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Urteil Versicherungsgericht (SG)

Kopfdaten
Kanton:SG
Fallnummer:KV 2018/18
Instanz:Versicherungsgericht
Abteilung:KV - Krankenversicherung
Versicherungsgericht Entscheid KV 2018/18 vom 05.08.2019 (SG)
Datum:05.08.2019
Rechtskraft:
Leitsatz/Stichwort:Entscheid Art. 49 ATSG; Art. 64a KVG: Prüfung einer Prämienforderung sowie einer Rückforderung zu viel ausbezahlter Prämienverbilligungen. Rechtsöffnung erteilt (Entscheid des Versicherungsgerichts des Kantons St. Gallen vom 5. August 2019, KV 2018/18).
Schlagwörter: Beschwerde; Prämie; Prämien; Beschwerdegegnerin; Beschwerdeführerin; Recht; Prämienverbilligung; Betreibung; Zahlung; Kanton; Prämienverbilligungen; Krankenversicherung; Rückforderung; Gebhard; Eugster; Kantons; Verzugszins; Sanagate; Versicherung; Bezahlt; Rechtsprechung; Betrag; Frist; Zeitraum; Forderung; Schulde; Gallen; Zahlungsfrist; Höhe; über
Rechtsnorm: Art. 26 ATSG ; Art. 49 ATSG ; Art. 61 KVG ; Art. 64a KVG ; Art. 68 KG ; Art. 79 KG ;
Referenz BGE:119 V 331;
Kommentar zugewiesen:
Spühler, Basler Kommentar zur ZPO, Art. 321 ZPO ; Art. 311 ZPO, 2017
Weitere Kommentare:Gebhard Eugster; Gebhard Eugster; Gebhard Eugster; Gebhard Eugster;
Entscheid
Entscheid vom 5. August 2019

Besetzung

Präsident Joachim Huber, Versicherungsrichterinnen Christiane Gallati Schneider und Miriam Lendfers; Gerichtsschreiberin Sabrina Bleile

Geschäftsnr. KV 2018/18

Parteien

  1. ,

    Beschwerdeführerin,

    gegen

    Sanagate AG, Recht & Compliance, Tribschenstrasse 21, Postfach 2568, 6002 Luzern,

    Beschwerdegegnerin,

    Gegenstand

    Prämienrückforderung Sachverhalt

    A.

    A.a A. (nachfolgend: Versicherte) war in den Jahren 2016 und 2017 bei der Sanagate AG (nachfolgend: Sanagate) obligatorisch krankenpflegeversichert (act. G 3.7 und 3.8). Am 6. Januar 2018 stellte die Sanagate der Versicherten den Betrag von

    Fr. 4'596.35 in Rechnung mit der Begründung, dass es sich dabei um die Rückforderung der Prämienverbilligung für den Zeitraum 1. August 2016 bis 31. Juli 2017 handle (act. G 3.1 S. 1). Nach Ablauf der angesetzten Zahlungsfrist mahnte die Sanagate die Versicherte am 17. März 2018 für die Rechnung vom 6. Januar 2018 (act. G 3.1 S. 2). Am 14. April 2018 forderte die Sanagate die Versicherte erneut zur Zahlung auf und stellte ihr Mahngebühren von Fr. 20.-- in Rechnung. Sie setzte ihr eine Zahlungsfrist bis zum 15. Mai 2018 und drohte ihr für den Fall der nicht rechtzeitigen Bezahlung die Betreibung an (act. G 3.1 S. 3). Nach verstrichener Zahlungsfrist leitete die Sanagate am 13. August 2018 für ausstehende Krankenversicherungsprämien vom

    1. August 2016 bis 31. Juli 2017 die Betreibung (Nr. XXXXXXXX) beim Betreibungsamt B. über Fr. 4'596.35 samt Zins von 5 % seit dem 13. August 2018, Spesen von

Fr. 180.-- und aufgelaufene Zinsen von Fr. 121.30 ein (act. G 3.3).

A.b Mit Verfügung vom 16. Oktober 2018 hob die Sanagate den gegen die Betreibung erhobenen Rechtsvorschlag auf und forderte die Versicherte zur Zahlung von insgesamt Fr. 5'012.45 (Versicherungsprämien von Fr. 4'596.35, Spesen von Fr. 180.--, seit dem 3. Februar 2018 aufgelaufene Verzugszinsen von Fr. 162.80 und Betreibungskosten von Fr. 73.30) auf (act. G 3.4).

B.

B.a Gegen diese Verfügung erhob die Versicherte am 26. Oktober 2018 Einsprache. Darin machte sie geltend, sie schulde der Versicherung keine Krankenkassenprämien. Die Krankenkasse habe den Rechtsvorschlag in Anwendung einer falschen Bestimmung zu Unrecht aufgehoben. Die Sozialversicherungsanstalt (SVA) des Kantons St. Gallen habe eine Rückforderung gestellt. Diesbezüglich sei beim

Versicherungsgericht ein Rechtsstreit hängig. Sie fordere die Sanagate auf, das Urteil

des Versicherungsgerichts abzuwarten (act. G 3.5).

B.b Mit Einspracheentscheid vom 31. Oktober 2018 wies die Sanagate die Einsprache ab und hielt fest, der von der Versicherten geschuldete Betrag für die Rückforderung der Prämienverbilligung belaufe sich auf Fr. 4'596.35 zuzüglich Mahnspesen von Fr. 180.-- sowie Verzugszins von 5 % seit dem 3. Februar 2018. Der Rechtsvorschlag in der Betreibung Nr. XXXXXXX werde aufgehoben und über den Betrag von Fr. 4'596.35 (zuzüglich Mahnspesen von Fr. 180.-- und 5 % Verzugszins seit dem 3. Februar 2018) werde die Rechtsöffnung erteilt. Zudem seien die Betreibungskosten von der Versicherten zu bezahlen (act. G 3.6).

C.

C.a Gegen diesen Einspracheentscheid erhob die Versicherte (nachfolgend: Beschwerdeführerin) am 16. November 2018 Beschwerde, worin sie die Aufhebung der Betreibung Nr. XXXXXXXX beantragte (act. G 1).

C.b In ihrer Beschwerdeantwort vom 28. November 2018 beantragte die Sanagate (nachfolgend: Beschwerdegegnerin) die Abweisung der Beschwerde unter Kosten- und Entschädigungsfolge zu Lasten der Beschwerdeführerin (act. G 3).

C.c In ihrer Replik vom 3. Januar 2019 hielt die Beschwerdeführerin sinngemäss an

ihrem Antrag fest (act. G 5).

C.d In ihrer Duplik vom 24. Januar 2019 hielt die Beschwerdegegnerin an ihrem Antrag

fest (act. G 7).

C.e Mit Schreiben vom 5. Juli 2019 forderte das Versicherungsgericht die Beschwerdegegnerin auf, die in ihrem Einspracheentscheid erwähnten Mitteilungen des Kantons bezüglich Gewährung bzw. Annullation der Prämienverbilligungen sowie Belege für die von ihr behaupteten Auszahlungen von Differenzbeträgen an die Beschwerdeführerin bis zum 12. Juli 2019 einzureichen (act. G 9). Gleichentags wurde die Beschwerdeführerin seitens des Gerichts aufgefordert, allfällige Belege für geleistete Prämienzahlungen bis zum 12. Juli 2019 einzureichen (act. G 10). Beide

Aufforderungen erfolgten unter der Androhung, bei unbenütztem Fristablauf werde angenommen, dass entsprechende Belege nicht beigebracht werden könnten (act. G 9 und 10).

    1. Mit Eingabe vom 11. Juli 2019 reichte die Beschwerdegegnerin einen Ausdruck der bei ihr elektronisch erfassten Daten bezüglich der seitens des Kantons mitgeteilten Gewährung und Annullation der Prämienverbilligungen (act. G 11.1) sowie einen Ausdruck aus der Computersoftware SAP bezüglich der Auszahlungen der überschüssigen Prämienverbilligungen an die Beschwerdeführerin (act. G 11.2) ein

      (act. G 11). Weiter erklärte sie in ihrer Eingabe, dass ihr die Gewährung und die Annullation der Prämienverbilligung seitens des Kantons elektronisch via "C. " mitgeteilt worden sei. Aus dem beigelegten SAP-Auszug ergebe sich sodann, dass die überschüssigen Prämienverbilligungszahlungen auf das Postkonto der Beschwerdeführerin überweisen worden seien. Weiter bestünde die Möglichkeit, für sämtliche Auszahlungen eine Zahlungsnachforschung bei der Post einzureichen, welche belegen könnte, dass die Zahlungen auf dem angegebenen Konto gutgeschrieben worden seien. Angesichts der beträchtlichen Kosten der entsprechenden Nachforschung werde um Mitteilung gebeten, ob die eingereichten Auszüge ausreichten oder ob weitere Belege benötigt würden (act. G 11).

    2. Am 15. Juli 2019 teilte das Versicherungsgericht der Beschwerdegegnerin telefonisch mit, dass sie vorerst keine weiteren Belege einzureichen brauche (act. G 12). Die über dieses Telefongespräch angefertigte Aktennotiz sowie die von der Beschwerdegegnerin eingereichten Belege liess das Versicherungsgericht der Beschwerdeführerin mit gleichentags verfasstem Schreiben zur Kenntnisnahme zustellen (act. G 13).

Erwägungen 1.

Streitgegenstand des vorliegenden Verfahrens sind Prämienforderungen aus der obligatorischen Krankenpflegeversicherung bzw. eine Rückforderung von Prämienverbilligungen für den Zeitraum August 2016 bis Juli 2017.

2.

    1. Die Beschwerdegegnerin fordert von der Beschwerdeführerin die Bezahlung von Fr. 4'596.35 für ausstehende Prämien von August 2016 bis Juli 2017, da der Kanton St. Gallen die Prämienverbilligung für diesen Zeitraum annulliert habe (vgl. act. G 3.3 und 3.4). Die durch den Kanton vorgenommene Annullation der Prämienverbilligungen habe dazu geführt, dass die Prämien der Beschwerdeführerin von August 2016 bis Juli 2017 nicht mehr beglichen seien. Die Prämienzahlungspflicht betreffe die versicherte Person persönlich. Der Krankenversicherer dürfe die gesamte Prämie bei der versicherten Person einfordern unabhängig von allfällig ausstehenden Prämienverbilligungen. Ein allfälliger Anspruch auf Prämienverbilligung könne nur gegenüber dem Kanton am Wohnsitz und nicht gegenüber dem Krankenversicherer geltend gemacht werden

      (act. G 3.6 S. 3).

    2. Demgegenüber vertritt die Beschwerdeführerin die Ansicht, dass ihre Krankenversicherungsprämien alle bezahlt seien. Die Beschwerdegegnerin müsse zwischen der Nichtbezahlung von Prämien und einer Rückforderung unterscheiden. Die SVA des Kantons St. Gallen habe eine Rückforderung gestellt, worüber nun ein Rechtsstreit hängig sei. Diesen habe die Beschwerdegegnerin abzuwarten. Überdies empfindet die Beschwerdeführerin die Anwendung von Art. 49 des Bundesgesetzes über den Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts (ATSG, SR 830.1) im vorliegenden Fall als willkürlich (act. G 1 und 5).

    3. Unbestritten ist, dass die Beschwerdeführerin im hier interessierenden Zeitraum von August 2016 bis Juli 2017 bei der Beschwerdegegnerin obligatorisch krankenpflegeversichert gewesen ist. Dies ergibt sich auch aus den von der Beschwerdegegnerin eingereichten Policen. Sodann ist diesen Policen zu entnehmen, dass die monatlichen Krankenversicherungsprämien im Jahr 2016 Fr. 171.45 und im Jahr 2017 205.95 betragen haben (vgl. act. G 3.7 und 3.8). Daraus ergibt sich für die Beschwerdegegnerin für den Zeitraum August 2016 bis Juli 2017 eine Prämienforderung von Fr. 2'298.90 (5 x Fr. 171.45 + 7 x Fr. 205.95). Gegen die in den Policen genannte Höhe der Prämien hat die Beschwerdeführerin keine Einwände erhoben. Sodann ist die Schilderung der Beschwerdegegnerin, wonach der Kanton für den Zeitraum August 2016 bis Juli 2017 zunächst Prämienverbilligungen (im Jahr 2016

von monatlich Fr. 373.-- und im Jahr 2017 von monatlich Fr. 391.--) ausbezahlt, später jedoch annulliert habe (vgl. act. G 3.6 S. 2), glaubhaft, zumal sie von der Beschwerdeführerin nicht bestritten wird (vgl. auch Art. 27 der Verordnung zum Einführungsgesetz zur Bundesgesetzgebung über die Krankenversicherung des Kantons St. Gallen [sGS 331.111]). Zudem hat die Beschwerdegegnerin einen Ausdruck eingereicht, aus welcher die von ihr behauptete Annullation der Prämienverbilligungen seitens des Kantons hervorgeht (act. G 11.1). Demnach ist davon auszugehen, dass die Beschwerdegegnerin vom Kanton für die Beschwerdeführerin für den Zeitraum August 2016 bis Juli 2017 Prämienverbilligungen von gesamthaft Fr. 4'602.-- erhalten hat, welche der Kanton später jedoch wieder annulliert hat. Diesen Betrag abzüglich einer Umweltabgabe von Fr. 5.65, sprich gesamthaft Fr. 4'596.35, fordert die Beschwerdegegnerin nun von der Beschwerdeführerin. Die Beschwerdeführerin bringt zwar vor, die Prämien seien

bezahlt, reicht diesbezüglich jedoch keinerlei Belege ein (vgl. act. G 10). Sie bringt denn auch nicht vor, sie selber habe die Prämien bezahlt. Vielmehr macht sie geltend, dass die Beschwerdegegnerin zwischen einer Rückforderung und der Bezahlung der Prämien unterscheiden müsse, und erachtet die Rückforderung unter Verweis auf einen Rechtsstreit mit der SVA St. Gallen, der beim Versicherungsgericht allerdings nicht aktenkundig ist, sinngemäss als unrichtig (vgl. act. G 1 und 5). Der Beschwerdeführerin ist darin zuzustimmen, dass es sich bei der von der Beschwerdegegnerin geltend gemachten Forderung nicht ausschliesslich um unbezahlte Prämien handelt, sondern zu einem gewissen Teil auch um eine Rückforderung von weitergeleiteten Prämienverbilligungszahlungen des Kantons. Die Beschwerdegegnerin hat in ihrem Einspracheentscheid nämlich erklärt, dass sie die für die Beschwerdeführerin vom Kanton erhaltene Prämienverbilligung für den Zeitraum August 2016 bis Juli 2017 jeweils mit den fälligen Prämien verrechnet und die Differenzbeträge an die Beschwerdeführerin ausbezahlt habe (vgl. act. G 3.6 S. 2). Die Auszahlung der Differenzbeträge hat die Beschwerdegegnerin mittels eines SAP-Auszuges belegt und sie werden von der Beschwerdeführerin auch nicht bestritten (vgl. act. G 11.2). Indem die Beschwerdegegnerin von der Beschwerdeführerin die gesamten vom Kanton zunächst an sie ausbezahlten, später jedoch annullierten Prämienverbilligungen zurückfordert, macht sie einerseits offene Prämienforderungen, andererseits eine Rückforderung zu Unrecht an die Beschwerdeführerin ausbezahlter

Prämienverbilligungen geltend. Gemäss Art. 31 der Verordnung zum Einführungsgesetz zur Bundesgesetzgebung über die Krankenversicherung des Kantons St. Gallen haben die Versicherer zu Unrecht bezogene Prämienverbilligungen beim Versicherten geltend zu machen. Demnach steht der Beschwerdegegnerin das Recht zu, die an die Beschwerdeführerin ausbezahlten Prämienverbilligungen zurückzufordern, nachdem der Kanton einen Anspruch auf Prämienverbilligung nachträglich verneint hat. Ebenso steht ihr das Recht zu, die aufgrund der annullierten Prämienverbilligungen nicht mehr beglichenen Prämien von der Beschwerdeführerin einzufordern. Denn, wie die Beschwerdegegnerin zu Recht vorbringt (vgl. act. G 3.6 S. 3), handelt es sich bei der Prämienzahlungspflicht um eine verwaltungsrechtliche Pflicht, welche die versicherte Person persönlich trifft (vgl. Gebhard Eugster, Rechtsprechung des Bundesgerichts zum KVG, in: Hans-Ulrich Stauffer/Basile Cardinaux, Rechtsprechung des Bundesgerichts zum Sozialversicherungsrecht, 2. Aufl. Zürich/Basel/Genf 2018, N 13 zu Art. 61 KVG mit weiteren Hinweisen [nachfolgend zitiert als Gebhard Eugster, Rechtsprechung KVG]). Der Wegfall der durch eine Drittperson übernommenen Prämienzahlungspflicht ändert nichts am Rechtsverhältnis zwischen der Versicherung und der versicherten Person (Urteil des Bundesgerichts vom 13. Dezember 2001, K 36/01, E. 3b; Gebhard Eugster, Rechtsprechung KVG, N 13 zu Art. 61). Ein allfällig hängiger Streit zwischen der Beschwerdeführerin und der SVA des Kantons St. Gallen vermag an der hier zur Diskussion stehenden Rechtsbeziehung zwischen der Beschwerdeführerin und der Beschwerdegegnerin somit nichts zu ändern. Dies hat umso mehr zu gelten, als die Beschwerdegegnerin die Prämien auch dann von ihren Versicherten einfordern kann, wenn allfällige Prämienverbilligungen noch nicht ausgerichtet worden sind (Gebhard Eugster, Rechtsprechung KVG, N 16 zu Art. 61 mit Hinweisen). Schliesslich ist die Beschwerdegegnerin gestützt auf Art. 64a des Bundesgesetzes über die Krankenversicherung (KVG, SR 832.10) und Art. 105b der Verordnung über die Krankenversicherung (KVV, SR 832.102) auch gehalten, offene Prämien zeitnah einzutreiben, was mit dem Abwarten bis zur Erledigung sämtlicher Streitigkeiten zwischen der Beschwerdeführerin und der SVA des Kantons St. Gallen nicht zu vereinbaren wäre. Zusammenfassend ist festzuhalten, dass die Beschwerdegegnerin Bestand und Umfang der in Betreibung gesetzten Grundforderung mit den eingereichten Unterlagen rechtsgenüglich dargelegt hat und die Einwendungen der Beschwerdeführerin daran nichts zu ändern vermögen.

2.4

Weiter ist zu prüfen, ob die Beschwerdegegnerin verfahrensrechtlich korrekt vorgegangen ist.

      1. Für unbezahlte fällige Prämien und Kostenbeteiligungen im Rahmen der obligatorischen Krankenpflegeversicherung muss die Krankenversicherung, nachdem sie diese Ausstände mindestens einmal schriftlich gemahnt hat, eine schriftliche Zahlungsaufforderung zustellen, der versicherten Person eine Nachfrist von 30 Tagen einräumen und sie auf die Folgen des Zahlungsverzugs hinweisen (Art. 64a Abs. 1 KVG). Die Zahlungsaufforderung hat der Versicherer grundsätzlich spätestens drei Monate ab Fälligkeit der Forderung und getrennt von allfälligen anderen Zahlungsausständen zuzustellen (Art. 105b Abs. 1 KVV). Bei der Frist von Art. 105b Abs. 1 KVV handelt es sich allerdings um eine Ordnungsvorschrift, deren Nichteinhaltung weder den Anspruch auf die Ausstände noch den der betreibungsrechtlichen Durchsetzung verwirken lässt (vgl. Gebhard Eugster, Krankenversicherung, in: Ulrich Meyer [Hrsg.], Schweizerisches Bundesverwaltungsrecht, Soziale Sicherheit, 3. Aufl. Basel 2016, S. 801 f. [nachfolgend zitiert als Gebhard Eugster, Krankenversicherung]); Gebhard Eugster, Rechtsprechung KVG, N 1 zu Art. 64a KVG mit weiterem Hinweis).

      2. Die Beschwerdegegnerin hat die Beschwerdeführerin für die Prämienabrechnung

vom 6. Januar 2018 (act. G 3.1 S. 1) zunächst mit Mahnung vom 17. März 2018 (act. G

3.1 S. 2) und später mit Zahlungsaufforderung vom 14. April 2018 (act. G 3.1 S. 3) gemahnt. Sie hat der Beschwerdeführerin in der Zahlungsaufforderung vom 14. April 2018 eine Zahlungsfrist von 30 Tagen angesetzt (vgl. act. G 3.1 S. 3) und ihr angesichts der erst im August 2018 erfolgten Anhebung der Betreibung sogar eine noch längere Zahlungsfrist eingeräumt (vgl. act. G 3.3). Ausserdem hat sie die Beschwerdeführerin in der Zahlungsaufforderung vom 14. April 2018 auf die Folgen bei Nichtbezahlung hingewiesen. Insbesondere hat sie darauf aufmerksam gemacht, dass sie die ausstehenden Prämien bei unbenützten Fristablauf auf dem Betreibungsweg einfordern werde (act. G 3.1 S. 3). Schliesslich sind die Prämien zwar zusammen mit der Rückforderung der Prämienverbilligungszahlungen, jedoch separat von allfälligen anderen Ausständen gemahnt und betrieben worden (vgl. act. G 3.1 und 3.3). Dass die

Beschwerdegegnerin die Rückforderung der Prämienverbilligungen, die eng mit den geschuldeten Prämien verknüpft ist, gemeinsam mit den Prämien gemahnt und betrieben hat, ist vorliegend nicht zu beanstanden, zumal eine Aufteilung in eine Prämienforderung und eine Prämienverbilligungsrückforderung für die versicherte Person vermutlich eher schwieriger nachvollziehbar gewesen wäre. Nach dem Gesagten bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass die verfahrensrechtlichen Mahn- und Betreibungsvorschriften von Art. 64a Abs. 1 KVG oder Art. 105b KVV vorliegend nicht eingehalten worden sind.

2.4.3 Schliesslich ist es entgegen der Behauptung der Beschwerdeführerin (vgl. act. G

5) auch nicht zu beanstanden, dass die Beschwerdegegnerin den von der Beschwerdeführerin erhobenen Rechtsvorschlag mit ihrer Verfügung vom 16. Oktober 2018 gestützt auf Art. 49 ATSG (vgl. act. G 3.4) bzw. mit ihrem Einspracheentscheid vom 31. Oktober 2018 (act. G 3.6) aufgehoben hat. Denn betrifft eine Betreibung eine im öffentlichen Recht begründete Forderung, über die eine Verwaltungsbehörde zu befinden hat, ist unter dem Betreten des ordentlichen Prozessweges nach Art. 79 des Bundesgesetzes über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG; SR 281.1) die Geltendmachung der Forderung vor dieser Behörde zu verstehen. Auf dem Gebiet der Sozialversicherung ist dabei die erstinstanzlich verfügende Verwaltungsbehörde, die kantonale Beschwerdeinstanz bzw. das Bundesgericht ordentlicher Richter im Sinne von Art. 79 SchKG, der zum Entscheid über die Aufhebung des Rechtsvorschlags zuständig ist. Daraus ergibt sich für die Krankenversicherungen, dass sie für ihre Geldforderungen gemäss allgemeinem betreibungsrechtlichem Grundsatz auch ohne rechtskräftigen Rechtsöffnungstitel die Betreibung einleiten, im Falle des Rechtsvorschlags nachträglich eine formelle Verfügung erlassen und nach Eintritt der Rechtskraft derselben die Betreibung fortsetzen können. Die Verwaltungsbehörde kann in ihrer Verfügung somit nicht nur einen sozialversicherungsrechtlichen Sachentscheid über die Verpflichtung des Versicherten zu einer Geldzahlung fällen, sondern gleichzeitig auch als Rechtsöffnungsinstanz über die Aufhebung des Rechtsvorschlags befinden (BGE 119 V 331 E. 2b; Gebhard Eugster, Rechtsprechung KVG, N 10 zu

Art. 64a).

3.

Für fällige Beitragsforderungen sind gemäss Art. 26 Abs. 1 ATSG Verzugszinsen zu leisten. Der Satz für den Verzugszins auf fälligen Prämien beträgt 5 % im Jahr (Art. 105a KVV). Verzugszinsen von 5 % für die im Rahmen dieses Urteils festgestellte Forderung für offene Prämien in der Höhe von Fr. 2'298.90 sind somit ausgewiesen. Anders sieht es bei dem über die offenen Prämien hinausgehenden Forderungsbetrag von Fr. 2'297.45 (Fr. 4'596.35 – 2'298.90) aus. Dabei handelt es sich weder um Beitragsforderungen bzw. Beitragsrückerstattungsansprüche i.S.v. Art. 26 Abs. 1 ATSG noch um verspätete Leistungen von Sozialversicherungen i.S.v. Art. 26 Abs. 2 ATSG. Vielmehr handelt es sich dabei um eine Rückforderung von zu Unrecht erbrachten Prämienverbilligungen. Folglich besteht für diese Beträge keine Verzugszinspflicht gegenüber der Beschwerdegegnerin (vgl. Ueli Kieser, ATSG-Kommentar, 3. Aufl. Zürich/Basel/Genf 2015, N 18 zu Art. 26 mit Hinweisen). Eine solche ist auch im Reglement der Beschwerdegegnerin nicht statuiert (vgl. act. G 3.9). Folglich sind Verzugszinsen nur auf den Forderungsteil in der Höhe von Fr. 2'298.90 geschuldet.

Der Verzugszins ist nicht erst nach der Mahnung gemäss Art. 64a Abs. 1 KVG, sondern bereits ab dem vom Versicherer gesetzten Zahlungstermin geschuldet (vgl. Gebhard Eugster, Krankenversicherung, S. 807). Die Beschwerdegegnerin hat der Beschwerdeführerin mit der Rechnung vom 6. Januar 2018 eine Zahlungsfrist bis zum

3. Februar 2018 gesetzt (act. G 3.1 S. 1). Entgegen der Ansicht der Beschwerdegegnerin (vgl. act. G 3.6 S. 3) hat die Verzinsungspflicht nicht bereits am letzten der Tag der Zahlungsfrist, sondern erst am Tag nach Ablauf der Zahlungsfrist, sprich am 4. Februar 2018, zu laufen begonnen.

4.

    1. Für von der versicherten Person verschuldete Aufwendungen, die bei rechtzeitiger Zahlung von Prämien oder Kostenbeteiligungen nicht entstanden wären, kann der Versicherer gemäss Art. 105b Abs. 2 KVV angemessene Bearbeitungsgebühren erheben, sofern er in seinen allgemeinen Bestimmungen über die Rechte und Pflichten der Versicherten eine entsprechende Regelung vorsieht.

    2. Eine Regelung zur Erhebung von Mahn- und Betreibungskosten findet sich in Ziff.

13.3 des Reglements der Beschwerdegegnerin für die Versicherungen nach KVG

(Ausgabe Januar 2015), ohne dass dort jedoch deren Höhe festgelegt wäre (vgl. act. G

3.9). Für die Beurteilung der Angemessenheit ist in solchen Fällen das Kostendeckungs- oder Äquivalenzprinzip anzuwenden (Gebhard Eugster, Krankenversicherung, S. 807; Gebhard Eugster, Rechtsprechung KVG, N 3 f. zu

Art. 64a mit Hinweisen). Angesichts der Tatsache, dass die Beschwerdeführerin trotz Zahlungserinnerung und Mahnung die Bezahlung der geschuldeten Prämienausstände bzw. die Rückerstattung der Prämienverbilligung unterlassen und damit in schuldhafter Weise Aufwendungen verursacht hat, die bei rechtzeitiger Zahlung nicht eingetreten wären, sind die geltend gemachten Spesen für die Mahnungen und die eingeleitete Betreibung in der Höhe von Fr. 180.-- (vgl. act. G 3.3, 3.4 und 3.6 S. 3) nicht zu beanstanden, wenngleich die Höhe der Spesen eher hoch angesetzt ist (vgl. Gebhard Eugster, Rechtsprechung KVG, N 3 f. zu Art. 64a mit Hinweisen). Dass es sich bei einem Teil der Forderung nicht um eigentliche Prämien handelt, spielt keine Rolle, da die Aufwendungen auch bei der Geltendmachung des Prämienanteils entstanden wären.

5.

Die Betreibungskosten von Fr. 73.30 sind von Gesetzes wegen geschuldet (Art. 68 SchKG) und vom Schuldner bei erfolgreicher Betreibung zusätzlich zum Betrag, der dem Gläubiger zugesprochen wird, zu bezahlen. Entsprechend sind sie nicht in die Rechtsöffnung einzubeziehen (RKUV 2003 KV 251 S. 226; Gebhard Eugster, Krankenversicherung, S. 808 mit weiteren Hinweisen).

6.

Im Sinne der vorstehenden Erwägungen ist die Beschwerde abzuweisen und die Beschwerdeführerin zu verpflichten, der Beschwerdegegnerin den Betrag von

Fr. 2'298.90 nebst Verzugszins von 5 % seit dem 4. Februar 2018 zu bezahlen; weiter ist sie zu verpflichten, der Beschwerdegegnerin den Betrag von Fr. 2'297.45 sowie Bearbeitungs- und Mahnkosten in der Höhe von Fr. 180.-- zu bezahlen. In diesem Umfang ist in der Betreibung Nr. XXXXXXXX des Betreibungsamtes B. definitive Rechtsöffnung zu erteilen. Gerichtskosten sind keine zu erheben (vgl. Art. 61 lit. a ATSG).

Entscheid

im Zirkulationsverfahren gemäss Art. 39 VRP

1.

Die Beschwerde wird im Sinne der Erwägungen abgewiesen und die Beschwerdeführerin verpflichtet, der Beschwerdegegnerin den Betrag von Fr. 2'298.90 nebst Verzugszins von 5 % ab dem 4. Februar 2018 zu bezahlen; weiter wird sie verpflichtet, der Beschwerdegegnerin den Betrag von Fr. 2'297.45 sowie Bearbeitungs- und Mahnkosten in der Höhe von Fr. 180.-- zu bezahlen. In diesem Umfang wird der Beschwerdegegnerin in der Betreibung Nr. XXXXXXXX des Betreibungsamtes B. definitive Rechtsöffnung erteilt.

2.

Es werden keine Gerichtskosten erhoben.

Quelle: https://www.sg.ch/recht/gerichte/rechtsprechung.html
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