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Urteil Verwaltungsgericht (SG)

Kopfdaten
Kanton:SG
Fallnummer:B 2011/68, B 2011/69, B 2011/70
Instanz:Verwaltungsgericht
Abteilung:Verwaltungsgericht
Verwaltungsgericht Entscheid B 2011/68, B 2011/69, B 2011/70 vom 15.12.2011 (SG)
Datum:15.12.2011
Rechtskraft:
Leitsatz/Stichwort:Urteil Stipendienrecht, Art. 9 StipG (sGS 211.5) sowie Art. 25 Abs. 1 und 28 Abs. 1 StipV (sGS 211.51).Das Stipendienrecht geht von der abstrakt zumutbaren Leistungsfähigkeit aus. Für die Bemessung des Elternbeitrags bei Stipendien ist gemäss gesetzgeberischen Willen die Veranlagung der Staats- und Gemeindesteuern aus dem vorangegangenen Jahr und dort das in der Spalte "veranlagt steuerbar" festgehaltene Reineinkommen massgebend. Dies hat auch dann zu gelten, wenn ein Elternteil in der fraglichen Steuerperiode einen Nachzahlungsbetrag für mehrere frühere Jahre erhielt (Verwaltungsgericht, B 2011/68, B 2011/69 und B 2011/70).
Schlagwörter: Stipendien; Eltern; Beschwerde; Beschwerdeführerin; Beschwerdeführerinnen; StipV; Elternbeitrag; Recht; Rente; Stipendienrecht; Zahlung; Reineinkommen; Bemessung; Höhe; Elternbeitrags; Ausbildung; Steuerperiode; Einkommen; Vorinstanz; Steuerveranlagung; Rentennachzahlung; Leistung; Stipendienabteilung; Staat; StipG; Gallen; Veranlagung; Staats; Leistungsfähigkeit
Rechtsnorm: Art. 95 BGG ;
Referenz BGE:126 V 105; 134 III 277;
Kommentar zugewiesen:
Spühler, Basler Kommentar zur ZPO, Art. 321 ZPO ; Art. 311 ZPO, 2017
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Entscheid
Urteil vom 15. Dezember 2011

Anwesend: Vizepräsident lic. iur. A. Linder; Verwaltungsrichter Dr. B. Heer, lic. iur. A.

Rufener,

Dr. S. Bietenharder-Künzle; Ersatzrichterin lic. iur. D. Gmünder Perrig; Gerichtsschreiber

Dr. M. Looser

image

In Sachen

A. M.,

Beschwerdeführerin I,

und

An. M.,

Beschwerdeführerin II,

sowie

N. M.,

Beschwerdeführerin III,

alle vertreten durch Rechtsanwältin Dr. M. B. gegen

Bildungsdepartement des Kantons St. Gallen, Davidstrasse 31, 9001 St. Gallen,

betreffend

Stipendien

hat das Verwaltungsgericht festgestellt:

A./ S. und N. M., wohnhaft an der B-Strasse 00 in S., haben drei Kinder, A., M. und An.

M. Die drei Kinder befinden sich allesamt in Ausbildung und wohnen mittlerweile wieder alle zuhause bei ihren Eltern.

A. M. besuchte in den Jahren 2003 bis 2008 die Kantonsschule am Burggraben

St. Gallen. Für die Ausbildung erhielt sie ab dem Wintersemester 2006/2007 Stipendien. Auch für das Soziologiestudium an der Universität Zürich erhielt sie für das Herbstsemester 2009 und Frühjahrssemester 2010 Stipendien in der Höhe von jeweils Fr. 6'500.--. Seit September 2010 studiert sie an der Universität St. Gallen und stellte dafür am 24. August 2010 ein Stipendiengesuch. In der Folge wurde ihr mit Verfügung der Abteilung Stipendien und Studiendarlehen des Dienstes für Finanzen und Informatik (nachfolgend Stipendienabteilung) vom 28. September 2010 ein Stipendium in der Höhe von Fr. 550.-- für das Herbstsemester 2010 gewährt.

An. M. absolviert seit August 2009 eine Berufslehre als Fachfrau Gesundheit EFZ. Für das erste Lehrjahr erhielt sie ein Stipendium in der Höhe von Fr. 4'100.--. Für das zweite Lehrjahr stellte sie am 28. September 2010 erneut ein Stipendiengesuch. Mit Verfügung vom 29. September 2010 gewährte ihr die Stipendienabteilung für das Ausbildungsjahr vom 1. August 2010 bis 31. Juli 2011 ein Stipendium in der Höhe von Fr. 500.--.

M. M. besuchte von August 2008 bis im Sommer 2010 das Untergymnasium der Kantonsschule am Burggraben in St. Gallen. Mit Verfügung der Stipendienabsteilung vom 11. September 2008 wurde ein Stipendiengesuch für M. M. abgelehnt, da er sich noch in der obligatorischen Schulzeit befand. Seit August 2010 besucht M. M. die erste Klasse des Gymnasiums der Kantonsschule am Burggraben in St. Gallen. Er resp.

seine Eltern reichten am 30. August 2010 ein Stipendiengesuch ein. Für das

Herbstsemester 2010 wurde ihm mit Verfügung der Stipendienabteilung vom

28. September 2010 ein Stipendium in der Höhe von Fr. 900.-- gewährt.

  1. ./ Mit Eingaben vom 9. resp. 10. Oktober 2010 erhoben A. und An. M. sowie N. M. als

    gesetzliche Vertreterin von M. M. gegen die Verfügungen der Stipendienabteilung vom

    28. resp. 29. September 2010 jeweils einzeln Rekurs beim Bildungsdepartement und beantragten sinngemäss, die Verfügungen vom 28. resp. 29. September 2010 seien aufzuheben und die Stipendien für A., An. und M. M. seien neu zu berechnen. Die Rekurse wurden jeweils im Wesentlichen damit begründet, dass die Stipendienabteilung bei der Berechnung der Elternleistung von einem Reineinkommen von Fr. 75'366.-- ausgegangen sei. In diesem Betrag sei eine Rentennachzahlung der Pensionskasse an S. M. für die Zeit vom 29. Mai 2005 bis 31. Dezember 2009 in der Höhe von Fr. 43'918.-- enthalten. In der Veranlagungsberechnung der Staats- und Gemeindesteuern 2009 werde jedoch in der Spalte "veranlagt zum Satz" eine jährliche Rente von Fr. 9'576.-- aufgeführt. Für die Berechnung der Elternleistung sei deswegen von einem Reineinkommen von Fr. 41'024.-- auszugehen.

    Die Stipendienabteilung machte in ihren Vernehmlassungen vom 29. Oktober 2010 im Wesentlichen geltend, dass für die Bemessung des Elternbeitrags die Steuerveranlagung aus dem Jahr 2009 massgebend sei und dass es nicht ersichtlich sei, weshalb die Rentennachzahlung in der Höhe von Fr. 43'918.-- nicht in den

    Elternbeitrag mit einberechnet werden solle. Mit Eingaben vom 7. November 2010 nahmen A., An. und N. M. jeweils einzeln Stellung zu den Vernehmlassungen der Stipendienabteilung. Sie brachten dabei hauptsächlich vor, dass das Reineinkommen der Eltern gemäss der Veranlagung für die Staats- und Gemeindesteuern 2009

    Fr. 41'024.-- betrage. Mit Schreiben vom 22. November 2010 nahm die Stipendienabteilung dazu Stellung und hielt im Wesentlichen fest, dass für die Berechnung des Elternbeitrags die Spalte "veranlagt steuerbar" in der Veranlagungsberechnung massgebend sei, weil dort das effektive Einkommen ausgewiesen werde.

    Mit den Entscheiden vom 18. März 2011 lehnte das Bildungsdepartement die Rekurse von A., An. und N. M. jeweils einzeln und kostenpflichtig ab. Zur Begründung wurde im Wesentlichen vorgebracht, dass für ein Stipendium nicht die effektiv erbrachte oder zivilrechtlich geschuldete Unterstützung der Eltern angerechnet werde, sondern die durch kantonales öffentliches Recht abstrakt festgelegte Leistung der Eltern. Für die Bemessung der Stipendienbeiträge für das Jahr 2010 sei das Reineinkommen gemäss Veranlagung der Steuerperiode 2009 massgebend. Die Veranlagungsberechnung der Staats- und Gemeindesteuern 2009 von S. und N. M. weise in der Spalte "veranlagt steuerbar" ein Reineinkommen von Fr. 75'366.-- aus und dies sei massgebend.

  2. ./ Mit Eingaben ihrer Rechtsvertreterin vom 2. April 2011 und 5. Juli 2011 erheben A. und An. M. sowie N. M. als gesetzliche Vertreterin von M. M. je einzeln Beschwerde beim Verwaltungsgericht mit den jeweiligen Anträgen, die Entscheide des Bildungsdepartements vom 18. März 2011 seien kosten- und entschädigungspflichtig aufzuheben; es sei den Berechnungen ein massgebliches Einkommen der Eltern von Fr. 41'024.-- zu Grunde zu legen; und die Stipendiengesuche von A., An. und M. M. seien in entsprechender Höhe zu genehmigen. Die Anträge werden allesamt zur Hauptsache damit begründet, dass die tiefen Stipendien darauf beruhen würden, dass die Rentennachzahlung der Pensionskasse an S. M. in der Höhe von Fr. 43'918.-- in der Steuererklärung 2009 zu einem hohen steuerbaren Einkommen und damit zu tiefen Stipendien geführt habe. Für das Stipendium 2010 dürfe indessen der anzurechnende Elternbeitrag nur den für diese Periode ausbezahlten Anteil der Nachzahlung berücksichtigen, denn dieser entspreche der zumutbaren abstrakten Leistungsfähigkeit der Eltern.

Das Bildungsdepartement liess sich mit Eingabe vom 3. August 2011 zu den Beschwerden vernehmen und beantragt deren kostenpflichtige Abweisung. Nach mehrmaliger Fristerstreckung nahmen A. und An. M. sowie N. M. als gesetzliche Vertreterin von M. M. mit Eingabe ihrer gemeinsamen Rechtsvertreterin vom

19. September 2011 Stellung zur Vernehmlassung des Bildungsdepartements. Darin

wird an der Gutheissung der Beschwerden festgehalten.

Auf die weiteren Vorbringen der Verfahrensbeteiligten wird – soweit erforderlich – in

den nachfolgenden Erwägungen näher eingegangen.

Darüber wird in Erwägung gezogen:

1. (…).

2. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichts können Beschwerden, in denen Rügen erhoben werden, die denselben Streitgegenstand betreffen und zum Teil ähnlich bzw. gleich begründet werden, vereinigt werden (vgl. anstatt vieler VerwGE

B 2009/139, 140 vom 11. Mai 2010, E. 2, in: www.gerichte.sg.c h). In den vorliegenden Beschwerdeverfahren B 2011/68, B 2011/69 und B 2011/70 werden identische Rügen erhoben, und es stellen sich dieselben Rechtsfragen. In sämtlichen drei Beschwerdeverfahren ist die Berechnung des Elternbeitrags bei der Bemessung der Höhe der Stipendien 2010 strittig, während die Höhe der anrechenbaren Ausbildungskosten und die anrechenbaren Eigenleistungen der Beschwerdeführerinnen I und II sowie des Sohnes der Beschwerdeführerin III nicht bestritten werden. Es rechtfertigt sich daher, die Verfahren B 2011/68, B 2011/69 und B 2011/70 zu vereinigen und die Beschwerden in ein und demselben Urteil zu behandeln.

  1. Die Verfassung des Kantons St. Gallen (sGS 111.1, abgekürzt KV) statuiert in ihrem Art. 3 Abs. 1 lit. c den grundrechtlichen Anspruch auf Beihilfen für die Aus- und Weiterbildung über den Grundschulunterricht hinaus nach Massgabe der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit der bewerbenden Person und ihrer Eltern. Darin kommen die Leistungsfähigkeit des Bewerbers sowie seiner Eltern und damit der Grundsatz der Subsidiarität des st. gallischen Stipendienrechts zum Ausdruck, wonach

    Stipendien unterhaltsergänzende Spezialleistungen darstellen, d.h., dass sie den in quantitativer Hinsicht mangelnden familiären Unterhalt ergänzen, ohne an dessen Stelle zu treten (GVP 1998 Nr. 73 mit Hinweis auf M. Müller, Das Stipendienrecht des

    Kantons St. Gallen mit Berücksichtigung der Stipendiengesetzgebung des Bundes, S. 16 ff.). Als gesetzliche Ausführung dieses verfassungsrechtlichen Auftrags bestimmt Art. 1 Abs. 1 des Stipendiengesetzes (sGS 211.5, abgekürzt StipG), dass der Staat in ausreichendem Masse Stipendien und Studiendarlehen gewährt, soweit die vollen Kosten der Ausbildung oder Weiterbildung einem Bewerber oder seinen Eltern nicht zugemutet werden können. Nach Art. 29 der Stipendienverordnung (sGS 211.51, abgekürzt StipV) werden Stipendien ausgerichtet, wenn ein Fehlbetrag bei Gegenüberstellung von Kosten der Ausbildung und Lebenshaltungskosten einerseits und den zumutbaren Eigen- und Elternleistungen andererseits resultiert. Hinsichtlich der Bemessung der Höhe der Stipendien hält Art. 9 Abs. 1 StipG fest, dass einerseits die Kosten der Ausbildung oder Weiterbildung, der Reise zum Schul- oder Lehrort, der Unterkunft und die Kosten der Verpflegung und andererseits die finanziellen und familiären Verhältnisse des Empfängers und seiner Eltern massgebend sind.

    Die in Art. 9 StipG geregelte Bemessung der Stipendien wird in den Art. 15 ff. StipV konkretisiert (VerwGE B 2005/79 vom 13. September 2005, E. 2b). Nach Art. 25 Abs. 1 StipV wird dem Gesuchsteller ein Elternbeitrag nach dem Anhang zur Verordnung angerechnet, wobei für diesen Beitrag das Reineinkommen der Eltern nach der Veranlagung für die Staats- und Gemeindesteuern massgeblich ist. Gemäss Art. 28 Abs. 1 StipV ist jeweils die Steuerveranlagung der Steuerperiode massgebend, die dem Kalenderjahr vorausgeht, in dem die Bemessungsperiode beginnt.

    1. Diese Grundsätze des st. gallischen Stipendienrechts bestreiten die Beschwerdeführerinnen nicht, und sie machen in ihren Eingaben nicht geltend, dass die Bestimmungen in der StipV über die Bemessung des Elternbeitrags verfassungs- oder gesetzeswidrig wären. Eine solche Argumentation würde auch nicht überzeugen, da der Gesetzgeber die Grundsätze der Bemessung in Art. 9 StipG regelt und die Detailregelung für die konkrete Bestimmung der Stipendienhöhe dem Verordnungsgeber überlässt und ihm bei der Ausgestaltung der Anspruchsvoraussetzungen einen Spielraum überlässt. Dabei kann der Verordnungsgeber auch bis zu einem gewissen Grad schematisch, auf

Durchschnittserfahrungen abstellende Normen schaffen, die leicht zu handhaben sind. Die Bemessung des Elternbeitrags in Art. 25 und 28 StipV aufgrund der jährlichen Steuerfaktoren erweist sich daher als sachgerecht, zumal gemäss Art. 36 StipV Stipendien in Halbjahres- oder Jahresraten ausbezahlt werden und jedes Jahr von Neuem festgelegt werden (Art. 35 StipV). Damit wird dem Grundsatz der Berücksichtigung der Leistungsfähigkeit wie auch der Verfahrensökonomie Rechnung getragen.

    1. Die Beschwerdeführerinnen rügen indessen, dass der Ehemann resp. Vater der Beschwerdeführerinnen ein IV-Verfahren geführt habe, in welchem ein Anspruch auf eine IV-Rente abgelehnt worden sei. Aufgrund des festgelegten Invaliditätsgrades von 37 Prozent habe er Anspruch auf eine entsprechende Pensionskassen-Rente, die nach Abschluss des IV-Verfahrens Ende 2009 rückwirkend ab 2005 ausbezahlt worden sei, was einen Nachzahlungsbetrag von Fr. 43'918.-- ergeben habe. Die Vorinstanz hätte der Veranlagungsberechnung der Staats- und Gemeindesteuern von 2009 das Reineinkommen gemäss Ziff. 24 entnommen, welches sich aus der Kolonne "veranlagt und steuerbar" ergeben habe und in welcher der gesamte Nachzahlungsbetrag von

      Fr. 43'918.-- berücksichtigt worden sei. Dementsprechend habe sich zusammen mit anderen Einkünften ein Reineinkommen von Fr. 75'366.-- ergeben, woraus sich gemäss der Tabelle der StipV ein Elternbeitrag von Fr. 15'300.-- ergebe, der auf die drei Kinder aufgeteilt worden sei. Diese Auslegung des StipG und der StipV sei zwar eine der möglichen Gesetzesauslegungen, trage aber den Umständen des Einzelfalls nicht Rechnung. Sie erscheine überspitzt formalistisch und damit verfassungswidrig. Die Rentennachzahlung sei lediglich insofern zu berücksichtigen, als sie einer Jahresrente entspreche. Mit der rückwirkenden Nachzahlung der Rente habe sich die finanzielle Leistungsfähigkeit der Eltern nicht verändert. Deshalb sei dem Elternbeitrag

      ein Reineinkommen von Fr. 41'024.-- zugrunde zu legen, das auch für die Steuern 2009

      satzbestimmend gewesen sei.

      1. Ein Rechtssatz ist in erster Linie nach seinem Wortlaut auszulegen. Ist dieser nicht klar und sind verschiedene Auslegungen möglich, so muss nach seiner wahren Tragweite gesucht werden. Dabei sind alle Auslegungselemente zu berücksichtigen, namentlich Sinn und Zweck der Norm sowie die ihr zugrunde liegende Wertung, ebenso der Kontext der Norm mit den übrigen Bestimmungen des Erlasses. Vom

klaren, d.h. eindeutigen und unmissverständlichen Wortlaut darf nur ausnahmsweise abgewichen werden, u.a. dann nämlich, wenn triftige Gründe dafür vorliegen, dass der Wortlaut nicht den wahren Sinn der Bestimmung wiedergibt. Solche Gründe können sich aus der Entstehungsgeschichte der Bestimmung, aus ihrem Grund und Zweck oder aus dem Zusammenhang mit andern Vorschriften ergeben (statt vieler BGE 126 V 105 E. 3 mit Hinweisen oder BGE 134 III 277 E. 4).

3.2.2. Vorliegend ist die Auslegung des Art. 9 StipG sowie der Art. 25 und 28 StipV hinsichtlich der Höhe des Elternbeitrags strittig. Nach dem Wortlaut von Art. 25 Abs. 1 und Art. 28 Abs. 1 StipV ist – wie bereits erwähnt - für den Elternbeitrag das Reineinkommen der Veranlagung für die Staats- und Gemeindesteuern derjenigen Steuerperiode massgebend, die dem Kalenderjahr vorangeht, in dem die Bemessungsperiode für die Stipendien beginnt (Art. 28 Abs. 1 StipV). Es widerspricht daher dem Wortlaut von Art. 25 Abs. 1 und Art. 28 Abs. 1 StipV, die Rentennachzahlung von Fr. 43'918.-- bei der Bemessung des Elternbeitrags auf fünf Jahre zurück umzurechnen und bereits ausgerichtete Stipendien wieder neu zu berechnen. Eine solche Möglichkeit sieht der Wortlaut des geltenden Stipendienrechts nicht vor.

In den Gesetzesmaterialien tritt deutlich hervor, dass das geltende Stipendienrecht nach wie vor von einer eltern-abhängigen Stipendienbemessung ausgeht. Die Elternleistung sei abstrakt, d.h. unabhängig vom Unterstützungswillen oder von der faktisch gewährten Unterstützung der Eltern, vorausgesetzt (Botschaft zum II. Nachtragsgesetz zum Stipendiengesetz, ABl 2001, 73). Darin kommt die bereits erwähnte verfassungsrechtlich vorgesehene Subsidiarität der staatlichen Aus- und Weiterbildungsbeiträge zum Ausdruck (Müller, a.a.O., S. 199). Der stipendienrechtlich den Eltern zumutbare Leistungsbeitrag an die Ausbildung nimmt daher keine Rücksicht darauf, ob dieser Betrag von den Eltern auch tatsächlich ausgerichtet wird bzw. aufgrund der tatsächlichen Verhältnisse im Einzelfall ausgerichtet werden kann (GVP 1998 Nr. 73; Müller, a.a.O., S. 213).

Nach dem Willen des Gesetzgebers fallen bei der Beurteilung der finanziellen und familiären Verhältnisse nach Art. 9 Abs. 1 StipG das steuerbare Einkommen und Vermögen des Bewerbers und seiner Eltern in Betracht (Botschaft zum

Gesetzesentwurf über die staatlichen Stipendien und Studiendarlehen, ABl 1967, 1518). Zur Bestimmung der abstrakt zumutbaren Leistungsfähigkeit ist somit nach dem Willen des Gesetzgebers das steuerbare Einkommen und Vermögen heranzuziehen. In Ausführung dazu sieht Art. 28 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 25 Abs. 1 StipV vor, dass jeweils das Reineinkommen der Staats- und Gemeindesteuer der dem Stipendiengesuch vorangegangenen Steuerperiode massgebend ist. Aufgrund von

Art. 25 Abs. 1 StipV ist daher die Herkunft resp. Zusammensetzung des massgebenden Reineinkommens stipendienrechtlich ohne Bedeutung (Müller, a.a.O., S. 202). Deshalb ist es belanglos, ob der Betrag von Fr. 43'918.-- aus einer Rente oder aus einem Arbeitserwerb stammt. Das Stipendienrecht enthält keine Möglichkeit, solche Umstände wie eine einmalige Rentenauszahlung, die die Steuerfaktoren unmittelbar beeinflusst, bei der Berechnung der zumutbaren Elternleistung zusätzlich zu berücksichtigen (Müller, a.a.O., S. 202). Die Umstände des Einzelfalls werden im Stipendienrecht lediglich insofern berücksichtigt, als Art. 26 und 27 StipV Zuschläge und Abzüge für bestimmte Verhältnisse vorsehen und der Elternbeitrag bei mehreren, nach erfüllter obligatorischer Schulzeit gleichzeitig in Ausbildung stehenden Kindern im Verhältnis der Kosten aufgeteilt wird (Müller, a.a.O., S. 213; Wegleitung Stipendien vom

1. Juni 2008). Die übrigen besonderen Umstände eines Einzelfalls sind im Rahmen der Steuerveranlagung zu berücksichtigen, soweit dies das geltende Recht vorsieht. Das Stipendienrecht stellt mit Ausnahme der erwähnten Konstellationen nicht noch zusätzlich auf besondere Umstände des Einzelfalls ab, sondern stützt sich nach dem Willen des Gesetz- und Verordnungsgebers ausschliesslich auf das steuerliche Reineinkommen der vorangegangenen Steuerperiode ab.

Der Ratio der erwähnten Subsidiarität der Stipendien und des Grundsatzes des abstrakt zumutbaren Elternbeitrags entspricht es am besten, wenn der Elternbeitrag jedes Jahr aufgrund der Steuerveranlagung der vergangenen Steuerperiode neu festgelegt wird und damit die veränderten wirtschaftlichen Verhältnisse der Eltern seit der letzten Bemessungsperiode berücksichtigt werden. Daher ist die Frage der Berücksichtigung der gesamten Rentennachzahlung von Fr. 43'918.-- danach zu beurteilen, wie das Steuerrecht diese Frage für die Steuerperiode 2009 beantwortet hat. Nur so wird der Massgeblichkeit der Steuerveranlagung (Art. 25 Abs. 1 StipV) und dem Grundsatz der Berücksichtigung der abstrakt zumutbaren Leistungsfähigkeit der Eltern Rechnung getragen. Hinzu kommt, dass die verfahrensökonomische Anwendung

von Art. 9 Abs. 1 StipG eine gewisse Pauschalisierung bedingt, wie sie Art. 25 Abs. 1 und Art. 28 Abs. 1 StipV vorsehen. Die Abstützung auf die Steuerperiode des Vorjahres erweist sich auch insofern als sachgerecht, als für jedes Semester resp. Jahr die Stipendien und damit auch der Elternbeitrag neu berechnet werden, sofern noch Anspruch auf ein Stipendium besteht.

      1. Aufgrund der genannten Bestimmungen in der StipV und ihrer Auslegung besass die Vorinstanz resp. die Stipendienabteilung kein Ermessen bei der Festlegung des Elternbeitrags. Der Wortlaut der fraglichen Bestimmungen in der StipV entspricht also deren Normsinn. Die Vorinstanz resp. die Stipendienabteilung musste daher für die Bestimmung des Elternbeitrags für das Jahr 2010 in gesetzeskonformer Anwendung von der Steuerveranlagung 2009 ausgehen. An diesem Ergebnis ändert auch eine allfällige Berücksichtigung des von den Beschwerdeführerinnen sinngemäss angerufenen Art. 51 des Steuergesetzes (sGS 811.1, abgekürzt StG) nichts. Art. 51 StG hat nicht zur Folge, dass eine einmalige Kapitalleistung auf Jahresrenten aufgeteilt und in der Steuerperiode 2009 nur die Jahresrente 2009 besteuert wird. Auch steuerrechtlich wird im Jahr 2009 die gesamte Rentennachzahlung von Fr. 43'918.-- besteuert. Art. 51 StG dient daher nicht der Einkommensumverteilung auf die entsprechenden Steuerperioden, sondern die steuerrechtliche Korrektur erfolgt lediglich auf der Ebene des für die Ermittlung des Steuersatzes massgebenden Einkommens. Für die Bestimmung des stipendienrechtlichen Elternbeitrags ist deswegen die Spalte "veranlagt steuerbar" aus der Steuerveranlagung 2009 mit einem Reineinkommen von Fr. 75'366.-- massgebend, da die Spalte "veranlagt zum Satz" mit einem Reineinkommen von Fr. 41'024.-- lediglich dem Progressionsausgleich bei der steuerrechtlichen Satzbestimmung dient.

      2. Weiter bringen die Beschwerdeführerinnen vor, dass selbst die Vorinstanz in Erwägung gezogen habe, im Fall des Sohnes der Beschwerdeführerin III lediglich die Jahresrente in die Berechnungen mit einzubeziehen, nachdem dieser bisher keine Stipendien bezogen habe und daher in den Vorjahren auch keine zu hohen Beiträge habe beziehen können. Die Vorinstanz verwerfe diese Erwägungen danach aber mit dem Hinweis auf die Gleichbehandlung der Geschwister, welcher Vorrang zu geben sei.

Entgegen der Ansicht der Beschwerdeführerinnen hat die Vorinstanz mit der Äusserung, dass es zu neuen Rechtsungleichheiten führen würde, wenn die Rente nur dann auf die vergangenen Jahre umgerechnet werden würde, wenn in den früheren Jahren keine Stipendien ausbezahlt worden seien, nicht in Erwägung gezogen, nur die Jahresrente bei der Berechnung des Elternbeitrags im Zusammenhang mit den Stipendien für den Sohn der Beschwerdeführerin III zu berücksichtigen. Mit dieser Äusserung hielt die Vorinstanz lediglich fest, dass auch in Fällen, in denen allenfalls eine Rückkorrektur der Stipendien praktisch durchführbar wäre, eine solche aus Rechtsgleichheitsgründen zu unterbleiben hat.

    1. Sodann machen die Beschwerdeführerinnen geltend, dass der Betrag der Rentennachzahlung von Fr. 43'918.-- nicht zu einer Vermögensvermehrung geführt habe, sondern höchstens zu einer Verringerung der Schulden. Der Einkommensbetrag aufgrund der Rentennachzahlung stehe nämlich tatsächlich nicht zur Verfügung zur Deckung der Unterrichtskosten und des Grundbedarfes der Kinder, sondern habe zur Abzahlung der Schulden beim Sozialamt und der privaten Schulden verwendet werden müssen. Die Fürsorgeleistungen, die die Grundlage für die Familie der Beschwerdeführerinnen decken sollten, hätten die höheren tatsächlichen Bedarfskosten nicht gedeckt, sodass der Vater der Beschwerdeführerinnen I und II ein Darlehen habe aufnehmen müssen, das nach Eingang der Rentennachzahlung habe zurückbezahlt werden müssen.

      Die Beschwerdeführerinnen verkennen, dass das Stipendienrecht von der abstrakt zumutbaren Leistungsfähigkeit ausgeht und sich dabei auf die Steuerveranlagung stützt. Die Einkommensverwendung für Lebensunterhaltskosten und Schuldentilgung spielt nach geltender Rechtslage für die Steuerberechnung keine Rolle (Art. 47 lit. a und b StG), und dies gilt aufgrund der Massgeblichkeit der Steuerveranlagung gemäss

      Art. 25 Abs. 1 StipV auch im Stipendienrecht. Letzteres sieht selbst keinen Abzug beim Elternbeitrag für Schuldentilgung und Lebensunterhaltskosten vor. Aufgrund der Subsidiarität des Stipendienrechts dient dieses im Übrigen nicht dazu, den Unterhaltsbedarf der Eltern und weiterer Kinder oder die Kosten eines IV-Verfahrens des Vaters zu decken, sondern höchstens die Lebenshaltungskosten des Gesuchstellers resp. der Gesuchstellerin im Rahmen von Art. 18 ff. StipV. Die

      Beschwerdeführerinnen rügen nicht, dass die Lebenshaltungskosten nicht korrekt berechnet worden seien.

      Auch in der Vergangenheit wurden Stipendien an die Beschwerdeführerinnen I und II ausgerichtet, die aufgrund der Einkommens- und Vermögensverhältnisse der Beschwerdeführerinnen I und II und ihrer Eltern berechnet wurden. Die Beschwerdeführerinnen weisen nicht konkret nach, inwiefern Darlehen zur Finanzierung ihrer Schulausbildung aufgenommen werden mussten und die ausbezahlten Stipendien für die Schulausbildung nicht ausreichten. Wie die Vorinstanz zu Recht festhielt, ist nicht ersichtlich, dass angesichts der Unentgeltlichkeit des Unterrichts an den staatlichen Mittelschulen für Schülerinnen und Schüler mit stipendienrechtlichem Wohnsitz im Kanton St. Gallen (Art. 5 des Mittelschulgesetzes [sGS 215.1]) und der niedrigen Gebühren (siehe Tarif der Schulgelder und Gebühren der staatlichen Mittelschulen und der Pädagogischen Hochschule [sGS 215.15]) die Ausbildungs- und Lebenshaltungskosten der Beschwerdeführerinnen I und II durch die ausgerichteten Stipendien in der Vergangenheit nicht gedeckt sein sollten. Hinzu kommt, dass die Beschwerdeführerinnen I und II sowie ihr Vater gemäss einem den Akten beiliegenden Schreiben vom 5. Dezember 2009 selbst festgehalten haben, dass sie vom Sozialamt nur für die Gesundheitskosten unterstützt worden seien. Damit ist erstellt, dass die Sozialhilfeleistungen nicht für die Ausbildung der Beschwerdeführerinnen I und II sowie des Sohnes der Beschwerdeführerin III verwendet wurden. Deshalb haben für die Kosten der Schulausbildung keine Darlehen aufgenommen werden müssen. Soweit diese privaten Darlehen zur Deckung der weiteren allgemeinen Lebenshaltungskosten, die nicht im Rahmen der anrechenbaren Kosten der Aus- oder Weiterbildung und der Lebenshaltungskosten berücksichtigt werden, oder für Anschaffungen und Prozesse verwendet wurden, kann dies im Rahmen des Stipendienrechts nicht berücksichtigt werden. Dies bedeutet auch, dass die allgemeinen Lebenshaltungskosten der Familie der Beschwerdeführerinnen ausserhalb von Art. 18 ff. StipV nicht durch das Stipendienrecht zu decken sind, sondern durch eigene Einkünfte oder die Sozialhilfe.

      Aus dem Gesagten ergibt sich, dass es für das Stipendienrecht keine Rolle spielt, wie das in der massgebenden Steuerperiode zugeflossene Einkommen verwendet wurde.

      Massgebend ist alleine die Steuerveranlagung der Staats- und Gemeindesteuern

      (Art. 25 Abs. 1 StipV). Das Stipendienrecht dient sodann nicht der Finanzierung der

      gesamten Unterhaltskosten einer Familie, sondern leistet lediglich einen Beitrag an die Ausbildungs- und Lebenshaltungskosten des Gesuchstellers resp. der Gesuchstellerin.

    2. Schliesslich erweist sich der Einwand der Beschwerdeführerinnen als unbehelflich, dass aufgrund des besonderen Härtefalls in casu die Rentennachzahlung beim Reineinkommen nicht zu berücksichtigen sei. Diesbezüglich ist der Vorinstanz zuzustimmen, wonach das Stipendienrecht keine allgemeine Bestimmung für "besondere Härtefälle" kennt. Zudem ist auch in diesem Zusammenhang der Grundsatz der Subsidiarität des Stipendienrechts gemäss Art. 3 Abs. 1 lit. c und Art. 1 Abs. 1 StipG zu berücksichtigen. Sodann legen die Beschwerdeführerinnen nicht genügend dar, inwiefern sich vorliegend eine unter den Gesichtspunkten der Rechtsgleichheit und des Legalitätsprinzips gesetzeswidrige Praxis rechtfertigen würde.

    3. Zusammenfassend ergibt sich, dass die Vorinstanz zu Recht in gesetzeskonformer Rechtsanwendung für die Bemessung des Elternbeitrags bei den Stipendien für die Beschwerdeführerinnen I und II sowie für den Sohn der Beschwerdeführerin III im Jahr 2010 auf die Steuerveranlagung aus dem Jahr 2009 abstellte und damit das in der Spalte "veranlagt steuerbar" festgehaltene Reineinkommen von Fr. 75'366.—- als massgeblich erachtete. Folglich ist die Beschwerde abzuweisen.

4. (…).

Demnach hat das Verwaltungsgericht zu Recht erkannt:

1./ Die Beschwerdeverfahren B 2011/68, B 2011/69 und B 2011/70 werden vereinigt. 2./ Die Beschwerden der Beschwerdeführerinnen I, II und III werden abgewiesen.

  1. ./ Die amtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens von Fr. 1'500.--bezahlen die Beschwerdeführerinnen I, II und III unter Verrechnung der von ihnen geleisteten Kostenvorschüsse von insgesamt Fr. 1'500.--.

  2. ./ Ausseramtliche Kosten werden nicht entschädigt.

V. R. W.

Der Vizepräsident: Der Gerichtsschreiber:

Versand dieses Entscheides an:

  • die Beschwerdeführerinnen I, II und III (durch Rechtsanwältin Dr. M. B.)

  • die Vorinstanz

am: Rechtsmittelbelehrung:

Sofern eine Rechtsverletzung nach Art. 95 ff. BGG geltend gemacht wird, kann gegen diesen Entscheid gestützt auf Art. 82 lit. a BGG innert 30 Tagen nach Eröffnung beim Schweizerischen Bundesgericht, 1000 Lausanne 14, Beschwerde erhoben werden.

Quelle: https://www.sg.ch/recht/gerichte/rechtsprechung.html
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