Zusammenfassung des Urteils B 2011/186: Verwaltungsgericht
J. B. lenkte am 15. Februar 2009 seinen BMW auf einer schneebedeckten Strasse und verursachte einen Unfall. Er wurde mit einer Busse belegt und sein deutscher Führerausweis wurde für einen Monat entzogen. J. B. legte Rekurs ein, welcher jedoch abgewiesen wurde. Das Verwaltungsgericht entschied, dass der Unfall als leichte Widerhandlung einzustufen sei und wies den Fall zur erneuten Prüfung an das Strassenverkehrsamt zurück. Schliesslich wurde J. B. wegen einer leichten Widerhandlung gegen die Strassenverkehrsvorschriften verwarnt. Die Verwarnung wurde als gesetzeskonform eingestuft.
Kanton: | SG |
Fallnummer: | B 2011/186 |
Instanz: | Verwaltungsgericht |
Abteilung: | Verwaltungsgericht |
Datum: | 15.12.2011 |
Rechtskraft: |
Leitsatz/Stichwort: | Urteil Strassenverkehrsrecht, Art. 45 Abs. 1 VZV (SR 741.51) in Verbindung mit Art. 16 Abs. 2 und Art. 16a SVG (SR 741.01).Auch Inhaber ausländischer Führerausweise sind nach leichten Widerhandlungen gegen die Strassenverkehrsgesetzgebung zu verwarnen. Ein entsprechender Eintrag ins Administrativmassnahmenregister erweist sich als rechtmässig (Verwaltungsgericht, B 2011/186). |
Schlagwörter: | Verwarnung; Strasse; Strassen; Strassenverkehr; Recht; Strassenverkehrs; Führerausweis; Widerhandlung; Praxis; Ausweis; Führerausweise; Inhaber; Entscheid; Strassenverkehrsamt; Entzug; Verwaltungsgericht; Administrativmassnahme; Beschwerde; Gallen; Hinweis; Bestimmungen; Widerhandlungen; Vorinstanz; Schweiz; Grundlage; Beschwerdeführers |
Rechtsnorm: | Art. 104b SVG ;Art. 16 SVG ;Art. 16a SVG ;Art. 16b SVG ;Art. 16c SVG ;Art. 90 BGG ;Art. 91 BGG ;Art. 95 BGG ; |
Referenz BGE: | 105 IV 70; 124 II 376; 124 II 377; 125 II 196; 128 I 292; 129 II 118; 130 II 211; 131 II 702; |
Kommentar: | - |
Auch Inhaber ausländischer Führerausweise sind nach leichten Widerhandlungen gegen die Strassenverkehrsgesetzgebung zu verwarnen. Ein entsprechender Eintrag ins Administrativmassnahmenregister erweist sich als rechtmässig (Verwaltungsgericht, B 2011/186).
Urteil vom 15. Dezember 2011
Anwesend: Vizepräsident lic. iur. A. Linder; Verwaltungsrichter Dr. B. Heer, lic. iur. A. Rufener, Dr. S. Bietenharder-Künzle; Ersatzrichterin lic. iur. D. Gmünder Perrig; Gerichtsschreiber Dr. M. Looser
In Sachen
J. B.
Beschwerdeführer,
vertreten durch Rechtsanwalt lic.iur. M. D gegen
Verwaltungsrekurskommission des Kantons St. Gallen, Unterstrasse 28, 9001 St.
Gallen, Vorinstanz, und
Strassenverkehrsamt, Moosbruggstrasse 11, 9001 St. Gallen,
betreffend
Verwarnung (Führerausweis)
hat das Verwaltungsgericht festgestellt:
A. Am 15. Februar 2009 lenkte J. B. den Personenwagen BMW 530 xd (Kontrollschild FL …) auf der Kantonsstrasse von Pfäfers talwärts in Richtung Bad Ragaz. Bei einem Bremsmanöver geriet das Fahrzeug um 14.39 Uhr auf der von Schneematsch und Eis
bedeckten Strasse in einer Rechtskurve ins Rutschen und stiess mit dem
entgegenkommenden Personenwagen Audi 80 Avant von C. S. zusammen.
J. B., geboren am 20. April 1961, ist Bürger von Mosnang SG. Seit 1999 hat er seinen Wohnsitz in Deutschland. Am 18. August 1980 erwarb er in der Schweiz den Führerausweis Kat. B, den er am 26. August 1999 gegen einen deutschen Führerausweis umtauschte. Der Polizei wies J. B. seinen deutschen Führerausweis vor.
Mit Bussenverfügung des Untersuchungsamtes Uznach vom 7. April 2009 wurde J. B. wegen Verletzung von Verkehrsregeln mit Fr. 700.-- gebüsst.
B. Am 1. Mai 2009 eröffnete das Strassenverkehrs- und Schifffahrtsamt des Kantons St. Gallen (nachfolgend Strassenverkehrsamt) gegen J. B. ein Administrativmassnahmeverfahren. Mit Verfügung vom 23. Juni 2009 wurde ihm der deutsche Führerausweis wegen Nichtanpassens der Geschwindigkeit für die Dauer eines Monats aberkannt.
Gegen diese Verfügung liess J. B. durch seinen Rechtsvertreter mit Eingabe vom 6. Juli 2009 und Ergänzung vom 25. August 2009 Rekurs bei der Verwaltungsrekurskommission (nachfolgend VRK) einlegen. Er beantragte, die Verfügung vom 13. Juni 2009 sei unter Kosten- und Entschädigungsfolgen aufzuheben. Mit Entscheid vom 25. März 2010 wurde der Rekurs abgewiesen.
Die von J. B. dagegen erhobene Beschwerde wurde vom Verwaltungsgericht mit Entscheid vom 16. Dezember 2010 teilweise gutgeheissen. Es wurde im Wesentlichen erwogen, dass der von ihm verursachte Unfall entgegen der Auffassung der VRK nicht als mittelschwere Widerhandlung einzustufen sei. Es handle sich höchstens um einen leichten, wenn nicht gar um einen sehr leichten Fall. Die Angelegenheit wurde zur neuen Beurteilung und Entscheidung im Sinn der Erwägungen an das Strassenverkehrsamt zurückgewiesen. Dieses wurde insbesondere eingeladen zu prüfen, ob J. B. als Inhaber eines ausländischen Führerausweises verwarnt werden könne.
Mit Schreiben vom 6. Januar 2011 stellte das Strassenverkehrsamt J. B. eine Verwarnung in Aussicht. In der Stellungnahme seines Rechtsvertreters vom 21. März
2011 beantragte J. B. die kosten- und entschädigungspflichtige Einstellung des Verfahrens. Mit Verfügung vom 4. April 2011 wurde J. B. wegen einer leichten Widerhandlung gegen die Strassenverkehrsvorschriften verwarnt.
Mit Eingabe seines Rechtsvertreters vom 28. April 2011 liess J. B. Rekurs bei der VRK erheben. Er beantragte, die angefochtene Verfügung sei ersatzlos aufzuheben, unter Kosten- und Entschädigungsfolge. Begründet wurde der Rekurs im Wesentlichen damit, dass das Dualismusverbot verletzt sei und die gesetzliche Grundlage zur Verwarnung von Inhabern ausländischer Führerausweise fehle. Mit Entscheid der VRK vom 25. August 2011 wurde der Rekurs abgewiesen.
Mit Eingabe seines Rechtsvertreters vom 9. September 2011 erhob J. B.
Beschwerde beim Verwaltungsgericht mit dem Begehren, der Entscheid der VRK vom
25. August 2011 und die Verfügung des Strassenverkehrsamtes vom 4. April 2011
seien aufzuheben, und es sei von der Bestrafung resp. Sanktion aus dem Vorfall vom
15. Februar 2009 abzusehen, unter Kosten- und Entschädigungsfolge zu Lasten des
Staates.
Mit Schreiben vom 30. September 2011 teilte die VRK mit, es werde auf eine Stellungnahme verzichtet und - unter Verweis auf den angefochtenen Entscheid - auf Abweisung der Beschwerde geschlossen.
Auf die Vorbringen der Verfahrensbeteiligten wird - soweit nötig - in den Erwägungen näher eingegangen.
Darüber wird in Erwägung gezogen:
1. (…)
2. Unzulässig ist der über die begründeten Vorbringen hinausgehende, vom Beschwerdeführer zusätzlich angebrachte pauschale Verweis auf die bisherigen Ausführungen vor der Vorinstanz. Ein solcher Verweis ist in ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichts zur Begründung ungenügend, da aus ihm nicht hervorgeht, in
welchen Punkten und aus welchen Gründen der Entscheid der Vorinstanz angefochten wird. Es kann nach konstanter Auffassung des Verwaltungsgerichts nicht Aufgabe der Rechtsmittelinstanz sein, in den vorinstanzlichen Eingaben nach Gründen zu suchen, weshalb der Entscheid unrichtig sein könnte (vgl. z.B. VerwGE B/2010/96 vom
14. Oktober 2010 E. 1, publiziert in: www.gerichte.sg.ch; Cavelti/Vögeli, Verwaltungsgerichtsbarkeit im Kanton St. Gallen, St Gallen 2003, Rz. 921 mit Hinweisen). Wenn der Beschwerdeführer seine abweichende Ansicht auf die Offizialmaxime abstützt, so verkennt er, dass dieser Grundsatz im verwaltungsgerichtlichen Verfahren nur eingeschränkt zum Tragen kommt (Häfelin/ Müller/Uhlmann, Allgemeines Verwaltungsrecht, 6. Aufl., Zürich/St. Gallen 2010, Rz. 1622).
Der Beschwerdeführer macht zunächst geltend, das in Art. 4 Abs. 1 des Protokolls Nr. 7 zur Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten
(SR 0.101.07) statuierte Verbot, in der gleichen Angelegenheit zweimal bestraft zu werden, sei verletzt worden, indem nach der strafrechtlichen Verurteilung vom 7. April 2009 in seiner Sache zusätzlich eine Administrativmassnahme verfügt worden ist.
Zu entscheiden ist, ob auf diesen Punkt überhaupt einzutreten ist. Nach Lehre und Rechtsprechung ist nicht nur die Instanz, an die die Sache zur neuen Beurteilung zurückgewiesen wurde, an die Erwägungen des Rückweisungsentscheids gebunden, sondern auch - so es denn zu einem erneuten Rechtsmittelverfahren kommt - diejenige Instanz, die den Entscheid ursprünglich erliess (Cavelti/Vögeli, a.a.O., Rz. 1036 mit Hinweis auf GVP 2002 Nr. 69 und 1984 Nr. 86). Für abschliessend beurteilte Streitfragen beendet der Rückweisungsentscheid somit das Verfahren. Es handelt sich diesbezüglich um Teil- Endentscheide, die der bundesgerichtlichen Anfechtung grundsätzlich zugänglich sind (Art. 90 resp. Art. 91 lit. a Bundesgerichtsgesetz [SR 173.110, abgekürzt BGG]; vgl. zum Ganzen Cavelti/Vögeli, a.a.O., Rz. 1036; Uhlmann, in: Niggli/Uebersax/Wipprächtiger [Hrsg.], Basler Kommentar zum BGG, 2. Aufl.,
Basel 2011, N 9 zu Art. 90 BGG resp. N 4 zu Art. 91 BGG, mit vielen Hinweisen). Der erneuten Überprüfung abschliessend beurteilter Fragen im zweiten Rechtsmittelverfahren steht folglich die formelle und materielle Rechtskraft entgegen.
Das Vorbringen des Beschwerdeführers hinsichtlich des Dualismusverbotes wurde durch das Verwaltungsgericht in seinem Rückweisungsentscheid vom 16. Dezember 2010 in E. 5.3 bereits abschliessend materiell beurteilt. Es wurde mit ausführlicher Begründung festgehalten, dass der Grundsatz des Verbotes doppelter Bestrafung nicht verletzt sei. Das Verwaltungsgericht sieht sich an seine einschlägigen Erwägungen gebunden. Auf diese Streitfrage kann folglich nicht eingetreten werden.
Als Streitgegenstand verbleibt somit die Frage, ob die Verwarnung des Inhabers eines ausländischen Führerausweises gesetzeskonform ist.
Der Beschwerdeführer macht im Wesentlichen geltend, der gegen ihn ausgesprochenen Verwarnung fehle es an einer gesetzlichen Grundlage. Die vom Strassenverkehrsamt dargelegte Praxis, nach der auch Inhaber ausländischer Ausweise verwarnt würden, sofern sie einen Bezug zur Schweiz aufweisen würden, gebe es nicht. Diese sei vielmehr nachträglich auf seinen Einzelfall zugeschnitten worden und könne somit angesichts des Rückwirkungsverbotes keinen Bestand haben. Es gelte vielmehr die allseits bekannte und unangefochtene Praxis, wonach gegenüber ausländischen Ausweisinhabern in leichten Fällen nicht nur auf eine Verwarnung, sondern überhaupt gänzlich auf eine Massnahme verzichtet und der Ausweis erst ab einer mittelschweren Widerhandlung aberkannt werde. Substantiierte Hinweise auf diese Praxis finden sich jedoch weder in der Literatur und Rechtsprechung noch in den Eingaben des Beschwerdeführers.
Zu prüfen ist, ob zur Verwarnung von Inhabern ausländischer Führerausweise eine gesetzliche Grundlage besteht. Nach Art. 45 Abs. 1 der Verordnung des Bundesrates über die Zulassung von Personen und Fahrzeugen zum Strassenverkehr (SR 741.51, Verkehrszulassungsverordnung, abgekürzt VZV) können ausländische Führerausweise nach den gleichen Bestimmungen aberkannt werden, die für den Entzug des schweizerischen Führerausweises gelten. Dass diese Bestimmung auf die Art. 16 ff. des Strassenverkehrsgesetzes (SR 741.01, abgekürzt SVG) verweist, ist unbestritten (vgl. dazu BGE 1C.59/2010 vom 12. Juli 2010 E. 4.2; BGE 105 IV 70, E. 2.a;
Weissenberger, Kommentar zum Strassenverkehrsgesetz, Zürich/St. Gallen 2011, N 6 vor Art. 16 ff. SVG).
Gemäss Art. 16 Abs. 2 SVG wird nach Widerhandlungen gegen die Strassenverkehrsvorschriften, bei denen das Verfahren nach dem Ordnungsbussengesetz vom 24. Juni 1970 (SR 741.03) ausgeschlossen ist, der Lernfahr- Führerausweis entzogen eine Verwarnung ausgesprochen. Das Gesetz differenziert zwischen leichten (Art. 16a SVG), mittelschweren (Art. 16b SVG) und schweren Widerhandlungen (Art. 16c SVG). Eine leichte Widerhandlung begeht gemäss Art. 16a SVG, wer durch die Verletzung von Verkehrsregeln eine geringe Gefahr für die Sicherheit anderer hervorruft und ihn dabei nur ein leichtes Verschulden trifft (Abs. 1 lit. a). War der Ausweis in den letzten zwei Jahren entzogen eine andere Administrativmassnahme verhängt worden, so wird der Ausweis bei leichten Widerhandlungen für mindestens einen Monat entzogen (Abs. 2). Wurde dieser in den vergangenen zwei Jahren nicht entzogen und wurde auch keine andere Administrativmassnahme verfügt, so wird die fehlbare Person lediglich verwarnt
(Abs. 3). In besonders leichten Fällen wird sogar auf jegliche Massnahme verzichtet (Abs. 4).
Der Beschwerdeführer bestreitet sinngemäss, dass sich der Verweis von Art. 45 Abs. 1 VZV umfangmässig auf die gesamten Modalitäten des Entzugs der Art. 16 ff. SVG bezieht. Nach seiner Auffassung sollen daraus nur jene Bestimmungen zur Anwendung gelangen, die spezifisch den Entzug des Führerausweises regeln. Die Vorinstanz verfolgt offensichtlich eine gegenteilige Auffassung. Da die Tragweite von Art. 45 Abs. 1 VZV streitig und tatsächlich unklar ist, ist sie im Folgenden durch Auslegung zu ermitteln.
Ausgangspunkt jeder Auslegung bildet nach konstanter bundesgerichtlicher Rechtsprechung der Wortlaut der Bestimmung (vgl. BGE 131 II 702 f. E. 4.1). Ist der Text nicht klar und sind verschiedene Interpretationen möglich, so muss unter Berücksichtigung aller Auslegungselemente nach seiner wahren Tragweite gesucht werden. Abzustellen ist dabei namentlich auf die Entstehungsgeschichte der Norm und ihren Zweck sowie auf die Bedeutung, die der Norm im Kontext mit anderen Bestimmungen zukommt. Die Gesetzesmaterialien sind zwar nicht unmittelbar entscheidend, dienen aber als Hilfsmittel, um den Sinn der Norm zu erkennen
(BGE 130 II 211 E. 5.1; BGE 129 II 118 E. 3.1; BGE 125 II 196 E. 3a mit Hinweisen).
Namentlich bei neueren Texten kommt den Materialien eine besondere Stellung zu,
weil eine Anpassung an veränderte Umstände an ein gewandeltes
Rechtsverständnis weniger in Frage kommen (BGE 128 I 292 E. 2.4; BGE 124 II 377
E. 6a). Das Bundesgericht lässt sich bei der Auslegung von Erlassen stets von einem Methodenpluralismus leiten und stellt nur dann allein auf das grammatikalische Element ab, wenn sich daraus zweifelsfrei die sachlich richtige Lösung ergibt (BGE 124 II 376 E. 5 mit Hinweisen).
Der Wortlaut von Art. 45 Abs. 1 VZV verweist hinsichtlich der Aberkennung von ausländischen Ausweisen auf die Bestimmungen über den Entzug der Ausweise im SVG. Ob gestützt darauf auch eine Verwarnung möglich ist, lässt sich aufgrund der grammatikalischen Auslegung nicht feststellen; die kontroversen Ansichten des Beschwerdeführers und der Vorinstanz zeigen auf, dass Raum für Interpretation besteht. Erforderlich ist somit erstens eine systematische Betrachtung der Art. 16 ff. SVG. Die Marginalie von Art. 16 SVG lautet "Entzug der Ausweise". In dieser und den folgenden gesetzlichen Bestimmungen werden die - von der Schwere des Verstosses gegen die Strassenverkehrsgesetzgebung abhängigen - Massnahmen geregelt. Darunter fällt auch die in Art. 16 Abs. 2 vorgesehene und in Art. 16a SVG für leichte Widerhandlungen explizit angeordnete Verwarnung. Die Bestimmungen über den Entzug der Ausweise schliessen also die Verwarnung mit ein. Von den gleichen systematischen Überlegungen muss sich auch die Interpretation der Verweisnorm von Art. 45 Abs. 1 VZV leiten lassen.
Der Blick auf die Entstehungsgeschichte von Art. 16 SVG zeigt ferner auf, dass der historische Gesetzgeber davon ausging, es bedürfe keiner Erwähnung im Gesetz selbst, dass in leichten Fällen auch eine Verwarnung an die Stelle des Entzugs treten könne (Botschaft des Bundesrates an die Bundesversammlung zum Entwurf eines Bundesgesetzes über den Strassenverkehr vom 24. Juni 1955, BBl 1955 II 1 ff., S. 24). Dass die Verwarnung mit der Revision vom 14. Dezember 2001 (AS 2002 2767) in den Art. 16 Abs. 2 und 16a SVG dennoch gesetzlich verankert wurde, diente vor allem dazu, die Praxis des Bundesgerichts klarer zu fassen (Botschaft zur Änderung des Strassenverkehrsgesetzes [SVG] vom 31. März 1999, BBl 1999 4462, S. 4486). Für das Verständnis von Art. 45 Abs. 1 VZV sind diese Ausführungen insofern notwendig, als der Gesetzgeber seit jeher davon ausgegangen ist, dass gestützt auf den Entzugstatbestand auch lediglich eine Verwarnung möglich sei. Verweist also die VZV
hinsichtlich der Aberkennung ausländischer Ausweise auf die "Bestimmungen über den Entzug", so war die Verwarnung als - ungeschriebenes - gesetzliches Instrument von Anfang an inbegriffen. Nach der Revision des Jahres 2001, in der die Verwarnung ausdrücklich in den Gesetzestext aufgenommen worden ist, muss das erst recht gelten.
Die Annahme des Beschwerdeführers, wonach eine Verwarnung gegenüber Inhabern ausländischer Führerausweise nicht gesetzeskonform sei, läuft ferner dem Sinn und Zweck von Art. 16 Abs. 2 und Art. 16a SVG zuwider. Aus dem System dieser Bestimmungen ist die Verwarnung nicht wegzudenken. Aus Art. 16a Abs. 2 und 3 SVG ergibt sich, dass der Ausweis nach einer leichten Widerhandlung nur dann entzogen werden kann, wenn gegen die fehlbare Person in den vergangenen beiden Jahren bereits ein Entzug eine andere Massnahme verfügt worden ist. Gemäss Art. 16 Abs. 2 SVG gehört die Verwarnung zu den "anderen Massnahmen". Folgt man der Ansicht des Beschwerdeführers, wonach eine Verwarnung gegenüber Inhabern ausländischer Ausweise nicht möglich ist, hätte das zur Konsequenz, dass diesen mangels Verwarnung auch nach wiederholten leichten Widerhandlungen die Fahrberechtigung in der Schweiz nicht aberkannt werden könnte. Dieses Ergebnis wäre stossend und lässt sich mit sachlichen Gründen nicht rechtfertigen. Demnach ergibt auch die sinngemässe Auslegung von Art. 45 Abs. 1 VZV in Verbindung mit
Art. 16 ff. SVG, dass es zulässig sein muss, ausländische Ausweisinhaber zu
verwarnen.
4.2.4. Nach dieser im Sinne des Methodenpluralismus erfolgten Auslegung steht fest, dass der Beschwerdeführer gestützt auf Art. 45 Abs. 1 VZV in Verbindung mit Art. 16 Abs. 2 und Art. 16a Abs. 3 zu Recht verwarnt worden ist. Die entsprechenden gesetzlichen Grundlagen waren vorhanden.
Unter diesen Gesichtspunkten vermag sowohl die im Amtsbericht des Strassenverkehrsamtes erwähnte und von der Vorinstanz in Erw. 4.e) geschützte als auch die vom Beschwerdeführer dargestellte Praxis rechtlich nicht zu überzeugen.
Im Amtsbericht vom 11. Juli 2011 geht das Strassenverkehrsamt davon aus,
gegenüber Inhabern ausländischer Führerausweise erweise sich eine Verwarnung nur
dann als praktikabel und verhältnismässig, wenn diese über einen Bezug zur Schweiz (bspw. durch häufige bzw. berufliche Fahrten) aufweisen würden. Diese Auffassung würde bedeuten, dass nicht nur das Verschulden des fehlbaren Fahrzeuglenkers und die daraus hervorgerufene Gefährdung des Strassenverkehrs, sondern auch seine Nationalität Anknüpfungspunkt der gesetzlich normierten Sanktion wäre. Das SVG macht aber die zu ergreifenden Administrativmassnahmen in den Art. 16 ff. nur von der Schwere der Widerhandlung abhängig. Wurde - wie im vorliegenden Fall - auf eine leichte Widerhandlung erkannt, so ist der Führerausweis zu entziehen resp. abzuerkennen aber der Lenker zu verwarnen. Raum für Überlegungen hinsichtlich der Praktikabilität der Verhältnismässigkeit besteht selbst dann nicht, wenn man davon ausgeht, dass es sich bei Art. 45 Abs. 1 VZV um eine "Kann-Vorschrift" handelt und die Aberkennung mithin nicht zwingend erfolgen muss. Hier setzt der Grundsatz der Rechtsgleichheit von Art. 8 Abs. 1 der Bundesverfassung (SR 101) Schranken. Danach ist Gleiches nach Massgabe seiner Gleichheit gleich und Ungleiches nach Massgabe seiner Ungleichheit ungleich zu behandeln (vgl. Häfelin/Haller/Keller, Schweizerisches Bundesstaatsrecht, 7. Aufl., Zürich 2008, Rz. 751 ff., mit Hinweisen). Würde bei Inhabern ausländischer Führerausweise je nach Bezug zur Schweiz auf eine Sanktion von leichten Verstössen verzichtet, würden sie folglich selbst dann als besonders leichte Fälle im Sinne von Art. 16a Abs. 4 behandelt, bei denen auf jegliche Massnahme zu verzichten ist, wenn es sich tatsächlich um im Wiederholungsfall mit Entzug zu sanktionierende leichte Fälle handelt. Nachdem das SVG an die Schwere der Widerhandlung, keinesfalls aber an die Nationalität des fehlbaren Lenkers anknüpft, bestehen für eine solche Ungleichbehandlung weder gesetzliche Grundlagen noch sachliche Gründe. Inhaber ausländischer Führerausweise sind also gleich zu behandeln wie inländische, dem SVG direkt unterstehende Lenker.
4.3.2. Aus dem Gesagten ergibt sich, dass auch die vom Beschwerdeführer dargestellte Praxis, wonach es bei leichten, von Ausländern begangenen Widerhandlungen üblich sei, grundsätzlich auf jede Sanktion zu verzichten und den Ausweis erst bei mittelschweren Verstössen abzuerkennen, rechtlich nicht begründet werden kann. Auch diese Auffassung hätte nämlich zur Konsequenz, dass je nach Nationalität des fehlbaren Lenkers bei der materiellen Beurteilung der Schwere seiner Widerhandlung unterschiedliche Massstäbe angesetzt würden. Eine solche Praxis liesse sich mit dem Gebot der Rechtsgleichheit nicht vereinbaren.
Der Beschwerdeführer begründet sein Vorbringen, das Strassenverkehrsamt solle an der bisherigen Praxis festhalten und auf eine Verwarnung verzichten, damit, dass die neue Praxis auf einem nach seiner Widerhandlung ausgefertigten Amtsbericht beruhe und dadurch das Verbot der Rückwirkung missachtet werde.
Die Problematik einer rückwirkenden Praxisänderung entsteht erst, wenn überhaupt eine gefestigte und anerkannte Praxis vorhanden ist. Davon ist nach dem Gesagten nicht auszugehen.
Da sich zudem beide behaupteten Praxen als rechtswidrig erweisen, geht die Ansicht des Beschwerdeführers schon deshalb fehl, weil die verlangte Gleichbehandlung im Unrecht nur unter der qualifizierten Voraussetzung zu erwägen ist, dass eine Behörde trotz voller Kenntnis von deren Rechtswidrigkeit an einer bestehenden Praxis festhalten will (Häfelin/Müller/ Uhlmann, a.a.O., Rz. 518 ff., mit Hinweisen). Im vorliegenden Fall stützt sich das Strassenverkehrsamt auf eine, wie der Beschwerdeführer geltend macht, neue Praxis, nach der Inhaber ausländischer Führerausweise zu verwarnen sind. Von einer konstanten, gegenteiligen Praxis kann angesichts dessen nicht ausgegangen werden. Da beide behaupteten Praxen rechtswidrig und nicht konstant sind, verdienen sie von Vornherein keinen Schutz vor Änderungen.
Der Beschwerdeführer rügt weiter, der Eintrag der Verwarnung in das automatisierte Administrativmassnahmenregister (abgekürzt ADMAS) komme einem unzulässigen Sanktionenexport gleich, da dieser einerseits Wirkungen im Fürstentum Liechtenstein entfalte, für einen derartigen Eintrag aber andererseits die nötigen gesetzlichen Grundlagen fehlen würden.
Gemäss Art. 104b Abs. 1 SVG führt das Bundesamt für Strassen in Zusammenarbeit mit den Kantonen ein automatisiertes Administrativmassnahmenregister. Darin werden insbesondere alle von schweizerischen Behörden angeordneten Administrativmassnahmen, darunter auch die Verwarnung, eingetragen (Abs. 3 lit. e). Nach Abs. 7 in Verbindung mit den Abs. 4 und 5 der erwähnten Bestimmung kann der Bundesrat den zuständigen Behörden des Fürstentums Liechtenstein die Beteiligung an Führung und Nutzung des Registers
bewilligen. Davon hat er in Art. 1 der Verordnung über das automatisierte Administrativmassnahmen-Register (SR 741.55) Gebrauch gemacht und den Geltungsbereich auf das Fürstentum Liechtenstein erweitert. Gemäss Art. 7 lit. g der Verordnung werden Verwarnungen in das Register eingetragen.
5.2. Der Entscheid des Strassenverkehrsamtes, die Verwarnung des Beschwerdeführers ins ADMAS einzutragen, ist rechtmässig erfolgt. Die notwendigen gesetzlichen Grundlagen sind vorhanden. Der Beschwerdeführer rügt die Eintragung zu Unrecht.
Zusammenfassend steht fest, dass der Beschwerdeführer zu Recht verwarnt worden ist. Die Beschwerde ist abzuweisen, soweit darauf eingetreten werden kann.
(…)
Demnach hat das Verwaltungsgericht
zu Recht erkannt:
./ Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.
./ Die amtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens von Fr. 2'000.-- bezahlt der Beschwerdeführer durch Verrechnung mit dem geleisteten Kostenvorschuss in gleicher Höhe.
./ Ausseramtliche Kosten werden nicht entschädigt.
V. R. W.
Der Vizepräsident: Der Gerichtsschreiber:
Versand dieses Entscheides an:
den Beschwerdeführer (durch Rechtsanwalt lic. iur. M. D.)
die Vorinstanz
das Strassenverkehrs- und Schifffahrtsamt
das Bundesamt für Strassen, 3003 Bern
am:
Rechtsmittelbelehrung:
Sofern eine Rechtsverletzung nach Art. 95 ff. BGG geltend gemacht wird, kann gegen diesen Entscheid gestützt auf Art. 82 lit. a BGG innert 30 Tagen nach Eröffnung beim Schweizerischen Bundesgericht, 1000 Lausanne 14, Beschwerde erhoben werden.
Bitte beachten Sie, dass keinen Anspruch auf Aktualität/Richtigkeit/Formatierung und/oder Vollständigkeit besteht und somit jegliche Gewährleistung entfällt. Die Original-Entscheide können Sie unter dem jeweiligen Gericht bestellen oder entnehmen.
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