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Urteil Versicherungsgericht (SG)

Kopfdaten
Kanton:SG
Fallnummer:KV 2017/9 + KV 2017/10
Instanz:Versicherungsgericht
Abteilung:KV - Krankenversicherung
Versicherungsgericht Entscheid KV 2017/9 + KV 2017/10 vom 26.10.2018 (SG)
Datum:26.10.2018
Rechtskraft:
Leitsatz/Stichwort:Entscheid Art. 13 f. IVG. Art. 25 f. KVG. Art. 7 KLV. Kinderspitex-Leistungen. Abgrenzung medizinische und nicht medizinische Pflegemassnahmen. Koordination zwischen IV und KV (Entscheid des Versicherungsgerichts des Kantons St. Gallen vom 26. Oktober 2018, KV 2017/9 und KV 2017/10).
Schlagwörter: Pflege; Medizinisch; Medizinische; Stunden; Beschwerde; Kinder; Kinderspitex; Grundpflege; Leistungen; Swica; Geburt; Medizinischen; Behandlung; Geburtsgebrechen; Abklärung; IV-act; Krankenpflege; IV-Stelle; Beschwerdegegnerin; Recht; Massnahme; KV-act; Massnahmen; Verfügung; Spitex; Erbracht; Anspruch; Beratung; Untersuchung
Rechtsnorm: Art. 25 KVG ; Art. 25a KVG ; Art. 27 KVG ; Art. 3 ATSG ; Art. 32 KVG ; Art. 33 KVG ; Art. 35 KVG ; Art. 60 ZGB ; Art. 64 ATSG ; Art. 69 ATSG ;
Referenz BGE:136 V 209;
Kommentar zugewiesen:
Spühler, Basler Kommentar zur ZPO, Art. 321 ZPO ; Art. 311 ZPO, 2017
Weitere Kommentare:-
Entscheid
Entscheid vom 26. Oktober 2018

Besetzung

Versicherungsrichterin Miriam Lendfers (Vorsitz), Versicherungsrichter Joachim Huber

und Ralph Jöhl; Gerichtsschreiberin Annina Janett Geschäftsnr.

KV 2017/9, KV 2017/10

Parteien

  1. ,

    Beschwerdeführer,

    handelnd durch seine Eltern und diese vertreten durch Schweizerischer Kinderspitex Verein, Bahnhofstrasse 17, 9326 Horn, gegen

    SWICA Krankenversicherung AG, Rechtsdienst, Römerstrasse 38, 8401 Winterthur,

    Beschwerdegegnerin,

    Gegenstand

    Obligatorische Krankenpflegeversicherung (Vorleistungspflicht gegenüber Invalidenversicherung; subsidiäre Leistungspflicht)

    Sachverhalt

    A.

    1. A. wurde im Juli 2011 bei Diagnose einer seit Geburt bestehenden Curschmann-Steinert Muskeldystrophie bei der IV-Stelle des Kantons St. Gallen für medizinische Massnahmen angemeldet (IV-act. 1, vgl. IV-act. 7, 12). Am 29. November 2011 teilte die IV-Stelle den Eltern des Versicherten mit, dass sie für die Behandlung

      des Geburtsgebrechens Ziff. 303 des Anhangs der Verordnung über Geburtsgebrechen (GgV) die bis am 31. Juli 2013 anfallenden Kosten und für die Behandlung des Geburtsgebrechens Ziff. 184 Anh. GgV die bis am 31. Juli 2021 anfallenden Kosten sowie die ärztlich verordneten Behandlungsgeräte übernehme (IV-act. 16 f.).

    2. Mit Verfügung vom 10. Mai 2012 erteilte die IV-Stelle im Zusammenhang mit dem Geburtsgebrechen Ziff. 184 Anh. GgV eine Kostengutsprache für die Leistungen der Kinderspitex vom 25. August 2011 bis 7. Oktober 2011 im Umfang von fünf Stunden pro Monat für die erstmalige Abklärung, drei Stunden pro Monat für die weitere Beratung und 13 Stunden pro Monat für die Untersuchung und Behandlung (IV-act. 40).

    3. Am 18. Oktober 2012 reichte die Kinderspitex dem Krankenversicherer des Versicherten, der Swica Krankenversicherung AG (Swica), eine Bedarfsmeldung für Spitex-Massnahmen nach Art. 7 der Krankenpflege-Leistungsverordnung (KLV) im Umfang von einer Stunde pro Monat für die Abklärung und die Beratung sowie drei Stunden pro Woche für die Grundpflege ein (KV-act. 1; vgl. auch KV-act. 7).

    4. Am 23. Februar und 21. Mai 2013 erteilte die IV-Stelle weitere Kostengutsprachen für die Behandlung des Geburtsgebrechens Ziff. 425 Anh. GgV vom 8. November 2012 bis am 31. Juli 2022 (IV-act. 110) sowie für die Behandlung des Geburtsgebrechens Ziff. 355 Anh. GgV vom 27. Mai 2013 bis am 31. Mai 2015 (IV-act. 124).

    5. Am 21. Juni 2013 reichte die Kinderspitex der IV-Stelle diverse Rechnungen über erbrachte KLV-Pflichtleistungen ein. Daraufhin informierte die IV-Stelle die Kinderspitex am 3. Juli 2013 darüber, dass die Kostengutsprache bis zum 7. Oktober 2011 befristet gewesen und noch kein neuer Antrag eingegangen sei (KV-act. 2, IV-act. 127 f.).

    6. Mit Verfügung vom 6. Mai 2014 sprach die IV-Stelle dem Versicherten für den Zeitraum vom 1. September 2013 bis 31. März 2014 eine Entschädigung wegen einer Hilflosigkeit leichten Grades und ab dem 1. April 2014 bis am 30. September 2017 eine Entschädigung wegen einer Hilflosigkeit mittleren Grades zu. Die Abklärungen hätten ergeben, dass der Versicherte im Vergleich zu Gleichaltrigen in den Bereichen Aufstehen/Absitzen/Abliegen und Fortbewegung auf vermehrte Hilfe angewiesen sei. Ab 1. April 2014 könnten zusätzlich die Bereiche Essen und Notdurftverrichtung berücksichtigt werden. Ein Anspruch auf einen Intensivpflegezuschlag bestehe nicht, weil der tägliche invaliditätsbedingte Betreuungsaufwand weniger als vier Stunden betrage (IV-act. 176, vgl. auch IV-act. 74).

    7. Am 14. Mai 2014 reichte die Kinderspitex der IV-Stelle eine Spitex-Verordnung betreffend den Versicherten ein. Diese sah einen Zeitaufwand von fünf Stunden pro Jahr für die Abklärung und die Dokumentation des Pflegebedarfs, zwölf Stunden pro Jahr für die Beratung und die Instruktion der nichtberuflich an der Krankenpflege Mitwirkenden und 60 Minuten pro Einsatz (sieben Einsätze pro Woche) für die Überwachung und die Beurteilung bei im Vordergrund stehenden komplexen Hautproblemen (Wundpflege) und für physiotherapeutische Behandlung im Stehbett beziehungsweise einen Gesamtaufwand von sieben Stunden pro Woche für die Untersuchung und die Behandlung sowie vier Stunden pro Monat für die Abklärung und die Beratung vor (IV-act. 179).

B.

    1. Im Juni 2014 ging bei der Swica ein neues Spitex-Meldeformular ein. Die Kinderspitex meldete einen Pflegeleistungsbedarf im Umfang von vier Stunden pro Monat für die Abklärung und die Beratung sowie von je sieben Stunden pro Woche für die Untersuchung und Behandlung und für die Grundpflege des Versicherten, gültig ab dem 1. Mai 2014 für drei Monate (KV-act. 3). Daraufhin teilte die Swica der Kinderspitex mit, dass die pflegerischen Leistungen im Zusammenhang mit dem Geburtsgebrechen Ziff. 184 Anh. GgV stünden und die Unterlagen ab dem 1. Mai 2014 der IV-Stelle einzureichen seien (KV-act. 4).

    2. Am 18. September 2014 (Eingang) meldete die Kinderspitex der Swica, dass ab dem 7. Juli 2014 für eine unbefristete Dauer ein Pflegeleistungsbedarf von zwei Stunden pro Monat für die Abklärung und die Beratung sowie fünf Stunden pro Woche für die Grundpflege bestehe (KV-act. 5).

    3. Mit Verfügung vom 20. Oktober 2014 erteilte die IV-Stelle eine ergänzende Kostengutsprache für die Spitexleistungen im Zusammenhang mit dem Geburtsgebrechen Ziff. 184 Anh. GgV im Umfang von 30 Minuten pro Einsatz für Massnahmen zur Hautpflege während der Tragedauer der Gipse und bei Betreuung zu Hause im Zeitraum vom 6. bis 21. Mai 2014 sowie von einmalig einer Stunde für die erstmalige Abklärung (IV-act. 205).

    4. Am 11. November 2015 reichte die Kinderspitex der Swica Rechnungen für die in den Monaten Mai 2014 bis Januar 2015 sowie März bis September 2015 erbrachten Leistungen ein (vgl. KV-act. 19, act. G 1.1 S. 2). Diese Rechnungen wurden von der Swica mit Ausnahme derjenigen vom September 2015 am 16. November 2015 mit der Begründung retourniert, dass sie auf einer unzulässigen rückwirkenden ärztlichen Verordnung basierten (KV-act. 6). Auf eine Rückfrage der Kinderspitex hin stellte die Swica fest, dass der Bedarfsmeldung für die Monate Mai bis Juli 2014 keine rückwirkende Verordnung zugrunde gelegen hatte, weshalb sie die Rechnungen für diese drei Monate beglich (vgl. act. G 1.1 S. 2).

    5. In einem Schreiben vom 15. August 2016 informierte die Swica die Kinderspitex über die betreffend die zukünftige Bearbeitung von Rechnungen und Bedarfsmeldungen aufgestellten Regeln (KV-act. 8).

    6. Am 31. August 2016 meldete die Kinderspitex der Swica einen unbefristeten wöchentlichen Pflegeleistungsbedarf ab dem 1. September 2016 im Umfang von 0.67 Stunden für die Abklärung und die Beratung, 0.33 Stunden für die Untersuchung und die Behandlung sowie vier Stunden für die Grundpflege (KV-act. 9). Am 15. September 2016 retournierte die Swica die Bedarfsmeldung mit einer Kopie des Schreibens vom

      15. August 2016. Am 3. Oktober 2016 reichte die Kinderspitex der Swica ein Leistungsplanungsblatt als zusätzliche Information zur Bedarfsmeldung ein. Dieses wurde von der Swica am 17. Oktober 2016 wiederum mit Verweis auf das Schreiben vom 15. August 2016 retourniert. Daraufhin reichte die Kinderspitex am 30. November 2016 ein angepasstes Leistungsplanungsblatt ein. Die Swica retournierte am 14. Dezember 2016 auch dieses Leistungsplanungsblatt unter Beilage einer Kopie des Schreibens vom 15. August 2016 (vgl. zum Ganzen KV-act. 10 ff.).

    7. Am 19. Dezember 2016 ersuchte die Swica die Kinderspitex telefonisch, eine Begründung für den geltend gemachten pflegerischen Mehraufwand ab dem 1. September 2016 im Vergleich zum Jahr 2014 einzureichen. Gleichentags teilte die Kinderspitex der Swica mit, dass sich der Bedarf nicht geändert habe. Die Bedarfsmeldung sei somit nur die Bitte um Verlängerung der bis zum 31. August 2016 befristeten Kostenübernahme (KV-act. 15).

    8. Mit Schreiben vom 29. Dezember 2016 gewährte die Swica eine Kostenübernahme der Spitexleistungen vom 1. September bis 31. Dezember 2016 im Umfang von neun Stunden Grundpflege pro Monat. Sie hielt fest, dass die Bedarfsmeldungen nicht dem entsprächen, was in Rechnung gestellt worden sei. Bei einem anerkannten Geburtsgebrechen würden zudem weder die Abklärung und die Beratung noch die Untersuchung und die Behandlung übernommen (KV-act. 16).

    9. Am 18. Januar 2017 ersuchte die Kinderspitex um Erlass von einsprachefähigen Verfügungen betreffend die Ablehnung der Spitexleistungen im Umfang von fünf Stunden pro Woche und zwei Stunden pro Monat ab dem 7. Juli 2014 sowie betreffend die Ablehnung der Pflegeleistungen im Umfang von fünf Stunden Grundpflege pro Woche ab dem 1. September 2016 (KV-act. 18).

    10. Am 7. Februar 2017 reichte die Kinderspitex der IV-Stelle eine neue Spitexverordnung betreffend den Versicherten, gültig ab dem 1. September 2016, ein. Diese sah einen Zeitaufwand von fünf Stunden pro Jahr für die Abklärung und die Dokumentation des Pflegebedarfs, 45 Stunden pro Jahr für die Beratung und die Instruktion der nichtberuflich an der Krankenpflege Mitwirkenden, zehn Minuten pro Einsatz (sieben Einsätze pro Woche) für die Beurteilung des Allgemeinzustandes und sieben Minuten pro Einsatz (sieben Einsätze pro Woche) für die Verabreichung von Medikamenten beziehungsweise einen Gesamtaufwand von zwei Stunden pro Woche für die Untersuchung und die Behandlung, 45 Stunden pro Woche für die Grundpflege sowie vier Stunden pro Monat für die Abklärung und die Beratung vor (IV-act. 314).

C.

    1. Mit Verfügung vom 6. März 2017 lehnte die Swica die Übernahme der Rechnungen ab dem 7. Juli 2014 bis zum 31. August 2015 ab. Zur Begründung führte sie an, dass die Bedarfsmeldung unzulässigerweise rückwirkend von einem Arzt unterzeichnet worden sei. Zudem sei ein Leistungsanspruch für die strittige Periode entgegen der vorgeschriebenen monatlichen Rechnungsstellung erst am 11. November 2015 geltend gemacht worden (KV-act. 19). Mit einer zweiten Verfügung gleichen Datums übernahm die Swica die Leistungen vom 1. September bis 31. Dezember 2016 im Rahmen von 44 Stunden Grundpflege. Sie hielt fest, dass die Zuständigkeit der Kostenübernahme für die Abklärung und Beratung sowie für die Untersuchung und Behandlung bei der SVA St. Gallen liege. Es lägen keine Dokumente vor, die begründeten, dass die gemeldeten Leistungen nicht im Zusammenhang mit dem Geburtsgebrechen stünden. Die Kostenübernahme vom 29. Dezember 2016 sei zur Reduktion der administrativen Aufwendungen gesprochen worden. Eine Rechnung für den Monat September 2016 sei der Swica zu diesem Zeitpunkt nicht vorgelegen. Vom 1. September 2015 bis zum

      31. August 2016 seien 127.92 Stunden in der Grundpflege in Rechnung gestellt worden. Das ergebe einen Durchschnitt von rund 11 Stunden pro Monat. Die gemeldeten vier Stunden Grundpflege pro Woche würden pro Monat ca. 17 Stunden und pro Jahr 208 Stunden betragen. Die Differenz zu den bis anhin verrechneten Leistungen betrage somit rund 80 Stunden pro Jahr oder 6.67 Stunden pro Monat. Diese entsprächen nicht dem voraussichtlichen Bedarf an Pflegeleistungen basierend auf der Pflegesituation zu Beginn der Verordnungsperiode. Im Verhältnis zur

      Invalidenversicherung bestehe im Übrigen weder eine subsidiäre Leistungspflicht noch eine Vorleistungspflicht der Swica als obligatorischem Krankenpflegeversicherer, zumindest so lange nicht, bis der Leistungsumfang der Invalidenversicherung (IV) rechtskräftig festgelegt worden sei. Dass der Leistungsumfang der IV bereits definitiv feststehe, sei vorliegend bislang nicht behauptet worden (KV-act. 20).

    2. Am 6. April 2017 erhob die Kinderspitex Einsprachen gegen die Verfügungen vom

      6. März 2017. Sie beantragte die Kostengutsprache ab dem 7. Juli 2014 und ab dem 1.

      September 2016 gemäss den Bedarfsmeldungen vom 7. Juli 2014 und 8. August 2016. Ausserdem sei anzuerkennen, dass die Swica für alle KLV-Pflichtleistungen vorleistungspflichtig sei, soweit diese von der IV noch nicht rechtskräftig verfügt worden seien. Zudem sei anzuerkennen, dass die Swica subsidiär leistungspflichtig zur IV sei für alle KLV-Pflichtleistungen ab dem 7. Juli 2014 bzw. 1. September 2016, soweit diese von der IV nicht verfügt würden. Sie machte im Wesentlichen geltend, dass die Vorleistungspflicht der Krankenversicherer zum Tragen kommen müsste, solange unklar sei, welche KLV-Pflichtleistungen von der IV anerkannt und welche abgewiesen würden. Die frühere Feststellung des Versicherungsgerichts, dass der maximale Gesamtbedarf ermittelt und verfügt werden müsse und nicht nur die nachträgliche Feststellung des von Pflegefachkräften geleisteten Bedarfs, sei ganz im Sinne der Krankenversicherer, denn dadurch würde die „Gefahr der subsidiären Leistungspflicht“ praktisch eliminiert (KV-act. 21 f.).

    3. Am 21. Juni 2017 wies die Swica die Einsprachen ab. Zur Begründung führte sie im Wesentlichen an, das Versicherungsgericht habe im Entscheid IV 2016/143 vom 29. November 2016 die von der Swica auch in anderen Verfahren vertretene Haltung bestätigt, wonach der obligatorische Krankenpflegeversicherer bei einer Anerkennung von medizinischen Massnahmen aufgrund eines Geburtsgebrechens nicht mehr als den medizinisch-objektiv notwendigen Pflegeaufwand zu übernehmen habe. Eine subsidiäre Leistungspflicht der Swica bestehe deshalb nicht. Aufgrund der neuen Pflegefinanzierung des Bundesgesetzes über die Krankenversicherung (KVG) hätte der Krankenversicherer ohnehin nur einen Beitrag an die Kosten von Grundpflegeleistungen i.S.v. Art. 25a KVG zu leisten. Dazu komme, dass gemäss Rechtsprechung des Bundesgerichtes die Bestimmungen des Art. 13 und 14 des Bundesgesetzes über die Invalidenversicherung (IVG) keine zeitliche Höchstgrenze für

die Vergütung von Kinderspitex-Leistungen festlegten. Art. 13 IVG bezwecke die vollumfängliche Vergütung sämtlicher notwendiger medizinischer Behandlungs- und Pflegekosten. Berücksichtige man auch noch die weiteren auf dem IVG basierenden Finanzierungsquellen, bleibe erst recht kein Raum für Zusatzleistungen der obligatorischen Krankenpflegeversicherer. Im Weiteren bestehe kein Anspruch auf eine Feststellung, dass die Swica gegenüber der IV vorleistungspflichtig sei. Eine Vorleistung der Krankenversicherung könne nur beansprucht werden, wenn eine Leistungspflicht grundsätzlich in Frage komme. Ob die im Kostengutsprachegesuch vom 7. Februar 2017 geltend gemachten 45 Stunden Grundpflege pro Woche medizinisch-objektiv notwendiger Pflegeaufwand seien, hätten die IV-Stelle sowie gegebenenfalls die nachfolgenden Rechtsmittelinstanzen zu entscheiden. Erst nach Vorliegen eines rechtskräftigen Urteils zu dieser Frage könne beurteilt werden, ob die Swica als obligatorischer Krankenpflegeversicherer noch eine über den Anspruch aus dem IVG hinausgehende Leistungspflicht treffe. Indem man für die Periode August bis Dezember 2016 auf den Durchschnitt der zwölf vorausgehenden Monate abgestellt und den Anspruch auf 44 Stunden Grundpflege anerkannt habe, sei man dem Versicherten unbürokratisch entgegengekommen. Inwiefern das Abstellen auf den durchschnittlichen Pflegeaufwand unrechtmässig sei und aus welchen Gründen ein noch höherer Anspruch als elf Stunden Grundpflege pro Monate bestehen solle, werde nicht begründet. Die Einsprache gegen die Verfügung betreffend das Kostengutsprachegesuch ab 7. Juli 2014 sei mangels genügender Substantiierung abzuweisen (act. G 1.1).

D.

    1. Dagegen erhob die Kinderspitex für den Versicherten undatierte, am 23. August 2017 der Post übergebene Beschwerden und beantragte, der Einspracheentscheid der Swica vom 21. Juni 2017 sei aufzuheben und es sei anzuerkennen, dass der Beschwerdeführer ab 7. Juli 2014 unbefristet bzw. ab 1. September 2016 einen Anspruch auf Kinderspitexleistungen habe. Ausserdem sei anzuerkennen, dass die Swica für alle KLV-Pflichtleistungen vorleistungspflichtig sei, soweit diese von der IV noch nicht rechtskräftig verfügt worden seien. Im Weiteren sei anzuerkennen, dass die Swica subsidiär leistungspflichtig zur IV sei für alle Pflichtleistungen ab dem 7. Juli 2014 bzw. 1. September 2016, soweit diese nicht von der IV verfügt würden. Zudem

      wurde um Einräumung einer angemessenen Nachfrist zur ergänzenden Beschwerdebegründung ersucht (KV 2017/9 act. G 1, KV 2017/10 act. G 1).

    2. Mit Beschwerdeergänzung vom 9. Oktober 2017 machte die Kinderspitex für den Beschwerdeführer im Wesentlichen das bereits in den Einsprachen Vorgebrachte geltend, nämlich eine subsidiäre Leistungspflicht sowie eine Vorleistungspflicht der Beschwerdegegnerin. Daneben brachte sie vor, dass der ärztlich ausgewiesene Gesamtpflegeaufwand von August 2014 bis August 2017 7‘592 Stunden (3 x 365 x 416min) betrage, wovon die Kinderspitex 495.10 Stunden geleistet habe. Somit übernähmen die Eltern kostenlos mehr als 93% des Pflegeaufwandes und die Kinderspitex stelle weniger als 7% der ärztlich angeordneten Pflichtleistungen in Rechnung. Die Beschwerdegegnerin habe davon trotzdem 282.25 Stunden noch nicht bezahlt (act. G 3 in beiden Verfahren).

    3. Die IV-Stelle hatte zwischenzeitlich mit Verfügung vom 18. September 2017 eine teilweise Kostengutsprache für Kinderspitex-Leistungen vom 1. September 2016 bis zum 31. August 2018 im Umfang von einer Stunde pro Monat für die Beratung und die Instruktion der Eltern, zwei Stunden für die erstmalige/erneute (einmalige) Bedarfsabklärung und zehn Minuten pro Einsatz für die Untersuchung und Behandlung erteilt. Die zehn Minuten pro Einsatz setzten sich aus fünf Minuten für die Beurteilung des Allgemeinzustandes und fünf Minuten für die Verabreichung von Medikamenten zusammen. Gemäss den durchgeführten Abklärungen finde täglich jeweils ein Einsatz morgens von rund einer Stunde statt. In dieser Zeit werde überwiegend die Grundpflege durchgeführt, weil die Mutter des Versicherten zwei Kinder mit demselben Leiden zu versorgen habe. Die grundpflegerischen Massnahmen fielen nicht in den Zuständigkeitsbereich der Invalidenversicherung (IV-act. 375). Nachdem die Kinderspitex für den Versicherten gegen diese Verfügung Beschwerde am Versicherungsgericht des Kantons St. Gallen erhoben hatte (IV-act. 384), widerrief die IV-Stelle die Verfügung am 15. Dezember 2017 (IV-act. 394). Daraufhin schrieb das Versicherungsgericht das Verfahren am 18. Dezember 2017 ab (IV-act. 397).

    4. Mit Beschwerdeantwort vom 14. Februar 2018 beantragte die Beschwerdegegnerin die Abweisung der Beschwerden und die Vereinigung der Verfahren KV 2017/9 und KV 2017/10. Sie verwies im Wesentlichen auf den

      Einspracheentscheid vom 21. Juni 2017. Darüber hinaus führte sie an, die Kinderspitex gehe in ihrer Beschwerde nicht substantiiert auf den Einspracheentscheid ein. Soweit geltend gemacht werde, der Beschwerdeführer habe einen Anspruch auf eine Kostengutsprache für ein maximal abrufbares Leistungspaket, sei dies im Bereich des KVG nicht zutreffend. Unbestritten sei, dass die von Organisationen der Krankenpflege erbrachten Leistungen in Art. 7 Abs. 2 lit. a-c KLV geregelt seien. Für eine Abgeltung durch die obligatorische Krankenpflegeversicherung kämen dabei zum Vornherein nur Leistungen in Betracht, die durch medizinisch geschulte Fachpersonen erbracht würden, wozu in aller Regel die Eltern oder sonstige Angehörige eines invaliden Kindes nicht gehörten. Nur diese Leistungen seien der obligatorischen Krankenpflegeversicherung zu melden. Die von der Kinderspitex produzierten Unterlagen stellten keine klaren Bedarfsabklärungen dar. Indem sie der Beschwerdegegnerin keine Angaben zu den durch medizinisches Fachpersonal der Kinderspitex geleisteten Stunden gemacht habe, sorge sie selbst dafür, dass dem Beschwerdeführer nicht mitgeteilt werden könne, wie viele Pflegestunden aus dem KVG entschädigt würden (act. G 12).

    5. Am 20. Februar 2018 wurden die beiden Verfahren KV 2017/9 und KV 2017/10 vereinigt (act. G 13).

D.f Mit Replik vom 12. März 2018 und Duplik vom 25. April 2018 hielten die Parteien

an ihren jeweiligen Standpunkten fest (act. G 14, G 16).

    1. Am 22. Juni 2018 lud das Versicherungsgericht die IV-Stelle des Kantons St. Gallen ein, sich an den vereinigten Beschwerdeverfahren zu beteiligen (act. G 22). Diese Gelegenheit wurde nicht benutzt.

    2. Mit einem Vorbescheid vom 22. Juni 2018 stellte die IV-Stelle dem Versicherten die teilweise Kostengutsprache im Umfang von einer Stunde pro Monat für die Beratung und Instruktion der Eltern, drei Stunden für die einmalige Bedarfsabklärung und 15 Minuten pro Einsatz für die Untersuchung und Behandlung in Aussicht. Die 15 Minuten pro Einsatz würden sich aus fünf Minuten für die Beurteilung des Allgemeinzustandes, fünf Minuten für die Beurteilung der Durchblutung, Motorik und Sensibilität, drei Minuten für das Richten der Medikamente und zwei Minuten für die orale

Verabreichung der Medikamente zusammensetzen. Sie wies im Weiteren darauf hin, dass die Übernahme der Grundpflege bei der Vergütung von Spitexleistungen durch die IV ausgeschlossen sei (bei act. G 24).

D.i Das Versicherungsgericht zog die Akten der Invalidenversicherung betreffend den Beschwerdeführer bei (vgl. act. G 17 ff., act. G 23 f.) und gab den Parteien Gelegenheit zur Kenntnis- und allfälligen Stellungnahme, worauf diese jedoch verzichteten.

Erwägungen

1.

    1. Anfechtungsgegenstand des vorliegenden Beschwerdeverfahrens bildet der Einspracheentscheid vom 21. Juni 2017. Diesem liegen die Verfügungen vom 6. März 2017 zugrunde, mit welchen die Beschwerdegegnerin die Kostenübernahme der Kinderspitexleistungen für die Zeit ab 7. Juli 2014 bis 31. August 2015 und 1. September bis 31. Dezember 2016 abgelehnt hat (KV-act. 19 f.). Streitig und vorliegend zu prüfen ist damit, ob die Leistungsablehnung zu Recht erfolgt ist.

    2. Der 2011 geborene Beschwerdeführer leidet an mehreren anerkannten Geburtsgebrechen (Ziff. 184, 303, 355 und 425 Anh. GgV). Die Invalidenversicherung hat für diese Geburtsgebrechen die Behandlungskosten übernommen (IV-act. 16 f., 110, 124). Für das Geburtsgebrechen Ziff. 184 (Dystrophia musculorum progressiva und andere congenitale Myopathien) hat sie zudem eine Kostengutsprache für die von der Kinderspitex erbrachten Pflegeleistungen in der Zeit vom 25. August bis 7. Oktober 2011 und vom 6. bis 21. Mai 2014 erteilt (IV-act. 40, 205). Ausserdem hat sie dem Beschwerdeführer eine Hilflosenentschädigung (ab 1. September 2013 wegen einer Hilflosigkeit leichten Grades und ab 1. April 2014 wegen einer Hilflosigkeit mittleren Grades) zugesprochen. Einen Anspruch auf einen Intensivpflegezuschlag hat sie mit der Begründung verneint, dass der tägliche invaliditätsbedingte Betreuungsaufwand weniger als vier Stunden betrage (IV-act. 176). Die Kinderspitex hat in der Folge sowohl der IV als auch der Beschwerdegegnerin als dem obligatorischen Krankenversicherer Rechnungen über erbrachte Pflegeleistungen eingereicht bzw. entsprechende

Leistungsansprüche geltend gemacht. Zu prüfen ist daher zunächst, welche Leistungen vorliegend überhaupt zur Diskussion stehen.

2.

    1. Die obligatorische Krankenpflegeversicherung (KV) übernimmt gemäss Art. 25 Abs. 1 KVG die Kosten für die Leistungen, die der Diagnose oder der Behandlung einer Krankheit und ihrer Folgen dienen. Leistungen, die unter die Übernahmepflicht der Krankenversicherer fallen, sind u.a. die Untersuchungen und die Behandlungen, die ambulant, stationär oder in einem Pflegeheim, sowie die Pflegeleistungen, die in einem Spital durchgeführt werden. Die Leistungen müssen von Ärzten oder Chiropraktoren oder auf deren Anordnung hin bzw. in deren Auftrag durch eine andere Person erbracht werden (Art. 25 Abs. 2 lit. a KVG; vgl. zu den zugelassenen Leistungserbringern auch Art. 35 Abs. 2 KVG). Die KV leistet zudem einen Beitrag an die Pflegeleistungen, welche aufgrund einer ärztlichen Anordnung und eines ausgewiesenen Pflegebedarfs ambulant oder im Pflegeheim erbracht werden (Art. 25a Abs. 1 KVG i.V.m. mit Art. 33 lit. i KVV). Der Bundesrat hat die Bezeichnung der nicht von Ärzten oder von Chiropraktoren erbrachten Leistungen gemäss Art. 25 Abs. 2 und Art. 25a Abs. 1 und 2 KVG an das Eidgenössische Departement des Innern (EDI) subdelegiert (Art. 33 Abs. 1 KVG i.V.m. Art. 33 lit. b KVV). Gestützt auf diese Kompetenznormen ist in Art. 7 KLV der Leistungsbereich bei Krankenpflege zu Hause, ambulant oder im Pflegeheim näher umschrieben worden.

    2. Art. 7 KLV unterscheidet zwischen Massnahmen der Abklärung, der Beratung und der Koordination (Abs. 2 lit. a), Massnahmen der Untersuchung und Behandlung (lit. b) und Massnahmen der Grundpflege (lit. c). Die Leistungen der ambulanten Krankenpflege sind von Pflegefachpersonen gemäss Art. 49 KVV oder von Organisationen der Krankenpflege und Hilfe zu Hause gemäss Art. 51 KVV – also Spitexorganisationen – zu erbringen. Die Spitexorganisationen müssen neben einer kantonalen Zulassung einen örtlichen, zeitlichen, sachlichen und personellen Tätigkeitsbereich festgelegt haben und über die diesem Bereich entsprechende Einrichtung verfügen. Sie müssen ferner über die notwendigen Fachpersonen verfügen, welche eine dem Tätigkeitsbereich entsprechende Ausbildung haben (Art. 51 lit. a-e KVV). Während die Pflegefachpersonen u.a. ein anerkanntes Diplom vorweisen können

      müssen (vgl. Art. 49 Abs. 1 lit. a KVV), wird dies vom Pflegepersonal von Spitexorganisationen nicht verlangt. Insbesondere dürfen Spitexorganisationen für die Grundpflege auch Personen ohne Pflegefachausbildung einsetzen (vgl. zum Ganzen auch GEBHARD EUGSTER, Krankenversicherung, in: Schweizerisches Bundesverwaltungsrecht, Bd. XIV, Soziale Sicherheit, 3. Aufl. Basel 2016, N 771 f. mit Verweis u.a. auf das Urteil des Eidgenössischen Versicherungsgerichts [EVG; seit 1. Januar 2007 sozialrechtliche Abteilungen des Bundesgerichts] vom 21. Juni 2006, K 156/04). Die KV übernimmt für die von Pflegefachpersonen und von Spitexorganisationen erbrachten Leistungen nach Art. 7 Abs. 2 jeweils einen pauschalen Stundenbeitrag (Art. 7a Abs. 1 und 2 KLV).

    3. Neben der KV sieht auch die IV verschiedene medizinische Leistungen vor. Gemäss Art. 13 IVG haben versicherte Personen bis zum vollendeten 20. Altersjahr Anspruch auf die zur Behandlung von Geburtsgebrechen (Art. 3 Abs. 2 ATSG) notwendigen medizinische Massnahmen. Die von der IV anerkannten Geburtsgebrechen sind im Anhang der Verordnung über Geburtsgebrechen aufgelistet (Art. 1 Abs. 2 Satz 1 GgV). Der Leistungsanspruch beschränkt sich dabei gemäss Art. 2 Abs. 3 GgV auf diejenigen Vorkehren, die nach der bewährten Erkenntnis der medizinischen Wissenschaft angezeigt sind und die den therapeutischen Erfolg in einer einfachen und zweckmässigen Weise anstreben. Damit gelten dieselben Grundsätze wie in der Krankenpflegeversicherung gemäss KVG (vgl. Art. 32 Abs. 1 KVG; vgl. auch Rz. 6 des Kreisschreibens über die medizinischen Eingliederungsmassnahmen der Invalidenversicherung, KSME). Die Wirksamkeit, die Zweckmässigkeit und die Wirtschaftlichkeit (sog. WZW-Kriterien) der medizinischen Massnahme sind dabei im Rahmen des konkreten Einzelfalles zu prüfen. Die bei Geburtsgebrechen notwendigen

      medizinischen Massnahmen nach Art. 13 Abs. 1 IVG umfassen insb. die von einem Arzt oder auf seine Anordnung hin durch medizinische Hilfspersonen in der Haus- oder Anstaltspflege vorgenommenen Behandlungen (Art. 14 Abs. 1 IVG). Neben den medizinischen Massnahmen nach Art. 13 f. IVG sieht die IV die Hilflosenentschädigung (Art. 42 IVG) vor, welche bei Minderjährigen, die zusätzlich eine intensive Betreuung benötigen, um einen Intensivpflegezuschlag erhöht wird. Beim Intensivpflegezuschlag ist der Mehrbedarf an Behandlungs- und Grundpflege im Vergleich zu nicht behinderten Minderjährigen gleichen Alters als Betreuung anrechenbar (Art. 42ter Abs. 3 IVG).

    4. Die von der IV vorgesehenen Leistungsarten unterscheiden sich im Wesentlichen dadurch, dass als medizinische Massnahmen nach Art. 13 f. IVG nur Leistungen in Betracht fallen, die eine medizinische Qualität aufweisen und zwingend von medizinisch ausgebildeten Fachpersonen erbracht werden müssen (sog. medizinische Pflegemassnahmen; vgl. Art. 14 Abs. 1 lit. a i.V.m. Art 39 Abs. 2 Satz 2 IVV). Dagegen setzt die in den Anwendungsbereich der Hilflosenentschädigung fallende Grundpflege, also die sog. nicht medizinischen Pflege- und Betreuungsmassnahmen, keine medizinische Berufsqualifikation voraus und kann demnach auch von Personen ohne medizinische Fachkenntnisse erbracht werden (vgl. auch das IV-Rundschreiben Nr. 362 vom 23. März 2017 mit Verweis auf BGE 136 V 209 E. 7, E. 10). Mit anderen Worten werden die von der IV zu übernehmenden Leistungsarten zweigeteilt: Einerseits in medizinische Pflegemassnahmen, welche in Art. 13 f. IVG geregelt sind, und andererseits in nicht medizinische Pflegemassnahmen (Grundpflege), welche (nach der Intention des Gesetzgebers) über die Hilflosenentschädigung bzw. den Intensivpflegezuschlag nach Art. 42 ff. IVG abgedeckt sind (siehe zur konkreten Ausgestaltung nachstehende E. 3.3).

3.

    1. Da nach dem Gesagten sowohl die IV als auch die KV medizinische Pflegemassnahmen einerseits und nicht medizinische Grundpflegemassnahmen andererseits und damit gleichartige Pflegeleistungen vorsehen, stellt sich die Frage nach der Koordination der jeweiligen Leistungsarten.

    2. Bei den medizinischen (Pflege-)Massnahmen nach Art. 13 f. IVG ergibt sich das koordinationsrechtliche Verhältnis der IV- und KV-Leistungen bereits aus den Materialien zum IVG. Diesen ist zu entnehmen, dass der historische Gesetzgeber mit der Bestimmung des Art. 13 IVG bei Geburtsgebrechen weitergehende Massnahmen hat gewähren wollen, da solche Leistungen damals begrifflich weder von der Krankenversicherung noch von der Unfallversicherung (bzw. vom damals geltenden KUVG) erfasst wurden. Der Gesetzgeber hat insbesondere festgehalten, dass geburtsgebrechliche Personen im Hinblick auf ihre besondere Lage Anspruch auf alle zur Behandlung des Geburtsgebrechen notwendigen medizinischen Massnahmen hätten (BBl 1958 II 1178 f.). Der Gesetzgeber hat somit beabsichtigt, dass bei einem

      Geburtsgebrechen sämtliche medizinischen Leistungen – im Sinne einer der Krankenpflegeversicherung entsprechenden, umfassenden Versicherungslösung – von der IV übernommen werden sollen. Dies hat er in Art. 13 IVG kodifiziert. Mit der Revision der Krankenversicherung ist diese Ausschliesslichkeit nochmals verdeutlicht worden, indem festgehalten worden ist, dass die (seit 1994 obligatorische) Krankenpflegeversicherung die Kosten der erforderlichen Leistungen bei Geburtsgebrechen nur in zwei Fällen übernehme, nämlich wenn das Geburtsgebrechen aus der abschliessenden Liste im Anhang zur GgV gestrichen worden oder wenn die versicherte Person über 20 Jahre alt sei. In beiden Fällen ist das Geburtsgebrechen nicht (mehr) von der IV gedeckt (vgl. BBl 1992 I 154 f., 264). Diese gesetzliche Ordnung hat mangels grundlegender Änderungen bis heute Gültigkeit (vgl. Art. 27 KVG; vgl. auch das Urteil des Bundesgerichtes vom 10. Juni 2011, 9C_886/2010, E. 4, insb. E. 4.5; sowie BGE 136 V 209 E. 10). Zusammenfassend ist es Sinn und Zweck von Art. 13 IVG, eine inhaltlich derjenigen des KVG entsprechende, umfassende Krankenpflegeversicherung für von der IV anerkannte Geburtsgebrechen zur Verfügung zu stellen. Damit sind gestützt auf Art. 13 f. IVG sämtliche medizinischen Pflegemassnahmen, die zur Behandlung eines Geburtsgebrechens und dessen Folgen notwendig sind, ausschliesslich von der IV zu übernehmen. Mit anderen Worten liegt eine koordinationsrechtliche Exklusivität vor; für eine (subsidiäre) Leistungspflicht der Krankenversicherung bleibt bei den medizinischen Pflegemassnahmen nach Art. 13 f. IVG kein Raum (Art. 64 ATSG; vgl. auch U. KIESER, ATSG-Kommentar, 3. Aufl. 2015, N 19 zu Art. 64).

    3. Anders verhält es sich bei den nicht medizinischen Pflege- und Betreuungsmassnahmen, also bei denjenigen Massnahmen, die auch von Personen ohne medizinische Fachkenntnisse erbracht werden können (vgl. vorstehende E. 2.4). Im Unterschied zu den medizinischen Pflegemassnahmen nach Art. 13 f. IVG, bei welchen der effektive Pflegeaufwand vergütet wird und die Kostenübernahme somit dem in Anspruch genommenen Bedarf an medizinischen Massnahmen entspricht, werden die nicht medizinischen Grundpflegemassnahmen über die Hilflosenentschädigung pauschal von der IV entschädigt. Minderjährige, die zusätzlich einen Betreuungsaufwand von mindestens vier Stunden pro Tag benötigen, haben zudem Anspruch auf einen pauschalen Intensivpflegezuschlag. Sowohl die Hilflosenentschädigung als auch der Intensivpflegezuschlag ist in drei Stufen

pauschaliert und berechnet sich nach Tagesansätzen (vgl. Art. 42ter Abs. 1 und 3 IVG). In koordinationsrechtlicher Hinsicht besteht anders als bei der eigentlichen Heilbehandlung (vgl. Art. 64 Abs. 2 ATSG; vgl. auch KIESER, a.a.O., N 8 ff. zu Art. 64 ATSG) hinsichtlich der nicht medizinischen Grundpflege keine gesetzliche Regelung. Allerdings hat der Verordnungsgeber in Art. 110 KVV vorgesehen, dass bei gleichartigen Leistungen von KV und IV jene der IV vorgehen (vgl. zum Ganzen EUGSTER, a.a.O., N 380). Wenn somit die von der IV geleistete Pauschale (Hilflosenentschädigung und Intensivpflegezuschlag) nicht ausreicht, um die Kosten des ausgewiesenen nicht medizinischen Grundpflegebedarfs vollständig zu decken, hat die KV die darüber hinaus erforderlichen Grundpflegeleistungen gemäss Art. 7 Abs. 2 lit. c KLV zu übernehmen. Es ist somit Sache der KV, eine allfällige Überentschädigung zu vermeiden, zumal die Hilflosenentschädigung von einer Kürzung generell ausgeschlossen ist (Art. 69 Abs. 3 ATSG).

4.

    1. Wie eingangs dargelegt (vgl. E. 1), ist im vorliegenden Fall streitig, in welchem Umfang die Beschwerdegegnerin als obligatorischer Krankenpflegeversicherer Kinderspitex-Leistungen zu vergüten hat. Dabei erweist sich bereits die Ermittlung des Umfangs der von der IV zu übernehmenden medizinischen Pflegemassnahmen im Einzelfall regelmässig als komplex, denn erfahrungsgemäss erbringt die Spitex während ihrer Einsätze nicht nur medizinische Pflegemassnahmen, sondern eben auch nicht medizinische Pflege- und Betreuungsmassnahmen. Dies dürfte auch in der vorliegend zu beurteilenden Angelegenheit der Fall sein. Aufgrund der notwendigen Abgrenzung zwischen den medizinischen Pflegemassnahmen und den nicht medizinischen Grundpflege- und Betreuungsleistungen besteht für die IV ein komplexer Abklärungsbedarf. Dabei müssen die IV-Stellen nicht nur ermitteln, welche medizinischen Pflegeleistungen effektiv erbracht werden, sondern auch, in welchem Umfang diese notwendig sind. Ein Abstellen auf Erfahrungstatsachen genügt dabei nicht. Eine Verfügung über die Kostenvergütung für die von der IV zu übernehmenden medizinischen Pflegemassnahmen muss sich folglich auf eine umfassende Abklärung bezüglich der im Einzelfall erbrachten Leistungen und der medizinischen Indikation dieser Leistungen stützen können. Diesbezüglich ist darauf hinzuweisen, dass die Verordnungen des Schweizerischen Kinderspitexvereins keine ausreichende

      Sachverhaltsgrundlage bilden, weil eine Spitex als privatrechtlicher Verein nach Art. 60 ff. ZGB nicht im selben Mass zur Unabhängigkeit und Objektivität verpflichtet ist wie die IV-Stellen als öffentlich-rechtliche Anstalten. Darüber hinaus basieren die Angaben in den Kinderspitex-Verordnungen überwiegend auf dem Bedarf, der aus therapeutischer Sicht für eine optimale Pflege notwendig ist. Aus sozialversicherungsrechtlicher Sicht besteht jedoch nur ein Anspruch auf eine einfache und zweckmässige Behandlung (vgl. E. 2.3), d.h. für die IV (und zwangsläufig für die KV) ist nur jener Bedarf massgebend, der für die zumutbare Behandlung erforderlich ist. Dementsprechend vermögen die Spitex-Verordnungen für sich allein den massgebenden Sachverhalt nicht mit dem erforderlichen Beweisgrad der überwiegenden Wahrscheinlichkeit zu belegen. Auch eine von einem Arzt des Regionalen Ärztlichen Dienstes (RAD) korrigierte Fassung einer Spitex-Verordnung kann in der Regel keine ausreichende Beweisgrundlage bilden, denn bei der Einschätzung des RAD-Arztes handelt es sich in der Regel lediglich um eine Aktenbeurteilung ohne die zwingend notwendige, aus einer eigenen Untersuchung resultierende Sachverhaltskenntnis. Auch eine solche Einschätzung bildet also noch keine genügende Grundlage einer Kostenvergütung. Erst wenn der von der IV zu erbringende Leistungsumfang gestützt auf eine umfassende Sachverhaltsabklärung (eigene Untersuchung und spezifizierte Abklärung an Ort und Stelle) rechtskräftig verfügt worden ist, kann die Frage nach den von der KV zu erbringenden Leistungen beantwortet werden.

    2. Im vorliegenden Fall hat die IV-Stelle das Bestehen von leistungsbegründenden Geburtsgebrechen verbindlich festgestellt (E. 1.2, IV-act. 16 f., 110, 124). Dies bedeutet nach dem vorstehend Dargelegten, dass sämtliche zur Behandlung dieser Geburtsgebrechen notwendigen medizinischen Pflegeleistungen nach Art. 13 f. IVG ausschliesslich von der IV zu übernehmen sind und für eine Kostenübernahme durch die Beschwerdegegnerin kein Raum bleibt (vgl. E. 3.2). Eine Übernahme der Kosten der medizinischen Pflegeleistungen durch die Beschwerdegegnerin fällt somit aufgrund der koordinationsrechtlichen Exklusivität von Vornherein ausser Betracht.

    3. Im Bereich der nicht medizinischen Pflegemassnahmen hat die IV dem Beschwerdeführer eine Hilflosenentschädigung zugesprochen (E. 1.1, IV-act. 176), d.h. ein Teil der von der Kinderspitex geleisteten Grundpflegemassnahmen wird – dem

      Leistungszweck gemäss – ebenfalls von der IV übernommen. Den restlichen Teil des Grundpflegebedarfs hat die Beschwerdegegnerin zu übernehmen (allenfalls unter Abzug der von den Eltern zumutbarerweise erbrachten Leistungen). In Bezug auf diese im Vordergrund stehende koordinationsrechtliche Fragestellung im Bereich der nicht medizinischen Grundpflegemassnahmen hat es die Beschwerdegegnerin unterlassen, die notwendigen Abklärungen vorzunehmen. Damit erweist sich der – unbestrittenermassen komplexe – Sachverhalt als ungenügend abgeklärt. Die Abgrenzung ihrer eigenen Leistungspflicht von derjenigen der IV-Stelle ist durch die Beschwerdegegnerin vorzunehmen. Es kann nicht die Aufgabe des Versicherungsgerichtes sein, diesbezügliche Abklärungen anstelle der Beschwerdegegnerin durchzuführen. Der angefochtene Einspracheentscheid stützt sich somit auf eine ungenügende Sachverhaltsgrundlage und ist entsprechend in Verletzung des Untersuchungsgrundsatzes ergangen. Die Sache ist deshalb zur Vornahme der notwendigen Abklärungen und zur anschliessenden neuen Verfügung an die Beschwerdegegnerin zurückzuweisen. Dabei wird die Beschwerdegegnerin zur Ermittlung der von ihr zu übernehmenden Leistungen in einem ersten Schritt in Erfahrung zu bringen haben, wie hoch der ausgewiesene Grundpflegebedarf des Beschwerdeführers effektiv ist. Diesbezüglich böte sich beispielsweise die Durchführung eines Augenscheins unter Beizug einer unabhängigen Pflegefachperson an. In einem zweiten Schritt wird sie zu prüfen haben, in welchem Umfang die Kinderspitex effektiv Grundpflegeleistungen erbracht hat und welchen Anteil die IV im Rahmen der Hilflosenentschädigung (umgerechnet in eine pauschale Stundenleistung) übernommen bzw. zu übernehmen hat. Lediglich für den noch nicht über die IV- Leistungen abgedeckten Anteil an Grundpflegeleistungen besteht (unter Beachtung der Überentschädigungsgrenze, vgl. E. 3.3) ein Anspruch des Beschwerdeführers auf Kostenübernahme durch die Beschwerdegegnerin.

    4. Der Vollständigkeit halber ist anzumerken, dass der Leistungsanspruch des Beschwerdeführers durch die zu klärende, koordinationsrechtliche Frage der Leistungspflicht nicht tangiert wird, eine reformatio in peius damit ausser Betracht fällt.

5.

    1. Die Beschwerde ist dahingehend gutzuheissen, dass der angefochtene Einspracheentscheid vom 21. Juni 2017 aufgehoben und die Sache zur Durchführung weiterer Abklärungen und zur anschliessenden neuen Verfügung im Sinne der Erwägungen an die Beschwerdegegnerin zurückgewiesen wird. Der nicht durch einen im kantonalen Anwaltsregister eingetragenen Rechtsvertreter vertretene Beschwerdeführer hat keinen Anspruch auf eine Parteientschädigung.

    2. Gerichtskosten sind keine zu erheben (Art. 61 lit. a ATSG).

Entscheid

im Zirkulationsverfahren gemäss Art. 39 VRP

1.

Die Beschwerde wird dahingehend gutgeheissen, dass der angefochtene Einspracheentscheid vom 21. Juni 2017 aufgehoben und die Sache zur Durchführung weiterer Abklärungen und zur Anschliessenden neuen Verfügung im Sinne der Erwägungen an die Beschwerdegegnerin zurückgewiesen wird.

2.

Es werden keine Gerichtskosten erhoben.

Quelle: https://www.sg.ch/recht/gerichte/rechtsprechung.html
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