E-MailWeiterleiten
LinkedInLinkedIn

Urteil Verwaltungsgericht (SG - B 2005/176, 199)

Zusammenfassung des Urteils B 2005/176, 199: Verwaltungsgericht

Das Verwaltungsgericht hat festgestellt, dass der Zuschlag für Malerarbeiten am Schulhaus Dorf Mels nichtig ist, da die Vergabe nicht den gesetzlichen Anforderungen entsprach. Die Beschwerde der ARGE Schulhaus Dorf Mels wurde daher gutgeheissen, und der Zuschlag wurde der Beschwerdeführerin zum Preis von Fr. 143'568.40 erteilt. Die Gerichtskosten in Höhe von Fr. 3'000.-- wurden der Vorinstanz auferlegt. Der Richter war männlich.

Urteilsdetails des Verwaltungsgerichts B 2005/176, 199

Kanton:SG
Fallnummer:B 2005/176, 199
Instanz:Verwaltungsgericht
Abteilung:Verwaltungsgericht
Verwaltungsgericht Entscheid B 2005/176, 199 vom 06.12.2005 (SG)
Datum:06.12.2005
Rechtskraft:
Leitsatz/Stichwort:UrteilAnwesend: Präsident Prof. Dr. U. Cavelti; Verwaltungsrichter Dr. E. Oesch-Frischkopf, lic. iur. A. Linder, Dr. B. Heer, lic. iur. A. Rufener; Gerichtsschreiber lic. iur. Th. Vögeli image
Schlagwörter: Zuschlag; Vorinstanz; Verwaltungsgericht; Abgebotsrunde; Beschaffungswesen; Verfahren; Angebot; Preis; Schulgemeinde; Recht; Anbieter; Verfügung; Entscheid; Erwägung; Verfahrens; Schulhaus; Mitteilung; Erwägungen; Verwaltungsgerichts; IVöB; Verordnung; Brunner; Abgebote; Beschwerdeverfahren; Unternehmung; Gericht
Rechtsnorm:-
Referenz BGE:-
Kommentar:
-

Entscheid des Verwaltungsgerichts B 2005/176, 199

In Sachen

ARGE Schulhaus Dorf Mels, bestehend aus:

  • Stefan Schneider, dipl. Malermeister, Butzerstrasse,

    8887 Mels, und

  • Kloter Team AG, Rheinaustrasse 2, 7320 Sargans,

    Beschwerdeführerin,

    vertreten durch Stefan Schneider, Butzerstrasse, 8887 Mels, gegen

    Schulgemeinde Mels, Postfach 109, 8887 Mels, Vorinstanz,

    und

    ARGE Brunner, Aggeler, Hilty, Bizozzero, Beschwerdegegnerin,

    vertreten durch Brunner Malerei AG, Zeughausstrasse, Postfach 94, 8887 Mels,

    betreffend

    öffentliches Beschaffungswesen, innere und äussere Malerarbeiten am Schulhaus Dorf Mels hat das Verwaltungsgericht festgestellt:

    1. ./ Die Schulgemeinde Mels lud im Rahmen des Bauvorhabens Sanierung Schulhaus Dorf verschiedene Unternehmungen ein, für die äusseren und inneren Malerarbeiten bis

      9. Mai 2005 ein Angebot einzureichen. Innert dieser Frist gingen drei Offerten mit Angeboten von Fr. 146'866.40 (ARGE Schulhaus Dorf Mels), Fr. 150'358.85 (Toni Rankwiler) und Fr. 183'765.30 (ARGE Brunner, Aggeler, Hilty und Bizozzero) ein. In der Folge führte die mit der Submission beauftragte Architekturunternehmung Daniel Ackermann AG eine Abgebotsrunde durch. Danach betrug das Angebot der ARGE Brunner, Aggeler, Hilty, Bizozzero Fr. 142'802.40, jenes der ARGE Schulhaus Dorf Mels Fr. 143'568.40 und jenes von Toni Rankwiler Fr. 154'840.60.

      Am 14. September 2005 beschloss der Schulrat Mels, den Auftrag für die inneren und äusseren Malerarbeiten zum Preis von Fr. 142'802.40 der ARGE Brunner, Aggeler, Hilty, Bizozzero zu vergeben. Mit Schreiben der Daniel Ackermann AG vom 26. September 2005 wurden die Anbieter über die Arbeitsvergabe in Kenntnis gesetzt.

    2. ./ Mit Schreiben vom 28. September 2005 wandte sich die ARGE Schulhaus Dorf Mels an die Schulgemeinde Mels und erhob Einsprache gegen die Vergabe der Malerarbeiten. Die Schulgemeinde Mels übermittelte die Einsprache umgehend dem Verwaltungsgericht als zuständiger Beschwerdeinstanz. In der Folge beharrte die ARGE Schulhaus Dorf Mels darauf, dass die an die Schulgemeinde gerichtete Einsprache als Beschwerde zu behandeln sei.

      Die Vorinstanz beantragte in ihrer Vernehmlassung vom 21. Oktober 2005 die Abweisung der Beschwerde.

      Die Beschwerdegegnerin nahm mit Eingabe vom 1. November 2005 zur Beschwerde Stellung, ohne einen förmlichen Antrag zu stellen.

      Auf die einzelnen von den Verfahrensbeteiligten vorgebrachten Ausführungen wird, soweit wesentlich, in den nachstehenden Erwägungen eingegangen.

      Am 9. November 2005 erteilte der Präsident des Verwaltungsgerichts der Beschwerde von Amtes wegen die aufschiebende Wirkung.

      Darüber wird in Erwägung gezogen:

      1. ./ Die sachliche Zuständigkeit des Verwaltungsgerichts ist gegeben (Art. 5 Abs. 2 des Einführungsgesetzes zur Gesetzgebung über das öffentliche Beschaffungswesen, sGS 841.1, abgekürzt EGöB). Die Schulgemeinde Mels ist nach Art. 1 Abs. 2 lit. b des Gemeindegesetzes (sGS 151.2) eine Gemeinde im Sinn von Art. 2 Abs. 1 lit. b EGöB. Sie unterliegt damit den Vorschriften über das öffentliche Beschaffungswesen. Die Beschwerdeführerin ist als nicht berücksichtigte Anbieterin zur Beschwerde legitimiert (Art. 64 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 45 Abs. 1 des Gesetzes über die Verwaltungsrechtspflege, sGS 951.1, abgekürzt VRP). Die Beschwerdeeingabe vom

        29. September 2005 (Postaufgabe) wurde rechtzeitig innerhalb der gesetzlichen Frist von zehn Tagen seit der Mitteilung über die Auftragsvergabe eingereicht (Art. 15 Abs. 3 der Interkantonalen Vereinbarung über das öffentliche Beschaffungswesen, sGS 841.32, abgekürzt IVöB). Die Beschwerde muss einen Antrag, eine Darstellung des Sachverhalts und eine Begründung enthalten (Art. 15 Abs. 3 IVöB; Art. 64 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 48 Abs. 1 VRP). Die Beschwerdeführerin hat keinen förmlichen Antrag gestellt, sondern sinngemäss die Aufteilung des Auftrages auf die Verfahrensbeteiligten beantragt. Sie rügt das Angebot der Beschwerdegegnerin, welche im Rahmen der Abgebotsrunde einen Rabatt von rund 30 Prozent bzw. rund Fr. 40'000.-- offerierte, und macht geltend, ohne Detailwissen der Abgebote der Konkurrenzunternehmungen wäre eine derart präzise Unterbietung von lediglich 0,54 Prozent resp. rund Fr. 750.-- nicht möglich gewesen. Da die Mitteilung der Architekturunternehmung über die Arbeitsvergabe keine auf die ausgeschriebenen Zuschlagskriterien bezogene Begründung enthielt, kann die Beschwerde formal und inhaltlich als den gesetzlichen Anforderungen genügend betrachtet werden. Auf die Beschwerde ist daher einzutreten.

      2. ./ a) Nach Art. 16 Abs. 1 IVöB können mit der Beschwerde Rechtsverletzungen, einschliesslich Ueberschreitung Missbrauch des Ermessens, sowie unrichtige unvollständige Feststellung des rechtserheblichen Sachverhalts gerügt werden. Dagegen kann Unangemessenheit nicht gerügt werden (Art. 16 Abs. 2 IVöB). Diese Vorschriften entsprechen den allgemeinen Grundsätzen des st. gallischen Verfahrensrechts (Art. 61 Abs. 1 und 2 VRP). Im Beschwerdeverfahren gegen Beschaffungsverfügungen kann somit nur geprüft werden, ob die Vorinstanz ihr Ermessen überschritten missbraucht hat und damit rechtswidrig handelte (vgl. statt vieler GVP 1999 Nr. 37 mit Hinweisen).

        1. Art. 35 der Verordnung über das öffentliche Beschaffungswesen (sGS 841.11, abgekürzt VöB) bestimmt, dass der Auftraggeber den Anbietern den Zuschlag durch Verfügung zu eröffnen hat.

          Das Verwaltungsgericht hat die Mitteilung einer Arbeitsvergabe durch die mit der Offertprüfung beauftragte Unternehmung wiederholt als nichtig qualifiziert (vgl. GVP 2003 Nr. 38; VerwGE B 2004/181 vom 22. März 2005 i.S. Ortsgemeinde S.; publiziert in: www.gerichte.sg.ch/Dienstlei- stungen/Rechtsprechung/Verwaltungsgericht). Es erwog, nach Lehre und Rechtsprechung sei die Verfügung ein individueller, an den Einzelnen gerichteter Hoheitsakt, durch den eine konkrete verwaltungsrechtliche Rechtsbeziehung rechtsgestaltend feststellend in verbindlicher und erzwingbarer Weise geregelt werde (vgl. statt vieler Häfelin/Müller, Allgemeines Verwaltungsrecht, 4. Aufl., Zürich 2002, Rz. 854 mit Hinweisen).

          Im vorliegenden Fall wurde die Arbeitsvergabe den Anbietern von der Daniel Ackermann AG, der von der Vorinstanz beauftragten Unternehmung, mitgeteilt. Das Schreiben ist auf deren Briefpapier verfasst und von den Organen der Schulgemeinde nicht unterzeichnet. Darin wird ausgeführt, im Namen der Bauherrschaft werde mitgeteilt, dass die streitigen Arbeiten der ARGE Brunner, Aggeler, Hilty, Bizozzero vergeben worden seien. Der Preis des Angebots ist nicht vermerkt. Kennzeichnendes Merkmal einer Verfügung ist aber, dass sie als behördlicher Akt klar erkennbar ist. Sowohl eine öffentlich-rechtliche Körperschaft als auch ein Privater haben den Zuschlag in Form einer Verfügung im Sinn von Art. 35 VöB zu eröffnen. Entscheidend ist nicht, dass das zuständige Organ der Schulgemeinde Mels einen entsprechenden Beschluss gefasst hat. Ein solcher Beschluss bleibt bis zur förmlichen Mitteilung an die Betroffenen nicht wirksam. Erst mit der Mitteilung bzw. Eröffnung der Verfügung erhält diese rechtliche Wirkung. Aufgrund der Praxis des Verwaltungsgerichts ist daher der Zuschlag als nichtig zu qualifizieren.

        2. In aller Regel lässt es das Gericht bei einer Feststellung der Nichtigkeit bewenden. Im vorliegenden Fall sind aufgrund der zahlreichen Mängel des Verfahrens folgende Ausführungen angezeigt:

          Die Zuschlagsverfügung ist gemäss Art. 41 Abs. 1 VöB kurz zu begründen. Die Begründung hat nach Art. 41 Abs. 3 VöB insbesondere den Preis des berücksichtigten Angebots die tiefsten und höchsten Preise der in das Vergabeverfahren einbezogenen Angebote zu enthalten. Das Verwaltungsgericht hat die Anforderungen an die Begründung einer Zuschlagsverfügung wiederholt umschrieben und diese Rechtsprechung veröffentlicht (GVP 2000 Nr. 24). Sodann ist eine Verfügung mit einer Rechtsmittelbelehrung zu versehen (Art. 24 Abs. 1 lit. d VRP).

          Die Vorinstanz führte eine Abgebotsrunde durch. Art. 33 Abs. 3 VöB bestimmt, dass Abgebote, ausgenommen im freihändigen Verfahren, nicht zulässig sind. Vorliegend wurde nicht ein freihändiges Verfahren, sondern ein Einladungsverfahren gemäss Art. 19bis VöB durchgeführt, weshalb die Einladung zu einer Abgebotsrunde unzulässig war.

          Abgebote wurden unter der Geltung der früheren Verordnung über das öffentliche Beschaffungswesen (nGS 33-50) als zulässig erachtet. Art. 33 Abs. 1 VöB bestimmt, dass Verhandlungen geführt werden können, soweit in der Ausschreibung darauf hingewiesen wurde und sie nicht durch internationale interkantonale Vereinbarungen ausgeschlossen sind. Preisverhandlungen bzw. Abgebotsrunden wurden als Verhandlungen im Sinne dieser Bestimmung qualifiziert. Das Verwaltungsgericht hat dazu entschieden, dass ein Anbieter, der vorbehaltlos auf eine Abgebotsrunde eingetreten ist, in der Beschwerde gegen den Zuschlag die Unzulässigkeit der Abgebotsrunde nicht mehr rügen kann (GVP 2001 Nr. 20). Im Nachtrag vom 8. Oktober 2002 zur Verordnung über das öffentliche Beschaffungswesen (nGS 37-99) wurde im neu eingefügten Art. 33 Abs. 3 VöB die Unzulässigkeit von Abgeboten, ausgenommen im freihändigen Verfahren, verankert. Die neue Verordnung macht somit eine Unterscheidung zwischen Verhandlungen im allgemeinen, welche grundsätzlich zulässig sind, und unzulässigen Preisverhandlungen (vgl. Handbuch öffentliches Beschaffungswesen der Staatsverwaltung, K 9 S. 10).

          Die Vorinstanz hielt in ihrer Vernehmlassung zur Beschwerde fest, für ihren Entscheid sei ausschlaggebend gewesen, dass die Beschwerdegegnerin vier Firmen beschäftige, die in Mels ansässig und steuerpflichtig seien. Damit brachte die Vorinstanz ein unzulässiges Zuschlagskriterium zur Anwendung. Die Bevorzugung einheimischer

          Anbieter verletzt ein zentrales Gebot des Beschaffungsrechts und stellt eine Diskriminierung auswärtiger Unternehmungen dar, welche gegen Art. 5 VöB verstösst.

        3. Zusammenfassend ergibt sich aus den vorstehenden Erwägungen, dass der Zuschlag nichtig ist.

          Der Beschwerde wurde von Amtes wegen die aufschiebende Wirkung gewährt. Es stellt sich die Frage, ob der Zuschlag mit dem Beschwerdeentscheid zu vergeben die Angelegenheit zum Entscheid über den Zuschlag an die Vorinstanz zurückzuweisen ist. Das Verwaltungsgericht entscheidet nur ausnahmsweise über den Zuschlag und weist die Angelegenheit in der Regel an die Vorinstanz zurück. Da im vorliegenden Fall das Angebot der Beschwerdeführerin vor der Abgebotsrunde mit Fr. 146'866.40 das preisgünstigste war und es ausserdem bei sämtlichen übrigen Zuschlagskriterien gleich bewertet wurde wie jenes der Beschwerdegegnerin bzw. besser war als jenes des dritten Anbieters, ist es offensichtlich als das wirtschaftlich günstigste im Sinn von Art. 34 Abs. 1 VöB zu betrachten. Somit ist ausnahmsweise mit dem Beschwerdeentscheid über den Zuschlag zu befinden und der Zuschlag der Beschwerdeführerin zu vergeben. Da sich die Beschwerdeführerin auf die Abgebotsrunde eingelassen hat, ist sie aber auf ihrem reduzierten Angebotspreis von Fr. 143'568.40 zu behaften (vgl. VerwGE B 2005/38 vom 20. Juni 2005 i.S. O. AG, in: www.gerichte.sg.ch).

        4. Dementsprechend ist die Beschwerde gutzuheissen. Es ist festzustellen, dass der Zuschlag an die Beschwerdegegnerin nichtig ist. Der Zuschlag ist aufgrund der vorstehenden Erwägungen gestützt auf Art. 18 Abs. 1 IVöB der Beschwerdeführerin zum Preis von Fr. 143'568.40 gemäss den vorstehenden Erwägungen zu vergeben und die Angelegenheit zum Vertragsschluss an die Vorinstanz zurückzuweisen.

      3. ./ Dem Ausgang des Verfahrens entsprechend sind die amtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens der Vorinstanz aufzuerlegen (Art. 95 Abs. 1 VRP). Eine Entscheidgebühr von Fr. 3'000.-- ist angemessen (Ziff. 382 des Gerichtskostentarifs, sGS 941.12). Auf ihre Erhebung ist nicht zu verzichten, da das Vorgehen der Vorinstanz im klaren Widerspruch zu den gesetzlichen Formvorschriften und zur publizierten Praxis des Verwaltungsgerichts stand (Art. 95 Abs. 2 und 3 VRP). Der

    Beschwerdeführerin ist der geleistete Kostenvorschuss von Fr. 2'000.-- zurückzuerstatten.

    Ausseramtliche Entschädigungen sind nicht zuzusprechen. Die Beschwerdeführerin hat keinen entsprechenden Antrag gestellt (Art. 98ter VRP in Verbindung mit Art. 263 Abs. 3 des Zivilprozessgesetzes, sGS 961.2).

    Demnach hat das Verwaltungsgericht zu Recht erkannt:

    1. ./ Die Beschwerde wird gutgeheissen, und es wird festgestellt, dass der Zuschlag nichtig ist.

    2. ./ Der Zuschlag wird der Beschwerdeführerin zum Preis von Fr. 143'568.40 vergeben und die Angelegenheit zum Vertragsschluss an die Vorinstanz zurückgewiesen.

    3. ./ Die amtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens von Fr. 3'000.-- bezahlt die Vorinstanz. Auf die Erhebung wird nicht verzichtet. Der Beschwerdeführerin wird der geleistete Kostenvorschuss von Fr. 2'000.-- zurückerstattet.

    4. ./ Ausseramtliche Kosten werden nicht entschädigt.

    V. R. W.

    Der Präsident: Der Gerichtsschreiber: Zustellung dieses Entscheides an:

  • die Beschwerdeführerin (durch

    Stefan Schneider, 8887 Mels)

  • die Vorinstanz

  • die Beschwerdegegnerin (durch

    Brunner Malerei AG, 8887 Mels) am:

    image

    B 2005/199

    Urteil vom 6. Dezember 2005

    Anwesend: Präsident Prof. Dr. U. Cavelti; Verwaltungsrichter Dr. E. Oesch-Frischkopf, lic. iur. A. Linder, Dr. B. Heer, lic. iur. A. Rufener; Gerichtsschreiber lic. iur. Th. Vögeli

    image

    In Sachen

    Schällebaum Parkett AG, Distelistrasse 6, 9014 St. Gallen, Beschwerdeführerin,

    gegen

    Schulgemeinde Mels, Postfach 109, 8887 Mels, Vorinstanz,

    und

    Interior Service AG, Pfister-Center, 8887 Mels, Beschwerdegegnerin,

    betreffend

    öffentliches Beschaffungswesen; Schulhaus Dorf Mels, Innen- und Aussensanierung, Bodenbeläge aus Holz hat das Verwaltungsgericht festgestellt:

    1. ./ Die Schulgemeinde Mels lud im Rahmen des Bauvorhabens Sanierung Schulhaus Dorf verschiedene Unternehmungen ein, für die Bodenbeläge aus Holz bis 10. Oktober 2005 ein Angebot einzureichen. Innert dieser Frist gingen fünf Offerten ein, wobei die beiden preisgünstigsten Fr. 90'495.60 (Schällebaum Parkett AG, St. Gallen) bzw. Fr. 113'869.80 (Interior Service AG, Mels) betrugen. In der Folge führte die mit der Submission beauftragte Architek-

      turunternehmung Daniel Ackermann AG eine Abgebotsrunde durch. Danach betrug das Angebot der Schällebaum Parkett AG Fr. 94'923.-- und jenes der Interior-Service AG Fr. 96'170.10.

      Mit Schreiben der Daniel Ackermann AG vom 4. November 2005 wurde den Anbietern mitgeteilt, die Arbeiten seien an die Interior Service AG vergeben worden.

    2. ./ Mit Eingabe vom 8. November 2005 erhob die Schällebaum Parkett AG Beschwerde beim Verwaltungsgericht und beantragte, der Zuschlag sei aufzuheben und ihr zu vergeben, der Beschwerde sei die aufschiebende Wirkung zu erteilen und es sei ihr Schadenersatz von Fr. 1'000.-- zuzusprechen.

      Am 9. November 2005 erteilte der Präsident des Verwaltungsgerichts der Beschwerde die aufschiebende Wirkung.

      Die Beschwerdegegnerin nahm mit Eingabe vom 17. November 2005 zur Beschwerde Stellung, ohne einen förmlichen Antrag zu stellen.

      Die Vorinstanz verzichtete mit Schreiben vom 21. November 2005 auf eine Stellungnahme.

      Auf die einzelnen von den Verfahrensbeteiligten vorgebrachten Ausführungen wird, soweit wesentlich, in den nachstehenden Erwägungen eingegangen.

      Darüber wird in Erwägung gezogen:

      1. ./ Die sachliche Zuständigkeit des Verwaltungsgerichts ist gegeben (Art. 5 Abs. 2 des Einführungsgesetzes zur Gesetzgebung über das öffentliche Beschaffungswesen, sGS

        841.1, abgekürzt EGöB). Die Schulgemeinde Mels ist nach Art. 1 Abs. 2 lit. b des Gemeindegesetzes (sGS 151.2) eine Gemeinde im Sinn von Art. 2 Abs. 1 lit. b EGöB. Sie unterliegt damit den Vorschriften über das öffentliche Beschaffungswesen. Die Beschwerdeführerin ist als nicht berücksichtigte Anbieterin zur Beschwerde legitimiert (Art. 64 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 45 Abs. 1 des Gesetzes über die Verwaltungsrechtspflege, sGS 951.1, abgekürzt VRP). Die Beschwerdeeingabe vom 8. November 2005 wurde rechtzeitig innerhalb der gesetzlichen Frist von zehn Tagen seit der Mitteilung über die Auftragsvergabe eingereicht und kann als den gesetzlichen Anforderungen genügend betrachtet werden (Art. 15 Abs. 3 und Art. 16 Abs. 1 der Interkantonalen Vereinbarung über das öffentliche Beschaffungswesen, sGS 841.32, abgekürzt IVöB). Auf die Beschwerde ist daher einzutreten.

      2. ./ a) Nach Art. 16 Abs. 1 IVöB können mit der Beschwerde Rechtsverletzungen, einschliesslich Ueberschreitung Missbrauch des Ermessens, sowie unrichtige unvollständige Feststellung des rechtserheblichen Sachverhalts gerügt werden. Dagegen kann Unangemessenheit nicht gerügt werden (Art. 16 Abs. 2 IVöB). Diese Vorschriften entsprechen den allgemeinen Grundsätzen des st. gallischen Verfahrensrechts (Art. 61 Abs. 1 und 2 VRP). Im Beschwerdeverfahren gegen Beschaffungsverfügungen kann somit nur geprüft werden, ob die Vorinstanz ihr Ermessen überschritten missbraucht hat und damit rechtswidrig handelte (vgl. statt vieler GVP 1999 Nr. 37 mit Hinweisen).

        1. Art. 35 der Verordnung über das öffentliche Beschaffungswesen (sGS 841.11, abgekürzt VöB) bestimmt, dass der Auftraggeber den Anbietern den Zuschlag durch Verfügung zu eröffnen hat.

          Das Verwaltungsgericht hat die Mitteilung einer Arbeitsvergabe durch die mit der Offertprüfung beauftragte Unternehmung wiederholt als nichtig qualifiziert (vgl. GVP 2003 Nr. 38; VerwGE B 2004/181 vom 22. März 2005 i.S. Ortsgemeinde S., publiziert in: www.gerichte.sg.ch/Dienstlei- stungen/Rechtsprechung/Verwaltungsgericht). Es erwog, nach Lehre und Rechtsprechung sei die Verfügung ein individueller, an den Einzelnen gerichteter Hoheitsakt, durch den eine konkrete verwaltungsrechtliche Rechtsbeziehung rechtsgestaltend feststellend in verbindlicher und erzwingbarer

          Weise geregelt werde (vgl. statt vieler Häfelin/Müller, Allgemeines Verwaltungsrecht, 4. Aufl., Zürich 2002, Rz. 854 mit Hinweisen).

          Im vorliegenden Fall wurde die Arbeitsvergabe den Anbietern von der Daniel Ackermann AG, der von der Vorinstanz beauftragten Unternehmung, mitgeteilt. Das Schreiben ist auf deren Briefpapier verfasst und von den Organen der Schulgemeinde nicht unterzeichnet. Darin wird ausgeführt, im Namen der Bauherrschaft werde mitgeteilt, dass die streitigen Arbeiten der Interior Service AG, Mels, vergeben worden seien. Der Preis des Angebots ist nicht vermerkt. Kennzeichnendes Merkmal einer Verfügung ist aber, dass sie als behördlicher Akt klar erkennbar ist. Sowohl eine öffentlich-rechtliche Körperschaft als auch ein Privater haben den Zuschlag in Form einer Verfügung im Sinn von Art. 35 VöB zu eröffnen. Entscheidend ist nicht, dass das zuständige Organ der Schulgemeinde Mels einen entsprechenden Beschluss gefasst hat. Ein solcher Beschluss bleibt bis zur förmlichen Mitteilung an die Betroffenen nicht wirksam. Erst mit der Mitteilung bzw. Eröffnung der Verfügung erhält diese rechtliche Wirkung. Aufgrund der Praxis des Verwaltungsgerichts ist daher der Zuschlag als nichtig zu qualifizieren.

        2. In aller Regel lässt es das Gericht bei einer Feststellung der Nichtigkeit bewenden. Im vorliegenden Fall sind aufgrund der zahlreichen Mängel des Verfahrens folgende Ausführungen angezeigt:

          Die Zuschlagsverfügung ist gemäss Art. 41 Abs. 1 VöB kurz zu begründen. Die Begründung hat nach Art. 41 Abs. 3 VöB insbesondere den Preis des berücksichtigten Angebots die tiefsten und höchsten Preise der in das Vergabeverfahren einbezogenen Angebote zu enthalten. Das Verwaltungsgericht hat die Anforderungen an die Begründung einer Zuschlagsverfügung wiederholt umschrieben und diese Rechtsprechung veröffentlicht (GVP 2000 Nr. 24).

          Die Vorinstanz führte eine Abgebotsrunde durch. Art. 33 Abs. 3 VöB bestimmt, dass Abgebote, ausgenommen im freihändigen Verfahren, nicht zulässig sind. Vorliegend wurde nicht ein freihändiges Verfahren, sondern ein Einladungsverfahren gemäss Art. 19bis VöB durchgeführt, weshalb die Einladung zu einer Abgebotsrunde unzulässig war.

          Abgebote wurden unter der Geltung der früheren Verordnung über das öffentliche Beschaffungswesen (nGS 33-50) als zulässig erachtet. Art. 33 Abs. 1 VöB bestimmt, dass Verhandlungen geführt werden können, soweit in der Ausschreibung darauf hingewiesen wurde und sie nicht durch internationale interkantonale Vereinbarungen ausgeschlossen sind. Preisverhandlungen bzw. Abgebotsrunden wurden als Verhandlungen im Sinne dieser Bestimmung qualifiziert. Das Verwaltungsgericht hat dazu entschieden, dass ein Anbieter, der vorbehaltlos auf eine Abgebotsrunde eingetreten ist, in der Beschwerde gegen den Zuschlag die Unzulässigkeit der Abgebotsrunde nicht mehr rügen kann (GVP 2001 Nr. 20). Im Nachtrag vom 8. Oktober 2002 zur Verordnung über das öffentliche Beschaffungswesen (nGS 37-99) wurde im neu eingefügten Art. 33 Abs. 3 VöB die Unzulässigkeit von Abgeboten, ausgenommen im freihändigen Verfahren, verankert. Die neue Verordnung macht somit eine Unterscheidung zwischen Verhandlungen im allgemeinen, welche grundsätzlich zulässig sind, und unzulässigen Preisverhandlungen (vgl. Handbuch öffentliches Beschaffungswesen der Staatsverwaltung, K 9 S. 10).

        3. Zusammenfassend ergibt sich aus den vorstehenden Erwägungen, dass der Zuschlag nichtig ist.

          Der Beschwerde wurde die aufschiebende Wirkung gewährt. Es stellt sich die Frage, ob der Zuschlag mit dem Beschwerdeentscheid zu vergeben die Angelegenheit zum Entscheid über den Zuschlag an die Vorinstanz zurückzuweisen ist. Das Verwaltungsgericht entscheidet nur ausnahmsweise selbst über den Zuschlag und weist die Angelegenheit in der Regel an die Vorinstanz zurück. Da im vorliegenden Fall das Preisangebot der Beschwerdeführerin nach der Offertöffnung, aber bereits vor der Abgebotsrunde, erheblich verändert und höher festgesetzt wurde als in der eingereichten Offerte, wobei jedoch die Gründe der Aenderungen nicht nachvollziehbar sind, und ausserdem bei drei der fünf übrigen Zuschlagskriterien die Angebote der Beschwerdeführerin und der Beschwerdegegnerin abweichend beurteilt wurden, ist der Entscheid über den Zuschlag an die Vorinstanz zurückzuweisen. Beim neuen Entscheid ist aber die Beschwerdegegnerin auf dem Preis vor der Abgebotsrunde zu behaften.

        4. Bei diesem Ausgang des Verfahrens ist dem Schadenersatzbegehren nicht stattzugeben, da die Beschwerdeführerin die Möglichkeit hat, den Zuschlag zu erlangen (vgl. aber unten Erw. 3).

        5. Dementsprechend ist die Beschwerde gutzuheissen. Es ist festzustellen, dass der Zuschlag an die Beschwerdegegnerin nichtig ist. Die Angelegenheit ist gestützt auf Art. 64 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 56 Abs. 2 VRP an die Vorinstanz zum Entscheid über den Zuschlag im Sinne der vorstehenden Erwägungen zurückzuweisen.

      3. ./ Dem Ausgang des Verfahrens entsprechend sind die amtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens der Vorinstanz aufzuerlegen (Art. 95 Abs. 1 VRP). Eine Entscheidgebühr von Fr. 3'000.-- ist angemessen (Ziff. 382 des Gerichtskostentarifs, sGS 941.12). Auf ihre Erhebung ist nicht zu verzichten, da das Vorgehen der Vorinstanz im klaren Widerspruch zu den gesetzlichen Formvorschriften und zur publizierten Praxis des Verwaltungsgerichts stand (Art. 95 Abs. 2 und 3 VRP).

    Die Beschwerdeführerin hat ein Schadenersatzbegehren gestellt. Sie hat Anspruch auf eine Umtriebsentschädigung für das Beschwerdeverfahren (Art. 98ter VRP). Der Aufwand für die Offertstellung fällt allerdings nicht darunter. Eine Entschädigung von Fr. 300.-- ist angemessen.

    Demnach hat das Verwaltungsgericht zu Recht erkannt:

    1. ./ Die Beschwerde wird gutgeheissen, und es wird festgestellt, dass der Zuschlag nichtig ist.

    2. ./ Die Angelegenheit wird an die Vorinstanz zum Entscheid über den Zuschlag im Sinne der vorstehenden Erwägungen zurückgewiesen.

    3. ./ Die amtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens von Fr. 3'000.-- bezahlt die Vorinstanz. Auf die Erhebung wird nicht verzichtet.

    4. ./ Die Vorinstanz hat der Beschwerdeführerin eine ausseramtliche Entschädigung von Fr. 300.-- auszurichten.

    V. R. W.

    Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:

    Zustellung dieses Entscheides an:

  • die Beschwerdeführerin

  • die Vorinstanz

  • die Beschwerdegegnerin

Quelle: https://www.sg.ch/recht/gerichte/rechtsprechung.html
Wollen Sie werbefrei und mehr Einträge sehen? Hier geht es zur Registrierung.

Bitte beachten Sie, dass keinen Anspruch auf Aktualität/Richtigkeit/Formatierung und/oder Vollständigkeit besteht und somit jegliche Gewährleistung entfällt. Die Original-Entscheide können Sie unter dem jeweiligen Gericht bestellen oder entnehmen.

Hier geht es zurück zur Suchmaschine.