Kanton: | SG |
Fallnummer: | B 2005/40 |
Instanz: | Verwaltungsgericht |
Abteilung: | Verwaltungsgericht |
Datum: | 25.10.2005 |
Rechtskraft: |
Leitsatz/Stichwort: | UrteilVolksschule, Art. 61 Abs. 1 VSG (sGS 213.1). Der Ausschluss der Wahlfähigkeit durch Vermerk im Lehrdiplom ist zulässig, wenn eine Lehrperson Kinderpornographie konsumiert und mit Kindern und Jugendlichen wiederholt distanzlos umgegangen ist (Verwaltungsgericht, B 2005/40). |
Schlagwörter: | Kinder; Beschwerde; Beschwerdeführer; Jugendliche; Jugendlichen; Kindern; Pornographisch; Kinderpornographie; Lehrperson; Vorinstanz; Männlichen; Pornographische; Erziehung; Wahlfähigkeit; Entscheid; Schule; Erziehungs; Verhalten;Verfahren; Internet;Persönlichen; Vorbild; Gewalt; Ausschluss; Ermessen; Verhältnismässig; Gutachten |
Rechtsnorm: | Art. 187 StGB ; |
Referenz BGE: | 101 Ia 179; 125 IV 58; 131 IV 19; 131 IV 74; |
Kommentar zugewiesen: | Spühler, Basler Kommentar zur ZPO, Art. 321 ZPO ; Art. 311 ZPO, 2017 |
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./ Nach Art. 61 Abs. 1 des Volksschulgesetzes (sGS 213.1, abgekürzt VSG) kann der Erziehungsrat die Wahlfähigkeit durch Vermerk im Lehrdiplom ausschliessen, wenn die Eignung für die Lehrtätigkeit fehlt. Haben sich die Verhältnisse wesentlich geändert, so stellt er nach Abs. 2 dieser Vorschrift ein Lehrdiplom ohne Vermerk aus. Nach Art. 61 Abs. 3 VSG kann die zuständige Stelle des Staates Vermerk und Bereinigung den Schulräten des Kantons St. Gallen und den zuständigen Stellen der Kantone, die das Lehrdiplom durch Vereinbarung anerkennen, melden.
Art. 61 Abs. 1 und 3 VSG sind typische "Kann-Bestimmungen". Das Gesetz schreibt beim Vorliegen bestimmter Voraussetzungen den Ausschluss der Wahlfähigkeit und
dessen Meldung an interessierte Stellen nicht zwingend vor, sondern räumt der Vorinstanz diesbezüglich einen Ermessensspielraum ein. Das Verwaltungsgericht ist nicht befugt, die Angemessenheit einer Verfügung oder eines Entscheids zu überprüfen (Art. 61 Abs. 1 und 2 des Gesetzes über die Verwaltungsrechtspflege, sGS 951.1). Es darf daher auch bei der Prüfung der Angemessenheit im Sinn von Art. 61 Abs. 1 und 3 VSG nicht sein eigenes Ermessen - im Sinn einer Prüfung der Opportunität bzw. der Zweckmässigkeit der Massnahmen - anstelle des Ermessens der Vorinstanz stellen. Im Streitfall bedeutet dies, dass das Verwaltungsgericht den Entscheidungsspielraum der Vorinstanz zu respektieren hat, wenn diese bei ihrem Entscheid von sachlichen und vernünftigen Ueberlegungen ausging, die im Einklang mit Sinn und Zweck des Gesetzes stehen.
Die Aufgaben und Pflichten der Lehrpersonen an der Volksschule ergeben sich aus Art. 76 VSG. Demnach hat der Lehrer durch seine Tätigkeit und durch sein Vorbild die Erfüllung des Erziehungs- und Bildungsauftrags zu fördern und den Unterricht nach den Vorschriften der Gesetzgebung und den Weisungen der Schulbehörde zu erteilen. Er arbeitet mit seinen Kollegen und den weiteren Stellen zusammen, die für die Schule tätig sind (Abs. 1). Neben der Wissensvermittlung beinhaltet der Erziehungs- und Bildungsauftrag auch die Aufgabe, die Kinder zu lebensbejahenden, gemeinschaftsfähigen und verantwortungsbewussten Menschen zu erziehen (Art. 3 VSG). Allgemein ist zu sagen, dass Lehrpersonen wichtige Bezugspersonen für Kinder im Volksschulalter sind. Die Erfüllung ihrer Erziehungsaufgabe weist ihnen eine Vorbildfunktion zu. Bei Lehrpersonen schlägt sich deshalb die Treuepflicht, die mit jedem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis verbunden ist, auch in einer besonderen geistigen und charakterlichen Einstellung nieder, die zwar allen Mitarbeitern eines Gemeinwesens eigen sein soll, bei ihnen aber spezielle Bedeutung erhält, weil sie meist
Jugendliche unterrichten, die sich in vielen Fragen noch kein selbständiges Urteil bilden können (vgl. H. Plotke, Schweizerisches Schulrecht, 2. Aufl., Bern 2003, S. 573 mit Hinweis auf BVR 1995, S. 96 ff.). Somit ist das Verhalten der Lehrkräfte innerhalb und in beschränkter Weise sogar ausserhalb der Schule für die Erfüllung ihrer Aufgaben von Bedeutung (vgl. VerwGE vom 14. September 2004 i.S. K.H.; vgl. auch VerwGE vom 9. Juli 2002 i.S. J.G. und A.E.). Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts sind Charaktermängel der Lehrkräfte - selbst bei hohen pädagogischen Fähigkeiten -
geeignet, das Vertrauen in die Schule in untragbarer Weise zu untergraben (vgl. P. Hänni, Das öffentliche Dienstrecht der Schweiz, Zürich 2002, S. 406 mit Hinweis auf BGE 101 Ia 179 f.). Von besonderer Bedeutung ist die Charakterfestigkeit der Lehrkräfte auf dem Gebiet der Sexualität. In diesem Bereich können Fehlhandlungen und die Missachtung wichtiger Prinzipien bei den anvertrauten Jugendlichen zu schweren und dauernden persönlichen Problemen führen und die emotionale Persönlichkeitsentwicklung nachhaltig beeinträchtigen (vgl. Hänni, a.a.O., S. 406).
./ Der Beschwerdeführer hat nach eigenen Angaben Internetseiten besucht, die auch seiner Meinung nach als pornographisch eingestuft werden könnten. Des weiteren vertritt er die Auffassung, er habe im Umgang mit Kindern und Jugendlichen zuweilen eine gewisse Distanz vermissen lassen. Sodann stellt der Beschwerdeführer nicht in Abrede, dass sich dann, wenn einer Lehrperson vorgeworfen wird, sie habe Kinderpornographie konsumiert, die Frage stellen muss, ob sie geeignet ist, ihren Beruf auszuüben. Dementsprechend bestätigt er die Feststellungen der Vorinstanz, wonach die persönliche Freiheit der Lehrperson durch übergeordnete öffentliche Interessen eingegrenzt ist, wobei ihrer Vorbildfunktion und der Achtung der Persönlichkeit der Kinder und Jugendlichen entscheidende Bedeutung zukommt. Der Beschwerdeführer rügt indessen, der angefochtene Entscheid beruhe auf einem unrichtig und unvollständig festgestellten Sachverhalt. Sodann habe die Vorinstanz ihr Ermessen nicht pflichtgemäss ausgeübt und den Grundsatz der Verhältnismässigkeit verletzt.
Der Beschwerdeführer steht in einem Strafverfahren wegen des Verdachts auf Widerhandlung gegen Art. 197 Ziff. 3bis des Schweizerischen Strafgesetzbuches (SR 311.0). Nach dieser Vorschrift wird mit Gefängnis bis zu einem Jahr oder mit Busse bestraft, wer pornographische Schriften, Ton- und Bildaufnahmen, Abbildungen, andere Gegenstände solcher Art oder pornographische Vorführungen, die sexuelle Handlungen mit Kindern oder Tieren oder sexuelle Handlungen mit Gewalttätigkeiten zum Inhalt haben, erwirbt, sich über elektronische Mittel oder sonst wie beschafft oder besitzt. Zentrales Rechtsgut des Verbots der Kinderpornographie ist die ungestörte sexuelle Entwicklung von Kindern und Jugendlichen. Dem liegt der Gedanke zugrunde, dass sich die vom Gesetz genannten Darstellungen und Vorführungen auf den Verbraucher korrumpierend auswirken können, mithin geeignet sind, beim Betrachter
u.a. die Bereitschaft zu erhöhen, das Geschehen selbst nachzuahmen. In diesem Sinne
weckt der Konsum kinderpornographischer Erzeugnisse die Nachfrage für die Herstellung solcher Produkte und schafft den finanziellen Anreiz zur Begehung von Straftaten. Insofern trägt er mittelbar zum sexuellen Missbrauch von in solchen Machwerken zur Schau gestellten Kindern bei (vgl. BGE 131 IV 19). Im Fall der Kinderpornographie gilt sodann, dass jede sexuelle Handlung mit Kindern im Sinn von Art. 187 StGB verpönt ist, mithin Verhaltensweisen, die nach den Umständen des Einzelfalls als sexualbezogen erscheinen (vgl. BGE 131 IV 74 mit Hinweis auf BGE 125 IV 58). Vor diesem Hintergrund kann nicht ausgeschlossen werden, dass Nacktaufnahmen von Kindern auch ohne besondere Betonung des Genitalbereichs als pornographisch qualifiziert werden können (vgl. BGE 131 IV 74).
......
bb) Der Beschwerdeführer bestreitet nicht, das sichergestellte Film- und Bildmaterial besessen bzw. hergestellt zu haben. Unabhängig davon, ob er strafrechtlich zur Verantwortung gezogen wird, ergibt sich, dass er ein ausgeprägtes Interesse an Darstellungen von männlichen Kindern und Jugendlichen als Sexualobjekte hat, über die nach Belieben - auch mit Gewalt - verfügt werden kann. Der Beschwerdeführer hat selbst nach der Hausdurchsuchung und nach Beginn der psychotherapeutischen Behandlung bis zur Inhaftierung über einen Computer der Schule im Internet pornographische Seiten mit Gewaltdarstellungen besucht und teilweise auf Mini-DV heruntergeladen. Dieses Verhalten spricht für sich alleine dagegen, dass es sich beim Beschwerdeführer um eine Persönlichkeit handelt, der Jugendliche im Volksschulalter zur Erziehung und Ausbildung anvertraut werden können.
Der Beschwerdeführer wendet zwar ein, im Hinblick auf die Frage, ob sich der Ausschluss der Wahlfähigkeit als verhältnismässig erweise, sei von zentraler Bedeutung, aus welchen Gründen "entsprechende Bilder betrachtet und allenfalls heruntergeladen werden". Seiner Meinung nach verletzt eine Lehrperson ihre Vorbildfunktion nur leicht und bleibt für ihre Bildungs- und Erziehungsaufgabe geeignet, wenn sie Internetseiten mit Kinderpornographie nicht zum persönlichen Lustgewinn besucht. Der Beschwerdeführer macht unter Berufung auf seinen Therapeuten und das im Rahmen des Strafverfahrens in Auftrag gegebene psychiatrische Gutachten geltend, er sei nicht pädophil veranlagt und konsumiere
Kinderpornographie nicht aus sexuellem Interesse, sondern zur Bewältigung von Kindheits- und Jugendtraumata. Der Vorwurf der Vorinstanz, er könnte die sexuelle Integrität ihm anvertrauter Kinder und Jugendlicher gefährden, sei deshalb nicht berechtigt.
Unabhängig davon, aus welchen Gründen jemand das Bedürfnis hat, kinderpornographische Darstellungen zu konsumieren, kann indessen nicht ausgeschlossen werden, dass die Gefahr von sexuellen Uebergriffen auf Kinder und Jugendliche besteht. Sodann sind das Straf- und das Administrativverfahren voneinander unabhängig, was der Beschwerdeführer nicht bestreitet. Wie er selber ausführt, kann die Vorinstanz einer Lehrperson die Wahlfähigkeit auch im Fall eines Freispruchs vom Vorwurf der Kinderpornographie absprechen, soweit dies aus schulischer Sicht geboten ist. Die Frage, ob eine Lehrperson vertrauenswürdig ist oder ob ihr die charakterliche Eignung zur Lehrtätigkeit fehlt, beurteilt sich nach objektiven Grundsätzen aufgrund ihres Verhaltens. Der Beschwerdeführer kann den Konsum kinderpornographischer Szenen deshalb nicht mit der Begründung rechtfertigen, er sehe sich insbesondere auch Gewaltdarstellungen mit Knaben an, weil er als Kind missbraucht worden sei bzw. es handle sich um eine besondere Art von Vergangenheitsbewältigung. Selbst wenn dies der Fall sein sollte, würde sich der angefochtene Entscheid als verhältnismässig erweisen, zumal feststeht, dass der Beschwerdeführer die körperliche Integrität von männlichen Kindern und Jugendlichen wiederholt verletzt hat [vgl. Ziff. b) hienach]. Entgegen seiner Annahme war die Vorinstanz somit nicht gehalten, abzuklären, warum er homosexuelle Kinderpornographie konsumiert bzw. mit dem Ausschluss der Wahlfähigkeit zuzuwarten, bis das psychiatrische Gutachten, das im Rahmen des Strafverfahrens in Auftrag gegeben worden ist, vorliegt. Auch im Rahmen des Beschwerdeverfahrens besteht dementsprechend kein Anlass, dieses Gutachten abzuwarten oder ein Gutachten in Auftrag zu geben.
Fest steht weiter, dass der Beschwerdeführer immer wieder Körperkontakt mit männlichen Kindern und Jugendlichen hatte und dass er diese Szenen auch filmisch festgehalten hat.
......
Das Verhalten des Beschwerdeführers zeigt, dass er nicht in der Lage ist, zu männlichen Kindern und Jugendlichen einen verantwortungs- und respektvollen Umgang zu pflegen, wie er von einer Lehrkraft als wichtiger Bezugsperson heranwachsender Kinder auch ausserhalb der Schule erwartet werden darf und muss. Die intensiven Beziehungen, die der Beschwerdeführer zu männlichen Kindern und Jugendlichen auch ausserhalb der Schule unterhalten hat, zeugen von einer absoluten Distanzlosigkeit und einem aussergewöhnlichen Bedürfnis, mit heranwachsenden Knaben die Freizeit zu verbringen. Er hat die körperliche Integrität mehrerer männlicher Kinder und Jugendlicher nicht respektiert ...... Damit hat der Beschwerdeführer aus Eigennutz in Kauf genommen, dass die Persönlichkeitsentwicklung junger Menschen Schaden nimmt. Seine Behauptung, er habe sich ausser harmlosen Balgereien nichts zu Schulden kommen lassen bzw. er stelle keine "Gefahr für Kinder und Jugendliche" dar, ist deshalb unzutreffend.
......
Im Zusammenhang mit der Beurteilung der Frage, ob eine Person aufgrund ihres Charakters und ihrer persönlichen Veranlagungen als Lehrkraft geeignet erscheint, ist unerheblich, wie sie von betroffenen Kindern und Jugendlichen beurteilt wird bzw. in welchem persönlichen Verhältnis sie zu Angehörigen dieser Jugendlichen steht. Entscheidend ist, ob sich die Person nach objektiven Gesichtspunkten als vertrauenswürdig erweist. Wie bereits ausgeführt, trifft dies im Fall des Beschwerdeführers offensichtlich nicht zu. ..... Auch hat der Beschwerdeführer ausgeführt, die männlichen Kinder und Jugendlichen hätten das Vertrauen, das er in sie gesetzt habe, in seiner Wohnung zuweilen ausgenutzt, indem sie ohne sein Wissen z.B. Pornofilme angeschaut oder im Internet pornographische Seiten besucht hätten. Der Beschwerdeführer hat es somit auch bewusst zugelassen, dass sich Kinder und Jugendliche in seiner Wohnung Pornofilme ansehen, was einer groben charakterlichen Fehlleistung gleichkommt. Seiner Argumentation, dies könne ihm nicht zum Nachteil gereichen, weil er dies nicht toleriert habe, kann nicht gefolgt werden. Es zeugt von mangelndem Verantwortungsbewusstsein des Beschwerdeführers, dass er Kindern und Jugendlichen überhaupt die Möglichkeit geboten hat, derartiges Bildmaterial zu konsumieren.
./ Zusammenfassend ergibt sich, dass die Beschwerde abzuweisen ist. Die gesamten Umstände - der Konsum von Kinderpornographie und der wiederholte distanzlose Umgang mit männlichen Kindern und Jugendlichen - machen deutlich, dass der Beschwerdeführer als Lehrkraft für Kinder im Volksschulalter ungeeignet ist. Der Ausschluss der Wahlfähigkeit ist deshalb die einzig mögliche und damit verhältnismässige Massnahme. Der Beschwerdeführer macht zwar geltend, die vorsorgliche Massnahme hätte die Bevölkerung bis zum Abschluss seiner Therapie ausreichend geschützt. Dieser Auffassung kann indessen nicht gefolgt werden, zumal der Beschwerdeführer selber geltend macht, die Aufarbeitung seiner schwerwiegenden Probleme, die er während Jahren verdrängt habe, werde eine lange Zeit in Anspruch nehmen. Aus diesem Grund könnte der Schutz von Schülern auch nicht mit einer Auflage gewährleistet werden, wonach der Beschwerdeführer zu diesen "eine gewisse Distanz" einzuhalten hat. In Anbetracht der gesamten Umstände erweist sich der angefochtene Entscheid auch nicht als unverhältnismässig, weil es dem Beschwerdeführer nach eigenen Angaben bisher nicht gelungen ist, sich beruflich neu zu orientieren.
....
Demnach hat das Verwaltungsgericht zu Recht erkannt:
...
2./ Die Beschwerde wird abgewiesen.
Bitte beachten Sie, dass keinen Anspruch auf Aktualität/Richtigkeit/Formatierung und/oder Vollständigkeit besteht und somit jegliche Gewährleistung entfällt. Die Original-Entscheide können Sie unter dem jeweiligen Gericht bestellen oder entnehmen.
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