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Urteil Verwaltungsrekurskommission (SG)

Kopfdaten
Kanton:SG
Fallnummer:IV-2011/110
Instanz:Verwaltungsrekurskommission
Abteilung:Verkehr
Verwaltungsrekurskommission Entscheid IV-2011/110 vom 24.11.2011 (SG)
Datum:24.11.2011
Rechtskraft:
Leitsatz/Stichwort:Entscheid Art. 23 Abs. 1 SVG (SR 741.01), Art. 45 Abs. 5 VZV (SR 741.51). Stellt das
Schlagwörter: Verfügung; Strassen; Führer; Strassenverkehrs; Führerausweis; Gallen; Schweiz; Staat; Vorinstanz; Ausländische; Recht; Führerausweise; Eröffnung; Zustellung; Führerausweises; Ausländischen; Grossbritannien; Abkommen; Nichtigkeit; Behörden; Administrativmassnahmen; Schifffahrtsamt; Amtlichen; Aberkennung; Staats; Abgekürzt:; Schweizerischen; Nichtig
Rechtsnorm: Art. 11b VwVG ;
Referenz BGE:124 V 47; 132 II 342;
Kommentar zugewiesen:
Spühler, Basler Kommentar zur ZPO, Art. 321 ZPO ; Art. 311 ZPO, 2017
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Entscheid
Strassenverkehrsamt eine an einen in Grossbritannien wohnhaften Fahrzeuglenker gerichtete Verfügung per Post zu, vermag der Verwaltungsakt zufolge fehlender völkerrechtlicher Bestimmungen und damit mangelhafter Eröffnung keinerlei Wirkung zu zeitigen (Verwaltungsrekurskommission, Abteilung IV, 24. November 2011,

IV-2011/110).

Präsident Urs Gmünder, Mitglieder Urs Früh und Beat Fritsche; Gerichtsschreiber Thomas Scherrer

X, Rekurrent, gegen

Strassenverkehrs- und Schifffahrtsamt, Abteilung Administrativmassnahmen,

Moosbruggstrasse 11, 9001 St. Gallen, Vorinstanz,

betreffend

Aberkennung des ausländischen Führerausweises (Zustellung)

Sachverhalt:

A.- Am 15. August 2011 aberkannte das Strassenverkehrs- und Schifffahrtsamt des Kantons St. Gallen dem britischen Staatsangehörigen X den ausländischen Führerausweis für die Dauer von fünf Monaten. Er hatte am 25. Juni 2011 in K mit

einem Motorrad (amtliches Kennzeichen AK 000/GB) die zulässige Höchstgeschwindigkeit ausserorts von 80 km/h um 42 km/h überschritten. Die Verfügung wurde X mit eingeschriebener Post an dessen Adresse in Grossbritannien gesandt.

B.- X wandte sich mit in englischer Sprache abgefasster Eingabe vom 24. August 2011 und unter Beilage einer Kopie der Verfügung vom 15. August 2011 an die Verwaltungsrekurskommission. Er fragt, ob es sich dabei um eine weitere Busse handle. Er habe bereits Fr. 970.-- bezahlt und "a 3 month ban" erhalten. Auf die Einholung einer Vernehmlassung und der Akten bei der Vorinstanz wurde verzichtet.

Erwägungen:

1.- Die Vorinstanz hat dem Rekurrenten die gegen ihn gerichtete Verfügung vom

15. August 2011, mit welcher ihm der ausländische Führerausweis für die Dauer von fünf Monaten aberkannt werden sollte, an dessen Adresse in Grossbritannien zugestellt. Gemäss Art. 23 Abs. 1 des Strassenverkehrsgesetzes (SR 741.01, abgekürzt: SVG) ist der Entzug des Führerausweises schriftlich zu eröffnen. Ausländische Führerausweise können nach den gleichen Bestimmungen aberkannt werden, die für den Entzug des schweizerischen Führerausweises gelten (vgl. Art. 45 Abs. 1 der Verordnung über die Zulassung von Personen und Fahrzeugen zum Strassenverkehr; SR 741.51, abgekürzt: VZV). Art. 45 Abs. 5 VZV schreibt ausdrücklich vor, dass die Aberkennung dem Betroffenen durch das ASTRA (Bundesamt für Strassen) auf dem Rechtshilfeweg eröffnen zu lassen ist, wenn sie in der Schweiz nicht eröffnet werden kann. Art. 10bis des Gesetzes über die Verwaltungsrechtspflege (sGS 951.1, abgekürzt: VRP) sieht vor, dass Beteiligte ohne Wohnsitz in der Schweiz eine Zustelladresse oder einen Vertreter mit Wohn- oder Geschäftssitz in der Schweiz bezeichnen (Abs. 1). Kommen sie dieser Pflicht nicht nach, werden Mitteilungen im amtlichen Publikationsorgan eröffnet (Abs. 2).

Die Eröffnung einer Verfügung stellt einen hoheitlichen Akt dar, den schweizerische Behörden nicht ohne Weiteres im Ausland vornehmen dürfen. Eine direkte postalische Zustellung ist deshalb grundsätzlich nicht zulässig. Schweizerische Hoheitsakte auf dem Gebiet eines ausländischen Staats verletzen dessen Gebietshoheit nur dann nicht,

wenn den schweizerischen Behörden eine solche Zustellung vom ausländischen Staat erlaubt wird; dies erfolgt regelmässig in entsprechenden Abkommen. Das bilaterale Abkommen zwischen der Schweiz und der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten über die Freizügigkeit (SR 0.142.112.681) gestattet den Behörden, einzig im Bereich der sozialen Sicherheit direkt mit Adressaten in anderen Abkommensstaaten zu verkehren (vgl. R. Nyffenegger, in: Kommentar zum Bundesgesetz über das Verwaltungsverfahren, Zürich/St. Gallen 2008, Rz. 5 zu

Art. 11b VwVG mit Hinweis auf Art. 84 [3] der Verordnung EWG Nr. 1408/71; SR 0.831.109.268.1). Im Recht der Administrativmassnahmen nach Strassenverkehrsgesetz bestehen Abkommen mit einem entsprechenden Inhalt lediglich mit dem Fürstentum Liechtenstein (vgl. Ziff. 3 des Notenaustauschs vom

15. Dezember 1977 zwischen der Schweiz und dem Fürstentum Liechtenstein über die gegenseitige Anerkennung der Führer- und Fahrzeugausweise und die Verwaltungsmassnahmen; SR 0.741.531.951.4) und mit Österreich (vgl. Art. 2 Abs. I des Vertrags vom 23. Mai 1979 zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und der Republik Österreich über die wechselseitige Amtshilfe in Strassenverkehrs- (Kraftfahr-)angelegenheiten, SR 0.741.531.916.3). In allen anderen Ländern können Verfügungen in diesem Bereich nur auf dem Rechtshilfeweg eröffnet werden

(vgl. R. Schaffhauser, Grundriss des schweizerischen Strassenverkehrsrechts, Band III: Die Administrativmassnahmen, Bern 1995, Rz. 2725; GVP 1991 Nr. 9; vgl. auch Cavelti/ Vögeli, Verwaltungsgerichtsbarkeit im Kanton St. Gallen, St. Gallen 2003, Rz. 890).

Dementsprechend war die Vorinstanz nicht befugt, die Verfügung vom 15. August 2011

dem Adressaten an dessen Adresse in Grossbritannien zuzustellen.

2.- Erfolgt die Zustellung eines Hoheitsakts im Ausland ohne Einwilligung oder Vermittlung des fremden Staats, ist sie nichtig (vgl. BGE 124 V 47 E. 3a; R. Nyffenegger, N 4 zu Art. 11b VwVG). Daran ändert auch nichts, dass etliche Behörden trotz dieses Grundsatzes die direkte Postzustellung vornehmen und diese auch funktioniert, solange der Verfügungsadressat bzw. der ausländische Staat nicht dagegen interveniert (vgl. J. Stadelwieser, Die Eröffnung von Verfügungen, St. Gallen 1994, S. 214). Die Nichtigkeit von Verfügungen ist durch jede Behörde, die mit der Sache befasst ist, jederzeit und von Amtes wegen zu beachten. Sie kann auch im Rechtsmittelweg festgestellt werden. Ein ausdrücklicher Antrag wird dafür nicht

vorausgesetzt (vgl. Urteil des Bundesgerichts 2C_522/2007 vom 28. April 2008 E. 3.1; BGE 132 II 342 E. 2.1 mit Hinweisen).

Dementsprechend ist festzustellen, dass die von der Vorinstanz am 15. August 2011 gegenüber dem Rekurrenten erlassene Verfügung mangels rechtsgültiger Eröffnung nichtig ist. Der nichtigen Verfügung geht jede Verbindlichkeit und Rechtswirksamkeit ab (vgl. BGE 132 II 342 E. 2.1). Deshalb reicht es aus, dass das Urteil nur der Vorinstanz, die allenfalls bereits erfolgte Registereinträge anzupassen hat, formell eröffnet wird. Dem Rekurrenten ist die Nichtigkeit der angefochtenen Verfügung formlos mitzuteilen.

3.- Dem Verfahrensausgang entsprechend – die Feststellung der Nichtigkeit der Verfügung vom 15. August 2011 hat die Vorinstanz zu vertreten – sind die amtlichen Kosten vom Staat zu tragen (Art. 95 Abs. 1 VRP). Eine Entscheidgebühr von Fr. 500.-- erscheint angemessen (vgl. Art. 7 Ziff. 122 der Gerichtskostenverordnung, sGS 941.12).

Entscheid:

  1. Es wird die Nichtigkeit der vom Strassenverkehrs- und Schifffahrtsamt des Kantons St. Gallen am 15. August 2011 gegenüber X erlassenen Verfügung betreffend Aberkennung des Führerausweises für die Dauer von fünf Monaten festgestellt.

  2. Der Staat trägt die amtlichen Kosten von Fr. 500.--.

Quelle: https://www.sg.ch/recht/gerichte/rechtsprechung.html
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