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Urteil Versicherungsgericht (SG)

Kopfdaten
Kanton:SG
Fallnummer:EL 2018/10
Instanz:Versicherungsgericht
Abteilung:EL - Ergänzungsleistungen
Versicherungsgericht Entscheid EL 2018/10 vom 16.04.2019 (SG)
Datum:16.04.2019
Rechtskraft:
Leitsatz/Stichwort:Entscheid Art. 25 Abs. 1 ATSG. Erlass. Keine Berechtigung, sich auf den guten Glauben zu berufen, wenn zwar das Unrechtsbewusstsein fehlt, der Rechtsmangel aber bei zumutbarer Aufmerksamkeit - bei allerdings erschwerten Umständen - hätte erkannt werden sollen (Entscheid des Versicherungsgerichts des Kantons St. Gallen vom 16. April 2019, EL 2018/10).
Schlagwörter: Beschwerde; EL-act; Beschwerdeführerin; Liegenschaft; Ergänzungsleistung; Steuer; Kanton; Verfügung; Beschwerdegegnerin; Berechnung; Glaube; Gallen; Glauben; Erlass; Grundstücks; Ergänzungsleistungen; Leistung; Bezüger; Höhere; Entscheid; Kennen; Betrag; Meldepflicht; Sozialversicherungsanstalt; Durchführungsstelle; Müsse; Erbschaft; Ausserkantonale; Bezügerin
Rechtsnorm: Art. 25 ATSG ; Art. 3 ZGB ; Art. 31 ATSG ; Art. 64 OR ;
Referenz BGE:102 V 245; 110 V 176; 112 V 97; 122 V 223; 124 V 220; 138 V 218;
Kommentar zugewiesen:
Spühler, Basler Kommentar zur ZPO, Art. 321 ZPO ; Art. 311 ZPO, 2017
Weitere Kommentare:-
Entscheid
Entscheid vom 16. April 2019

Besetzung

Versicherungsrichterin Karin Huber-Studerus (Vorsitz), Versicherungsrichter Ralph Jöhl, Versicherungsrichterin Miriam Lendfers; Gerichtsschreiberin Fides Hautle

Geschäftsnr. EL 2018/10

Parteien

  1. ,

    Beschwerdeführerin,

    gegen

    Sozialversicherungsanstalt des Kantons St. Gallen, Ausgleichskasse,

    Brauerstrasse 54, Postfach, 9016 St. Gallen,

    Beschwerdegegnerin,

    Gegenstand

    Erlass der Rückforderung (EL zur AHV) Sachverhalt

    A.

    1. A. meldete sich am 31. März 2010 zum Bezug von Ergänzungsleistungen zur AHV an (EL-act. 88). Sie sei an einer unverteilten Erbschaft im Wert von netto

      Fr. 65'617.-- beteiligt. In der beigelegten Zusammenstellung (EL-act. 92) war als Ausgangspunkt zur Berechnung dieses Betrags ein Wert von Fr. 74'750.-- an Liegenschaftenvermögen eingesetzt gewesen (nämlich einerseits ein "Steuerwert" im Betrag eines [Bruchteils] von Fr. .--, also von Fr. 71'750.--, und anderseits ein "Fremdmietwert" von Fr. 3'000.--); davon war ein [Bruchteil] der Hypothekarschulden, nämlich ein Betrag von Fr. 12'500.--, in Abzug gebracht worden. Steuerlich veranlagt hat der Kanton St. Gallen bei ihr im Februar 2010 für das Jahr 2008 ein Liegenschaftenvermögen von Fr. 67'265.-- (vgl. EL-act. 91). Der Kopie der ausserkantonalen Grundstücksschätzung vom 2008 (EL-act. 84-3) war zu entnehmen, dass die EL-Ansprecherin (mit weiteren Personen zusammen) Miteigentümerin eines Grundstücks im betreffenden Kanton mit einem Steuerwert von total Fr. .-- war. Die Sozialversicherungsanstalt des Kantons St. Gallen/EL- Durchführungsstelle sprach ihr mit Verfügung vom 8. Juli 2010 (EL-act. 82) ab März 2010 eine (ordentliche) Ergänzungsleistung zu, bei deren Berechnung sie Grundeigentum im Wert eines [Bruchteils] dieses ausserkantonalen Grundstückschätzwerts, also von Fr. 71'829.--, berücksichtigte.

    2. In einem Formular zur periodischen Überprüfung der Ergänzungsleistung vom

      19. November 2012 (EL-act. 64) gab die EL-Bezügerin einen Wert der unverteilten Erbschaft von Fr. 74'750.-- an (also den oben erwähnten, von ihr berechneten "Vermögens"-Wert; die Hypothekarschuld setzte sie diesmal ins EL-Formularfeld für Schulden). Den Betrag von Fr. 74'750.-- hatte sie auch in der Steuererklärung 2011 als

      Steuerwert der Liegenschaft deklariert (EL-act. 67-3); veranlagt worden waren wiederum lediglich Fr. 67'265.-- an Grundeigentum (EL-act. 59-5). - Rückwirkend ab November 2012 setzte die Sozialversicherungsanstalt/EL-Durchführungsstelle die Ergänzungsleistung mit Verfügung vom 22. Mai 2013 (EL-act. 56) herauf. Gemäss der zugrunde liegenden Berechnung rechnete sie tiefere Hypothekarzinsen und ein höheres Sparguthaben an. Daneben übernahm sie nun den st. gallischen Steuerwert der Liegenschaft von Fr. 67'265.62 (berechnet gemäss den Ansätzen zur Festlegung des Repartitionswerts der beiden Kantone von 75 % im Lagekanton und von 80 % im Kanton St. Gallen).

    3. Am 27. Dezember 2013 (EL-act. 54 f.) wurde der EL-Anspruch der Bezügerin ab Januar 2014 festgelegt, am 22. Dezember 2014 (EL-act. 52, 50) jener ab Januar 2015

      und am 21. Dezember 2015 (EL-act. 49, 47) jener ab Januar 2016. Dabei blieb es jeweils bei der Anrechnung eines Liegenschaftenwerts von Fr. 67'265.--.

    4. Am 8. Dezember 2016 (EL-act. 36) füllte die EL-Bezügerin auf Aufforderung vom

      29. November 2016 (EL-act. 46) hin ein weiteres Formular zur periodischen

      Überprüfung aus. Sie gab darin an, die unverteilte Erbschaft habe einen Wert von

      Fr. 109'200.--. Der beigelegten Zusammenstellung (EL-act. 40) war unter Hinweis auf eine Schätzungsverfügung vom 2014 dieser Betrag für 2014 zu entnehmen (im Einzelnen als "Steuerwert" Fr. 105'000.--, "Fremdmietwert" Fr. 1'800.--, "Mietwert Zweitwohnung" Fr. 2'400.--). Für das Jahr 2015 war gemäss der st. gallischen Steuerveranlagungsberechnung vom 8. Juni 2016 - entgegen dem von der EL- Bezügerin deklarierten höheren Betrag von Fr. 109'200.-- - ein Liegenschaftenvermögen von Fr. 98'438.-- steuerbar.

    5. Die Sozialversicherungsanstalt/EL-Durchführungsstelle des Kantons St. Gallen forderte daraufhin von der EL-Bezügerin mit Schreiben vom 3. Mai 2017 (EL-act. 33) unter anderem ein aktuelles Schätzungskataster und die Steuerveranlagungen der Jahre 2012 bis 2016.

    6. Am 26. Juni 2017 (EL-act. 32) stellte die Wohnsitzgemeinde der EL-Bezügerin der Sozialversicherungsanstalt die Steuer-Veranlagungsberechnungen der genannten Jahre zu. Die für den Kanton St. Gallen massgeblichen Grundstückswerte hatten

      danach in den Jahren 2012 und 2013 bei Fr. 70'077.-- und von 2014 bis 2016 bei

      Fr. 98'438.-- gelegen, die Eigenmietwerte bei Fr. 2'375.-- (2012 und 2013), Fr. 3'820.--

      (2014 und 2015) und Fr. 4'775.-- (2016).

    7. Mit Verfügung vom 25. Juli 2017 (EL-act. 25 ff.) hob die Sozialversicherungsanstalt/EL-Durchführungsstelle die Ergänzungsleistung der Bezügerin aufgrund einer rückwirkenden Neuberechnung ab 1. September 2014 auf und stellte eine Rückforderung von Fr. 7'595.-- an (in der Zeit vom 1. September 2014 bis 31. Juli 2017) zu viel bezahlten Ergänzungsleistungen. Der Ausgabenüberschuss lag neu für den ganzen Zeitraum unter dem Pauschalbetrag an die Krankenkasse, der dieser direkt ausgerichtet werde. Bei den rückwirkenden Berechnungen waren höhere Vermögenswerte und Eigenmietwerte sowie höhere Liegenschaftsaufwände berücksichtigt worden. Ab August 2017 (EL-act. 29) waren ausserdem die Mietkosten gekürzt worden.

    8. Die Betroffene stellte am 30. August 2017 (EL-act. 23) ein Erlassgesuch. Sie habe die Ergänzungsleistungen in gutem Glauben bezogen, denn sie habe nicht abschätzen können, dass eine Neueinschätzung der Liegenschaft der Erbengemeinschaft einen Einfluss auf die Anrechnung der Einnahmen bei deren (d.h. der EL-) Berechnung habe. Allein mit der AHV-Rente, ohne EL und ohne liquides Vermögen sei sie nicht in der Lage, den geforderten Betrag zurückzuzahlen. Müsste sie ihn in monatlichen Raten begleichen, wäre das eine grosse Härte. Diesfalls hätte sie zu wenig Einkommen zum Leben. Mit Fr. 1'755.-- pro Monat vermöge sie knapp den Lebensunterhalt zu bestreiten, aber unmöglich noch die Forderung abzuzahlen.

    9. Mit Verfügung vom 24. Oktober 2017 (EL-act. 21) wies die

      Sozialversicherungsanstalt/EL-Durchführungsstelle das Erlassgesuch ab.

    10. Die Betroffene brachte in ihrer Einsprache vom 8. November 2017 (EL-act. 10) vor, sie sei dringend auf die Ausrichtung von Ergänzungsleistungen angewiesen und habe eine Kürzung wegen der Neuschätzung nicht abschätzen können. Der Wegfall der Leistungen sei eine grosse Härte. Sie könne nicht monatlich Geld für die Rückzahlung aufwenden. Mit dem Einkommen von Fr. 1'755.-- [AHV-Rente] müsse sie für alle Fixkosten aufkommen. Sie habe diese schon auf ein Minimum reduzieren müssen, um

      zu überleben und keine Schulden zu machen. Für den Lebensunterhalt verblieben ihr monatlich noch etwa Fr. 400.--. Sie frage, wie es bei solchen finanziellen Verhältnissen möglich sein sollte, eine Rückforderung von Fr. 7'595.-- zu begleichen. Sie ersuche um Erlass und Abschreibung der Schuld.

    11. Mit Entscheid vom 1. Februar 2018 (EL-act. 4) wies die Sozialversicherungsanstalt/EL-Durchführungsstelle des Kantons St. Gallen die Einsprache ab. Bei der Beurteilung des guten Glaubens sei ein strenger Massstab anzusetzen (vgl. Entscheid des Versicherungsgerichts des Kantons St. Gallen vom

17. April 2015, EL 2013/61 E. 2.1). Es dürfe zum einen generell nicht sein, dass Versicherte Leistungen bekämen, auf die sie keinen gesetzlichen Anspruch hätten. Das sei gemäss einem Entscheid des Versicherungsgerichts des Kantons St. Gallen vom

17. April 2015, EL 2013/61 E. 2.1, schwer mit dem Gleichbehandlungsgebot vereinbar, weil andere Versicherte nur die gesetzlichen Leistungen erhalten würden. Zum andern dürften die Versicherten gemäss der Rechtsprechung des Versicherungsgerichts des Kantons St. Gallen (Entscheid vom 15. August 2016, EL 2014/55 E. 2.1) aufgrund ihrer Sorgfaltspflichtverletzung nicht "belohnt" werden, was nämlich nicht der Sinn und Zweck des Art. 25 Abs. 1 zweiter Satz ATSG sein könnte. Deshalb schliesse eine Verletzung der zumutbaren Kontrollpflicht einen Erlass der Rückforderung aus. Die EL- Bezüger müssten die Berechnungsblätter auf offensichtliche Fehler hin überprüfen. Die Einsprecherin habe mit Schreiben vom 2014 von der Steuerverwaltung [des Lagekantons] von der höheren Veranlagung (d.h. der höheren Grundstückschätzung) der Liegenschaft erfahren. Sie (die Sozialversicherungsanstalt/EL-Durchführungsstelle) habe sie in den Verfügungen regelmässig über ihre Meldepflichten informiert. Dabei sei ausdrücklich auf die Meldepflicht bei der Neueinschätzung von Grundeigentum hingewiesen worden. Ihrer Meldepflicht sei die Einsprecherin von sich aus allerdings nie nachgekommen. Der gute Glaube könne daher nicht bejaht werden. Ausserdem hätte ihr bei einer Kontrolle der jährlichen Berechnungsblätter auch auffallen müssen, dass die Steuerdaten des Grundeigentums nicht mehr aktuell und nicht mehr korrekt gewesen seien. Für Rückfragen oder bei Verständnisschwierigkeiten hätte sie sich jederzeit an die Gemeinde bzw. die EL-Durchführungsstelle wenden können. Sie habe die Sorgfaltspflicht verletzt, deshalb könne der gute Glaube nicht bejaht werden.

B.

Gegen diesen Einspracheentscheid richtet sich die Beschwerde vom 26. Februar 2018 (Poststempel: 27. Februar 2018). Die Beschwerdeführerin beantragt einen Erlass des zurückgeforderten Betrags. Sie habe die für Steuern und Ergänzungsleistungen relevanten Dokumente stets ihrem Treuhänder übergeben. Dieser habe ihr jeweils mitgeteilt, welche Unterlagen sie noch wo hin senden oder bringen müsse. Entsprechend habe sie sich jeweils fristgerecht verhalten. Sie selber habe diesbezüglich leider keine Ahnung. Ihre finanzielle Lage erlaube eine Rückzahlung nicht. Ihren [Bruchteil] an der Liegenschaft könne sie nicht veräussern und nicht liquid machen.

C.

Die Beschwerdegegnerin hat am 7. März 2018 unter Hinweis auf den angefochtenen

Entscheid die Abweisung der Beschwerde beantragt. - Die Beschwerdeführerin hat am

  1. März 2018 unter anderem die Steuererklärung 2016 und ein Schreiben ihres Treuhänders vom 3. Mai 2017 eingereicht, wonach sie es ihm mitteilen könne, wenn er weiterhin die Steuererklärung für sie ausfüllen solle. - Die Beschwerdegegnerin hat keine Stellung genommen.

    Erwägungen 1.

    Im Streit liegt der Entscheid der Beschwerdegegnerin vom 1. Februar 2018, mit

    welchem sie die Einsprache gegen die den Erlass verweigernde Verfügung vom

  2. Oktober 2017 abgewiesen hat. Die Rückforderung als solche ist rechtskräftig

geworden und bildet nicht Streitgegenstand.

2.

    1. Unrechtmässig bezogene Leistungen sind zurückzuerstatten. Wer Leistungen in gutem Glauben empfangen hat, muss sie nicht zurückerstatten, wenn eine grosse Härte vorliegt (Art. 25 Abs. 1 ATSG).

    2. Hinsichtlich der Erlassvoraussetzung des guten Glaubens ist zu unterscheiden zwischen dem guten Glauben als fehlendem Unrechtsbewusstsein und der Frage, ob sich jemand unter den gegebenen Umständen auf den guten Glauben berufen kann,

      d.h. ob er den bestehenden Rechtsmangel bei zumutbarer Aufmerksamkeit hätte erkennen sollen (vgl. BGE 122 V 223 E. 3; vgl. auch Art. 3 Abs. 2 ZGB). Blosse Unkenntnis des Rechtsmangels genügt zur Erfüllung der Erlassvoraussetzung des guten Glaubens nicht. Der Leistungsempfänger darf sich nicht nur keiner böswilligen Absicht, sondern auch keiner groben Nachlässigkeit schuldig gemacht haben. Vielmehr ist massgeblich, ob jemand bei zumutbarer Aufmerksamkeit den bestehenden Rechtsmangel hätte erkennen sollen und ob das Nichterkennen grob oder nur leicht nachlässig war. Auf ihren guten Glauben berufen kann sich die rückerstattungspflichtige Person, wenn ihr fehlerhaftes Verhalten nur leicht fahrlässig war (vgl. Bundesgerichtsurteil vom 12. Juli 2017, 9C_463/2016; BGE 110 V 176 = ZAK 1985 S. 63; BGE 102 V 245). Grobe Fahrlässigkeit ist nach der Rechtsprechung gegeben, wenn jemand das ausser Acht lässt, was jedem verständigen Menschen in gleicher Lage und unter gleichen Umständen als beachtlich hätte einleuchten müssen (vgl. BGE 110 V 176; Bundesgerichtsurteil vom 9. April 2014, 9C_720/2013). Wie in anderen Bereichen beurteilt sich das Mass der erforderlichen Sorgfalt also nach einem objektiven Massstab, wobei aber das den Betroffenen in ihrer Subjektivität (Urteilsfähigkeit, Gesundheitszustand, Bildungsgrad usw.) Mögliche und Zumutbare nicht ausgeblendet werden darf (vgl. Bundesgerichtsurteil vom 12. Juli 2017, 9C_463/2016; BGE 138 V 218 E. 4).

    3. Der Bezüger einer Leistung muss dem Versicherungsträger jede wesentliche Änderung in den für die Leistung massgebenden Verhältnissen melden (vgl. Art. 31 Abs. 1 ATSG). Nach Art. 24 ELV hat der (EL-) Anspruchsberechtigte der kantonalen Durchführungsstelle von jeder Änderung der persönlichen und von jeder ins Gewicht fallenden Änderung der wirtschaftlichen Verhältnisse unverzüglich Mitteilung zu

      machen. Gemäss den Hinweisen in den der Beschwerdeführerin zugestellten jeweiligen EL-Verfügungen besteht eine Meldepflicht unter anderem namentlich bei "Neuschätzung Grundeigentum" (vgl. etwa EL-act. 55-2). Die EL-Behörden sind zwingend darauf angewiesen, dass die Bezüger ihnen Änderungen in ihren Verhältnissen melden, und zwar unabhängig von einer Prüfung der möglichen Auswirkungen auf die Ergänzungsleistungsberechnung (vgl. SVR 1995 EL Nr. 9, 21; ZAK 1988 S. 478; ZAK 1990 S. 148).

    4. Von einem Bezugsberechtigten kann zudem nach der Rechtsprechung zwar in der Regel nicht erwartet werden, dass er die Ergänzungsleistungsberechnung vollständig nachzuvollziehen vermag, doch hat er, um sich nicht dem Vorwurf einer Sorgfaltspflichtverletzung auszusetzen, die Berechnungsblätter, welche den Verfügungen über Ergänzungsleistungen beigelegt sind, im Rahmen seiner

individuellen Möglichkeiten auf offensichtliche Fehler hin zu kontrollieren (vgl. Bundesgerichtsurteil vom 19. Januar 2011 9C_921/2010 E. 3; vgl. auch Bundesgerichtsurteil vom 20. August 2014, 9C_53/2014 E. 4.2.1).

3.

Die Beschwerdegegnerin beruft sich darauf, dass es einerseits generell nicht sein könne, dass EL-Bezüger Leistungen bekämen, auf die sie keinen gesetzlichen Anspruch hätten, und dass anderseits eine Sorgfaltspflichtverletzung nicht belohnt werden dürfe. Zur Rechtslage gehört allerdings das gesetzlich in Art. 25 Abs. 1 zweiter Satz ATSG verankerte Institut des Erlasses der Rückforderung von unrechtmässig bezogenen Leistungen bei gegebenen Voraussetzungen. Die Rechtsfolge von Art. 25 Abs. 1 zweiter Satz ATSG hat ausserdem nicht eine Belohnung für eine Pflichtwidrigkeit zum Zweck, hingegen den Schutz der Gutgläubigkeit beim Bezug der unrechtmässigen Leistungen bei höchstens leichter Fahrlässigkeit (vgl. etwa auch Art. 3 Abs. 2 ZGB e contrario, vgl. Art. 64 f. OR). Das Prinzip des Vertrauensschutzes steht grundsätzlich

der Rückforderung einer erbrachten Leistung entgegen (Ueli Kieser, ATSG-Kommentar,

3. A. 2015, N 41 zu Art. 25).

4.

    1. Die Beschwerdeführerin war als EL-Bezügerin zur massgeblichen Zeit an einem Nachlass beteiligt, der zur Hauptsache aus einer Liegenschaft bestand. Obwohl ihr eine neue Grundstückschätzung (Schätzungsverfügung; mit angehobener Bewertung) vom

      2014 (EL-act. 32-8) zugestellt worden war, hat sie diese Tatsache der Beschwerdegegnerin nicht von sich aus unverzüglich gemeldet (sondern erst bei Einreichen des ihr zugestellten Formulars zur periodischen Überprüfung der Ergänzungsleistungen am 21. Dezember 2016). Darin liegt nach dem oben Dargelegten objektiv eine Meldepflichtverletzung.

    2. Nach der Aktenlage ist nicht anzunehmen, dass die Beschwerdeführerin darum gewusst hat, dass sie eine zu hohe Ergänzungsleistung bezog. Ihr guter Glaube ist auch zu vermuten (vgl. Art. 3 Abs. 1 ZGB). Bei der EL-Anmeldung hat sie einen Nettoanteil an einer unverteilten Erbschaft angegeben, bei dessen Berechnung sie gemäss einer Zusammenstellung nicht nur ihren Anteil am ausserkantonalen amtlichen Verkehrswert der Liegenschaft gemäss der Schätzung des Grundstücks vom 2008 von Fr. 71'750.--, sondern auch einen Mietwertanteil von Fr. 3'000.-- zum Vermögen geschlagen und davon den Anteil an der Hypothekarschuld abgezogen hatte. Diese Vermögensangabe war (nebst dem steuerrechtlichen Aspekt, vgl.

nachfolgend) insbesondere, was den Einschluss des Mietwerts ins Vermögen betrifft, zu ihren Ungunsten unzutreffend. Dank der beigelegten Zusammenstellung wurde dies ersichtlich und von der Beschwerdegegnerin berücksichtigt. Bei der erstmaligen Zusprache von Ergänzungsleistungen durch Verfügung vom 8. Juli 2010 hat die Beschwerdegegnerin ihrerseits allerdings - unzutreffend - den ausserkantonalen amtlichen Verkehrswert von Fr. 71'750.-- in die EL-Berechnung eingesetzt, während steuerrechtlich im Kanton St. Gallen ein tieferer Wert von lediglich Fr. 67'265.-- massgeblich gewesen wäre (für den Kanton St. Gallen korrigierter Repartitionswert des andern Kantons). Die Beschwerdeführerin reagierte darauf nicht. - Obwohl sie den von der Beschwerdegegnerin in die EL-Berechnung eingesetzten Wert nach der ersten EL- Verfügung kennen konnte, deklarierte sie bei der ersten periodischen Revision wiederum den um den Mietwert von Fr. 3'000.-- zu hohen (selbst den ausserkantonalen amtlichen Schätzungswert übersteigenden) Vermögensbetrag von Fr. 74'750.--. - In der Folge dieser ersten periodischen Überprüfung wich die Beschwerdegegnerin ihrerseits dann von der Anrechnung von Fr. 71'750.-- ab und übernahm ab November 2012 den für den Kanton St. Gallen richtigerweise massgebenden tieferen steuerrechtlichen Grundstückswert von Fr. 67'265.-- in die EL- Berechnung der Beschwerdeführerin. Sie verzichtete jedoch darauf, diesbezüglich wiedererwägungsweise auf ihre ursprüngliche unzutreffende Verfügung (also weiter

zurück als bis November 2012, das Datum einer Anpassung an veränderte Verhältnisse gemäss Art. 25 Abs. 2 lit. d ELV bei periodischer Revision) zurückzukommen. Die Beschwerdeführerin erkundigte sich auch hier nicht danach, weshalb bei unveränderten Verhältnissen ehemals ein höherer Betrag angerechnet worden sei, und vertraute offensichtlich auf die Richtigkeit der von der sachkundigen Beschwerdegegnerin erlassenen Verfügungen. - Bei der periodischen Überprüfung 2016 schliesslich gab sie erneut zu hohe Vermögenswerte an, und zwar wiederum wegen Einschlusses von Mietwerten und wegen Angabe des ausserkantonalen Schätzwerts.

5.

    1. Ein fehlendes Unrechtsbewusstsein, wie es bei der Beschwerdeführerin anzunehmen ist, genügt jedoch für einen Anspruch auf Erlass - wie in E. 2.2 dargelegt - nicht. Auf ihren guten Glauben rechtlich berufen kann sich eine rückerstattungspflichtige Person vielmehr nur, wenn das Nichterkennen des Mangels nicht grob nachlässig war.

    2. Die Beschwerdeführerin bringt vor, nicht abschätzen gekonnt zu haben, dass die Neuschätzung der Liegenschaft zu einer Kürzung der Ergänzungsleistungen führen

      werde. Sie macht zu ihrer Entlastung geltend, in Steuer- und Ergänzungsleistungssachen kenne sie selbst sich überhaupt nicht aus und habe deswegen einen Treuhänder beauftragt. Allfällige Fehler eines Vertreters oder einer Hilfsperson, deren Dienste der Betroffene für die Erfüllung seiner Auskunfts- oder Meldepflicht in Anspruch nimmt, hat er sich grundsätzlich anrechnen zu lassen (vgl. ARV 1992 Nr. 7 S. 100 ff., 103; vgl. BGE 112 V 97 E. 3b, BGE 110 V 176 E. 3d;

      Entscheid des Eidgenössischen Versicherungsgerichts [nunmehr Schweizerisches Bundesgericht] vom 15. Mai 2000, P 49/99). Der Einwand entlastet die Beschwerdeführerin demnach als solcher nicht. Gemäss einem allgemeinen Rechtsgrundsatz kann ausserdem niemand aus seiner eigenen Rechtsunkenntnis Vorteile ableiten (vgl. BGE 124 V 220 E. 2b/aa, Bundesgerichtsurteil vom 5. Februar 2018, 8C_496/2017 E. 5.3.2), weshalb Nichtwissen nicht bereits zur Bejahung des guten Glaubens [bzw. zur Feststellung, dass jemand sich auf seinen guten Glauben auch berufen kann] führt. Indes darf die Annahme, dass Nachlässigkeit die Vermutung des guten Glaubens aufhebe, nur mit Zurückhaltung getroffen werden (vgl. Entscheid des Eidgenössischen Versicherungsgerichts vom 6. Juli 2001, I 361/00 E. 4c, BGE 110 V 176 E. 3c).

    3. Wie erwähnt war in den an die Beschwerdeführerin gerichteten EL-Verfügungen jeweils auf die Meldepflicht bei "Neuschätzung Grundeigentum" hingewiesen worden. Die Aktenlage enthält zwar Hinweise darauf, dass sie sich nicht (bzw. nicht konsequent) als Liegenschafts-Miteigentümerin begriff, sondern lediglich als Teilhaberin an einer unverteilten Erbschaft. Denn sie verneinte den Besitz von Grundeigentum im zweiten Revisionsformular wie schon in der EL-Anmeldung, während sie die Frage bei der ersten periodischen Überprüfung unter Hinweis auf die unverteilte Erbschaft bejahte. Statt einer Deklaration des Grundeigentumswerts setzte sie jeweils den ganzen Wertanteil der Erbschaft bei der Position der Beteiligung an einer unverteilten Erbschaft ein (EL-act. 36-4, vgl. EL-act. 88-3). Ihre Deklarationen des Vermögenswerts erfolgten nach dem oben (E. 4.2) Dargelegten mehrfach auch zu eigenen Ungunsten, was erkennen lässt, dass ihr (und den allfälligen Hilfspersonen) die massgeblichen finanziellen Belange nicht ausreichend klar waren.

    4. Indessen ist darauf hinzuweisen, dass der Nachlass zur Hauptsache aus der Liegenschaft bestand. Die Beschwerdegegnerin hatte die Beschwerdeführerin zudem bereits in ihrer Verfügung vom 22. März 2013 (EL-act. 56-1) ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die Liegenschaft in die Vermögensberechnung für ihren EL- Anspruch einbezogen worden ist. Ein Zusammenhang von Liegenschaftsschätzung

      und Ergänzungsleistungsanspruch hätte deshalb bei zumutbarer Sorgfalt erkannt werden müssen.

    5. Bei der konkreten Sachlage ist zwar einerseits einzuräumen, dass das Erkennen der Meldepflicht erschwert war. Zunächst änderte sich durch die Neuschätzung der Liegenschaft von 2014 an der spürbaren engen finanziellen Lage der Beschwerdeführerin nichts, jedenfalls nicht im Sinn einer Erhöhung der ihr zur Verfügung stehenden Mittel. Im Gegenteil war später ab jenem Zeitpunkt mehr - real nicht vorhandenes - Einkommen (höherer Eigenmietwert) zu versteuern. - Hinzu kommt als Erschwernis für das Verständnis und die Nachvollziehbarkeit der konkreten EL- rechtlichen Anrechnungen die oben (E. 4.2) erwähnte Änderung des bei den Ergänzungsleistungen durch die Beschwerdegegnerin angerechneten Werts des Grundstücks ab November 2012 ohne damalige neue Schätzung der Liegenschaft oder anderweitige Änderung im Sachverhalt. - Des Weiteren war die Bewertung des Liegenschaftenvermögens in der Schätzung, im Steuerrecht und in der EL-Berechnung aufgrund der interkantonalen Verhältnisse schwieriger zu begreifen.

    6. Anderseits ist aber darauf hinzuweisen, dass die Beschwerdegegnerin der Beschwerdeführerin in der Verfügung vom 22. März 2013 (EL-act. 56-1) ausdrücklich (auch) die Berechnung des damals neu in die EL-Berechnung eingesetzten Vermögenswerts von Fr. 67'265.62 erklärt hat, also im Einzelnen dargelegt hat, wie der für den Kanton St. Gallen massgebliche Steuerwert (und damit der EL-relevante Wert) des in einem andern Kanton liegenden Grundstücks im Nachlass, an dem sie beteiligt war, berechnet wird.

    7. Die Beschwerdeführerin hätte erkennen müssen, dass das Liegenschaftenvermögen in der ihr (zur gleichen Zeit wie die ausserkantonale Neuschätzung vom 2014) eröffneten st. gallischen Steuer- Veranlagungsberechnung für das Jahr 2013 mit einem Betrag von Fr. 70'077.-- den zuletzt bei ihren Ergänzungsleistungen berücksichtigten Wert von Fr. 67'265.-- überschritt. - Ausserdem war die Beschwerdeführerin durch Eröffnung der Steuer- Veranlagungsberechnung für das Jahr 2014 am 1. Juli 2015 darüber in Kenntnis gesetzt worden, dass ein nochmals deutlich höheres Liegenschaftsvermögen - von Fr. 98'438.-- - steuerbar sei. Dennoch machte die Beschwerdeführerin auch zu jenem Zeitpunkt keine Meldung bei der Beschwerdegegnerin. Erst bei der periodischen

Überprüfung am 8. Dezember 2016 (EL-act. 36) reichte sie wie erwähnt die betreffende Grundstückschätzung ein (sie deklarierte allerdings trotz Erklärung in der Verfügung vom 22. Mai 2013 wie erwähnt auch damals bei den Ergänzungsleistungen erneut zu

ihren Ungunsten ein deutlich zu hohes Vermögen, weil sie wiederum nebst dazugezogenen Mietwerten den ausserkantonalen Liegenschaftswert angab).

6.

    1. Zusammenfassend ist festzustellen, dass die Beschwerdeführerin zum einen ihre Meldepflicht objektiv durch Unterlassung verletzt hat, da sie der Beschwerdegegnerin die neue Grundstücksschätzung vom 2014 unabdingbar hätte anzeigen müssen, und zwar ohne Rücksicht auf deren allfällige EL-Auswirkungen und ohne Verzug. Zum andern ist nach der Aktenlage anzunehmen, dass die Unterlassung ohne Unrechtsbewusstsein geschah. Wenn auch die Nachvollziehbarkeit der konkreten EL- Berechnungen durch die Beschwerdeführerin wegen der oben genannten Umstände in gewissem Mass erschwert war, so hätte sie aber des Weiteren bei Aufwendung einer ihr zumutbaren Aufmerksamkeit ihre Meldepflicht erkennen müssen. Es muss und konnte auch bei den vorliegenden konkreten Gegebenheiten erwartet werden, dass bei zumutbarer Sorgfalt ein Zusammenhang zwischen der höheren Bewertung eines Vermögensteils und dem EL-Anspruch erkannt wird, auch wenn es sich um ein Vermögen handelt, an welchem man nur in Form einer unverteilten Erbschaft beteiligt ist. Als weiteren Anlass zu einer Meldung an die Beschwerdegegnerin hätte die Beschwerdeführerin ferner zumutbarer Weise erkennen müssen, dass die Steuer- Veranlagungsberechnung, die sie am 1. Juli 2015 bekam, einen nochmals erheblich höheren Vermögenswert auswies, als er in ihrer EL-Berechnung berücksichtigt war.

    2. Angesichts dieser Umstände kann die Unterlassung der Meldung durch die Beschwerdeführerin nicht als lediglich leichte Nachlässigkeit im Sinn der Rechtsprechung betrachtet werden. Da die Erlassvoraussetzung des guten Glaubens im Sinn von Art. 25 Abs. 1 ATSG demnach nicht als erfüllt angenommen werden kann, erübrigen sich Ausführungen zur kumulativ erforderlichen Erlassvoraussetzung der grossen Härte. Die angefochtene Verfügung erweist sich als rechtmässig.

7.

    1. Im Sinn der vorstehenden Erwägungen ist die Beschwerde abzuweisen.

    2. Gerichtskosten sind keine zu erheben (Art. 61 lit. a ATSG).

Entscheid

im Zirkulationsverfahren gemäss Art. 39 VRP

1.

Die Beschwerde wird abgewiesen.

2.

Es werden keine Gerichtskosten erhoben.

Quelle: https://www.sg.ch/recht/gerichte/rechtsprechung.html
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