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Urteil Verwaltungsrekurskommission (SG - I/2-2013/1)

Zusammenfassung des Urteils I/2-2013/1: Verwaltungsrekurskommission

X rief die Notrufzentrale an, um ein Pferd zu retten, das in einer Mistgrube feststeckte. Die Feuerwehr rückte mit 20 Feuerwehrleuten und verschiedenen Fahrzeugen aus und konnte das Tier erfolgreich befreien. Die Gemeinde stellte X die Kosten in Rechnung, gegen die sie erfolglos rekurrierte. Nach weiteren Verfahrensschritten wurde entschieden, dass der Rettungseinsatz als unentgeltliche Hilfeleistung der Feuerwehr einzustufen war, und X nicht für die Kosten aufkommen muss.

Urteilsdetails des Verwaltungsgerichts I/2-2013/1

Kanton:SG
Fallnummer:I/2-2013/1
Instanz:Verwaltungsrekurskommission
Abteilung:Abgaben und öffentliche Dienstpflichten
Verwaltungsrekurskommission Entscheid I/2-2013/1 vom 11.12.2013 (SG)
Datum:11.12.2013
Rechtskraft:
Leitsatz/Stichwort:Entscheiddurfte (Urteil der Verwaltungsrekurskommission, Abteilung I/2, 11. Dezember
Schlagwörter: Feuerwehr; Rettung; Hilfe; Gemeinde; Hilfeleistung; Rekurrentin; Gemeinderat; Einsatz; Rekurs; Dienstleistung; Einsätze; Vorinstanz; Entscheid; Rechnung; Feuerschutz; Dienstleistungen; Botschaft; Tierrettung; Rettungseinsatz; Amtes; Tierrettungen; Tragsgesetz; Hilfeleistungen; Person; Verfügung; Verwaltungsrekurskommission; Kostenvorschuss; Höhe; Umwelt; Einsätzen
Rechtsnorm: Art. 641a ZGB ;
Referenz BGE:-
Kommentar:
-

Entscheid des Verwaltungsgerichts I/2-2013/1

2013, I/2-2013/1).

Präsident Thomas Vögeli, Mitglieder Rudolf Lippuner und Martin Würmli; Gerichtsschreiber Philipp Lenz

X, Rekurrentin, gegen

Gemeinderat A, Vorinstanz, betreffend Feuerwehreinsatzkosten

Sachverhalt:

A.- X rief am 6. Oktober 2012, 20.11 Uhr, die kantonale Notrufzentrale (Telefon-Nr. 118) an und bat um Unterstützung bei der Rettung eines Pferdes, welches sich nicht mehr aus eigener Kraft aus der Mistgrube ihres Hofes befreien konnte. Der alarmierte Löschzug der Feuerwehr A rückte daraufhin mit 20 Feuerwehrleuten, einem Einsatzleiterfahrzeug, einem Personentransporter, einem Tanklöschfahrzeug und einem Rüstfahrzeug zum Bauernhof von X aus, um das Tier aus seiner misslichen Lage zu befreien. Der Einsatz konnte nach rund zweieinhalb Stunden erfolgreich beendet werden.

Der Rettungseinsatz wurde X am 23. Oktober 2012 mit Fr. 3'480.-- in Rechnung gestellt. Den dagegen erhobenen Rekurs wies der Gemeinderat A (nachfolgend: Gemeinderat) mit Schreiben vom 12. November 2012 bzw. Verfügung vom 13. Dezember 2012 ab.

B.- Mit Eingabe vom 31. Dezember 2012 erhob X bei der Verwaltungsrekurskommission Rekurs gegen den Entscheid des Gemeinderats und beantragte, der Einspracheentscheid der Gemeinde A vom 13. Dezember 2012 sei aufzuheben, ebenso die Entscheidgebühr von Fr. 100.--; der Rechnungsbetrag sei auf Fr. 760.-- zu reduzieren; die Kosten des Rekursverfahrens seien dem Rekursgegner aufzuerlegen.

Mit verfahrensleitender Verfügung vom 7. Januar 2013 wurde X aufgefordert, bis zum

28. Januar 2013 einen Kostenvorschuss von Fr. 900.-- zu leisten. Die Einzahlung erfolgte jedoch erst am 29. Januar 2013. X erhielt Gelegenheit, sich dazu zu äussern und beantragte am 14. Februar 2013 sinngemäss die Wiederherstellung der Frist. Der Gemeinderat liess sich dazu ablehnend vernehmen. Mit Verfügung des zuständigen Abteilungspräsidenten der Verwaltungsrekurskommission vom 3. Mai 2013 wurde dem Gesuch stattgegeben (VRKE I/2-2013/1).

Am 13. Mai 2013 liess sich der Gemeinderat zum Rekurs vernehmen und beantragte dessen Abweisung. X erhielt Gelegenheit, sich dazu zu äussern. Davon machte sie mit Eingabe vom 29. Mai 2013 Gebrauch. Auf die weiteren Ausführungen der Verfahrensbeteiligten zu ihren Anträgen wird, soweit erforderlich, in den Erwägungen eingegangen.

Erwägungen:

1.- Die Eintretensvoraussetzungen sind von Amtes wegen zu prüfen. Die Verwaltungsrekurskommission ist zum Sachentscheid zuständig. Die Befugnis zur Rekurserhebung ist gegeben. Der Rekurs vom 31. Dezember 2012 ist rechtzeitig eingereicht worden. Er erfüllt in formeller und inhaltlicher Hinsicht die gesetzlichen Anforderungen (Art. 41 lit. h Ziff. 5, 45 Abs. 1, 47 Abs. 1 und 48 Abs. 1 des Gesetzes über die Verwaltungsrechtspflege, sGS 951.1, abgekürzt: VRP).

2.- Angefochten ist der Entscheid des Gemeinderates vom 13. Dezember 2012, mit dem die Rekurrentin verpflichtet wurde, die Kosten des Feuerwehreinsatzes vom 6. Oktober 2012 in der Höhe von Fr. 3'480.-- zu bezahlen. Zu prüfen ist, ob es sich beim Rettungseinsatz um eine kostenpflichtige Dienstleistung der Feuerwehr handelte.

  1. Das Gesetz über den Feuerschutz (sGS 871.1, abgekürzt: FSG) unterscheidet im Bereich der Feuerwehraufgaben zwischen "Hilfeleistung" (Art. 40 FSG), "Dienstleistungen" (Art. 40bisFSG), "Feuerwachen" (Art. 41 FSG) sowie "Schadenverhütung und Schadenbegrenzung" (Art. 41bis FSG). Nach Art. 40 FSG ist die Feuerwehr die Einsatzorganisation für Rettung und allgemeine Schadenwehr (Abs. 1). Sie leistet unverzüglich Hilfe, insbesondere bei Bränden und Explosionen, Elementarereignissen und Ereignissen, welche die Umwelt schädigen gefährden (Abs. 2). Die Hilfeleistung besonderer Organe bleibt vorbehalten. Gemäss Art. 40bisFSG kann die Feuerwehr darüber hinaus zur Hilfe in der sanitätsdienstlichen Rettung herangezogen werden (Abs. 1). Lässt es sich mit der Hilfeleistungspflicht nach Art. 40 FSG vereinbaren, kann die Feuerwehr zu Dienstleistungen herangezogen werden, insbesondere zu Verkehrs- und Ordnungsdienst, namentlich bei Festanlässen und anderen öffentlichen Veranstaltungen sowie technischen Einsätzen (Abs. 2).

    aa) Die Vorinstanz erwog, wenn es sich mit der Erfüllung der Hilfeleistungsaufgaben der Feuerwehr vereinbaren lasse, könne sie zu Dienstleistungen, insbesondere zu technischen Einsätzen, herangezogen werden. Bei der Grosstierrettung vom 6. Oktober 2012 habe es sich um einen solchen kostenpflichtigen Einsatz gehandelt. Dies ergebe

    sich auch aus der Checkliste "verrechenbare Einsätze" des kantonalen Amtes für Feuerschutz (act. 17/2). Darin seien Tierrettungen als entschädigungspflichtige technische Einsätze aufgeführt. Der Verursacher habe eine Entschädigung nach Aufwand zu leisten, welche sich nach dem Tarif für die Schadenbekämpfung richte.

    bb) Bereits in der Botschaft zum Entwurf eines Gesetzes über den Feuerschutz vom

    31. Oktober 1967 wurde der Gemeinderat autorisiert, die Feuerwehr über ihren eigentlichen Kernauftrag hinaus bei Ereignissen einzusetzen, bei denen rasche und grössere Hilfe erforderlich ist (ABl 1967 S. 1426). Mit dem Nachtragsgesetz zum Gesetz über den Feuerschutz wurden diesen Aufgaben unter dem Titel "Dienstleistungen" schliesslich ein eigener Artikel (Art. 40bis FSG) gewidmet und der Begriff "technische Einsätze" eingeführt (Abs. 2 lit. b). Darunter sind Hilfeleistungen mit den technischen Mitteln der Feuerwehr zu verstehen. Der Gesetzgeber setzte jedoch klare Prioritäten und hielt fest, die Kernaufgabe der Feuerwehr, die Schadenwehr, dürfe durch derartige Einsätze nicht gefährdet werden; sie habe in jedem Fall Vorrang (vgl. Botschaft zum Nachtragsgesetz zum Gesetz über den Feuerschutz vom 31. Oktober 1989, ABl 1990 S. 18).

    Zur Kernaufgabe der Feuerwehr gehört insbesondere die Rettung (Art. 40 Abs. 1 FSG). Der Rettungsauftrag wurde erst im Zusammenhang mit der Einführung des Bevölkerungsschutzgesetzes (sGS 421.1) ausdrücklich im FSG verankert (vgl. dazu Botschaft zum Bevölkerungsschutzgesetz vom 21. Oktober 2003, ABl 2003, S. 2397 ff.). Der Rettungsauftrag ist umfassend zu verstehen. Für die Aufgabenerfüllung in der Rettung bedeutet dies, dass den Feuerwehren auch die so genannte schwere Rettung Trümmerrettung – und das bereits für den Normalfall – in die direkte und alleinige Verantwortung überbunden wurde, nachdem sie davor schon bei Alltagsereignissen und bei Katastrophen für Personen- und Tierrettung im Einsatz waren (Botschaft, a.a.O., S. 2432). Tierrettungen fallen somit nach dem Willen des Gesetzgebers nicht unter die Dienstleistungen nach Art. 40bis FSG, sondern sind dem umfassenden Hilfeleistungsauftrag (Art. 40 FSG) zuzuordnen. Damit wird dem in den letzten Jahren gestiegenen Status der Tiere Rechnung getragen, welcher sich auch in der Tierschutzgesetzgebung widerspiegelt (Gebäudeversicherung Kanton Zürich, Tierrettung, Nr. 5, November 2009, S. 3, publiziert in: www.gvz.ch/feuerwehr). Zudem sind Tiere nach Art. 641a ZGB keine Sachen.

    cc) Die Rettung des Pferdes der Rekurrentin erfolgte folglich im Rahmen des Kernauftrages der Feuerwehr und ist nicht als Dienstleistung nach Art. 40 bis FSG zu qualifizieren. Daran ändert nichts, dass auf der von der Vorinstanz als Grundlage für ihren Entscheid beigezogenen Checkliste (act. 17/2) Tierrettungen in Ziffer 9 als technische Einsätze bezeichnet werden. Dabei dürfte es sich um eine ältere Fassung handeln. In der gültigen Checkliste über die Verrechnung von Einsätzen des Amtes für Feuerschutz wurde dies geändert (vgl. Richtlinie des Amtes für Feuerschutz des

    Kantons St. Gallen, Kdt 1.02, erstellt 08.02, Revision 07.05, publiziert in: www.afs. gvasg.ch). Zu klären ist, ob die mit dem Einsatz verbundenen Kosten von der Rekurrentin zu tragen sind.

  2. In Art. 46 ff. FSG werden die Kosten für die verschiedenen Leistungen der Feuerwehr geregelt. Nach 46bis FSG sind Hilfeleistungen für versicherte Ereignisse nach dem Gesetz über die Gebäudeversicherung (sGS 873.1) unentgeltlich (Abs. 1). Einsätze infolge eines vorsätzlich grobfahrlässig verursachten Fehlalarms sowie

    Sicherungs- und Behebungsmassnahmen aufgrund gesetzlicher Vorschriften sind kostenpflichtig (Abs. 2). Dabei gilt das Verursacherprinzip (vgl. Art. 46ter FSG). Wer Dienstleistungen nach Art. 40bis FSG Feuerwachen nach Art. 41 FSG beansprucht, hat eine Entschädigung nach Aufwand zu leisten. Die Ansätze sind vom Gemeinderat zu regeln (Art. 46quater FSG). Die Ansätze für die Verrechnung der Kosten nach Art. 46, 46bis und 46quinquies FSG richten sich nach dem Tarif für die Schadenbekämpfung (sGS 871.16).

    Nachdem feststeht, dass der Rettungseinsatz als Hilfeleistung im Sinne von Art. 40 FSG zu qualifizieren ist, kommt als Grundlage für die Forderung der Vorinstanz nur Art. 46bis FSG in Frage. Diese Bestimmung regelt die Fälle, in denen auf den Privaten, dem die Hilfe geleistet werden muss, zurückgegriffen werden kann. Mit dieser Norm

    werden nur Hilfeleistungskosten (und nicht etwa Kosten für besondere Dienstleistungen für die Kontrolle von Meldeanalgen und dergleichen) geregelt. Diese Ordnung knüpft an die alte Tradition der Feuerwehr an, die dem Humangedanken verpflichtet ist: Gerät eine Person in Not, so hat die Feuerwehr ihr beizustehen und die Rettung bleibt kostenlos (Botschaft zum Nachtragsgesetz, a.a.O., S. 20). Da der in der Botschaft zum Bevölkerungsschutzgesetz dargelegte Rettungsbegriff umfassend zu verstehen ist (vgl. vorne E. 2a/bb), muss dies auch für in Not geratene Tiere gelten. In begrenztem

    Umfang werden jedoch auch Kosten für Hilfeleistungen verrechnet. Nach dem klaren Wortlaut von Art. 46 bis FSG ist dies jedoch nur in genau definierten Fällen möglich; nämlich dann, wenn entweder vorsätzlich grobfahrlässig ein Fehlalarm verursacht wurde aber Sicherungs- und Behebungsmassnahmen aufgrund gesetzlicher Vorschriften – wie sie in Art. 59 des Bundesgesetzes über den Umweltschutz (SR 814.01) und Art. 8 des Bundesgesetzes über den Schutz der Gewässer (SR 814.20) stipuliert sind – vorgenommen werden mussten. Entsprechend deckt sich der Begriff des gemäss Art. 46ter FSG kostenpflichtigen Verursachers mit demjenigen des eidgenössischen Umweltschutzrechts (Botschaft zum Nachtragsgesetz, a.a.O., S. 21). Weitere kostenpflichtige Hilfeleistungen kennt das FSG nicht; insbesondere werden Tierrettungen nicht als solche erwähnt. Die Rettungsaktion kann der Rekurrentin deshalb nicht auf der Grundlage von Art. 46bis FSG in Rechnung gestellt werden.

    Nach Art. 48 FSG kann jedoch auf Personen, die den Einsatz der Feuerwehr durch eine vorsätzliche grobfahrlässige rechtswidrige Handlung Unterlassung nötig gemacht veranlasst haben, für alle Auslagen aus dem Einsatz Rückgriff genommen werden. Es gibt keine Anhaltspunkte dafür, dass dies vorliegend der Fall war. Auch die Vorinstanz machte dies nicht geltend. Insbesondere brachte sie nicht vor, die Mistgrube auf dem Hof der Rekurrentin sei nicht ausreichend gesichert gewesen.

  3. Zusammenfassend ist festzustellen, dass es sich beim Feuerwehreinsatz vom

6. Oktober 2012 um einen unentgeltlichen Rettungseinsatz nach Art. 40 FSG handelte. Die Vorinstanz hätte der Rekurrentin die Einsatzkosten in der Höhe von Fr. 3'480.-- nicht in Rechnung stellen dürfen. Der Rekurs ist deshalb gutzuheissen, und der Entscheid der Vorinstanz vom 13. Dezember 2012 sowie die Rechnung vom

23. Oktober 2012 sind aufzuheben.

3.- Dem Verfahrensausgang entsprechend sind die amtlichen Kosten der Politischen Gemeinde A aufzuerlegen. Eine Entscheidgebühr von Fr. 500.-- ist angemessen (vgl. Art. 7 Ziff. 122 der Gerichtskostenverordnung, sGS 941.12). Auf die Erhebung ist entgegen der Regel von Art. 95 Abs. 3 VRP zu verzichten, da die Streitfrage erstmals entschieden wurde (Art. 97 VRP). Der Kostenvorschuss von Fr. 900.-- ist der Rekurrentin zurückzuerstatten.

Entscheid:

  1. Der Rekurs wird gutgeheissen, und der Entscheid der Vorinstanz vom

    13. Dezember 2012 sowie die Rechnung vom 23. Oktober 2012 werden

    aufgehoben.

  2. Der Politischen Gemeinde A werden die amtlichen Kosten von Fr. 500.-- auferlegt;

auf

die Erhebung der Kosten wird verzichtet. Der Kostenvorschuss in der Höhe von Fr. 900.--

wird der Rekurrentin zurückerstattet.

Quelle: https://www.sg.ch/recht/gerichte/rechtsprechung.html
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