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Urteil Verwaltungsrekurskommission (SG - IV-2017/182)

Zusammenfassung des Urteils IV-2017/182: Verwaltungsrekurskommission

Der Rekurrent A. hatte seinen Führerschein vorläufig entzogen bekommen, nachdem er bei einer Polizeikontrolle unter dem Einfluss von Medikamenten gefahren war. Er erhob Rekurs gegen die Anordnung einer verkehrsmedizinischen Untersuchung, da er keine Fahrunfähigkeit sah. Die Vorinstanz ordnete die Untersuchung jedoch an, da Zweifel an seiner Fahreignung bestanden. Der Rekurrent argumentierte, dass die eingenommenen Medikamente keine Auswirkungen auf seine Fahrfähigkeit hätten. Trotz ärztlicher Bestätigungen ordnete die Vorinstanz die Untersuchung an, da Zweifel weiterhin bestanden. Der Rekurs wurde abgewiesen, wobei die Kosten des Verfahrens zwischen dem Staat und dem Rekurrenten geteilt wurden.

Urteilsdetails des Verwaltungsgerichts IV-2017/182

Kanton:SG
Fallnummer:IV-2017/182
Instanz:Verwaltungsrekurskommission
Abteilung:Verkehr
Verwaltungsrekurskommission Entscheid IV-2017/182 vom 29.03.2018 (SG)
Datum:29.03.2018
Rechtskraft:
Leitsatz/Stichwort:Entscheid Art. 15d Abs. 1 SVG (SR 741.01), Art. 5a ff. VZV (SR 741.51). Der Rekurrent konsumiert zahlreiche Medikamente, unter anderem solche, die die Reaktionsfähigkeit herabsetzen können. Er fiel einer Polizeipatrouille im Strassenverkehr unter anderem mit einem Schlenker zur Mittellinie und Schlangenlinien auf. Es ist zu prüfen, ob ein wiederholt eingenommenes Medikament allein oder in Wechselwirkung mit anderen gleichzeitig eingenommenen Medikamenten einen negativen Einfluss auf die Fahreignung haben kann. Die Bestätigungen des Augenarztes, der Hämatologin und der Psychiaterin, worin aus jeweiliger fachärztlicher Sicht die Fahreignung nicht verneint wird, vermitteln kein umfassendes Bild und können insbesondere eine verkehrsmedizinische Gesamtschau nicht ersetzen (Verwaltungsrekurskommission, Abteilung IV, 29. März 2018,
Schlagwörter: Fahreignung; Rekurrent; Medikament; Medikamente; Verfügung; Vorinstanz; Verfahren; Rekurrenten; Strasse; Zweifel; Rekurs; Strassenverkehr; Gehör; Strassenverkehrs; Untersuchung; Gehörs; Polizei; Akten; Recht; Medikamenten; Fahrunfähigkeit; Verwaltungs; Substanzen; Gallen
Rechtsnorm: Art. 10 StPO ;
Referenz BGE:132 V 387; 133 II 384;
Kommentar:
Weissenberger, Kommentar SVG und OBG, Art. 15 OBG SVG, 2015

Entscheid des Verwaltungsgerichts IV-2017/182

IV-2017/182).

Präsident Urs Gmünder, Richter Urs Früh und Beat Fritsche, Gerichtsschreiber Raphael Fisch

A., Rekurrent, gegen

Strassenverkehrs- und Schifffahrtsamt, Abteilung Administrativmassnahmen, St.

Gallen, Vorinstanz, verkehrsmedizinische Untersuchung

Sachverhalt:

A.- A. erwarb am XX.XX.1992 den Führerausweis der Kategorie B und am XX.XX.1992 denjenigen der Kategorien A2, D2, E, F und G. Am Sonntag, 10. September 2017, fuhr er um 22.15 Uhr mit seinem Personenwagen auf der Landstrasse in Bütschwil in Richtung Lütisburg. Auf der Höhe der Acrevis Bank machte er einen Schlenker zur Mittellinie und fuhr danach Schlangenlinien. In der Folge wurde er von einer Patrouille der Kantonspolizei St. Gallen kontrolliert. Aufgrund von diversen körperlichen Auffälligkeiten (starkes Zittern, stark gerötete und wässerige Augen, kleine Pupillen) bestand der Verdacht einer Fahrunfähigkeit, weshalb die Staatsanwaltschaft eine Blut- und Urinprobe verfügte. Das Gutachten über die forensisch-toxikologische Analyse des Instituts für Rechtsmedizin St. Gallen vom 3. Oktober 2017 ergab den Nachweis des Arzneimittelwirkstoffs Citalopram in therapeutischer Menge sowie des Medikaments Diphenhydramin. Bei der polizeilichen Befragung gab A. zudem an, dass ihm die Medikamente Sandimmun, Cortisan, Bactrim und Esomep verschieben worden seien.

B.- Aufgrund dieser Vorkommnisse eröffneten die Staatsanwaltschaft ein Strafverfahren und das Strassenverkehrs- und Schifffahrtsamt ein Administrativmassnahmeverfahren. Das Strafverfahren wurde am 12. Oktober 2017 mit der Begründung wieder eingestellt, dass sich keine Hinweise auf eine Fahrunfähigkeit im Sinne des Gesetzes ergeben hätten. Im Rahmen des Administrativmassnahmeverfahrens bestätigte das Strassenverkehrsamt am

13. September 2017 zunächst den vorläufigen Entzug des Führerausweises durch die Polizei seit dem 10. September 2017. Mit Schreiben vom 13. Oktober 2017 stellte es zudem eine verkehrsmedizinische Untersuchung in Aussicht und gab A. Gelegenheit, innert 10 Tagen dazu Stellung zu nehmen, was dieser jedoch unterliess. Ausserdem verfügte das Strassenverkehrsamt ein vorsorgliches Fahrverbot. Am 6. November 2017 ordnete es sodann eine verkehrsmedizinische Untersuchung an.

C.- Dagegen erhob A. mit Eingabe vom 22. November 2017 Rekurs bei der Verwaltungsrekurskommission des Kantons St. Gallen. Er beantragte die Einstellung des Administrativmassnahmeverfahrens und die Aufhebung der Verfügung vom

6. November 2017. Nach Erlass der Verfügung hatte das Strassenverkehrsamt am

21. November 2017 bei der Psychiaterin von A. weitere Erkundigungen eingeholt. Am

29. Dezember 2017 reichte es sodann eine Vernehmlassung ein und beantragte, den Rekurs vollumfänglich abzuweisen. Mit Schreiben vom 10. Februar 2018 ergänzte A. seinen Rekurs und reichte zusätzliche Akten ein. Auf eine Stellungnahme dazu verzichtete das Strassenverkehrsamt am 22. Februar 2018.

Auf die Ausführungen im Rekurs zur Begründung der Anträge und die Vorbringen der Vorinstanz wird, soweit erforderlich, in den Erwägungen eingegangen.

Erwägungen:

1.- Die Eintretensvoraussetzungen sind von Amtes wegen zu prüfen. Bei der Verwaltungsrekurskommission können unter anderem die Verfügungen der für den Vollzug der Strassenverkehrsgesetzgebung zuständigen Behörden mit Rekurs angefochten werden (Art. 41 lit. gbis des Gesetzes über die Verwaltungsrechtspflege, sGS 951.1, abgekürzt: VRP). Da der Rekurrent zur Rekurserhebung befugt ist und sein Rekurs vom 22. November 2017 samt Ergänzung vom 10. Februar 2018 die gesetzlichen Anforderungen von Art. 45, Art. 47 und Art. 48 VRP erfüllt, ist darauf einzutreten und sind die gegen die Anordnung einer verkehrsmedizinischen Untersuchung erhobenen Rügen zu prüfen.

Soweit der Rekurrent allerdings die Einstellung des Administrativmassnahmeverfahrens verlangt, kann auf seinen Rekurs nicht eingetreten werden. Gegenstand von Rekursen können nur konkrete Einzelverfügungen sein. Ein Gesamtverfahren – analog einem Strafverfahren – wird indessen nicht eigentlich eröffnet und kann deshalb auch nicht formell eingestellt werden. Hätte sich der Rekurrent auch gegen den mit Verfügung vom 13. Oktober 2017 angeordneten vorsorglichen Entzug des Führerausweises zur Wehr setzen wollen, hätte er dagegen innert Frist separat rekurrieren müssen. Eine entsprechende Rechtsmittelbelehrung war auf der Verfügung enthalten. In diesem Zusammenhang ist zudem darauf hinzuweisen, dass der vorliegende Rekurs nicht davon befreit, während des laufenden Verfahrens und danach zu weiteren Verfügungen des Strassenverkehrsamts Stellung zu nehmen (rechtliches Gehör) beziehungsweise gegebenenfalls dagegen zu rekurrieren.

2.- Die angefochtene Verfügung vom 6. November 2017 ist von Amtes wegen auf ihre formelle Rechtmässigkeit hin zu überprüfen. Hierzu gehört namentlich die Wahrung des rechtlichen Gehörs.

a) Der verfassungsmässige Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 29 Abs. 2 der Bundesverfassung, SR 101) verlangt, dass grundsätzlich alle beweiserheblichen Akten den Beteiligten gezeigt werden, sofern in einer Verfügung darauf abgestellt wird. Es gehört zum Kerngehalt des rechtlichen Gehörs, dass der Verfügungsadressat vor Erlass eines für ihn nachteiligen Verwaltungsaktes zum Beweisergebnis Stellung nehmen kann. Das rechtliche Gehör dient in diesem Sinne einerseits der Sachaufklärung und stellt anderseits ein persönlichkeitsbezogenes Mitwirkungsrecht im Verfahren dar (BGE 132 V 387 E. 3.1). Die Einsicht in die Verfahrensakten wird in der Regel aber nur auf Gesuch hin gewährt (BGE 132 V 387 E. 6.2). Es ist jedoch zulässig – und gegebenenfalls verfahrensmässig sinnvoll –, dass die Behörde die Akten von sich aus den Betroffenen unterbreitet (Häusler/Ferrari-Visca, Das Recht auf Akteneinsicht im Verwaltungs- und Verwaltungsjustizverfahren, in: Jusletter 8. August 2011, Rz. 15). Aufgrund des Gehörsanspruchs ist die verfügende Behörde zudem verpflichtet, ihren Entscheid so zu begründen, dass sich die betroffene Person über die Tragweite des Entscheids Rechenschaft geben und ihn in voller Kenntnis der Sachlage an eine höhere Instanz weiterziehen kann. In diesem Sinne müssen wenigstens kurz die Überlegungen genannt werden, von denen sich die Behörde leiten liess und auf die sich ihr Entscheid stützt (Urteil des Bundesgerichts [BGer] 1C_50/2017 vom 16. Mai 2017 E. 3.2). Der St.

Galler Gesetzgeber hielt diese Begründungspflicht für Verfügungen in Art. 24 Abs. 1 lit. a VRP ausdrücklich fest.

  1. Sowohl bei der brieflichen Vorankündigung der ärztlichen Fahreignungsabklärung vom 13. Oktober 2017 als auch bei deren Anordnung mit Verfügung vom 6. November 2017 verwies die Vorinstanz auf die Polizeikontrolle vom 10. September 2017 sowie den in der Folge erstellten Analysebericht des Instituts für Rechtsmedizin St. Gallen (abgekürzt: IRM) vom 3. Oktober 2017. Den beiden Schreiben legte die Vorinstanz die entsprechenden Akten (namentlich die Polizeirapporte, den Analysebericht und das Gutachten) indessen nicht bei. Sie durfte auch nicht einfach davon ausgehen, dass

    dem Rekurrenten diese aus dem parallelen Strafverfahren bekannt waren. Im Schreiben

    vom 13. Oktober 2017 verwies die Vorinstanz jedoch unmissverständlich auf die

    genannten Akten und wiederholte die wesentliche Aussage des Gutachtens und zwar, dass die zwei Substanzen Citalopram und Diphenhydramin nachgewiesen worden seien. Der Rekurrent hätte es in der Folge selbst in der Hand gehabt, in einer allfälligen Stellungnahme um Akteneinsicht die Zusendung von Kopien der Akten zu ersuchen. Hieran ändert auch nichts, wenn der Rekurrent angibt, nach der Einstellungsverfügung der Staatsanwaltschaft vom 12. Oktober 2017 davon ausgegangen zu sein, dass sich die Angelegenheit auch im Administrativmassnahmeverfahren erledigt habe und er deshalb auf eine Stellungnahme zum Schreiben der Vorinstanz vom 13. Oktober 2017 habe verzichten können. Er hätte sich bei der Vorinstanz ohne weiteres über den Verfahrensstand und den Einfluss der Einstellungsverfügung darauf informieren können. Dazu wäre er allein schon deswegen angehalten gewesen, weil das Schreiben der Vorinstanz nach der Einstellungsverfügung der Staatsanwaltschaft verfasst wurde. Überdies wird das strassenverkehrsrechtliche Administrativmassnahmeverfahren stets separat vom strafrechtlichen Verfahren geführt.

  2. Als problematisch erweist sich im vorliegenden Fall jedoch, dass die Vorinstanz erst nach Erlass der Verfügung vom 6. November 2017 weitere Erkundigungen bei der Psychiaterin des Rekurrenten einholte und ihre Begründung erst in der Vernehmlassung vollständig vorbrachte. Darin beruft sie sich darauf, dass die eingenommenen Substanzen "im Kontext mit […] der Einnahme von weiteren starken Medikamenten" Zweifel an der Fahreignung des Rekurrenten begründeten. Von diesem "Kontext" war weder im Schreiben vom 13. Oktober 2017 noch in der angefochtenen Verfügung vom 6. November 2017 die Rede. Es war für den Rekurrenten deshalb nicht ersichtlich, dass die Vorinstanz insbesondere auch die Kombination der Einnahme verschiedener Medikamente als problematisch erachtete. Insofern leidet die Verfügung an einer unvollständigen und somit mangelhaften Begründung, was eine Verletzung des Gehörsanspruchs darstellt. Insbesondere hätte die Vorinstanz die entsprechenden Erkundigungen vor Erlass der angefochtenen Verfügung einholen können.

  3. Bei einer Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör hat grundsätzlich eine Rückweisung der Angelegenheit an die Vorinstanz zur korrekten Vornahme der entsprechenden Verfahrenshandlung zu erfolgen (sog. formelle Natur des Gehörsanspruchs). Darauf kann jedoch verzichtet werden, wenn die Gehörsverletzung

nicht schwer wiegt und geheilt werden kann. Dazu muss das Gericht über eine volle Überprüfungsbefugnis verfügen. Die Verwaltungsrekurskommission hat nach Art. 46 Abs. 1 VRP in diesem Rekursverfahren eine volle Überprüfungsbefugnis und kann den Begründungsmangel heilen. Die Verletzung des Gehörsanspruchs wiegt sodann nicht allzu schwer. Auf eine Rückweisung an die Vorinstanz ist deshalb zu verzichten. Die Gehörsverletzung ist jedoch bei der Verlegung der Kosten zu berücksichtigen (vgl. unten Ziff. 4).

3.- In materieller Hinsicht ist streitig, ob die Vorinstanz zu Recht eine verkehrsmedizinische Untersuchung anordnete.

  1. Die Vorinstanz begründete deren Anordnung in der angefochtenen Verfügung damit, dass aufgrund der vom Rekurrenten eingenommenen und bei der Verkehrskontrolle nachgewiesenen Substanzen (Citalopram und Diphenhydramin) Zweifel an der Fahreignung bestehen würden (vgl. act. 2 und 9/8). In ihrer Vernehmlassung führte sie zudem aus, dass die eingenommenen Substanzen im Kontext mit der Einnahme von weiteren starken Medikamenten eine Fahreignungsuntersuchung unerlässlich machen würden (vgl. act. 7).

  2. Der Rekurrent hält dem im Wesentlichen entgegen, dass die beiden Substanzen Citalpram und Diphenhydramin lediglich in geringen Mengen nachgewiesen worden seien, er die entsprechenden Medikamente (Cipralex und Benocten) vorschriftsgemäss einnehme und diese seine Fahrfähigkeit nicht beeinträchtigen würden. Tausende Menschen seien täglich mit diesen Medikamenten auf der Strasse unterwegs. Die bei der Polizeikontrolle festgestellten körperlichen Beeinträchtigungen seien allesamt erklär- und begründbar. Er befinde sich bei verschiedenen Ärzten in Behandlung. Ausserdem habe er gemäss dem ärztlichen Untersuchungsprotokoll des IRM keine Auffälligkeiten gezeigt. Im Strafverfahren sei festgestellt worden, dass keine Hinweise auf eine Fahrunfähigkeit bestanden hätten (vgl. act. 1 und 14). Am 10. Februar 2018 reichte der Rekurrent als Beweismittel zwei ärztliche Bestätigungen und einen ärztlichen Bericht nach (vgl. act. 15). Darin bestätigt ein Oberarzt der Augenklinik des Universitätsspitals Zürich, dass er sich in regelmässiger augenärztlicher Behandlung befinde, die Augenrötung krankheits- und nicht medikamentenbedingt sei und aus augenärztlicher Sicht keine Fahrunfähigkeit bestehe. Aus einem weiteren Bericht sind

die verschriebenen Medikamente ersichtlich. Darin bestätigt eine Oberärztin zudem, dass aus hämatologischer Sicht die bei der Verkehrskontrolle festgestellten Auffälligkeiten der geröteten Augen und zittrigen Hände auf die Behandlung der bestehenden Erkrankung zurückzuführen seien. Die Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie hielt zudem fest, dass das verordnete Antidepressivum nicht gegen eine Fahreignung spreche.

c) Gemäss Art. 15d Abs. 1 Ingress des Strassenverkehrsgesetzes (SR 741.01, abgekürzt: SVG) wird eine Person einer Fahreignungsuntersuchung unterzogen, wenn Zweifel an ihrer Fahreignung bestehen. Mit diesem Begriff werden die körperlichen und geistigen Voraussetzungen des Individuums umschrieben, um ein Fahrzeug im Strassenverkehr sicher lenken zu können. Die Fahreignung muss grundsätzlich dauernd vorliegen (BGE 133 II 384 E. 3.1). Sie ist von der Fahrfähigkeit abzugrenzen. Die Fahrfähigkeit bezieht sich auf die momentane körperliche und geistige Leistungsmöglichkeit einer Person zum sicheren Führen eines Motorfahrzeugs im Strassenverkehr. Fahrfähig ist, wer im Augenblick der Fahrt fit ist (K. Knöpfli, Die heutige Bedeutung und Praxis von Fahreignungsuntersuchungen, in: Probst/Werro [Hrsg.], Strassenverkehrsrechtstagung 2016, S. 222 f.).

  1. Zweifel an der Fahreignung bestehen namentlich dann, wenn einer der Umstände

    gemäss Art. 15d Abs. 1 lit. a bis e SVG vorliegt (BGer 1C_13/2017 vom 19. Mai 2017

    E. 3.2). Als weiterer Anlass gilt das Fahren unter dem Einfluss von Medikamenten, welche die Fahrfähigkeit beinträchtigen können (P. Weissenberger, Kommentar SVG und OBG, 2. Aufl., Zürich/St. Gallen 2015, Art. 15d N 36). Das gilt insbesondere bei länger andauernder Medikation, selbst wenn die Medikamente ärztlich verordnet worden sind. Problematisch kann sich auch ein Mix von eingenommenen Medikamenten auswirken (vgl. Expertengruppe Verkehrssicherheit, Verdachtsgründe fehlender Fahreignung, Massnahmen, Wiederherstellung der Fahreignung – Leitfaden für die Administrativ-, Justiz- und Polizeibehörden, 26. April 2000, Ziff. 5.1). Bei der Anordnung einer verkehrsmedizinischen Abklärung hat die zuständige Behörde einen gewissen Ermessensspielraum. Eine solche darf aber stets nur angeordnet werden, wenn konkrete Anhaltspunkte Zweifel an der Fahreignung wecken (BGer 1C_434/2016 vom 1. Februar 2017 E. 2.1).

  2. Fahreignungsuntersuchungen sind unabhängig von einer tatsächlich erfolgten Verkehrsregelverletzung, einem Verschulden der kontrollierten Person einer strafrechtlichen Verurteilung. Sie werden von der zuständigen Behörde im Einzelfall angeordnet, wenn begründete Zweifel an der Fahreignung bestehen (BGer 1C_497/2014 vom 10. Februar 2015 E. 4.1). Aus diesem Grund kann eine verkehrsmedizinische Fahreignungsprüfung auch dann angeordnet werden, wenn im Zeitpunkt der Kontrolle keine Fahrunfähigkeit vorlag, aber dennoch Zweifel geweckt wurden, dass die Fahreignung an sich gegeben ist. Fahreignungsuntersuchungen dürfen nach Art. 5a ff. VZV nur durch entsprechend qualifizierte Ärzte und Psychologen durchgeführt werden.

  1. Im vorliegenden Fall beurteilte die Polizei den Rekurrenten am 10. September 2017 aufgrund verschiedener Anzeichen als fahrunfähig. Im Nachgang zur Polizeikontrolle wurde im Gutachten des IRM vom 3. Oktober 2017 zudem festgehalten, dass der Rekurrent unter dem Einfluss der zwei Substanzen Citalopram und Diphenhydramin gefahren sei. Diese beiden Substanzen sind in den Medikamenten Cipralex und Benocten enthalten, die beide gemäss Beipackzettel die Reaktionsfähigkeit im Strassenverkehr herabsetzen können. Damit besteht grundsätzlich ein konkreter Anlass für begründete Zweifel an der Fahreignung. Nicht relevant für das Vorhandensein von begründeten Zweifeln an der Fahreignung ist, ob im Zeitpunkt der Fahrt tatsächlich eine Fahrunfähigkeit vorlag. Ebenso wenig vermag eine strafrechtliche Einstellungsverfügung die Annahme von Zweifeln an der Fahreignung auszuschliessen; dies allein schon deshalb nicht, weil allfällige Zweifel im Strafprozess nach den Grundsätzen der Unschuldsvermutung (Art. 10 Abs. 1 der Strafprozessordnung

    [SR 312.0, abgekürzt: StPO]) und des "in dubio pro reo" (Art. 10 Abs. 3 StPO) zugunsten der beschuldigten Person berücksichtigt werden. Diese Grundsätze gelten im Sicherungsentzugsverfahren, in welchem es um die Verkehrssicherheit geht, jedoch nicht. Insbesondere genügen Zweifel an der Fahreignung, um eine verkehrsmedizinische Untersuchung anzuordnen. Insofern führt die Argumentation des Rekurrenten, dass keine strafrechtliche Verurteilung erfolgt sei, die Auffälligkeiten bei der Polizeikontrolle erklärbar seien und er fahrfähig gewesen sei, von Vornherein ins Leere. Immerhin war sein Fahrverhalten (Schlenker zur Strassenmitte und Schlangenlinienfahren) auffällig. Massbeglich ist nur, ob beim Rekurrenten trotz der

    Medikamenteneinnahme die körperlichen und psychischen Voraussetzungen erfüllt sind, um dauerhaft sicher ein Fahrzeug im Verkehr lenken zu können.

  2. Aus dem vom Rekurrenten selbst eingereichten ärztlichen Bericht vom 14. Dezember 2017 sind die ihm verordneten Medikamente ersichtlich. Unter anderem gehören dazu Sandimmun Neoral 50 mg und 10 mg, Prednison Galepharm 5 mg, Bactrim forte 800/160 mg, Esomep MUPS 40 mg, Cipralex 20 mg/ml, Paspertin 10 mg, Dafalgan

500 mg und Benocten 60 mg/ml. Fraglich ist, welchen Einfluss die Einnahme dieser Medikamente auf die Fahreignung des Rekurrenten haben kann. Dass die Medikamente verschrieben wurden nicht verschreibungspflichtig sind, spielt bei der Beurteilung dieser Frage keine Rolle. Vielmehr ist zu prüfen, ob ein wiederholt eingenommenes Medikament allein in Wechselwirkung mit anderen gleichzeitig eingenommenen Medikamenten einen negativen Einfluss auf die Fahreignung haben kann. Diesbezüglich ist einerseits von Belang, dass die vom Rekurrenten eingenommenen Medikamente Benocten und Cipralex die Reaktionsfähigkeit im Strassenverkehr herabsetzen können. Andererseits ist relevant, welchen Einfluss die zahlreichen Medikamente aufeinander haben können. Die vom Rekurrenten eingereichten Bestätigungen des Augenarztes, der Hämatologin und der Psychiaterin, wonach aus deren jeweiliger fachärztlicher Sicht keine Fahrunfähigkeit bestehe, vermitteln kein umfassendes Bild der Fahreignung des Rekurrenten, sondern beziehen sich auf einzelne medizinische Aspekte. Eine verkehrsmedizinische Gesamtschau ist aber für die Beurteilung der Fahreignung unabdingbar. Die eingereichten ärztlichen Bestätigungen vermögen daher die geweckten Zweifel an der Fahreignung nicht auszuräumen. Überdies erfüllen sie die Mindestanforderungen nicht, die das Gesetz für ein verkehrsmedizinisches Gutachten in Art. 5a ff. VZV verlangt, weshalb ihr Beweiswert für die Fahreignungsabklärung gemindert ist. Im Rahmen der verkehrsmedizinischen Untersuchung sind die eingereichten Arztberichte indessen sorgfältig zu würdigen; allenfalls sind auch noch zusätzliche Auskünfte bei den behandelnden Ärzten einzuholen.

h) Unter diesen Umständen waren die Zweifel an der Fahreignung des Rekurrenten begründet. Diese Zweifel werden auch nicht durch die einzelnen fachärztlichen Bestätigungen ausgeräumt. Die Vorinstanz ordnete zu Recht eine verkehrsmedizinische Untersuchung an. Der Rekurs ist deshalb abzuweisen, soweit darauf einzutreten ist.

4.- Die Kosten des Rekursverfahrens haben die Parteien nach Massgabe ihres Obsiegens und Unterliegens zu tragen (Art. 95 Abs. 1 VRP). Der Rekurrent dringt mit seiner inhaltlichen Rüge nicht durch; er hat als Unterliegender grundsätzlich die gesamten amtlichen Kosten zu tragen. Da eine Verfügung, die unter Verletzung des Gehörsanspruchs einer Partei ergeht (vgl. oben Ziff. 2.c), aber stets rechtsfehlerhaft ist und dessen Anfechtung deshalb grundsätzlich zu Recht erfolgt (vgl. BGer 1C_564/2013 vom 30. August 2013 E. 2.3), rechtfertigt es sich hier, die Hälfte der amtlichen Kosten dem Staat aufzuerlegen. Eine Entscheidgebühr von Fr. 1'200.– (vgl. Art. 7 Ziff. 122 der Gerichtskostenverordnung, sGS 941.12) erscheint angemessen. Der Kostenvorschuss von Fr. 1'200.– ist mit dem Kostenanteil des Rekurrenten von Fr. 600.– zu verrechnen; der Restbetrag von Fr. 600.– ist ihm zurückzuerstatten.

Entscheid:

  1. Der Rekurs wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.

  2. Der Staat und der Rekurrent haben die amtlichen Kosten von Fr. 1'200.– je zur

Hälfte

zu bezahlen. Der Kostenvorschuss von Fr. 1'200.– wird mit dem Kostenanteil des Rekurrenten verrechnet und im Restbetrag von Fr. 600.– zurückerstattet.

Quelle: https://www.sg.ch/recht/gerichte/rechtsprechung.html
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