Dr. E. und lic. phil. F. mitunterzeichneten neurologischen Stellungnahme vom 3. Januar 2005 führte der Oberarzt der Neurorehabilitation an der Rehabilitationsklinik Bellikon, Prof. Dr. med.

      2. , Facharzt für Neurologie, aus, dass etwaige primär unfallbedingte hirnorganische Komponenten in der Erklärung der vom Versicherten gebotenen Verhaltensauffälligkeiten allenfalls eine untergeordnete Rolle spielen könnten und ganz im Hintergrund der Symptomatik stehen müssten. Für sich allein genommen seien sie sicher nicht geeignet, das Verhalten des Versicherten zu erklären. Hinweise auf eine psychiatrische oder psychosomatische Störung fänden sich nicht. Der aus den Aktenunterlagen ersichtliche Erklärungsansatz, dass es sich um eine schmerzbedingte psychopathologische Fehlentwicklung handle, sei aufgrund der klinisch- wissenschaftlichen Datenlage und des konkreten Befunds eher unwahrscheinlich. Zu diskutieren wäre ein bewusst manipulatives Verhalten, wenngleich dieses nicht positiv beweisbar gewesen sei. Der Versicherte präsentiere ein Verhalten, das nicht mit einer kommerziellen Tätigkeit auf dem Arbeitsmarkt vereinbar wäre. Ursächlich hierfür seien mit überwiegender Wahrscheinlichkeit nicht primär hirnorganische Schäden, sondern das von ihm erlernte Verhalten, dessen Ursache nicht klar ersichtlich sei (UV-act. 161). Auf Nachfrage der Suva-Rechtsabteilung teilte Prof. H. am 7. März 2005 mit, medizinische Massnahmen, um die medizinischen Zweifel zu erhärten oder zu widerlegen, seien nicht angezeigt. Auch von einem nochmaligen Aufenthalt in der Rehabilitationsklinik Bellikon sei wahrscheinlich kein Erkenntnisgewinn zu erwarten. Vielmehr wäre es von Nöten, den Versicherten in Situationen zu beobachten, in denen er sich unbeobachtet fühle. Sollte dieser hierbei Verhaltensweisen zeigen, die nicht mit einer starken Beeinträchtigung vereinbar wären, wären die Zweifel erhärtet. Eine Überwachung des Versicherten durch Privatdetektive sei sinnvoll (UV-act. 192-2).

    6. Am 26. und 27. April 2005 sowie am 19. und 20. Mai 2005 wurde der Versicherte observiert. Im Ermittlungsbericht vom 17. Juni 2005 kamen die Abklärungspersonen zum Schluss, der Versicherte habe nie bei beruflichen Aktivitäten beobachtet werden können. Hingegen sei er ausser Haus wiederholt allein, mit seiner Frau oder seinen Kindern unterwegs gewesen. Er habe sich mit Leuten unterhalten, an einem Handy manipuliert und problemlos seiner Tochter hinterher rennen können, als diese mit ihrem Trottinett eine abfallende Strasse hinuntergefahren sei. Insgesamt hätten keine Anzeichen von körperlicher Einschränkung, Verwirrtheit oder besonderer sozialer

      Zurückgezogenheit beobachtet werden können (UV-act. 192-3). Prof. H. und Dr. E. nahmen am 12. August 2005 Stellung zu den Observationsergebnissen. Das beobachtete Führen eines Kraftfahrzeugs erfordere eine nicht unerhebliche Steuerungsfähigkeit. Aus dem Video gehe hervor, dass der Versicherte mehrfach gezielt unterwegs gewesen sei, adäquat auf Umweltereignisse reagiert habe und sich mit der Umwelt gezielt auseinandergesetzt habe. Insgesamt bestehe eine erhebliche Diskrepanz zwischen dem Verhalten des Versicherten in der Rehabilitationsklinik Bellikon und dem Verhalten, das aus dem Observationsmaterial ersichtlich sei. Weder neurologische noch psychiatrische Störungsbilder seien geeignet, die Diskrepanz zu erklären. Insofern sei davon auszugehen, dass es sich um eine bewusstseinsnahe, wahrscheinlich bewusste Verhaltensänderung des Versicherten handeln müsse (UV- act. 192-5).

    7. Am 20. März 2006 erstattete die Suva eine Strafanzeige „wegen Betrug u.a.“ (UV- act. 192). Sie teilte dem Versicherten am 10. August 2006 mit, neu bekannt gewordene Tatsachen zwängen sie, die Haftungsfrage zu überprüfen. Die Rentenleistungen sowie die Hilflosenentschädigung blieben vorerst eingestellt (UV-act. 198). Die Suva forderte mit Verfügung vom 5. Dezember 2006 vom Versicherten seit 1. Januar 1994 unrechtmässig ausgerichtete Leistungen im Betrag von Fr. 272‘814.-- zurück (UV-act. 206). Dagegen erhob der Versicherte am 8. Dezember 2006 Einsprache (UV-act. 207). Das Strafverfahren gegen den Versicherten wegen des Verdachts des Betrugs wurde am 28. Juni 2007 aufgehoben (UV-act. 215).

    8. Im Auftrag der Suva wurde der Versicherte am 19. und 26. Februar 2009 in der ZVMB GmbH polydisziplinär (neuropsychologisch, internistisch, psychiatrisch und neurologisch) begutachtet. Die Experten diagnostizierten im Gutachten vom 31. März 2009: einen Status nach Schädel-Hirn-Trauma am 31. Oktober 1991 mit/bei Epiduralhämatom rechts parietal und rechts temporo-basal, Hämatomevakuation am 2. November 1991 und computertomographisch nachgewiesenen leichten Veränderungen des Gehirns sowie medizinisch nicht erklärbarer Entwicklung eines im Verlauf schwankenden und inkonsistenten Beschwerde- und Symptomkomplexes mit Hinweisen auf eine intentionale Steuerung des Verhaltens (artifizielle Störung); eine unfallfremde Lumboischialgie L5 rechts, konservativ und operativ behandelt. Es fehle ein organisches Substrat sowie eine plausible medizinische Erklärung, um aufgrund der

      Unfallfolgen ab 1. Januar 1994 eine Minderung der Leistungsfähigkeit zu begründen (UV-act. 233). Eine am 8. Juli 2009 durchgeführte MRI-Untersuchung „Neurocranium nativ“ ergab folgenden Befund: „Leicht eingeschränkte Beurteilbarkeit aufgrund von Bewegungsunruhe. Z. n. Schädeltepanation rechts temporoparietal. Zwei punktförmige Signalintensitätsstörungen kortikal hochfrontal links, in erster Linie vereinbar mit narbigen Alterationen. Vereinzelte Glioseherde im periventrikulären Marklager beidseits. Leichtgradig erweitertes, symmetrisches, mittelständiges Ventrikelsystem bei leichter subkortikaler Hirnatrophie. Im Übrigen altersentsprechend normales natives kraniozerebrales Kernspintomogramm“ (UV-act. 239).

    9. Am 20. Februar 2012 (UV-act. 273) reichte der Versicherte ein neurologisches und psychiatrisches Privatgutachten von Dr. med. I. , Facharzt FMH für Psychiatrie und Psychotherapie, und Dr. med. J. , Facharzt FMH für Neurologie/ Verhaltensneurologie SGVN, vom 15. Februar 2012 ein. Dieses stützt sich auf eine persönliche Untersuchung des Versicherten vom 27. Juni 2011. Der neurologische Experte diagnostizierte einen Zustand nach Verkehrsunfall mit heute noch bestehenden mittelschweren bis schweren Hirnfunktionsstörungen mit Wesensveränderung, Frontalhirndefiziten sowie auch Beeinträchtigung subkortikaler Funktionen. Ferner bestünden posttraumatische Kopfschmerzen, ein Zustand nach radikulärer Reiz- und Ausfallsymptomatik der Wurzel L4 links bei Diskushernie mit noch leicht bis höchstens mässig ausgeprägtem linksbetontem Lumbovertebralsyndrom sowie fraglich diskreter radikulärer Ausfallsymptomatik links bei Zustand nach Dekompression L4/5 und Isthmotomie L5 rechts am 19. Juni 2006 sowie Redekompression und Freilegung der Nervenwurzel L5 im Verlauf am 19. Juni 2007. Aus psychiatrischer Sicht bestehe ein Verdacht auf eine Frontalhirnstörung mit Wesensveränderung, DD: dementielle Erkrankung. Es müsse festgehalten werden, dass die Befunde und Symptome des Exploranden konsistent seien mit den übrigen Verhaltensbeschreibungen und es schwer vorstellbar sei, dass der Explorand mit einer willentlich gesteuerten, kognitiven Leistung dieses Verhalten, das geprägt sei von Hinweisen auf eine Frontalhirnproblematik bzw. eine organische Persönlichkeitsstörung, vollumfänglich simulieren könne. Das Leiden sei mit grosser Wahrscheinlichkeit organisch bedingt. Im Rahmen der Konsensbeurteilung kamen die Dres. J. und K. zum Schluss, der Versicherte sei stark wesensverändert, kognitiv in erheblichem Mass beeinträchtigt, habe keinerlei Konzept seiner eigenen Beeinträchtigung und sei für jegliche Tätigkeit

      als 100% arbeitsunfähig zu betrachten. Zudem bestehe eine Hilflosigkeit, die zumindest im leichten Rahmen ausgewiesen sei (UV-act. 272).

    10. Mit Entscheid vom 24. Mai 2013, IV 2011/123, wies das Versicherungsgericht die Beschwerde des Versicherten gegen die von der IV-Stelle am 25. Februar 2011 verfügte sofortige Renteneinstellung ab (UV-act. 281). Die vom Versicherten dagegen erhobene Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten wies das Bundesgericht mit Urteil vom 15. November 2013, 9C_586/2013, ab (UV-act. 284).

    11. Im bei der Suva seit 2006 hängigen Einspracheverfahren schlug der Versicherte mit Blick auf einen allfälligen Vergleich vor, eine anpassungsrechtlich erhebliche Verbesserung des Gesundheitszustands ab 31. März 2009 anzunehmen und die Leistungen auf dieses Datum hin einzustellen (Stellungnahme vom 24. September 2014, UV-act. 297). In der Verfügung vom 14. Oktober 2014, hiess die Suva die

„Einsprache vom 8.12.2006 teilweise gut“ und stellte die Rentenleistungen und die Hilflosenentschädigung per 1. Mai 2005 (Zeitpunkt Observation) ein. Für unrechtmässig im Zeitraum vom 1. Mai 2005 bis 31. August 2006 ausgerichtete Leistungen forderte sie vom Versicherten einen Betrag von Fr. 18‘560.-- zurück (UV-act. 298). Der Versicherte beantragte am 16. Oktober 2014, die Verfügung vom 14. Oktober 2014 sei aufzuheben und stattdessen ein Einspracheentscheid „- wir sind in einem Einspracheverfahren -“ zu erlassen, der mittels Beschwerde an das Versicherungsgericht angefochten werden könne (UV-act. 301). Am 10. November 2014 erhob der Versicherte gegen die Verfügung vom 14. Oktober 2014 Einsprache und beantragte deren Aufhebung (UV-act. 300). Die Suva wies die Einsprache ab (Einspracheentscheid vom 17. März 2015, UV-act. 304).

B.

    1. Gegen den Einspracheentscheid vom 17. März 2015 richtet sich die vorliegende Beschwerde vom 28. April 2015. Der Beschwerdeführer beantragt darin dessen Aufhebung. Es seien ihm auch über den „31. August 2006“ hinaus die gesetzlichen Leistungen, „insbesondere Rente inklusive Teuerungszulage und Hilflosenentschädigung“, zuzüglich Verzugszinsen zuzusprechen und zu entrichten. Allenfalls seien weitere Abklärungen vorzunehmen; alles unter Kosten- und

      Entschädigungsfolge. Zur Begründung führt der Beschwerdeführer im Wesentlichen aus, er sei über den Einstellungszeitpunkt hinaus unverändert zu 100% arbeitsunfähig und hilflos. Selbst wenn von einer gesundheitlichen Verbesserung auszugehen wäre, so sei deren Beginn entsprechend der im invalidenversicherungsrechtlichen Verfahren rechtskräftig gewordenen Leistungseinstellung auf Ende März 2009 festzusetzen. Die von der Beschwerdegegnerin geltend gemachte Rückforderung sei ausserdem verwirkt, da die Beschwerdegegnerin die Verfügung vom 5. Dezember 2006 aufgehoben und am 14. Oktober 2014 über die Leistungseinstellung neu verfügt habe (act. G 1). Mit der Beschwerde reichte der Beschwerdeführer verschiedene medizinische Berichte ein. Die behandelnde Dr. med. L. , Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie FMH, führte im Bericht vom 9. April 2015 aus, dass sie sich der Beurteilung der Privatgutachter anschliesse (act. G 1.2). Im psychologischen Bericht der Rheinburg-Klinik vom 18. Dezember 2014 hatten die medizinischen Fachpersonen angegeben, der Beschwerdeführer leide an einer insgesamt mittelschweren bis schweren kognitiven Funktionsstörung (siehe hierzu sowie zum Begleitbrief der Rheinburg Klinik vom 19. Dezember 2014, act. G 1.3).

    2. Die Beschwerdegegnerin beantragt in der Beschwerdeantwort vom 28. Mai 2015 die Abweisung der Beschwerde. Gestützt auf die Observationsergebnisse und die diese würdigenden medizinischen Beurteilungen sei mit überwiegender Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass seit der Observation von April/Mai 2005 ein stabiler Gesundheitszustand mit uneingeschränkter Arbeitsfähigkeit bestanden habe. Die Rückforderung sei am 5. Dezember 2006 klarerweise innerhalb der 5-jährigen Verwirkungsfrist erlassen worden. Daran habe die Neuverfügung vom 14. Oktober 2014 nichts geändert. Die vom Beschwerdeführer im Beschwerdeverfahren eingereichten medizinischen Unterlagen seien nicht aussagekräftig, da darin keine Auseinandersetzung mit seinem inkonsistenten Verhalten vorgenommen worden sei. Im Übrigen sei der Inhalt der neu aufgelegten Berichte lediglich Ausdruck dafür, dass die bereits gerichtlich festgestellte Irreführung des Beschwerdeführers gegenüber den untersuchenden Ärzten anhalte (act. G 6).

    3. Mit Präsidialverfügung vom 13. August 2015 wurde dem Gesuch des

      Beschwerdeführers um Bewilligung der unentgeltlichen Rechtspflege (Befreiung von

      den Gerichtskosten und Bewilligung der unentgeltlichen Rechtsverbeiständung) entsprochen (act. G 13).

    4. In der Replik vom 24. September 2015 hielt der Beschwerdeführer unverändert an

      der Beschwerde fest (act. G 20).

    5. Die Beschwerdegegnerin erneuerte in der Duplik vom 27. Oktober 2015 den

      Antrag auf Abweisung der Beschwerde (act. G 22).

    6. Mit Eingabe vom 21. Oktober 2016 wies der Beschwerdeführer auf den Entscheid des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) vom 18. Oktober 2016 in Sachen Vukota-Bojic gegen die Schweiz hin, worin das Fehlen einer zureichenden rechtlichen Grundlage für Überwachungsmassnahmen durch Unfallversicherer festgestellt worden war (act. G 24).

    7. Am 23. Februar 2018 räumte das Versicherungsgericht den Parteien Gelegenheit zur Stellungnahme zum Urteil des EGMR in Sachen Vukota-Bojic gegen die Schweiz sowie zur danach ergangenen Rechtsprechung des Bundesgerichts zur Unzulässigkeit von Observationen und zur Verwertbarkeit illegal beschafften Observationsmaterials ein (act. G 26). Die Beschwerdegegnerin vertrat die Auffassung, das Observationsmaterial sei verwertbar (Eingabe vom 13. März 2018, act. G 27). Demgegenüber brachte der Beschwerdeführer am 16. März 2018 vor, das illegal beschaffte Observationsmaterial dürfe im Beschwerdeverfahren nicht verwertet werden. Des Weiteren zeigte er seine Bereitschaft für einen Vergleich an (act. G 28). Die Beschwerdegegnerin teilte am 29. März 2018 mit, sie sei nicht an einem Vergleich interessiert (act. G 30).

Erwägungen

1.

Der Entscheid vom 14. Oktober 2014 ist entgegen der versehentlich vorgenommenen Formulierung „teilweise Gutheissung der Einsprache“ als Verfügung zu qualifizieren. Sowohl aus dem Entscheidinhalt als auch aus dem späteren Verhalten der Beschwerdegegnerin (Erlass des vorliegend angefochtenen Einspracheentscheids vom

17. März 2015, UV-act. 304) ergibt sich, dass die Beschwerdegegnerin beabsichtigte,

die ursprüngliche Verfügung vom 5. Dezember 2006 (UV-act. 206) zu widerrufen, das Einspracheverfahren abzuschreiben und eine neue Verfügung zu erlassen. Diese Sichtweise entspricht wohl auch derjenigen der Parteien, die nicht geltend gemacht haben, dass die Verfügung vom 14. Oktober 2014 eigentlich ein Einspracheentscheid sei (siehe auch für die Sichtweise des Beschwerdeführers UV-act. 301). Gegenstand des angefochtenen Einspracheentscheids vom 17. März 2015 bilden die auf dem Weg der Anpassung erfolgte Einstellung der Rentenleistung und der Hilflosenentschädigung sowie die Rückforderung der im Zeitraum vom 1. Mai bis 31. August 2006 erbrachten Rentenleistung und Hilflosenentschädigung im Betrag von Fr. 18‘560.--.

    1. Am 1. Januar 2017 sind die revidierten Bestimmungen des Bundesgesetzes über die Unfallversicherung (UVG; SR 832.20) und der Verordnung über die Unfallversicherung (UVV; SR 832.202) in Kraft getreten. Gemäss Abs. 1 der Übergangsbestimmungen zur Änderung vom 25. September 2015 werden Versicherungsleistungen für Unfälle, die sich vor deren Inkrafttreten ereignet haben, und für Berufskrankheiten, die vor diesem Zeitpunkt ausgebrochen sind, nach bisherigem Recht gewährt. Vorliegend finden, nachdem der Streitigkeit ein Unfall aus dem Jahr 1991 zu Grunde liegt, die bis 31. Dezember 2016 gültigen Bestimmungen Anwendung.

    2. Ist die versicherte Person infolge des Unfalls zu mindestens 10% invalid (Art. 8 des Bundesgesetzes über den Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts [ATSG; SR 830.1]), so hat sie Anspruch auf eine Invalidenrente (Art. 18 Abs. 1 UVG). Invalidität ist die voraussichtlich bleibende oder längere Zeit dauernde ganze oder teilweise Erwerbsunfähigkeit (Art. 8 Abs. 1 ATSG; zur Erwerbsunfähigkeit siehe Art. 7 ATSG). Die Invalidenrente beträgt bei Vollinvalidität 80% des versicherten Verdienstes; bei Teilinva- lidität wird sie entsprechend gekürzt (Art. 20 Abs. 1 UVG).

    3. Gemäss Art. 26 Abs. 1 UVG hat die versicherte Person bei Hilflosigkeit (Art. 9 ATSG) Anspruch auf eine Hilflosenentschädigung. Sie wird nach dem Grad der Hilflosigkeit bemessen (Art. 27 Satz 1 UVG). Ihr Monatsbetrag beläuft sich auf mindestens den doppelten und höchstens den sechsfachen Höchstbetrag des versicherten Tages¬verdienstes (Art. 27 Satz 2 UVG). Die monatliche Hilflosenentschädigung beträgt bei Hilflosigkeit schweren Grads das Sechsfache, bei

      Hilflosigkeit mittleren Grads das Vierfache und bei Hilflosigkeit leichten Grads das Doppelte des Höchstbetrags des versicherten Tagesverdienstes (Art. 37 Satz 1 UVV). Der Anspruch erlischt am Ende des Monats, in dem die Anspruchsvoraussetzungen dahinfallen oder der Berechtigte stirbt (Art. 37 Satz 2 UVV).

    4. Ändert sich der Invaliditätsgrad einer Rentenbezügerin oder eines Rentenbezügers erheblich, so wird die Rente von Amtes wegen oder auf Gesuch hin für die Zukunft entsprechend erhöht, herabgesetzt oder aufgehoben (Art. 17 Abs. 1 ATSG). Auch jede andere formell rechtskräftig zugesprochene Dauerleistung wird von Amtes wegen oder auf Gesuch hin erhöht, herabgesetzt oder aufgehoben, wenn sich der ihr zu Grunde liegende Sachverhalt nachträglich erheblich verändert hat (Art. 17 Abs. 2 ATSG).

2.

Zunächst ist die zwischen den Parteien umstrittene Frage zu prüfen, ob das Observationsmaterial und sich darauf stützende medizinische Beurteilungen verwertbar sind.

    1. Für die von der Beschwerdegegnerin veranlasste Observation fehlt die gesetzliche Grundlage, womit allein schon deshalb die Observationsergebnisse unrechtmässig erhoben worden sind (siehe bezüglich der Konventionswidrigkeit das Urteil des EGMR in Sachen Vukota-Bojic gegen Schweiz, Urteil no. 61838/10, vom 18. Oktober 2016, und zur Verfassungswidrigkeit den Entscheid des Versicherungsgerichts vom 6. Dezember 2016, IV 2016/145, E. 3).

    2. Was die Verwertbarkeit illegal beschaffter Beweismittel anbelangt, so ist das Bundesgericht in BGE 143 I 377 im Wesentlichen zur Auffassung gelangt, dass von der IV-Stelle in Auftrag gegebenes, illegal beschafftes Observationsmaterial grundsätzlich verwertbar sei, sofern die Überwachung im öffentlich einsehbaren Raum erfolgt sei (E.

5.1 ff.; bestätigt etwa im Urteil des Bundesgerichts vom 9. November 2017, 9C_328/2017). Das Versicherungsgericht hat die Frage der Verwertbarkeit in seiner bisherigen Rechtsprechung differenziert beurteilt. Das Bundesgericht räumt dem Interesse des Sozialversicherers und der Versichertengemeinschaft an der Verhinderung unrechtmässiger Leistungsbezüge eine vorrangige Stellung in der

Interessenabwägung ein (BGE 143 I 386 E. 5.1.2; THOMAS GÄCHTER/MICHAEL E. MEIER, Rechtswidrige Observationen in der IV - Verwertbarkeit der Observationserkenntnisse, Bemerkungen zum Leitentscheid 9C_806/2016 vom 14. Juli 2017, in: Jusletter vom 14. August 2017, Rz 104). Diese Rechtsprechung wird in der Lehre mit überzeugenden Argumenten in Frage gestellt (GÄCHTER/MEIER, a.a.O., insbesondere Rz 96 ff.). Die Ausführungen des Bundesgerichts zur Interessenabwägung im Einzelfall werden als „blosses Lippenbekenntnis“ kritisiert (GÄCHTER/MEIER, a.a.O., Rz 103 mit zahlreichen Hinweisen auf die Lehre). Soweit ersichtlich, hat das Bundesgericht in den seither ergangen zahlreichen Fällen die Verwertbarkeit illegal beschafften Observationsmaterials ausnahmslos bejaht (siehe anstatt vieler etwa die Urteile des Bundesgerichts vom 15. Februar 2018, 9C_248/2017, E. 4.4.1 f., oder vom 22. Februar 2018, 9C_882/2017, E. 3.2.1 ff.; siehe auch GÄCHTER/MEIER, a.a.O., Rz 102 mit Hinweisen). Im Ergebnis führt dies zu einer faktischen Nichtumsetzung des Grundrechtsschutzes und zu einer (erneuten) Konventions- und Verfassungsverletzung (siehe auch GÄCHTER/MEIER, a.a.O., Rz 112 f.). Der bislang in der Rechtsprechung stets postulierte „Ausnahmecharakter“ der Verwertung widerrechtlicher Beweise ist dadurch verloren gegangen (siehe hierzu die Kritik von GÄCHTER/MEIER, a.a.O., Rz 101 mit Hinweisen) und die Rechtsprechung des Bundesgerichts erscheint wenig ergebnisoffen (siehe auch GÄCHTER/MEIER, a.a.O., Rz 103). Die Verwertbarkeitsrechtsprechung des Bundesgerichts scheint die im Licht von Verfassung und Konvention problematische Folge zu haben, dass auch nach dem Urteil des EGMR vom 18. Oktober 2016 illegal durchgeführte Observationen ohne weiteres regelmässig als verwertbar zu qualifizieren wären. Vorliegend kann jedoch offen bleiben, ob dies tatsächlich der Absicht des Bundesgerichts entspricht und wie gegebenenfalls damit umzugehen wäre, wie sich aus den nachfolgenden Erwägungen ergibt.

    1. Wie in der Lehre für die Prüfung der Verwertbarkeit illegal beschafften Beweismaterials gefordert, ist im Rahmen einer ergebnisoffenen, umfassenden Interessenabwägung auch den Schutzinteressen der verletzten Rechtsgüter gebührend Rechnung zu tragen. Die verletzten Rechtsgüter sind einerseits die Privatsphäre der versicherten Person (Art. 13 der Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft [BV; SR 101]; Art. 8 der Konvention zum Schutze der

      Menschenrechte und Grundfreiheiten [EMRK; SR 0.101]) und andererseits auch das Legalitätsprinzip (Art. 5 Abs. 1 BV) als solches (GÄCHTER/MEIER, a.a.O., Rz 104).

    2. Vorliegend ist von Bedeutung, dass die heimlich und gezielte Foto-/ Videoüberwachung ausschliesslich das Verhalten des Beschwerdeführers im öffentlichen Raum betraf. Nicht Gegenstand bildete das Verhalten des Beschwerdeführers im - auch nicht im aus dem öffentlichen Raum einsehbaren - privaten Raum (siehe das Observationsmaterial in UV-act. 192). Der mittels technischem Aufzeichnungsgerät erfolgte Grundrechtseingriff wiegt damit im Vergleich zu Observationen, die das allenfalls aus dem öffentlichen Raum einsehbare Verhalten einer versicherten Person auf privatem Grund bzw. im privaten Raum festhalten, bedeutend leichter. Der Beschwerdeführer wurde auch nicht bei der Ausübung einer dem Geheimbereich zuzurechnenden Tätigkeit (wie etwa einem Geldtransfer an einem Bankomaten) überwacht. Die Überwachung fand ausserdem an lediglich vier Tagen in einem Zeitraum von knapp vier Wochen statt (26. und 27. April, 19. und 20. Mai 2005; UV-act. 192). Insgesamt erscheint die Observation nicht als schwerwiegender Eingriff in die Privatsphäre des Beschwerdeführers.

    3. Ausschlaggebend ist weiter, dass die medizinischen Fachpersonen der Rehaklinik Bellikon erhebliche Inkonsistenzen beim Verhalten des Beschwerdeführers feststellten. Er präsentiere „in verschiedenster Hinsicht ein massives Nichtwissen auf einfachste Fragen und weicht verschiedensten Fragen oder der Möglichkeit des Nachfragens aus […]“. Er wirke mindestens hintergründig durchaus präsent. Man gewinne den Eindruck, dass er sich hinter den rituellen Verweisen auf die Frau, die ihm alles sage und alles wisse, gleichsam verstecken wolle. Die gezeigten Befunde und Angaben seien inkonsistent, die ganze Situation wenig transparent, auch auf der emotionalen Ebene. Im Mindesten bestehe ein bewusstseinsnahes Danebenantworten im Sinn einer Pseudodemenz (Bericht Dr. E. vom 13. Oktober 2004, UV-act. 154-4 f.). Prof. H. berichtete, bei der aktuellen Untersuchung seien überhaupt keine sinnvollen Äusserungen mehr zustande gekommen. Es habe eine Reihe von Hinweisen gegeben, dass der Beschwerdeführer in den Untersuchungssituationen nicht ideal kooperiert habe (neurologische Stellungnahme vom 3. Januar 2005, UV-act. 161-9 f.; siehe zu den Inkonsistenzen und dem erlernten Verhaltensmuster auch die interdisziplinäre Beantwortung der von der Suva gestellten Fragen in UV-act. 161-11 f.: Fragen 4 f., 9

      und 10.1; siehe auch die Stellungnahme von Prof. H. vom 7. März 2005, UV-act. 192). Prof. H. teilte auf Nachfrage der Beschwerdegegnerin mit, medizinische Massnahmen, um die Zweifel zu zerstreuen, böten sich nicht an. „Vielmehr ist nach Überzeugung des Unterzeichnenden einziges Mittel, um die medizinischen Zweifel zu zerstreuen oder erhärten, die Observation des Versicherten in Situationen, in denen er selbst sich unbeobachtet fühlt“. Eine Überwachung sei das einzig wirksame Mittel zur Erhärtung oder Widerlegung der Zweifel an den medizinischen Gründen für die Beeinträchtigungen (S. 2 des Berichts vom 7. März 2005, UV-act. 192). Gestützt auf diese schlüssig begründete Einschätzung war damals mit überwiegender Wahrscheinlichkeit einerseits davon auszugehen, dass sämtliche medizinischen Abklärungen ausgeschöpft waren und andererseits, dass eine Klärung der trotzdem verbliebenen erheblichen Zweifel über den damaligen Gesundheitszustand des Beschwerdeführers bzw. eine aussagekräftige Beurteilung der Erwerbsunfähigkeit und deren Verlauf ohne eine Überwachung des Beschwerdeführers nicht möglich gewesen wäre. In damit zu vereinbarender Weise hielten die ZVMB-Gutachter später fest,

      „analog zu dieser Inkonsistenz in seinen subjektiven Angaben fielen auch die Befunde - wie auch schon in den früheren in den Akten dokumentierten Untersuchungen - erheblich inkonsistent und nicht verwertbar aus“ (UV-act. 233-22 f.; zum intentionalen Verhalten im Zusammenhang mit den Inkonsistenzen siehe UV-act. 233-25). Dr. B. gab anlässlich der Einvernahme beim Untersuchungsamt Gossau vom 3. April 2017 ebenfalls an, „so Tests durchführen ist mit ihm natürlich grundsätzlich sehr schwierig. Man kann eigentlich nur sein Verhalten beobachten“ (UV-act. 214, S. 6 des Einvernahmeprotokolls). Auch im Privatgutachten der Dres. J. und K. vom 15. Februar 2012 wurde darauf hingewiesen, dass Validierungsverfahren nicht sinnvoll durchgeführt werden könnten (UV-act. 272-17).

    4. Nach dem Gesagten war die vergleichsweise nicht schwerwiegend in die Grundrechte des Beschwerdeführers eingreifende Observation das letzte verbliebene Mittel (ultima ratio) für eine objektive Abklärung, weshalb das Observationsmaterial und die sich darauf stützenden medizinischen Einschätzungen ausnahmsweise für die Beurteilung der sozialversicherungsrechtlichen Leistungsansprüche verwertbar sind. Vor diesem Hintergrund kann offen bleiben, ob das zweifelhafte Verhalten des Beschwerdeführers zu einer Umkehr der Beweislastverteilung im Revisionsverfahren führen könnte.

3.

Des Weiteren ist die Frage zu beurteilen, ob der Sachverhalt in medizinischer Sicht hinreichend erstellt ist.

    1. Im invalidenversicherungsrechtlichen Verfahren ist das Versicherungsgericht bei der Würdigung der medizinischen Aktenlage, insbesondere auch des Privatgutachtens der Dres. J. und K. , zur Auffassung gelangt, dass die Beurteilung der ZVMB- Gutachter beweiskräftig ist, sich der Gesundheitszustand des Beschwerdeführers erheblich verbessert habe und er wieder über eine 100%ige Arbeitsfähigkeit verfügt (Entscheid des Versicherungsgerichts vom 24. Mai 2013, IV 2011/123, E. 4.6 ff., UV- act. 281; bestätigt im Urteil des Bundesgerichts vom 15. November 2013, 9C_586/2013, UV-act. 284). Darauf ist zu verweisen.

    2. Der Beschwerdeführer vermag nichts vorzubringen, was im unfallversicherungsrechtlichen Verfahren eine abweichende medizinische Beweiswürdigung nahe legen würde, worauf auch die Beschwerdegegnerin zutreffend hingewiesen hat (act. G 6, Rz 5.4). Dies gilt insbesondere mit Blick auf den von ihm eingereichten Bericht der behandelnden Dr. L. vom 9. April 2015 (act. G 1.2). Wie dem Privatgutachten fehlt auch der Einschätzung von Dr. L. eine von der Selbsteinschätzung des Beschwerdeführers losgelöste objektive Prüfung der geklagten bzw. präsentierten Leiden. Die behandelnde Ärztin setzt sich nicht mit den zahlreichen Inkonsistenzen auseinander. Ausserdem benennt sie keine objektiven Gesichtspunkte, welche die ZVMB-Gutachter ausser Acht gelassen hätten. Vielmehr beruht ihre davon abweichende Beurteilung auf einer unterschiedlichen Interpretation der Leidensangaben und -präsentation. Gleiches gilt hinsichtlich des psychologischen Berichts der Rheinburg-Klink vom 18. Dezember 2014. Aus dem Begleitbrief vom 19. Dezember 2014 geht ferner hervor, dass den medizinischen Fachpersonen der Rheinburg-Klinik keine Vorakten zur Verfügung standen („Inwiefern eine Verschlechterung der Befunde vorliegt, kann mangels psychologischer Vorbefunde nicht beurteilt werden“; act. G 1.3).

    3. Was die lumbalen Leiden des Beschwerdeführers anbelangt, aufgrund derer er

konservativ und operativ behandelt werden musste, so sind diese unfallfremd (ZVMB-

Gutachten vom 31. März 2009, UV-act. 233-25). Sich daraus ergebende allfällige Beeinträchtigungen und die Leidensentwicklung sind daher im Rahmen der unfallversicherungsrechtlichen Leistungsbeurteilung ausser Acht zu lassen. Lediglich der Vollständigkeit halber ist darauf hinzuweisen, dass das Versicherungsgericht dem Rückenleiden keine relevante Auswirkung auf die Arbeitsfähigkeit beigemessen hat (Entscheid des Versicherungsgerichts vom 24. Mai 2013, IV 2011/123, E. 4.8, UV-act. 281).

4.

Zu beurteilen ist des Weiteren der Zeitpunkt der Leistungseinstellung.

    1. Das Versicherungsgericht hielt im invalidenversicherungsrechtlichen Verfahren betreffend den Einstellungszeitpunkt fest, gestützt auf die Ergebnisse des Ermittlungsberichts vom 17. Juni 2005 und die diese umfassend sowie plausibel würdigenden medizinischen Stellungnahmen der Rehaklinik Bellikon vom 12. und 30. August 2005 sei davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer während der Observation normale Verhaltensweisen gezeigt habe und dass er - angesichts der dazu diskrepanten Verhaltensweisen während des Klinikaufenthalts - über eine erhebliche Modulationsfähigkeit seines Verhaltensrepertoires verfügen müsse, was eine gute kognitive Leistungsfähigkeit voraussetze (Entscheid des Versicherungsgerichts vom 24. Mai 2013, IV 2011/123, E. 5.2, UV-act. 281). Gestützt auf diese nach wie vor überzeugenden Überlegungen und da der genannten medizinischen Einschätzung u.a. die bereits am 26. und 27. April 2005 erhobenen Observationsergebnisse zugrunde liegen, kann mit überwiegender Wahrscheinlichkeit bereits zu diesem Zeitpunkt von einer gesundheitlichen Verbesserung ausgegangen werden. Auch die ZVMB-Gutachter vertraten bei der Würdigung der Observationsergebnisse den Standpunkt, dass der Beschwerdeführer darauf normale Verhaltensweisen und Kommunikationsfähigkeiten zeige (UV-act. 233-24 Mitte; UV-act. 283-25 Mitte). Auf der Grundlage der genannten Einschätzungen der Rehaklinik Bellikon, die sich mit der Beurteilung der ZVMB- Gutachter vereinbaren lassen, kann weiter davon ausgegangen werden, dass der Beschwerdeführer bereits im April 2005 über eine 100%ige Arbeitsfähigkeit verfügt und an keiner relevanten Hilflosigkeit mehr gelitten hat. Die von der Beschwerdegegnerin

      auf den 1. Mai 2005 angeordnete Aufhebung der Dauerleistungen (Rente und Hilflosenentschädigung) ist daher nicht zu beanstanden.

    2. An dieser Sichtweise vermag nichts zu ändern, dass das Versicherungsgericht im invalidenversicherungsrechtlichen Verfahren ausführte, eine revisionsrelevante Verbesserung sei spätestens mit dem ZVMB-Gutachten vom 31. März 2009 dargetan (Entscheid des Versicherungsgerichts vom 24. Mai 2013, IV 2011/123, E. 4.5 am Schluss, UV-act. 281). Denn für die damalige vollumfängliche Abweisung der Beschwerde des Beschwerdeführers war ein allfälliger früherer Revisionszeitpunkt nicht von Bedeutung, weshalb die Frage nach einem früheren Einstellungszeitpunkt offen gelassen wurde. Immerhin wies das Versicherungsgericht am selben Ort nach einer ausführlichen Diskussion u.a. des Observationsmaterials und der Beurteilungen der Rehaklinik Bellikon darauf hin, dass eine revisionsweise Verbesserung des Gesundheitszustands „wohl schon im Zeitpunkt der Observation“ dargetan sei. Dies deckt sich mit den übrigen Ausführungen des Versicherungsgerichts zum Beginn der Renteneinstellung (siehe hierzu vorstehende E. 4.1).

5.

Zu prüfen bleibt damit die angeordnete Rückforderung für im Zeitraum vom 1. Mai 2005 bis 31. August 2006 zu Unrecht ausgerichtete Rentenleistungen und Hilflosenentschädigungen im Betrag von Fr. 18‘560.--.

    1. Unrechtmässig bezogene Leistungen sind zurückzuerstatten. Wer Leistungen in gutem Glauben empfangen hat, muss sie nicht zurückerstatten, wenn eine grosse Härte vorliegt (Art. 25 Abs. 1 ATSG). Der Rückforderungsanspruch erlischt mit dem Ablauf eines Jahres, nachdem die Versicherungseinrichtung davon Kenntnis erhalten hat, spätestens aber mit dem Ablauf von fünf Jahren nach der Entrichtung der einzelnen Leistung. Wird der Rückerstattungsanspruch aus einer strafbaren Handlung hergeleitet, für welche das Strafrecht eine längere Verjährungsfrist vorsieht, so ist diese Frist massgebend (Art. 25 Abs. 2 ATSG).

    2. Zunächst ist festzuhalten, dass der Betrag der angeordneten Rückforderung vom Beschwerdeführer an sich nicht bestritten wird (vgl. act. G 1 und act. G 20). Es ergeben sich auch aus den Akten keine Hinweise auf eine fehlerhafte Berechnung.

    3. Der Beschwerdeführer bringt vor, die Rückforderung sei verwirkt, da die Beschwerdegegnerin die ursprüngliche Rückforderungsverfügung vom 5. Dezember 2006 (siehe hierzu UV-act. 206) widerrufen habe und die spätere Rückforderungsverfügung vom 14. Oktober 2014 (siehe hierzu: UV-act. 298) nach der Verwirkungsfrist erlassen worden sei (act. G 1, S. 5, und G 20, S. 2). Dieser Sichtweise kann nicht gefolgt werden. Die Beschwerdegegnerin hatte mit Verfügung vom 5. Dezember 2006 innert der Verwirkungsfrist ihre Ansprüche geltend gemacht und dadurch den Eintritt der Verwirkung gehemmt. Mit Verfügung vom 14. Oktober 2014 hat die Beschwerdegegnerin bei hängigem Einspracheverfahren die Verfügung vom 5. Dezember 2006 lediglich inhaltlich teilweise zugunsten des Beschwerdeführers korrigiert, was zwangsläufig deren vorgängigen Widerruf voraussetzt (siehe vorstehende E. 1). Es ist weder erkennbar noch nachvollziehbar vom Beschwerdeführer dargelegt worden, inwiefern die von der Beschwerdegegnerin vorgenommene betragliche Korrektur die fristwahrende Wirkung der ursprünglichen Rückforderungsverfügung bzw. die Hemmung der Verwirkung im hängigen Rückforderungsverfahren nachträglich ex tunc unwirksam macht. Es gilt diesfalls nichts anderes, als wenn die Verfügung durch einen Einspracheentscheid ersetzt worden wäre. Im invalidenversicherungsrechtlichen Verfahren gilt im Übrigen bereits der Erlass des Vorbescheids als fristwahrend (Urteil des Bundesgerichts vom 8. Februar 2011, 8C_699/2010, E. 2, und vom 15. Mai 2014, 8C_203/2014, E. 4.2), der selbst keine Rechtskraft erlangen kann und an dessen Stelle später die Verfügung tritt.

6.

    1. Nach dem Gesagten ist die Beschwerde abzuweisen.

    2. Gerichtskosten sind keine zu erheben (Art. 61 lit. a ATSG).

    3. Der Staat bezahlt zufolge der am 13. August 2015 bewilligten (act. G 13) unentgeltlichen Rechtsverbeiständung die Kosten der Rechtsvertretung des Beschwerdeführers. Die Parteientschädigung wird vom Versicherungsgericht festgesetzt und ohne Rücksicht auf den Streitwert nach der Bedeutung der Streitsache und nach der Schwierigkeit des Prozesses bemessen (Art. 61 lit. g ATSG). In der Verwaltungsrechtspflege beträgt das Honorar vor Versicherungsgericht nach Art. 22

      Abs. 1 lit. b der Honorarordnung (HonO; sGS 963.75) pauschal Fr. 1'000.-- bis Fr. 12'000.--. Der Rechtsvertreter des Beschwerdeführers hat keine Kostennote eingereicht. In der vorliegend zu beurteilenden Angelegenheit erscheint eine pauschale Parteientschädigung von Fr. 4'000.-- angemessen. Diese ist um einen Fünftel zu kürzen (vgl. Art. 31 Abs. 3 des Anwaltsgesetzes, sGS 963.70). Somit hat der Staat den Rechtsvertreter des Beschwerdeführers mit Fr. 3'200.-- (einschliesslich Barauslagen und Mehrwertsteuer) zu entschädigen.

    4. Eine Partei, der die unentgeltliche Rechtspflege gewährt wurde, ist zur Nachzahlung verpflichtet, sobald sie dazu in der Lage ist (Art. 123 der Schweizerischen Zivilprozessordnung [ZPO; SR 272] i.V.m. Art. 99 Abs. 2 des Gesetzes über die Verwaltungsrechtspflege [VRP; sGS 951.1]).

Entscheid

im Zirkulationsverfahren gemäss Art. 39 VRP

1.

Die Beschwerde wird abgewiesen.

2.

Es werden keine Gerichtskosten erhoben.

3.

Der Staat entschädigt den Rechtsvertreter des Beschwerdeführers zufolge unentgeltlicher

Quelle: https://www.sg.ch/recht/gerichte/rechtsprechung.html
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