Zusammenfassung des Urteils B 2019/220: Verwaltungsgericht
X., geboren 1942, hat in der Vergangenheit mehrfach seinen Führerausweis aufgrund von Verkehrsverstössen entzogen bekommen. Zuletzt wurde ihm der Ausweis entzogen, weil sein Auto sich selbstständig gemacht hat und eine Strasse hinunter rollte. Er hat dagegen Einspruch erhoben, jedoch wurde der Rekurs abgewiesen. Das Verwaltungsgericht hat entschieden, dass der Sicherungsentzug des Führerausweises gerechtfertigt war und die Beschwerde abgewiesen. Die Kosten des Verfahrens in Höhe von CHF 2'000 gehen zu Lasten von X. Die Rechtsvertreterin des Beschwerdeführers wird mit CHF 2'261.70 entschädigt.
Kanton: | SG |
Fallnummer: | B 2019/220 |
Instanz: | Verwaltungsgericht |
Abteilung: | Verwaltungsgericht |
Datum: | 16.12.2019 |
Rechtskraft: |
Leitsatz/Stichwort: | Entscheid Strassenverkehr, Sicherungsentzug, Art. 16b Abs. 2 lit. e und Art. 37 Abs. 3 SVG, Art. 22 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 VRV. Die Vorbringen des Beschwerdeführers sind nicht geeignet, die tatsächlichen Feststellungen im Strafbefehl in Zweifel zu ziehen. Danach unterliess es der Beschwerdeführer, sein Fahrzeug auf einem Parkplatz, welcher eine seitliche Neigung von 4% und 90° zur Fahrbahn ein Gefälle von 12% aufweist, vor dem Verlassen mittels der Handbremse gegen das Wegrollen zu sichern, worauf sich sein Fahrzeug selbständig in Bewegung setzte, rückwärts aus dem Parkfeld über eine Kantonsstrasse rollte und anschliessend beim Zaun am Strassenrand zum Stillstand kam. Die Vorinstanz durfte den Führerausweisentzug bestätigen, ohne Recht zu verletzen (Verwaltungsgericht, B 2019/220). Auf eine gegen dieses Urteil erhobene Beschwerde trat das Bundesgericht mit Urteil vom 19. Februar 2020 nicht ein (Verfahren 1C_64/2020). |
Schlagwörter: | Recht; Widerhandlung; Führer; Führerausweis; Quot; Strasse; Entscheid; Hinweis; Vorinstanz; Strassenverkehrs; Richter; Verkehrs; Widerhandlungen; Fahrzeug; Rechtspflege; Hinweisen; Verbindung; Person; Gallen; Personenwagen; Befehl; Rechtsvertreterin; Gefährdung; Kantons; Verwaltungsgericht; -strasse; Automatikstellung; Quot;Pquot; Verletzung |
Rechtsnorm: | Art. 123 ZPO ;Art. 16 SVG ;Art. 16a SVG ;Art. 17 SVG ;Art. 37 SVG ;Art. 90 SVG ; |
Referenz BGE: | 118 Ib 524; 124 II 103; 139 II 95; 143 II 699; 91 IV 207; |
Kommentar: | - |
Besetzung
Abteilungspräsident Zürn; Verwaltungsrichterin Bietenharder, Verwaltungsrichter Engeler; Gerichtsschreiber Bischofberger
Verfahrensbeteiligte
X. ,
Beschwerdeführer,
vertreten durch Rechtsanwältin lic. iur. Caroline B. Ferber, LL.M., Teichmann
International (Schweiz) AG, Dufourstrasse 124, 9000 St. Gallen,
gegen
Verwaltungsrekurskommission des Kantons St. Gallen, Unterstrasse 28, 9001 St. Gallen,
Vorinstanz,
und
Strassenverkehrs- und Schifffahrtsamt, Frongartenstrasse 5, 9001 St. Gallen,
Beschwerdegegner,
Gegenstand
Führerausweisentzug (Sicherungsentzug)
Das Verwaltungsgericht stellt fest:
X. , geboren 1942, wurde am 23. April 1991 der Führerausweis der Kategorien B und BE und der Unterkategorien D1 und D1E sowie am 23. Dezember 2003 ein solcher der Kategorie A erteilt (act. 6/16/44 f.). Am 12. Mai 2009 und 16. Mai 2012 entzog ihm das Strassenverkehrsamt des Kantons Zürich wegen mittelschweren Widerhandlungen gegen die Strassenverkehrsvorschriften (mangelnde Aufmerksamkeit, Nichtanpassen der Geschwindigkeit an die gegebenen Verhältnisse) den Führerausweis jeweils für einen Monat (act. 6/16/24-30). Am 22. Juli 2016 entzog ihm das Strassenverkehrs- und Schifffahrtsamt des Kantons St. Gallen (nachfolgend: SVSA) wegen einer Kollision mit einer Fussgängerin auf dem Fussgängerstreifen (schwere Widerhandlung) den Führerausweis für sechs Monate und am 12. Januar 2017 wegen sichthemmender Ladung auf der Beifahrerseite (leichte Widerhandlung) für einen Monat (act. 6/16/4-9).
Gemäss Rapport der Kantonspolizei St. Gallen vom 7. Februar 2019 parkierte X. seinen Personenwagen mit dem amtlichen Kennzeichen SG 000 am 15. Januar 2019 auf dem Parkplatz der Liegenschaft Nr. 001 an der A. -strasse in Q. , welcher eine seitliche Neigung von 4% und 90° zur Fahrbahn ein Gefälle von 12% aufweist. Nachdem er das Fahrzeug verlassen hatte, ohne die Handbremse anzuziehen und mutmasslich ohne die Automatikstellung auf die Position "P" zu stellen, setzte sich sein Personenwagen selbständig in Bewegung, rollte rückwärts aus dem Parkfeld über die A. -strasse und kam anschliessend beim Zaun am Strassenrand zum Stillstand
(act. 6/16/14-19). Gestützt auf den Polizeirapport büsste ihn das Untersuchungsamt Y. mit Strafbefehl vom 27. Februar 2019 wegen einfacher Verletzung der Verkehrsregeln mit CHF 300 (act. 6/16/10 f.). Auf eine dagegen von X. am
2. April 2019 erhobene Einsprache trat der Einzelrichter der ersten Abteilung des Kreisgerichts Z. mit Entscheid vom 18. Juni 2019 nicht ein. Mit Verfügung vom
2. Juli 2019 wies das Untersuchungsamt Y. ein Gesuch von X. vom 16. April 2019 um Wiederherstellung der Einsprachefrist gegen den Strafbefehl vom 27. Februar 2019 ab (act. 10). Dies Verfügung wurde unangefochten rechtskräftig.
Wegen des Vorfalls vom 15. Januar 2019 verbot das SVSA X. am 28. März 2019 vorsorglich das Führen von Motorfahrzeugen und entzog ihm den Führerausweis (act. 6/16/20-22). Mit Verfügung vom 17. April 2019 entzog ihm das SVSA den Führerausweis aller Kategorien für unbestimmte Zeit, mindestens aber für zwei Jahre. Für die Wiedererteilung des Führerausweises nach Ablauf der Sperrfrist verlangte es den Nachweis der Fahreignung mittels verkehrspsychologischer Begutachtung
(act. 6/16/46-49). Dagegen rekurrierte X. am 9./10. Mai 2019 an das SVSA (act. 6/2). Am 15. Mai 2019 (act. 6/1) überwies das SVSA den Rekurs zuständigkeitshalber an die Verwaltungsrekurskommission (nachfolgend: VRK). Am 3. Juni 2019 überwies das Sicherheits- und Justizdepartement ein Gesuch von X. um unentgeltliche Rechtspflege vom 27. Mai 2019 zuständigkeitshalber an die VRK (act. 6/7). Mit Entscheid vom 26. September 2019 wies die VRK den Rekurs ab und entzog einer allfälligen Beschwerde die aufschiebende Wirkung. Der zuständige Abteilungspräsident der VRK wies das Gesuch um Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege ab, soweit es nicht gegenstandslos geworden sei (act. 2/1).
Gegen den Entscheid der VRK (Vorinstanz) vom 26. September 2019 (versandt am
Oktober 2019) erhob X. (Beschwerdeführer) durch seine Rechtsvertreterin am
Oktober 2019 Beschwerde beim Verwaltungsgericht mit dem Rechtsbegehren, der angefochtene Entscheid sei unter Kosten- und Entschädigungsfolgen aufzuheben. Eventualiter sei die Angelegenheit an die Vorinstanz zurückzuweisen. Ihm sei die unentgeltliche Rechtspflege zu gewähren (act. 1). Mit Zwischenverfügung vom
Oktober 2019 bewilligte der Abteilungspräsident das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege und bestimmte Rechtsanwältin lic. iur. Caroline B. Ferber, LL.M., zur unentgeltlichen Rechtsbeiständin (act. 4). Mit Vernehmlassung vom 18. Oktober 2019 schloss die Vorinstanz auf Abweisung der Beschwerde (act. 5). Am 28. Oktober 2019 verzichtete das SVSA (Beschwerdegegner) auf eine Vernehmlassung (act. 8.1).
Auf die Erwägungen im angefochtenen Entscheid und die Ausführungen des Beschwerdeführers zur Begründung seiner Anträge sowie die Akten wird, soweit wesentlich, in den Erwägungen eingegangen.
Darüber zieht das Verwaltungsgericht in Erwägung:
Die sachliche Zuständigkeit des Verwaltungsgerichts ist gegeben (vgl. Art. 59 Abs. 1
des Gesetzes über die Verwaltungsrechtspflege; sGS 951.1, VRP, und
BGer 1C_346/2009 vom 6. November 2009 E. 4.3 f. mit Hinweisen). Der Beschwerdeführer ist zur Erhebung der Beschwerde befugt (Art. 64 in Verbindung mit Art. 45 Abs. 1 VRP). Die Beschwerde wurde rechtzeitig erhoben und erfüllt in formeller und inhaltlicher Hinsicht die gesetzlichen Anforderungen (Art. 64 in Verbindung mit
Art. 47 Abs. 1 und Art. 48 Abs. 1 VRP). Auf die Beschwerde ist einzutreten.
Zu prüfen ist, ob die Vorinstanz den Rekurs gegen den vom Beschwerdegegner gegenüber dem Beschwerdeführer am 17. April 2019 verfügten Sicherungsentzug auf unbestimmte Zeit mit einer Sperrfrist von zwei Jahren zu Recht abgewiesen hat.
Laut Art. 37 Abs. 3 des Strassenverkehrsgesetzes (SR 741.01, SVG) in Verbindung mit Art. 22 der Verkehrsregelnverordnung (SR 741.11, VRV) muss der Führer das Fahrzeug vor dem Verlassen angemessen sichern (vgl. dazu BGE 118 Ib 524 E. 3b und
BGE 91 IV 207 E. 2 je mit Hinweis[en], BGer 6B_613/2011 vom 25. November 2011
E. 2, in: P. Weissenberger, Tatort Strasse, in: R. Schaffhauser [Hrsg.], Jahrbuch zum Strassenverkehrsrecht 2012, S. 479 ff., S. 494 f., Urteil des Obergerichts Zürich SU150078 vom 22. Februar 2016 III. Materielles E. 1 ff. sowie SJZ 61/1965, S. 295 f., siehe auch BGer 513/2011 vom 28. November 2011 resp. VerwGE B 2011/115 vom 18. Oktober 2011, www.gerichte.sg.ch). Gemäss dem rechtskräftigen Strafbefehl des Untersuchungsamtes Y. vom 27. Februar 2019 (act. 6/16/10 f.) hat der Beschwerdeführer am 15. Januar 2019 diese Pflicht verletzt. Der Beschwerdeführer rügt in dieser Hinsicht (act. 1, S. 2 f. Ziff. IIa), der Sachverhalt sei von der Polizei ungenügend abgeklärt worden. Die Strafverfolgungsbehörden hätten es unterlassen, den entlastenden Umständen mit der gleichen Sorgfalt nachzugehen wie den belastenden. Es seien keine Spuren gesichert und der Diebstahl seines Navigationsgerätes trotz seines Hinweises nicht weiterverfolgt worden. Er habe sein Fahrzeug samt Autoschlüssel verlassen. Sein Fahrzeug könne unmöglich von selber weggerollt sein, da der Autoschlüssel nicht aus der Fassung entfernt werden könne, wenn der Schalthebel nicht auf Parking (P) gestellt sei.
Die urteilende Behörde, die über einen Führerausweisentzug entscheidet, darf von den Sachverhaltsfeststellungen eines rechtskräftigen Strafurteils nur abweichen, wenn sie Tatsachen feststellt und ihrem Entscheid zugrunde legt, die dem Strafrichter unbekannt waren die er nicht beachtet hat, wenn sich die Erhebung zusätzlicher Beweise aufdrängt, wenn die Beweiswürdigung durch den Strafrichter eindeutig im Widerspruch zur Tatsachenlage steht wenn der Strafrichter bei der Rechtsanwendung auf den Sachverhalt nicht sämtliche Rechtsfragen abgeklärt hat, insbesondere jene nicht, welche die Verletzung der Verkehrsregeln betreffen (vgl. BGE 139 II 95 E. 3.2, in:
Pra 2013 Nr. 83, und BGE 124 II 103 E. 1c/aa je mit Hinweisen, VerwGE B 2016/248 vom 6. Dezember 2017 E. 2, aufgehoben mit BGer 1C_33/2018 vom 6. Juli 2018, und VerwGE B 2016/163 vom 18. Oktober 2017 E. 3.2, bestätigt mit BGer 1C_625/2017 vom 24. November 2017, je mit Hinweisen, www.gerichte.sg.ch, sowie
P. Weissenberger, Kommentar Strassenverkehrsgesetz und Ordnungsbussengesetz,
2. Aufl. 2015, Vorbemerkungen zu Art. 16 ff. Rz. 10).
Entgegen der Darstellung des Beschwerdeführers geht aus dem Rapport der
Kantonspolizei vom 7. Februar 2019 (act. 6/16/14-18) zunächst hervor, dass die Polizei
seinem am 15. Januar 2019 geäusserten Verdacht, Drittpersonen hätten seinen Personenwagen "manipuliert", nachgegangen ist. Damit kann nicht gesagt werden, dieser Verdacht sei dem Strafrichter unbekannt gewesen er habe ihn nicht beachtet. Daran ändert nichts, dass der Beschwerdeführer nachträglich am
2. April 2019 präzisierte, anlässlich des Vorfalls vom 15. Januar 2019 sei sein Navigationsgerät – angeblich von einem Bekannten resp. dessen zwei Kollegen
(act. 6/16/35) – aus seinem nicht abgeschlossenen Auto (siehe zur Pflicht zur Sicherung des Fahrzeugs gegen Verwendung durch Unbefugte Art. 22 Abs. 1 Satz 2 VRV) gestohlen worden (act. 6/16/31-34, act. 2/2, Schreiben vom 23. Juli 2019). Weiter sagte der Beschwerdeführer am 15. Januar 2019 gegenüber der Polizei aus, er sei "ziemlich sicher" die Automatikstellung auf "P" gestellt zu haben (act. 6/16/15). Damit steht die Annahme des Strafrichters im Strafbefehl vom 27. Februar 2019 (act. 6/16/10 f.), der Beschwerdeführer habe die Automatikstellung mutmasslich nicht auf "P" gestellt, nicht eindeutig im Widerspruch zur Tatsachenlage, wenngleich der Beschwerdeführer nicht wegen Verlassens des Fahrzeuges, ohne den Zündungsschlüssel wegzunehmen (Art. 1 und Anhang 1 Ziff. 317 der Ordnungsbussenverordnung; SR 741.031, OBV), gebüsst wurde. Ob der Zündungsschlüssel gemäss dem Beschwerdeführer nur in der Automatikstellung "P" abgezogen werden konnte, kann im Übrigen dahingestellt bleiben. Der Beschwerdeführer bestreitet die Sachverhaltsfeststellungen im Strafbefehl vom 27. Februar 2019 nicht, wonach der Parkplatz auf der Liegenschaft Nr. 001 an der A. -strasse in Q. eine seitliche Neigung von 4% und 90° zur Fahrbahn ein Gefälle von 12% aufweist. Bei dieser Sachlage wäre er so anders verpflichtet gewesen, das Fahrzeug vor dem Verlassen zusätzlich mittels der Handbremse gegen das Wegrollen zu sichern (vgl. Art. 22 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 VRV), was er jedoch unbestrittenermassen unterliess. Unter diesen Umständen besteht kein Anlass, von den tatsächlichen Feststellungen im Strafbefehl vom 27. Februar 2019 abzuweichen. Danach hat der Beschwerdeführer am 15. Januar 2019 seinen Personenwagen (erste Inverkehrsetzung: 1. August 1994) mit dem amtlichen Kennzeichen SG 000 auf dem Parkplatz der Liegenschaft Nr. 001 an der A. -strasse in Q. , welcher eine seitliche Neigung von 4% und 90° zur Fahrbahn ein Gefälle von 12% aufweist, parkiert, ohne die Handbremse anzuziehen und mutmasslich ohne die Automatikstellung auf "P" zu stellen. Darauf setzte sich sein Personenwagen selbständig in Bewegung, rollte rückwärts aus dem Parkfeld über die A. -strasse und kam anschliessend beim Zaun
am Strassenrand zum Stillstand. Die Vorinstanz und der Beschwerdegegner durften gestützt darauf im Ergebnis davon ausgehen, der Beschwerdeführer habe am
15. Januar 2019 seinen Personenwagen beim Parkieren ungenügend gesichert und damit gegen Art. 37 Abs. 3 SVG und Art. 22 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 VRV verstossen.
Nach Widerhandlungen gegen die Strassenverkehrsvorschriften, bei denen das Verfahren nach dem Ordnungsbussengesetz (SR 741.03, OBG) ausgeschlossen ist, wird gemäss Art. 16 Abs. 2 SVG der Führerausweis entzogen eine Verwarnung ausgesprochen. Bei der Festsetzung der Dauer des Entzugs sind gemäss Art. 16 Abs. 3 SVG die Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen, namentlich die Gefährdung der Verkehrssicherheit, das Verschulden, der Leumund als
Motorfahrzeugführer sowie die berufliche Notwendigkeit, ein Motorfahrzeug zu führen; die Mindestentzugsdauer darf jedoch, von einer hier nicht interessierenden Ausnahme abgesehen (Art. 100 Ziff. 4 SVG), nicht unterschritten werden (vgl. BGE 143 II 699
E. 2.3 und BGer 1C_204/2017 vom 18. Juli 2017 E. 2.1 mit Hinweis auf
BGer 1C_424/2012 vom 15. Januar 2013 E. 2.1). Alle Umstände sind dabei gesamthaft zu würdigen, und es ist im Einzelfall die Entzugsdauer so festzusetzen, dass die mit der Massnahme beabsichtigte erzieherische und präventive Wirkung am besten erreicht wird (vgl. BGer 1C_320/2018 vom 14. Januar 2019 E. 3.1 und BGer 1C_312/2018 vom
30. Oktober 2018 E. 4 mit Hinweisen). Das SVG regelt den Entzug des Führerausweises im sog. Kaskadensystem (vgl. BGer 1C_89/2017 vom
22. Dezember 2017 E. 2.4.2 mit Hinweisen). Es unterscheidet zwischen der leichten, mittelschweren und schweren Widerhandlung (Art. 16a-c SVG). Gemäss Art. 16a Abs. 1 SVG begeht eine leichte Widerhandlung unter anderen, wer durch Verletzung von Verkehrsregeln eine geringe Gefahr für die Sicherheit anderer hervorruft und ihn dabei nur ein leichtes Verschulden trifft (lit. a). Eine mittelschwere Widerhandlung begeht unter anderen, wer durch Verletzung von Verkehrsregeln eine Gefahr für die Sicherheit anderer hervorruft in Kauf nimmt (Art. 16b Abs. 1 lit. a SVG). Leichte und mittelschwere Widerhandlungen werden als einfache Verkehrsregelverletzungen von Art. 90 Abs. 1 SVG erfasst. Die mittelschwere Widerhandlung gemäss Art. 16b Abs. 1 lit. a SVG stellt einen Auffangtatbestand dar. Sie liegt vor, wenn nicht alle privilegierenden Elemente einer leichten Widerhandlung gemäss Art. 16a Abs. 1
lit. a SVG und nicht alle qualifizierenden Elemente einer schweren Widerhandlung gemäss Art. 16c Abs. 1 lit. a SVG gegeben sind. Die Annahme einer schweren
Widerhandlung setzt kumulativ eine qualifizierte objektive Gefährdung und ein qualifiziertes Verschulden voraus. Ist die Gefährdung gering, aber das Verschulden hoch, umgekehrt die Gefährdung hoch und das Verschulden gering, liegt eine mittelschwere Widerhandlung vor. Eine Gefahr für die Sicherheit anderer im Sinne von Art. 16a-c SVG ist bei einer konkreten auch bei einer erhöhten abstrakten Gefährdung zu bejahen. Eine erhöhte abstrakte Gefahr besteht, wenn in Anbetracht der jeweiligen Verhältnisse des Einzelfalls die Möglichkeit einer konkreten Gefährdung gar Verletzung naheliegt (vgl. BGer 1C_566/2018 vom 14. Mai 2019 E. 2.1,
BGer 1C_634/2017 vom 10. April 2018 E. 5.1, BGer 1C_656/2015 vom 8. April 2016 E. 2.1 f., BGer 1C_20/2013 vom 28. Mai 2013 E. 4.3 f. und BGer 1C_83/2010 vom
12. Juli 2010 E. 4 je mit Hinweisen). Laut Art. 16b Abs. 2 lit. e SVG wird der Führerausweis nach einer mittelschweren Widerhandlung auf unbestimmte Zeit, mindestens aber für zwei Jahre entzogen, wenn in den vorangegangenen zehn Jahren der Ausweis dreimal wegen mindestens mittelschweren Widerhandlungen entzogen war, ausser die betroffene Person hat während mindestens fünf Jahren nach Ablauf eines Ausweisentzugs keine Widerhandlung begangen, für die eine Administrativmassnahme ausgesprochen wurde. Die zehnjährige Rückfallfrist beginnt mit dem Ablauf des Ausweisentzugs (vgl. BGer 1C_180/2010 vom 22. September 2010
E. 2.2, allerdings in Bezug auf Art. 16b Abs. 2 lit. b SVG). Ein auf unbestimmte Zeit entzogener Ausweis kann unter den Voraussetzungen von Art. 17 Abs. 3 SVG wiedererteilt werden.
Der Beschwerdeführer bestreitet nicht, dass es sich vorliegend um einen mittelschweren Verstoss handelt (vgl. dazu zutreffende E. 5b des angefochtenen Entscheids, act. 2/1, S. 5 f., siehe dazu auch SOG 2007 Nr. 21). Ebenso ist nicht umstritten, dass dem Beschwerdeführer der Führerausweis in den letzten zehn Jahren dreimal wegen zumindest mittelschweren Widerhandlungen entzogen wurde und er nicht während mindestens fünf Jahren nach Ablauf eines Ausweisentzugs keine Widerhandlung, für die eine Administrativmassnahme ausgesprochen wurde, begangen hat. Damit sind die Voraussetzungen von Art. 16b Abs. 2 lit. e SVG erfüllt. Der Beschwerdeführer stellt sich auf den Standpunkt (act. 1, S. 3 f. Ziff. IIb), der Mindestentzug des Führerausweises für zwei Jahre sei aufgrund des vorliegenden, nicht vollständig abgeklärten Sachverhalts nicht verhältnismässig. Er sei vor allem im Winter aus gesundheitlichen Gründen auf den Führerausweis angewiesen. Die ganze
Familie sei dringend auf den Führerausweis angewiesen, müsse er doch seine Ehefrau mangels Verbindungen des öffentlichen Verkehrs in der Nacht von deren Arbeitsort abholen. Dem ist entgegenzuhalten, dass die Mindestentzugsdauer vorliegend nicht unterschritten werden darf (Art. 16 Abs. 3 Satz 2 SVG). Dessen ungeachtet ist der Sacherhalt, wie bereits unter Erwägung 2.1 hiervor ausgeführt, von der Vorinstanz nicht unvollständig festgestellt worden. Sodann hat der Beschwerdeführer in seinem Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege vom 27. Mai 2015 (act. 6/7) sowie in der von ihm eingereichten Steuererklärung vom 23. Juli 2019 (act. 2/4) angegeben, seine Ehefrau
sei gar nicht erwerbstätig. Seit wann seine Ehefrau indes nun doch, und wo einer Arbeit nachgeht, hat er demgegenüber weder aufgezeigt, noch nachgewiesen. Im Weiteren ist der von der Vorinstanz bestätigte Führerausweisentzug geeignet, den Beschwerdeführer von weiteren Widerhandlungen abzuhalten. Eine mildere Massnahme, die der Erreichung dieses Ziels dienlich wäre, ist nicht ersichtlich, zumal die in der Vergangenheit erfolgten Warnungsentzüge den Beschwerdeführer nicht von weiteren Widerhandlungen abzuhalten vermochten. Obwohl der Führerausweisentzug den Beschwerdeführer aufgrund seines offenbar schlechten Gesundheitszustands
(act. 1, S. 5 Ziff. IIc/4) schwer trifft, ist er ihm nach der vom Gesetzgeber selber in den Art. 16 ff. SVG getroffenen Konkretisierung des Verhältnismässigkeitsprinzips zumutbar. Die Beschwerde ist abzuweisen.
3. Dem Verfahrensausgang entsprechend sind die amtlichen Kosten dem Beschwerdeführer aufzuerlegen (Art. 95 Abs. 1 VRP). Eine Entscheidgebühr von CHF2'000 ist angemessen (Art. 7 Ziff. 222 der Gerichtskostenverordnung; sGS 941.12, GKV). Zufolge Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege gehen die Kosten vorläufig zulasten des Staates (Art. 99 Abs. 2 VRP in Verbindung mit Art. 122 Abs. 1 lit. b der Schweizerischen Zivilprozessordnung, Zivilprozessordnung; SR 272, ZPO).
Der Staat hat die Rechtsvertreterin des Beschwerdeführers zufolge unentgeltlicher Rechtsverbeiständung für die ausseramtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens zu entschädigen (Art. 99 Abs. 2 VRP in Verbindung mit Art. 122 Ingress und Abs. 1
lit. a ZPO). Die Rechtsvertreterin hat keine Kostennote eingereicht, weshalb die Entschädigung nach Ermessen festzusetzen ist (Art. 30 Ingress und lit. b Ziff. 2 und Art. 31 Abs. 1 des Anwaltsgesetzes; sGS 963.70, AnwG, Art. 6 und Art. 19 der Honorarordnung; sGS 963.75, HonO). Eine Entschädigung von CHF 2'500 für das
Beschwerdeverfahren erscheint angemessen (Art. 22 Abs. 1 lit. b HonO). Der Staat hat somit die Rechtsvertreterin mit 80% (vgl. Art. 31 Abs. 3 AnwG) von CHF 2'500 zuzüglich CHF 100 Barauslagen (vier Prozent von CHF 2‘500, vgl. Art. 28 bis
Abs. 1 HonO) und Mehrwertsteuer von 7,7% (Art. 29 HonO), insgesamt mit
CHF 2'261.70 zu entschädigen. Die Rechtsvertreterin darf von ihrem Mandanten kein zusätzliches Honorar fordern (Art. 11bis HonO). Der Beschwerdeführer wird darauf hingewiesen, dass er je nach Prozessausgang zur Nachzahlung von Gerichts- und Anwaltskosten verpflichtet werden kann, wenn sich seine wirtschaftlichen Verhältnisse entsprechend verbessern (Art. 99 Abs. 2 VRP in Verbindung mit Art. 123 Abs. 1 ZPO).
Demnach erkennt das Verwaltungsgericht auf dem Zirkulationsweg zu Recht:
Die Beschwerde wird abgewiesen.
Die amtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens von CHF 2‘000 werden dem Beschwerdeführer auferlegt. Der Betrag geht zufolge Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege vorläufig zulasten des Staates.
Der Staat entschädigt die Rechtsvertreterin des Beschwerdeführers aus unentgeltlicher Rechtsverbeiständung für das Beschwerdeverfahren mit CHF 2‘261.70 (inkl. Barauslagen und 7,7% Mehrwertsteuer).
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