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Urteil Verwaltungsgericht (SG)

Kopfdaten
Kanton:SG
Fallnummer:B 2017/26
Instanz:Verwaltungsgericht
Abteilung:Verwaltungsgericht
Verwaltungsgericht Entscheid B 2017/26 vom 25.07.2018 (SG)
Datum:25.07.2018
Rechtskraft:
Leitsatz/Stichwort:Entscheid Verfahren, Nichteintreten auf eine Sprungbeschwerde gegen ein superprovisorisch verfügtes vorsorgliches Konzertverbot, Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG analog, Art. 15 Abs. 3 und Art. 18 VRP. Qualifikation als superprovisorisch verfügte vorsorgliche Massnahme (E. 1.1 f.). Der Beschwerdeführer bemühte sich nach Erhalt des angefochtenen superprovisorischen Konzertverbots nicht umgehend um den Erlass einer ordentlichen vorsorglichen Massnahme. Auch sieht er das Beschleunigungsgebot nicht verletzt. Deswegen rechtfertigte es sich vorliegend nicht, die Beschwerde zuzulassen (E. 1.3), (Präsidialentscheid Verwaltungsgericht, B 2017/26).
Schlagwörter: Beschwerde; Hinweis; Verfügung; Konzert; Beschwerdeführer; Massnahme; Hinweisen; Wäre; Kanton; Vorinstanz; Veranstaltung; Recht; Superprovisorisch; Gallen; Angefochtene; Vorsorgliche; Hierzu; Verbot; Angefochtenen; Schweiz; Kantons; VerwGE; Superprovisorische; Konzertverbot; Massnahmen; Bundesgericht; Veranstaltungsort; Hinweisen
Rechtsnorm: Art. 22 BV ; Art. 27 BV ; Art. 29 BV ; Art. 36 BV ; Art. 92 BGG ; Art. 94 BV ;
Referenz BGE:126 II 111; 127 I 164; 132 I 256; 132 I 49; 136 II 281; 136 V 131; 137 I 31; 137 II 284; 137 II 431; 137 III 417; 140 I 218; 140 III 289; 141 II 14; 143 I 147;
Kommentar zugewiesen:
Spühler, Basler Kommentar zur ZPO, Art. 321 ZPO ; Art. 311 ZPO, 2017
Weitere Kommentare:-
Entscheid
Entscheid vom 25. Juli 2018

Verfahrensbeteiligte

X. ,

Beschwerdeführer,

vertreten durch Rechtsanwalt Dr. iur. Jürg Krumm, Anwaltsbüro Landmann, Postfach

6047, 8050 Zürich,

gegen

Kantonspolizei St. Gallen, Klosterhof 12, 9001 St. Gallen,

Vorinstanz,

Gegenstand

Konzertverbot (superprovisorische Massnahme)

Der Abteilungspräsident stellt fest:

  1. Die Partei Z. (Z), ein Verein nach Art. 60 ff. des Schweizerischen Zivilgesetzbuches (SR 210, ZGB), kündigte Ende 2016 mittels Veranstaltungsflyern und in den Sozialen Medien an, am 14. Januar 2017 ein Unterstützungskonzert für ihr Parteihaus in der Schweiz zu organisieren (act. 6, www.z...ch). Nach Angaben der Vorinstanz sollten drei Musikgruppen aus der Schweiz, Deutschland und Italien mit rechtsextremer politischer Orientierung auftreten (vgl. Sachverhalt Ziff. I/2 der angefochtenen Verfügung, act. 2/1/2, S. 1 f.). Mit Verfügung vom 3. Januar 2017 verbot der Kommandant der Kantonspolizei St. Gallen der Z unter Androhung einer Busse nach Art. 292 des Schweizerischen Strafgesetzbuches (SR 311.0, StGB), dieses Konzert im Kanton St. Gallen durchzuführen. Einem allfälligen Rechtsmittel entzog er die aufschiebende Wirkung. Auch stellte er in Aussicht, bei Widerhandlung gegen das Verbot entstehende Sicherheitskosten der Z zu überwälzen (act. 2/1/2).

  2. Gegen die Verfügung der Kantonspolizei (Vorinstanz) vom 3. Januar 2017 (zugestellt am 9. Januar 2017, act. 2/3) rekurrierte X. (Beschwerdeführer), Präsident der Z, durch seinen Rechtsvertreter am 23. Januar 2017 an das Sicherheits- und Justizdepartement mit dem Rechtsbegehren, die angefochtene Verfügung sei unter Kosten- und Entschädigungsfolge aufzuheben (act. 2/1). Mit Einverständnis des Beschwerdeführers vom 8. Februar 2017 überwies das Departement am 10. Februar 2017 den Rekurs als Sprungbeschwerde dem Verwaltungsgericht (act. 1, act. 2/4 f.). Mit Vernehmlassung vom 13. März 2017 schloss die Vorinstanz auf Abweisung der Beschwerde (act. 5).

    Der Abteilungspräsident erwägt:

    1. Über das Nichteintreten auf offensichtlich verspätete oder aus andern Gründen offensichtlich unzulässige Eingaben kann der Präsident des Verwaltungsgerichts, seit

      dem 1. Juni 2017 der Abteilungspräsident, verfügen (Art. 39 bis Abs. 1 Ingress lit. a Ingress und Ziff. 1 des Gesetzes über die Verwaltungsrechtspflege, sGS 951.1, VRP, in Verbindung mit Art. 4 Abs. 1 und 3 des Reglements über die Organisation und den Geschäftsgang des Verwaltungsgerichts, sGS 941.22, Reglement, und Art. 33 Abs. 2 VRP, siehe zum Intertemporalrecht auch Art. 133 Abs. 1 und 2 VRP sachgemäss). Die Begründung einer solchen Verfügung beschränkt sich auf eine kurze Angabe des Grundes für das Nichteintreten (Art. 39bis Abs. 2 VRP).

      1. Inhalt und Tragweite einer Verfügung ergeben sich in erster Linie aus dem Dispositiv. Ist das Verfügungsdispositiv unklar, unvollständig, zweideutig oder widersprüchlich, so muss die Unsicherheit durch Auslegung behoben werden. Zu diesem Zweck kann auf die Begründung der Verfügung zurückgegriffen werden. Verwaltungsverfügungen sind nicht nach ihrem bisweilen nicht sehr treffend verfassten Wortlaut, sondern – vorbehältlich des Vertrauensschutzes – nach ihrem wirklichen rechtlichen Bedeutungsgehalt zu verstehen. Eine Verfügung darf nur so ausgelegt werden, wie sie der Empfänger aufgrund aller Umstände, die ihm im Zeitpunkt der Eröffnung bekannt waren oder hätten bekannt sein müssen, in guten Treuen verstehen durfte und musste (vgl. BGer 8C_652/2016 vom 21. Februar 2017 E. 4.3 und BVR 2016, S. 237 ff., S. 241 E. 4.1 je mit Hinweisen).

        Die Vorinstanz hat der Z und damit auch dem Beschwerdeführer als Präsidenten der Z sowie Mitorganisator des Konzerts vom 14. Januar 2017 die Durchführung der Veranstaltung im Kanton St. Gallen verboten (act. 2/1/2, Dispositiv-Ziffer 1). Insofern enthält die angefochtene Verfügung eine klare rechtsgestaltende Anordnung, die in Rechtskraft erwachsen kann. Allerdings lässt sich Ziff. I/1 des Sachverhalts der angefochtenen Verfügung entnehmen, dass der Vorinstanz im Erlasszeitpunkt weder der konkrete Veranstaltungsort, noch die mögliche Zahl potentieller Konzertbesucher bekannt waren. Insoweit war der Sachverhalt im Zeitpunkt des Erlasses der angefochtenen Verfügung in Widerspruch zum Untersuchungsgrundsatz (Art. 12 VRP, vgl. Cavelti/Vögeli, Verwaltungsgerichtsbarkeit im Kanton St. Gallen, 2. Aufl. 2003, Rz. 589 ff.) in entscheidwesentlichen Punkten noch nicht abgeklärt. Dementsprechend ist bereits die Tragweite der im Dispositiv getroffenen Regelung unklar.

      2. Die Vorinstanz erwog (act. 2/1/2), das auf den 14. Januar 2017 angekündigte (act. 6) Konzert könnte allenfalls im Kanton St. Gallen durchgeführt werden. Es wäre eine grössere Anzahl Konzertbesucher zu erwarten. Erfahrungsgemäss mobilisierten

        grössere Veranstaltungen mit Teilnehmern aus dem rechts- oder linksextremen Bereich immer wieder Demonstrationen der jeweiligen Gegenseite. Im Fall eines Aufeinandertreffens von Anhängern dieser beiden Seiten müsse ohne umfangreiche polizeiliche Präsenz mit Delikten gegen Leib und Leben sowie gegen das Vermögen gerechnet werden. Auch bestehe die konkrete Gefahr, dass unbeteiligte Dritte zu Schaden kämen. Ein allfälliges Konzertverbot sei verhältnismässig.

        Aus der Begründung der angefochtenen Verfügung ergibt damit ohne weiteres, dass die Vorinstanz das Verbot im Sinne einer (superprovisorisch verfügten, vgl. nachstehende Ausführungen) vorsorglichen Massnahme nach Art. 18 VRP erliess (vgl. hierzu GVP 1998 Nr. 86 E. 3c, Cavelti/Vögeli, a.a.O., Rz. 1107 f., H. Seiler, in: Waldmann/Weissmann [Hrsg.], Praxiskommentar Verwaltungsverfahrensgesetz,

        1. Aufl. 2016, Art. 55 Rz. 92 ff. und Art. 56 Rz. 26 ff., Kiener/Rütsche/Kuhn, öffentliches Verfahrensrecht, 2. Aufl. 2015, Rz. 478, N. von Werdt, in: Seiler/derselbe/Güngerich/ Oberholzer [Hrsg.], Bundesgerichtsgesetz, 2. Aufl. 2015, Art. 104 Rz. 2 f., R. Kiener, in:

          1. Griffel [Hrsg.], Kommentar zum Verwaltungsrechtspflegegesetz des Kantons Zürich,

        3. Aufl. 2014, § 6 Rz. 15 ff., Kölz/Häner/Bertschi, Verwaltungsverfahren und Verwaltungsrechtspflege des Bundes, 3. Aufl. 2013, Rz. 559 ff., S. Vogel, Vorsorgliche Massnahmen, in: Häner/Waldmann [Hrsg.], Das erstinstanzliche Verwaltungsverfahren, Zürich 2008, S. 87 ff., und I. Häner, Vorsorgliche Massnahmen im Verwaltungsverfahren und Verwaltungsprozess, in: ZSR 116/1997 II S. 253 ff., S. 264 f.), obgleich sie sie formell nicht als solche bezeichnete.

        Darüber hinaus verzichtete sie wegen zeitlicher Dringlichkeit und Gefahr in Verzug (vgl. Art. 15 Abs. 3 VRP, VerwGE B 2015/274 vom 24. März 2016 E. 3 mit Hinweisen, insbesondere auf VerwGE B 2004/15 vom 23. April 2004 E. 2b, www.gerichte.sg.ch, und BGer 1C_437/2016 vom 12. Mai 2017 E. 2, allerdings in Bezug auf Art. 30 Abs. 2 lit. e des Bundesgesetzes über das Verwaltungsverfahren, Verwaltungsverfahrensgesetz; SR 172.021, VwVG, sowie ZBl 1/1992, S. 40 ff., S. 45) auf eine vorgängige Anhörung des Beschwerdeführers (vgl. zum Anspruch auf rechtliches Gehör Art. 6 Ziff. 1 der Europäischen Konvention zum Schutze der

        Menschenrechte und Grundfreiheiten, SR 0.101, EMRK, Art. 29 Abs. 2 der Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft, SR 101, BV, Art. 4 lit. c der Verfassung des Kantons St. Gallen, SR 131.225, sGS 111.1, KV, sowie Art. 15

        Abs. 2 Satz 1 VRP und BGer 4A_453/2016 vom 16. Februar 2017 E. 2.1 mit Hinweisen). Demzufolge verfügte sie das vorsorgliche Konzertverbot gestützt auf 18 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 15 Abs. 3 VRP superprovisorisch in der Form einer Zwischenverfügung (vgl. hierzu VerwGE B 2010/173 vom 16. September 2010 E. 1.1 mit Hinweisen, www.gerichte.sg.ch, R. Kiener, a.a.O., § 6 Rz. 30, und BGE 136 V 131

        E. 1.1 und 1.3.1 mit Hinweisen sowie I. Häner, a.a.O., S. 280 ff.).

      3. Aus Art. 110 des Bundesgesetzes über das Bundesgericht (Bundesgerichtsgesetz; SR 173.110, BGG) ergibt sich, dass das kantonale Recht die Zulässigkeit von Beschwerden nicht enger fassen darf als das BGG. Dies gilt insbesondere auch für

Vor- und Zwischenentscheide (Art. 92 f. BGG): Sind solche beim Bundesgericht anfechtbar, müssen sie auch kantonal anfechtbar sein (vgl. H. Seiler, in: derselbe/von werdt/Güngerich/Oberholzer [Hrsg.], a.a.O., Art. 110 Rz. 3 f.). Auf Beschwerden gegen Entscheide betreffend superprovisorische Massnahmen tritt das Bundesgericht grundsätzlich nicht ein (vgl. BGE 140 III 289 E. 1.1 mit Hinweisen, allerdings in Bezug auf Art. 445 Abs. 2 des Schweizerischen Zivilgesetzbuches, SR 210, ZGB). Auch im st. gallischen öffentlichen Verfahrensrecht ist in Übereinstimmung mit der Schweizerischen Zivilprozessordnung (Zivilprozessordnung; SR 272, ZPO, vgl. BGE 137 III 417 E. 1.3 mit Hinweisen) und in analoger Anwendung von Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG aus folgenden Gründen gleich zu verfahren (vgl. demgegenüber zur Anfechtung einer ordentlichen vorsorglichen Massnahme Art. 18 Abs. 1, Art. 44 Abs. 1 und Art. 60 Abs. 1 lit. a VRP): Unmittelbar nach Erlass einer superprovisorischen Massnahme ist das rechtliche Gehör zu gewähren (vgl. BGE 126 II 111 E. 6b/aa mit Hinweisen). Die Betroffenen brauchen somit in der Regel kein Rechtsmittel zu ergreifen, um ihren Standpunkt vorzutragen. Sodann hat die Behörde in der superprovisorischen Zwischenverfügung darauf hinzuweisen, dass sie bereit sei, nach Gewährung des rechtlichen Gehörs eine anfechtbare Verfügung über die danach allenfalls bestätigte vorsorgliche Massnahme zu erlassen, sofern der Beschwerdeführer dies verlangte. Die Behörde ist aber nicht verpflichtet, die zweite Verfügung von Amtes wegen zu erlassen. Der Betroffene hat sich in zumutbarer Weise um diese zu bemühen und seinen Willen diesbezüglich klar zum Ausdruck zu bringen (vgl. BGE 137 II 284 E. 4.2.3 mit

Hinweisen, allerdings in Bezug auf Art. 36 des Bundesgesetzes über die Eidgenössische Finanzmarktaufsicht, Finanzmarktaufsichtsgesetz; SR 956.1, FINMAG). Verletzt eine Behörde nach Erlass einer superprovisorische Massnahme ferner das Beschleunigungsgebot (Art. 6 Ziff. 1 EMRK und Art. 29 Abs. 1 BV) kann dagegen jederzeit Rechtsverweigerungsbeschwerde (Art. 88 ff. VRP) erhoben werden, welche geeignet ist, die Dauer des Superprovisoriums zu beschränken und dessen Ersetzung durch eine vorsorgliche Massnahme zu bewirken (vgl. BGE 140 III 289 E. 2.6.2). Im Übrigen würde die Zulassung einer Beschwerde bereits gegen die superprovisorische Massnahme dazu führen, dass im Rahmen dieser Beschwerde der Entscheid über die vorsorglichen Massnahmen vorweggenommen werden müsste und insoweit präjudiziert würde (vgl. BGE 140 III 289 E. 2.6.3).

Beim vorliegend angefochtenen superprovisorischen Konzertverbot handelt es sich nicht um einen Ausnahmefall im Sinne der bundesgerichtlichen Rechtsprechung (vgl. hierzu die Aufzählung in BGE 140 III 289 E. 1.1 mit Hinweisen). Darüber hinaus hat sich der Beschwerdeführer nach Zugang der angefochtenen Verfügung am 9. Januar 2017 (act. 2/3) nicht umgehend um Erlass einer ordentlichen vorsorglichen Massnahme bemüht. Vielmehr blieb er bis zur Rekurserhebung am 23. Januar 2017 (act. 2/1) untätig. In der Eingabe von 23. Januar 2017 wirft er der Vorinstanz keine Verletzung des Beschleunigungsgebots vor. Vor diesem Hintergrund rechtfertigt es sich offensichtlich nicht, die vorliegende Beschwerde gegen das superprovisorisch angordnete Konzertverbot zuzulassen. Auf die Beschwerde ist daher nicht einzutreten.

Bei diesem Ergebnis kann dahingestellt bleiben, ob das Verwaltungsgericht aufgrund der Zustimmung des Beschwerdeführers vom 8. Februar 2017 zum Antrag des Sicherheits- und Justizdepartements auf Überweisung als Sprungbeschwerde vom 27. Januar 2017 (act. 2/4 f.) funktionell zuständig gewesen wäre (vgl. Art. 43ter VRP, in der Fassung vom 31. Januar 2017, nGS 2017-032, in Kraft gesetzt auf 1. Juni 2017, und VerwGE B 2016/209 vom 20. Januar 2017 E. 2.1, www.gerichte.sg.ch). Auch braucht nicht erörtert zu werden, wie es sich hinsichtlich der unrichtigen Rechtsmittelbelehrung (14-tägige Frist) in der angefochtenen Verfügung verhält (vgl. hierzu Art. 64 in Verbindung mit Art. 47 Abs. 2 f. VRP und K. Plüss, in: A. Griffel [Hrsg.], a.a.O., § 10 Rz. 51). Ebenso kann offen bleiben, ob der Beschwerdeführer zur Beschwerde befugt gewesen wäre (vgl. Art. 64 in Verbindung mit Art. 45 Abs. 1 VRP, Marantelli/Huber, in:

Waldmann/Weissenberger [Hrsg.], a.a.O., Art. 48 Rz. 15, und BGE 141 II 14 E. 4.4, VerwGE B 2016/2 vom 20. Januar 2017 E. 1.2.2 sowie VerwGE B 2014/247 vom

30. Juni 2015 E. 1.2 je mit Hinweisen, www.gerichte.sg.ch, siehe auch Art. 111 Abs. 1 des Bundesgesetzes über das Bundesgericht, Bundesgerichtsgesetz; SR 173.110, BGG, und BGE 136 II 281 E. 2.1 mit Hinweis), obschon die Z ihr Unterstützungskonzert am 14. Januar 2017 in Y. durchführte (vgl. Antworten des Regierungsrates C. je vom 9. Mai 2017 auf die Anfragen … und … der Kantonsräte A. und B. je vom

30. Januar 2017 sowie das zugehörige Kantonsratsprotokoll vom 18. September 2017,

www...ch).

2. Da sich die mit der Beschwerde aufgeworfenen grundsätzlichen Fragen zur Versammlungs- und Wirtschaftsfreiheit angesichts der bereits durchgeführten Veranstaltung der Z im Kanton St. Gallen am 22. Oktober 2016 (vgl. hierzu Motionen

„Rassistische Hetze unterbinden und Sicherheit von Minderheiten garantieren“ vom

26. November 2016 [Nr. 43.16.06] sowie „Veranstaltungen mit extremistischem Hintergrund verbieten“ vom 21. Februar 2017 [Nr. 42.17.01] sowie jeweilige Anträge der Regierung vom 7. März 2017, www.ratsinfo.sg.ch) unter ähnlichen Umständen wieder stellen könnten, rechtfertigt es sich aus prozessökonomischen Gründen einige Bemerkungen hierzu anzubringen. Diese Ausführungen stellen lediglich ein „obiter dictum“ dar, das nicht in Rechtskraft erwachsen kann (vgl. VerwGE B 2015/14 vom 20. Januar 2017 E. 1 mit Hinweis auf BGer 1C_372/2016 vom 8. Dezember 2016 E. 5, www.gerichte.sg.ch).

    1. Die Vorinstanz stütze ihr superprovisorisch ohne vorgängige Anhörung angeordnetes, das ganze Kantonsgebiet beschlagende Konzertverbot und damit den Eingriff in die Versammlungs- (vgl. Art. 22 BV, Art. 2 lit. p KV sowie Art. 11 Ziff. 1 EMRK und Art. 21 Satz 1 des Internationalen Paktes über bürgerliche und politische Rechte, SR 0.103.2, UNO-Pakt II, und BGE 143 I 147 E. 3.1, BGE 137 I 31 E. 6.1, BGE 132 I 49

      E. 5.3, BGE 132 I 256 E. 3 je mit Hinweisen, letzterer besprochen von Y. Hangartner, in: AJP 2007, S. 778 ff. sowie C. Errass, in: Ehrenzeller/Schindler/Schweizer/

      Vallender [Hrsg.], Die schweizerischen Bundesverfassung, 3. Aufl. 2014, Art. 22 Rz. 49 f., M. Mohler, Grundzüge des Polizeirechts in der Schweiz, Basel 2012, Rz. 494) und Wirtschaftsfreiheit (vgl. Art. 27 BV, BGer 1C_530/2014 vom 4. Januar 2016 E. 4.3.1 mit Hinweisen, insbesondere auf BGE 140 I 218 E. 6.3, in: Pra 104/2015 Nr. 1, BGE 131 I

      223 E. 1.1 mit Hinweisen und zur [echten] Grundrechtskonkurrenz in Bezug auf die Versammlungsfreiheit C. Errass, a.a.O., Art. 22 Rz. 41) des Beschwerdeführers auf Art. 12 lit. a des Polizeigesetzes (sGS 451.1, PG). Danach treffen die Polizeikräfte bei unmittelbarer Gefährdung oder Störung die unaufschiebbaren Massnahmen (vgl. Botschaft des Regierungsrates zum Entwurf eines Polizeigesetzes vom 22. Mai 1979, in: ABl 1979, S. 855 ff., S. 13). Wie Art. 36 Abs. 1 Satz 3 BV und Art. 2 Abs. 2 PG ermöglicht Art. 12 lit. a zweiter Satzteil PG der Polizei, insbesondere dem Polizeikommandanten (Art. 17 PG), eine Abstützung grundrechtsbeeinträchtigender Massnahmen auf die polizeiliche Generalklausel (vgl. G. Biaggini, Die polizeiliche Generalklausel: ein verkanntes Rechtsinstitut, in: ZBl 1/2012, S. 35 ff., S. 39 ff.), welche in Notsituationen eine fehlende gesetzliche Grundlage ersetzen und – selbst schwerwiegende – Eingriffe in Grundrechte legitimieren kann (vgl. BGE 137 II 431

      E. 3.3.1 f. mit Hinweisen und A. Epiney, in: Waldmann/Belser/dieselbe [Hrsg.], Basler Kommentar, Bundesverfassung, Basel 2015, Art. 36 Rz. 41 ff.). Art. 12 lit. a PG bot demnach im konkreten Fall eine ausreichende Handhabe, das fragliche Konzert superprovisorisch zu verbieten, sofern ein polizeilicher Notstand gegeben war (vgl. zum polizeilichen Notstand BGer 1C_35/2015 vom 28. Oktober 2015 E. 3.3 mit Hinweisen und T. Jaag, in: donatsch/derselbe/zimmerlin [Hrsg.], Kommentar zum Polizeigesetz des Kantons Zürich, Zürich 2018, § 9 Rz. 5 ff.). Nach Gewährung des rechtlichen Gehörs wären allerdings die Polizeibehörden, d.h. die Regierung (Art. 4 Abs. 1 PG, siehe hierzu auch Art. 18 Abs. 2 VRP und Art. 26 lit. d des Geschäftsreglements der Regierung und der Staatskanzlei, sGS 141.3, GeschR) resp. der Gemeinderat am Veranstaltungsort (Art. 9 PG), dafür zuständig gewesen, eine anfechtbare Verfügung über das allenfalls bestätigte vorsorgliche Konzert zu erlassen. Dies daher, weil es sich dabei nun nicht mehr um eine unaufschiebbare, d.h. superprovisorische Massnahme im Sinne von Art. 12 Abs. 1 lit. a PG gehandelt hätte (siehe zur Bewilligung von gesteigerten Gemeingebrauch an öffentlichen Strassen auch Art. 21 Abs. 1 des Strassengesetzes, sGS 732.1, StrG, in Verbindung mit Art. 5 Abs. 1 und 2 der Strassenverordnung, sGS 732.11, StrV, sowie BGE 127 I 164 E. 3b mit Hinweisen und VerwGE B 2008/50 vom 19. August 2008 E. 5.1 mit Hinweis auf H. Vogt, in: G. Germann [Hrsg.], Kurzkommentar zum st. gallischen Strassengesetz, St. Gallen 1989, Art. 21 Rz. 1, www.gerichte.sg.ch).

    2. Selbst wenn auf die Beschwerde (gegen eine vorsorgliche Massnahme) hätte eingetreten werden können, wäre sie als unbegründet abzuweisen gewesen. Im Rahmen der gebotenen vorläufigen und summarischen Prüfung hätte die angefochtene Verfügung vor der angerufenen Versammlungs- und Wirtschaftsfreiheit (soweit grundsatzkonform, vgl. Art. 94 Abs. 4 BV) ohne weiteres standgehalten (vgl. Art. 36 BV, BGer 1C_35/2015 vom 28. Oktober 2015 E. 2.2 sowie BGer 1C_530/2014 vom

4. Januar 2016 E. 4.3.2 mit Hinweis):

Aufgrund des unbekannten Veranstaltungsortes wäre die vorinstanzliche Beurteilung eines hohen Sicherheitsrisikos als richtig zu vermuten gewesen (vgl. C. Errass, a.a.O., Art. 22 Rz. 62, siehe auch BGer 1C_550/2015 vom 18. Januar 2016 E. 2.3.2, allerdings in Bezug auf eine bewilligungspflichtige Veranstaltung auf öffentlichem Grund). Demgemäss wäre die Wahrscheinlichkeit eines Aufeinandertreffens einer grösseren Anzahl Rechts- und Linksextremer anlässlich des Konzerts am 14. Januar 2017 im Kanton St. Gallen als hoch einzuschätzen gewesen. Ohne umfangreiche polizeiliche Präsenz hätte dabei die konkrete Gefahr bestanden, dass Personen, namentlich auch unbeteiligte Dritte, an Leib und Leben geschädigt worden wären oder strafbare Handlungen gegen das Vermögen begangen worden wären. Zudem wäre fraglich erschienen, ob der Beschwerdeführer von seinem Ansinnen, den Veranstaltungsort erst kurzfristig bekannt zu geben (vgl. Ankündigung auf www.z...ch, wonach der Veranstaltungsort am 14. Januar 2017, ab 12.00 Uhr, d.h. acht Stunden vor Konzertbeginn, bekannt gegeben werde) abgewichen wäre, wenn ihm die Vorinstanz unter gleichzeitiger Androhung des Konzertverbots Gelegenheit zur Stellungnahme eingeräumt hätte. Schliesslich entsprach dieses Vorgehen des Beschwerdeführers gemäss den glaubhaften Angaben der Vorinstanz (act. 5, Ziff. 1) dem üblichen Prozedere bei rechtsextremen Anlässen. Entsprechend hätte die Vorinstanz zur allfälligen Durchführung des Konzerts im Kanton St. Gallen anstelle eines Verbots nicht rechtzeitig sicherheitsrelevante Auflagen erlassen und auch keine allfällig gebotenen Vorkehren anordnen können. Es wäre mit anderen Worten für sie gar nicht abschätzbar gewesen, ob und wie sie rechtzeitig die erforderlichen Massnahmen hätte ergreifen können, um jeder Gefahr von Zusammenstössen von gewaltbereiten Rechts- und Linksextremen zuvorzukommen, zumal ihr dafür nur eine beschränkte Anzahl Einsatzkräfte zur Verfügung gestanden hätte (act. 5, Ziff. 2). Ferner hätte eine örtliche Einschränkung des kantonsweiten Verbots nicht genügt. Sodann hätte sich der

Beschwerdeführer wegen der Geheimhaltung des Veranstaltungsortes bis acht Stunden vor Konzertbeginn vorwerfen lassen müssen, die – entgegen seiner Auffassung (vgl. act. 2/1, S. 4 Ziff. II/B/4) – konkrete Gefahr einer Verletzung der öffentlichen Ordnung durch Dritte bei der Durchführung des Konzerts geradezu anstrebt und nicht nur bewusst in Kauf genommen zu haben (vgl. hierzu Wiederkehr/ Richli, Praxis des allgemeinen Verwaltungsrechts, Band II, Bern 2014, Rz. 455 ff.). Dadurch hätte er die Gewährung eines ausreichenden Polizeischutzes für seine Veranstaltung unterminiert. Folglich hätte er aus dem Hinweis (act. 2/1, S. 3 Ziff. II/B/4) auf das in der Lehre kritisierte Anknüpfen am Eventualvorsatz beim Zweckveranlasser (vgl. Häfelin/Müller/Uhlmann, Allgemeines Verwaltungsrecht, 7. Aufl. 2016, Rz. 2625)

nichts zu seinen Gunsten ableiten können. Nicht von Belang wäre im Übrigen gewesen, ob die zu erwartenden Gewalttätigkeiten durch das Verhalten der Besucher des Unterstützungskonzerts oder ihres Umfeldes selbst angestossen worden wären oder die unmittelbare Reaktion auf übergriffe provozierender gegnerischer Dritter gewesen wären. Die Vorinstanz hätte demzufolge ohne Verletzung des Verhältnismässigkeitsprinzips den Beschwerdeführer als Störer betrachten dürfen (vgl. hierzu ZBl 1/1992, S. 40 ff., S. 46). Des Weiteren wären angesichts der konkreten Gefahr der Verletzung von Personen an Leib und Leben sowie von Sachbeschädigungen ausserordentliche Einschränkungen der Versammlungs- und Wirtschaftsfreiheit in Betracht gefallen. Demgegenüber wäre kein politischer Anlass, sondern eine Konzertveranstaltung in Frage gestanden, selbst wenn sie von einer politischen Partei organisiert worden wäre. Dem hier besonders ausgeprägten öffentlichen Interesse am Verbot wäre somit in erster Linie das private Interesse an den Einnahmen durch das Konzert gegenübergestanden (vgl. E. 3 der angefochtenen Verfügung, act. 2/1/2). Inwiefern das Verbot den Beschwerdeführer unzumutbar getroffen hätte, ist von ihm nicht näher dargelegt worden und wäre auch nicht ersichtlich gewesen. Ihm wäre es offen gestanden, der Vorinstanz den Veranstaltungsort frühzeitig bekannt zu geben, um einen ausreichenden Polizeischutz für die Veranstaltung frühzeitig sicherzustellen. Bei dieser Sachlage hätte nicht gesagt werden können, die privaten Interessen würden das Eingriffsmotiv überwiegen.

3. Dem Ausgang des Verfahrens entsprechend – der Beschwerdeführer hat die prozessualen Voraussetzungen nicht eingehalten und ist deshalb als unterliegend zu betrachten (vgl. Cavelti/Vögeli, a.a.O., Rz. 769) – gehen die amtlichen Kosten zu Lasten

des Beschwerdeführers (Art. 95 Abs. 1 VRP). Angemessen ist eine Entscheidgebühr von CHF 500 (Art. 7 Ziff. 212 der Gerichtkostenverordnung, sGS 941.12, GKV). Aufgrund der formell unklar bezeichneten angefochtenen Verfügung ist auf die Erhebung zu verzichten (Art. 97 VRP). Dem Beschwerdeführer wird der geleistete Kostenvorschuss von CHF 1‘500 zurückerstattet. Ausseramtliche Kosten sind nicht

zuzusprechen (vgl. Art. 98 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 98bis VRP).

Demnach erkennt der Abteilungspräsident zu Recht:

  1. Auf die Beschwerde wird nicht eingetreten.

  2. Auf die Erhebung amtlicher Kosten wird verzichtet.

  3. Ausseramtliche Kosten werden nicht entschädigt.

Der Abteilungspräsident Zürn

Quelle: https://www.sg.ch/recht/gerichte/rechtsprechung.html
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