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Urteil Versicherungsgericht (SG)

Kopfdaten
Kanton:SG
Fallnummer:KV 2017/6
Instanz:Versicherungsgericht
Abteilung:KV - Krankenversicherung
Versicherungsgericht Entscheid KV 2017/6 vom 08.10.2018 (SG)
Datum:08.10.2018
Rechtskraft:
Leitsatz/Stichwort:Entscheid Art. 3 Abs. 1 KVG, Art. 5 Abs. 3 KVG; Art. 25 Abs. 3 ATSG. Anspruch auf Prämienrückerstattung infolge Wohnsitzverlegung ins Ausland (Entscheid des Versicherungsgerichts des Kantons St. Gallen vom 8. Oktober 2018, KV 2017/6).
Schlagwörter: Beschwerde; Beschwerdeführer; Prämien; Wohnsitz; Versicherung; Beschwerdegegnerin; Schweiz; KV-act; SWICA; Bezahlt; Krankenversicherung; Leistung; Rückerstattung; Person; Beschwerdeführers; Beiträge; Prämienrückerstattung; Meldepflicht; KIESER; Versichern; Beschwerdeantwort; Absicht; Versicherer; Verfügung; Rückforderung; Kopie; Versicherungspflicht
Rechtsnorm: Art. 1 KVG ; Art. 23 ZGB ; Art. 25 ATSG ; Art. 26 ATSG ; Art. 3 KVG ; Art. 31 ATSG ; Art. 5 KVG ;
Referenz BGE:119 V 299; 127 V 237; 129 V 77; 140 IV 11;
Kommentar zugewiesen:
Spühler, Basler Kommentar zur ZPO, Art. 321 ZPO ; Art. 311 ZPO, 2017
Weitere Kommentare:Gebhard Eugster;
Entscheid
Entscheid vom 8. Oktober 2018

Besetzung

Versicherungsrichterin Miriam Lendfers (Vorsitz), Versicherungsrichterin Christiane Gallati Schneider und Versicherungsrichter Joachim Huber; a.o. Gerichtsschreiberin Nina Ermanni

Geschäftsnr. KV 2017/6

Parteien

  1. ,

    Beschwerdeführer, vertreten durch B. , gegen

    SWICA Krankenversicherung AG, Rechtsdienst, Römerstrasse 38, 8401 Winterthur,

    Beschwerdegegnerin, Gegenstand Prämienrückerstattung Sachverhalt

    A.

    1. Mit Schreiben vom 28. Oktober 2016 kündigte die Tochter von A. die Krankengrundversicherung ihres Vaters bei der SWICA Krankenversicherung AG (nachfolgend: SWICA) auf den nächstmöglichen Termin und beantragte gleichzeitig die Rückerstattung der Prämien (KV-act. 2).

    2. Die SWICA ihrerseits bestätigte mittels Schreiben vom 5. Dezember 2016 den Austritt des Beschwerdeführers aus der Krankenversicherung per 31. Dezember 2015 (KV-act. 3).

    3. Mit Schreiben vom 18. Dezember 2016 wendete sich A. persönlich an die SWICA und verlangte eine Rückerstattung der Prämien der letzten fünf Jahre (KV-act. 4).

    4. Mit Schreiben vom 4. Januar 2017 teilte die SWICA ihm mit, dass das Versicherungsverhältnis per 31. Dezember 2015 beendet werde und dass die Prämienrückerstattung von einem Jahr per 21. Dezember 2016 auf das gewünschte Konto überwiesen worden sei (KV-act. 5).

    5. Mit Schreiben vom 27. März 2017 hielt A. an seiner Forderung einer Prämienrückerstattung der letzten fünf Jahre fest und verlangte im Falle einer Weigerung der SWICA den Erlass einer Verfügung (KV-act. 6).

    6. Mit Verfügung vom 5. April 2017 wurde A. mitgeteilt, dass die

      Krankenversicherung per 31. Dezember 2015 aufgehoben werde, dass die Prämien (für

      das Jahr 2016) zurückerstattet würden und dass eine weitere Prämienrückerstattung entfalle (vgl. KV-act. 8-4). Zur Begründung wurde ausgeführt, dass er sowohl aufgrund der allgemeinen Versicherungsbedingungen als auch von Gesetzes wegen (vgl. Richtlinien Rz. 17) dazu verpflichtet sei, der SWICA jede wesentliche Änderung, welche für eine Leistungsrückerstattung massgebend sei, zu melden. Es handle sich diesbezüglich um eine Konkretisierung von Treu und Glauben (vgl. KV-act. 8-2). Die SWICA habe erst durch das Schreiben der Tochter vom 28. Oktober 2016 erfahren, dass er seinen Wohnsitz ins Ausland verlegt habe (vgl. Ziff. 1 von KV-act. 8). Somit habe er seine Meldepflicht verletzt. Massgebend für eine Beendigung der Versicherungspflicht sei im Übrigen, dass der bisherige Wohnsitz endgültig aufgegeben worden sei, dies müsse sich in objektiv wahrnehmbaren Umständen äussern, eine Abreise aus der Schweiz gelte nicht automatisch als Aufhebung der Versicherungsdeckung. Eine Abmeldung am bisherigen Wohnort sei lediglich ein Indiz, vermöge jedoch nicht einen neuen Wohnsitz zu begründen. Vorliegend sei aufgrund der Indizien, dass sämtliche Korrespondenz auf den Namen A. lautend an die Adresse C. in D. entgegengenommen worden sei, dass die Prämien jeweils freiwillig bezahlt worden seien, dass er im Telefonbuch unter der Schweizer Adresse aufgeführt sei und dass im Jahre 2005 die Franchise erhöht worden sei, davon auszugehen, dass keine Aufgabe des Wohnsitzes per 2001 stattgefunden habe. Des Weiteren befänden sich sowohl seine Frau als auch die gemeinsamen Kinder und somit auch sein Lebensmittelpunkt noch in der Schweiz. Infolgedessen sei davon auszugehen, dass sich seine Absicht, den Wohnsitz zu verlegen, erst im Nachhinein manifestiert habe. Hätte sich die Absicht zum Wohnsitzwechsel bereits früher manifestiert, so hätte er bei Beachtung der zumutbaren Sorgfalt die behauptete ungerechtfertigte Prämienzahlung ohne weiteres selbst erkennen können. Die SWICA hätte ihrerseits jedoch keine Möglichkeit gehabt den angeblichen Wohnsitzwechsel festzustellen. Dementsprechend sei die Annullation der Versicherung per 31. Dezember 2015 korrekt. Auch wenn von einem nichtigen bzw. nachträglich aufzulösenden Vertrag ausgegangen würde, würden keine Prämien zurückerstattet. Dies deshalb, weil es sich bei einem Krankenversicherungsvertrag um ein Dauerschuldverhältnis handle. Vorliegend sei der Versicherungsvertrag zwischen den Parteien bis zu dessen Auflösung als faktisches Vertragsverhältnis abgewickelt worden. A. sei zu jedem Zeitpunkt für allfällige Behandlungskosten abgesichert gewesen, daher bestehe kein

      Anspruch auf Prämienrückerstattung. Die allfällige Nichtigkeit des Vertrages würde lediglich ex nunc wirken.

    7. Mit Schreiben vom 21. April 2017 erhob A. gegen die Verfügung vom 5. April 2017 Einsprache bei der SWICA. Er machte geltend, dass es sich um die Bezahlung einer Nichtschuld handle, da mit dem Wegzug ins Ausland sowohl die Prämienzahlungspflicht als auch die Leistungspflicht erloschen seien. Diesbezüglich bedürfe es keiner weiteren Formalitäten. Eine Person, die nicht in der Schweiz ihren Wohnsitz habe, könne sich nicht versichern lassen. Folglich habe nie ein Vertrag zwischen SWICA und ihm entstehen bzw. fortgesetzt werden können und die Prämien seien zu Unrecht eingezogen worden. Des Weiteren befände sich sein Lebensmittelpunkt nicht in der Schweiz (vgl. zum Ganzen KV-act. 9).

    8. Mit Entscheid vom 9. Mai 2017 wurde die Einsprache von A. abgewiesen (act.

G 1.1). B.

    1. Am 29. Mai 2017 reichte A. (nachfolgend: Beschwerdeführer) eine Beschwerde gegen den Einspracheentscheid ein. Er macht dieselben Gründe geltend wie in seiner Einsprache vom 21. April 2017 gegen die Verfügung vom 5. April 2017 (vgl. act. G 1

      und KV-act. 9).

    2. Am 15. Juni 2017 reichte die SWICA (nachfolgend: Beschwerdegegnerin) ihre

      Beschwerdeantwort mit folgendem Rechtsbegehren ein:

      „Es sei die Beschwerde vollumfänglich abzuweisen; unter Kosten- und

      Entschädigungsfolgen zulasten des Beschwerdeführers.

      Eventualliter seien die Prämien seit September 2015 zurückzuerstatten; unter Kosten- und Entschädigungsfolgen zulasten des Beschwerdeführers.“

      Zur Begründung wurde im Wesentlichen dasselbe ausgeführt wie in der Verfügung vom

      5. April 2017. Ergänzend wurde festgehalten, dass es sich bei der KVG- Grundversicherung um keine automatisch in Kraft tretende Versicherung im Sinne einer

      Zwangsmitgliedschaft handle, sondern um einen zweiseitigen Vertrag, welcher einen Antrag und ein Akzept voraussetze. Die sich daraus ergebenden beidseitigen Rechte und Verpflichtungen, namentlich sowohl die Zustellung der Police an die bekannte Adresse und die pünktliche Bezahlung der Prämien als auch der damit einhergehende Schutz seitens der Beschwerdegegnerin gegen die Risiken Krankheit und Unfall, seien bis zur Kündigung der Versicherung stets erfüllt worden (vgl. Ziff. 4, S. 3 von act. G 3). Infolgedessen sei der Beschwerdeführer beim Versichertenbestand aufgeführt gewesen und beim Risikoausgleich mitberücksichtigt worden (vgl. Ziff. 5, S. 4 von act. G 3). Die Beschwerdegegnerin habe somit aufgrund der Prämien Deckung gewährt, daher seien gemäss Art. 25 Abs. 3 ATSG nicht zu viel Prämien bezahlt worden, weshalb diese Bestimmung nicht als Grundlage für eine Rückforderung herangezogen werden könne. Im Übrigen fehle es auch an einer ungerechtfertigten Bereicherung, da die Beschwerdegegnerin stets die Deckung gewährt habe (vgl. Ziff. 7, S. 4 f. von act. G 3).

    3. Am 30. Juli 2017 reichte der Beschwerdeführer seine Replik ein und hielt an seinen

      Anträgen fest (act. G 5).

    4. Mit Schreiben vom 14. August 2017 teilte die Beschwerdegegnerin mit, dass sie

      auf eine Duplik verzichte (act. G 7).

    5. Mit Schreiben vom 4. September 2018 informierte das Versicherungsgericht St.Gallen die Parteien über die Zusammensetzung des Gerichts und spezielle Sachverhaltskenntnisse eines Richters (act. G 9).

Erwägungen

1.

Art. 3 Abs. 1 des Bundesgesetzes über die Krankenversicherung (KVG; SR 832.10) statuiert, dass sich jede Person mit Wohnsitz in der Schweiz innert drei Monaten nach der Wohnsitznahme oder der Geburt in der Schweiz für Krankenpflege versichern oder von ihrem gesetzlichen Vertreter bzw. ihrer gesetzlichen Vertreterin versichern lassen muss. Es handelt sich hierbei um ein allgemeines Versicherungsobligatorium für die gesamte schweizerische Wohnbevölkerung (GEBHARD EUGSTER, in: Meyer (Hrsg.),

Schweizerisches Bundesverwaltungsrecht, Band XIV, Soziale Sicherheit, 3. Aufl., Basel 2016, N 29).

2.

    1. Zentraler Anknüpfungspunkt für die Entstehung der Versicherungspflicht gemäss Art. 3 Abs. 1 KVG ist der Wohnsitz in der Schweiz. Der Begriff des Wohnsitzes richtet sich hierbei nach den privatrechtlichen Regelungen von Art. 23 – 26 des Schweizerischen Zivilgesetzbuches (ZGB; SR 210) (Art. 1 Abs. 1 KVV; BGE 129 V 77 E.

      4.2).

    2. Der zivilrechtliche Wohnsitz einer Person befindet sich an jenem Ort, an welchem sie sich mit der Absicht dauernden Verbleibens aufhält (Art. 23 Abs. 1 ZGB) und welchen sie sich zum Mittelpunkt ihrer Lebensbeziehungen gemacht hat (BGE 127 V 237 E. 1; 125 III 100 E. 3). Die Begründung des Wohnsitzes beinhaltet zwei Voraussetzungen: den objektiv physischen Aufenthalt und die subjektive Absicht dauernden Verbleibens (DANIEL STAEHELIN, in: Honsell/Vogt/Geiser (Hrsg.), BaKomm. ZGB I, 5. Aufl., Basel 2014, N 5 zu Art. 23 ZGB). Aufgrund dessen, dass der Wohnsitz nicht nur für die betroffene Person, sondern auch für Drittpersonen und das Gemeinwesen von Bedeutung ist, ist die innere Absicht des dauernden Verbleibens nur insofern von Bedeutung, als sie nach aussen erkennbar geworden ist (EUGEN BUCHER, in: Meier- Hayoz (Hrsg.), Berner Komm. ZGB Band I, Bern 1976, N 8 ff. zu Art. 23 ZGB). Gemäss Rechtsprechung ist somit entscheidend, auf welche Absicht die erkennbaren Umstände objektiv schliessen lassen (BGE 127 V 237 E. 1; 125 V 76 E. 2a).

      1. Strittig ist vorliegend, ob sich der Wohnsitz des Beschwerdeführers zwischen 2001 und Ende 2015 in der Schweiz oder im Ausland, namentlich in E. , befand. Relevant ist dabei aufgrund der Regelung des Art. 25 Abs. 3 des Bundesgesetzes über den Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts (ATSG; SR 830.1) der Zeitraum ab 2011. Der Beschwerdeführer führt in seiner Beschwerde vom 29. Mai 2017 aus, dass er bereits im Jahre 2001 das Einwohneramt von D. darüber informiert habe, dass er die Schweiz definitiv verlasse und nach E. ausreise. Infolgedessen habe er den Heimatschein in seiner Bürgerortsgemeinde F. hinterlegt. Seine Aufenthaltspapiere

        würden sich seither in der schweizerischen Botschaft in G. befinden (vgl. Ziff. 1, S. 1 der Beschwerde und act. G 1.3). Die Beschwerdegegnerin macht geltend, dass der Beschwerdeführer für sie als Versicherung immer unter der schweizerischen Adresse erreichbar gewesen sei und dass er ihr nie eine Adressänderung mitgeteilt habe (Ziff. 3,

        S. 3 der Beschwerdeantwort). Von einer Wohnsitzverlegung habe sie erst durch das Schreiben vom 28. Oktober 2016 und die Zusendung der Abmeldebestätigung erfahren (vgl. Ziff. 1, S. 3 der Beschwerdeantwort). Für einen Wohnsitz in der Schweiz spreche zudem, dass die an die Schweizer Adresse zugestellten Prämienrechnungen freiwillig bezahlt worden seien, dass der Beschwerdeführer im Telefonbuch nach wie vor unter jener Adresse zu finden sei, dass im Jahre 2005 die Franchise erhöht worden sei und dass sich seine Frau und Kinder in der Schweiz befänden (vgl. act. G 3.8-3).

      2. Gemäss Abmeldebestätigung der Gemeinde D. ist der Beschwerdeführer per 29. Juni 2001 nach H. in E. , gezogen (vgl. Kopie 1 act. G 1.3). Dies wurde der Beschwerdegegnerin bei ihren eigenen Erkundungen von der Gemeinde D. am

        9. November 2016 bestätigt (Ziff. 2 S. 3 KV-act. 10). In E. verfügt der Beschwerdeführer über einen Führerausweis, welcher im Jahre 2003 ausgestellt worden ist (Kopie 3 act. G 1.3), eine Fahrzeugversicherung (Kopie 5 act. G 1.3) und eine Haftpflichtversicherung (Kopie 6 act. G 1.3). Des Weiteren besitzt er seit dem 25. Juli 2003 ein Bankkonto bei einer Bank in E. . Zu seinem 75. Geburtstag erhielt er an seiner Adresse in I. zudem Geburtstagsgrüsse der Schweizerischen Botschaft in

        G. (Kopie 2 act. G 1.3). Aufgrund dieser Indizien (vgl. act. G 9) sieht es das Gericht als erwiesen an, dass sich der Beschwerdeführer bereits seit vielen Jahren mit der Absicht des dauernden Verweilens in E. aufhält und dort seinen Lebensmittelpunkt hat. Der Wohnsitz des Beschwerdeführers befindet sich folglich in E. . Bezüglich der Einwendungen der Beschwerdegegnerin ist im Übrigen zu erwähnen, dass der Umstand rechtlich noch verheiratet zu sein nicht gegen eine Wohnsitzverlegung spricht, zumal der Beschwerdeführer geltend macht getrennt zu leben (S. 3 act.-G. 1), dass die Kinder erwachsen sind und aus den Akten keine sonstigen familiären Verpflichtungen ersichtlich sind. Die Beschwerdegegnerin selbst hält es im Übrigen für wahrscheinlich, dass der Beschwerdeführer seinen Lebensmittelpunkt unterdessen in E. hat, da sie im Dispositiv der Verfügung vom 5. April 2017 entschieden hat, die Krankenversicherung per 31. Dezember 2015 aufzuheben und die bereits bezahlten Prämien für das Jahr 2016 zurückzuerstatten (vgl. KV-act. 8-4).

    3. Aufgrund des nicht vorhandenen Wohnsitzes in der Schweiz fehlt es an einer materiellrechtlichen Voraussetzung der Versicherungspflicht gemäss Art. 3 Abs. 1 KVG. Dies hat zur Folge, dass es dem Beschwerdeführer nicht möglich ist und seit der Wohnsitzverlegung auch nicht mehr möglich war, sich nach dem KVG versichern zu lassen (vgl. EUGSTER, a.a.O., N 35).

3.

    1. Der Beschwerdeführer macht geltend, dass er erst Ende September 2016 anlässlich eines Informationsseminars für Auslandschweizer in G. erfahren habe, dass die Beschwerdegegnerin ihn aufgrund seines Wohnsitzes in E. nicht versichern könne (vgl. Ziff. 2, S. 1 der Beschwerde). Infolgedessen kündigte er am 28. Oktober 2016 seine Versicherung und verlangte aufgrund von Art. 3 Abs. 1 KVG i.V.m. Art. 5 Abs. 3 KVG i.V.m. Art. 25 Abs. 3 ATSG eine Rückerstattung der Prämien von fünf Jahren (vgl. S. 2 der Beschwerde). Die Beschwerdegegnerin führte diesbezüglich aus, dass der Beschwerdeführer seine Meldepflicht verletzt habe, da er seine Wohnsitzaufgabe nicht gemeldet habe, infolgedessen könne keine Prämienrückerstattung von fünf Jahren verlangt werden. Im Übrigen sei eine solche Rückforderung rechtsmissbräuchlich, da diese Rückforderung ausschliesslich der vom Beschwerdeführer verschuldeten Meldepflichtverletzung zuzuschreiben sei (vgl. Ziff. 8

      S. 5 der Beschwerdeantwort).

    2. Art. 5 Abs. 3 KVG statuiert, dass die Versicherung endet, wenn die versicherte Person der Versicherungspflicht nicht mehr untersteht. Dies ist namentlich dann der Fall, wenn die versicherte Person ihren Wohnsitz ins Ausland verlegt (Urteil des BGer vom 21. März 2011, 9C_1056/2010, E. 3). Mit dem Eintritt des Ereignisses, welches die Versicherungspflicht beendet, erlischt die Versicherung (also sowohl die Prämienzahlungspflicht als auch die Leistungsberechtigung) ohne Kündigungsformalitäten automatisch bzw. ohne dass eine Gestaltungserklärung der Parteien notwendig wäre. Dem Versicherer ist zum Zweck des administrativen Vollzugs des Austritts ein solches Ereignis mitzuteilen (EUGSTER, a.a.O., N 136).

    3. Das KVG selbst verfügt über keine gesetzlich verankerte Meldepflicht, weshalb auf

      Art. 31 ATSG abzustellen ist (Art. 1 Abs. 1 KVG i.V.m. Art. 31 ATSG). Gemäss Art. 31

      Abs. 1 ATSG hat der Bezüger dem Versicherungsträger jede wesentliche Änderung in den für eine Leistung massgebenden Verhältnissen zu melden. Zu den Folgen einer Meldepflichtverletzung äussert sich Art. 31 ATSG nicht (UELI KIESER, ATSG- Kommentar, 3. Aufl., Zürich/Basel/Genf 2015, N 21 zu Art. 31 ATSG). Auch legt Art. 31 ATSG keine Sanktion fest, sondern verweist diesbezüglich auf die relevante einzelgesetzliche Ordnung (KIESER, a.a.O., N 40 zu Art. 31 ATSG). Das Bundesgericht hält diesbezüglich fest, dass „auch wenn die Sachverhaltsabklärung im Verfahren vor den Versicherern zentral und die Meldepflicht des Versicherten als Mitwirkungspflicht zur Ermittlung des leistungsrelevanten Sachverhalts wichtig ist, begründet sie keine besondere Rechtsstellung des Leistungsbezügers, aufgrund welcher er verpflichtet wäre, die Gefährdung oder Verletzung <…> des Vermögens des öffentlichen oder privaten Versicherers zu verhindern. Für sein Vermögen hat der Versicherer grundsätzlich selber zu sorgen. Die Verantwortung hierfür geht alleine aufgrund der Meldepflicht nicht auf den Leistungsbezüger über. Dieser hat nur dafür zu sorgen bzw. ist nur dafür verantwortlich, dass er selbst den Versicherer nicht am Vermögen schädigt, weshalb er leistungsrelevante Verbesserungen in seinen Verhältnissen melden muss.“ (BGE 140 IV 11, E. 2.4.5). Vorliegend hat der Beschwerdeführer Jahr für Jahr seine Prämien bezahlt, obwohl er nach KVG nicht versicherbar war (vgl. E. 2). Die Beschwerdegegnerin ihrerseits wurde vom Beschwerdeführer nicht an ihrem Vermögen geschädigt, da sie zwischen 2001 und 2015 keine Leistungen erbracht hat (vgl. Ziff. 2,

      S. 2 der Beschwerdeantwort). Der Argumentation der Beschwerdegegnerin, dass aufgrund der Meldepflichtverletzung (Art. 31 ATSG) über Ende 2015 bzw. allenfalls September 2015 hinaus Rückforderungsansprüche des Beschwerdeführers hinfällig seien (vgl. S. 3 KV-act. 8; Ziff. 6, S. 4 der Beschwerdeantwort), kann daher nicht gefolgt werden. Diese Argumentation kommt einer Sanktion gleich, welche einer klaren gesetzlichen Grundlage bedürfte. An einer solchen fehlt es jedoch. Des Weiteren gilt es zu beachten, dass es mit dem Gedanken der Sozialversicherung kaum vereinbar wäre, dass zu Unrecht geleistete Beiträge behalten werden (KIESER, a.a.O., N 74 zu Art. 25 ATSG mit Hinweis auf BGE 119 V 299). Im Folgenden wird daher geprüft, ob dem Beschwerdeführer ein Rückforderungsanspruch zusteht und über wie viele Jahre sich dieser gegebenenfalls erstreckt.

    4. Gemäss Art. 25 Abs. 3 ATSG können zu viel bezahlte Beiträge zurückgefordert

      werden. Der Anspruch erlischt mit dem Ablauf eines Jahres, nachdem der

      Beitragspflichtige von seinen zu hohen Zahlungen Kenntnis erhalten hat, spätestens aber fünf Jahre nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Beiträge bezahlt wurden. Es handelt sich sowohl bei der einjährigen relativen Frist als auch bei der fünfjährigen absoluten Frist von Art. 25 Abs. 3 ATSG um Verwirkungsfristen (KIESER, a.a.O., N 78 zu Art. 25 ATSG). Von Art. 25 Abs. 3 ATSG wird auch die Bezahlung von Beiträgen durch nicht versicherte Personen erfasst (KIESER, a.a.O., N 70 zu Art. 25 ATSG). Ferner findet Art. 25 Abs. 3 ATSG auch Anwendung auf Beiträge, die im formlosen Verfahren erhoben wurden (vgl. KIESER, a.a.O., N 75 zu Art. 25 ATSG).

      1. Der Beschwerdeführer führt in seiner Beschwerde vom 29. Mai 2017 aus, dass er erst Ende September 2016 erfahren habe, dass die Beschwerdegegnerin ihn aufgrund seines Wohnsitzes in E. nicht versichern könne. Daraufhin habe er den Sachverhalt abklären lassen und mit Schreiben vom 28. Oktober 2016 sei die Krankenversicherung gekündigt worden (vgl. Ziff. 2 und Ziff. 3, S. 1 der Beschwerde). Die Beschwerdegegnerin ist der Ansicht, dass sich der Beschwerdeführer vor der Wohnsitznahme in E. hätte über die sozialversicherungsrechtliche Situation informieren müssen, so dass er früher von der fehlenden Versicherungspflicht hätte wissen müssen (vgl. Ziff. 6, S. 4 der Beschwerdeantwort). Des Weiteren habe man bis zum Zeitpunkt des Kündigungsschreibens vom 28. Oktober 2016 nicht gewusst, dass sich der Beschwerdeführer in E. niedergelassen habe (vgl. Ziff. 1, S. 1 KV–act. 8). Es ist glaubhaft, dass der Beschwerdeführer erst anlässlich jenes Informationsseminars erfahren hat, dass er sich über die obligatorische schweizerische Krankenpflegeversicherung nicht versichern lassen kann. Dafür spricht, dass er sich sofort erkundigte und bereits Ende Oktober, mithin binnen eines Monats seit Kenntnisnahme der fehlerhaften Zahlungen, die Versicherung kündigte. Der Vorwurf der Beschwerdegegnerin, dass sich der Beschwerdeführer hätte informieren müssen, vermag nicht zu überzeugen, denn dies ändert nichts daran, dass von einer nicht versicherbaren Person gesetzlich nicht geschuldete Beiträge bezahlt wurden (vgl. E. 2.3; KIESER, a.a.O., N 74 zu Art. 25 ATSG). Somit ist die relative einjährige Frist mit dem Schreiben vom 28. Oktober 2016 eingehalten worden.

      2. Der Wohnsitz des Beschwerdeführers befindet sich bereits seit dem Jahr 2001 in E. (vgl. Kopie 1 act. G. 1.3). Zurückerstattet werden können aufgrund von Art. 25 Abs. 3 Satz 2 ATSG die Prämien der Jahre 2011 bis 2016 (5 Jahre "nach Ablauf des

Kalenderjahres, in dem die Beiträge bezahlt wurden", 5 Jahre vor Gesuchstellung [Oktober 2011] also auch die ganze Jahresprämie 2011). Die Beschwerdegegnerin ihrerseits hob das Versicherungsverhältnis per 31. Dezember 2015 auf (vgl. Ziff. 2, S. 1 KV-act. 8) und überwies die Prämienrückerstattung von Fr. 3‘604.00 des Jahres 2016 am 26. Dezember 2016 an den Beschwerdeführer (vgl. Ziff. 4, S. 1 KV-act. 8). Nach dem Gesagten hat der Beschwerdeführer somit noch einen Anspruch auf eine Rückerstattung der Prämien der Jahre 2011 bis 2015, die restlichen zu viel bezahlten Beiträge können aufgrund der absoluten Frist von Art. 25 Abs. 3 Satz 2 ATSG nicht mehr zurückgefordert werden.

3.5 Dementsprechend hat der Beschwerdeführer gegenüber der Beschwerdegegnerin gestützt auf Art. 3 Abs. 1 i.V.m. Art. 5 Abs. 3 KVG i.V.m. Art. 25 Abs. 3 ATSG Anspruch auf eine Rückerstattung der Prämien der Jahre 2011 bis 2015.

4.

    1. Art. 26 Abs. 1 ATSG statuiert, dass für fällige Beitragsrückerstattungsansprüche Vergütungszinsen zu leisten sind. Voraussetzung der Zinspflicht bei Rückerstattungen ist die Fälligkeit. Fälligkeit ist gegeben, wenn der Gläubiger die Leistung verlangen und einklagen darf. Bei zurückzuerstattenden Beträgen bedeutet dies, dass ein Rechtsgrund für die Beitragserhebung nicht bestanden hat bzw. zu einem bestimmten Zeitpunkt dahingefallen ist. Der Gläubiger darf eine von ihm erbrachte Leistung bei Fehlen eines Rechtsgrunds sofort bzw. bei einem nachträglichen Wegfall des Rechtsgrundes ab diesem Zeitpunkt zurückfordern. Die Vergütungszinspflicht entsteht somit grundsätzlich im Zeitpunkt der so zu bestimmenden Fälligkeit (KIESER, a.a.O., N 32 - 34 zu Art. 26 ATSG). Vorliegend bedeutet dies grundsätzlich, dass der Beschwerdeführer für die gesamte Prämienrückerstattung der Jahre 2011 bis 2015 einen Vergütungszins zu Gute hat, da der Rechtsgrund für die Krankenversicherung (Wohnsitz in der Schweiz) bereits seit dem Jahre 2001 nicht mehr bestanden hat (vgl. E. 2).

    2. Es gilt jedoch zu beachten, dass gemäss Art. 90a Abs. 1 der Verordnung über die Krankenversicherung (KVV; SR 832.102) Vergütungszinsen nach Art. 26 Abs. 1 ATSG nur ausgerichtet werden, sofern die Forderung Fr. 3‘000.00 übersteigt und vom

Versicherer nicht innert sechs Monaten beglichen wird. Es erscheint gerechtfertigt den Beginn dieser sechs Monatsfrist auf das rechtskräftige Feststehen des Rückforderungsanspruchs zu beziehen. Folglich ist noch kein Anspruch des Beschwerdeführers auf Vergütungszinsen entstanden.

5.

Im Sinne der vorstehenden Erwägungen ist die Beschwerde gegen den Einspracheentscheid vom 9. Mai 2017 gutzuheissen und die Sache an die Beschwerdegegnerin zurückzuweisen zur Berechnung und Ausrichtung der Rückerstattung. Gerichtskosten sind keine zu erheben. Eine Parteientschädigung fällt ausser Betracht, nachdem der Beschwerdeführer nicht anwaltlich vertreten ist.

Entscheid

im Zirkulationsverfahren gemäss Art. 39 VRP

1.

In Gutheissung der Beschwerde wird der Einspracheentscheid vom 9. Mai 2017 aufgehoben und die Sache im Sinne der Erwägungen zur Berechnung und Rückerstattung der Prämien der Jahre 2011 bis 2015 an die Beschwerdegegnerin zurückgewiesen.

2.

Es werden keine Gerichtskosten erhoben.

Quelle: https://www.sg.ch/recht/gerichte/rechtsprechung.html
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