Zusammenfassung des Urteils B 2005/162: Verwaltungsgericht
Die kroatische Staatsbürgerin G. F. reiste 2002 in die Schweiz ein und heiratete einen Schweizer Bürger. Nach dem Tod ihres Ehemannes wurde ihr die Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung verweigert. Trotz Rekurs und Beschwerde wurde entschieden, dass keine rechtlichen Ansprüche auf die Verlängerung bestehen. Das Verwaltungsgericht stellte fest, dass die Ablehnung im Ermessen der Verwaltung lag und keine Überschreitung vorlag. Die Beschwerdeführerin argumentierte mit einem Härtefall, der jedoch nicht anerkannt wurde. Das Gericht entschied, die Beschwerde abzuweisen und die Kosten von 2'500 CHF der Beschwerdeführerin aufzuerlegen.
Kanton: | SG |
Fallnummer: | B 2005/162 |
Instanz: | Verwaltungsgericht |
Abteilung: | Verwaltungsgericht |
Datum: | 15.11.2005 |
Rechtskraft: |
Leitsatz/Stichwort: | UrteilAusländerrecht, Art. 4 ANAG (SR 142.20); Art. 13 lit. f BVO (SR 823.21). Rechtmässigkeit der Verweigerung der Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung einer kroatischen Staatsangehörigen, die 2002 in die Schweiz eingereist und rund eineinhalb Jahre mit einem Schweizer verheiratet war. Vorliegen eines Härtefalls aufgrund des Todes des Ehemannes und eines Kleinkindes aus einer kurz nach dem Tod des Ehemannes eingegangenen neuen Beziehung verneint (Verwaltungsgericht, B 2005/162). |
Schlagwörter: | Aufenthalt; Ausländer; Aufenthalts; Aufenthaltsbewilligung; Schweiz; Verwaltung; Vorinstanz; Recht; Kroatien; Entscheid; Verwaltungsgericht; Ausländeramt; Verlängerung; Ermessen; Härte; Verfügung; Umstände; Härtefall; Ehemann; Auflösung; Ausländeramts; Ermessens; Gemeinschaft; Umstand; Depression; Umständen; Präsident; Gesuch; Erteilung |
Rechtsnorm: | Art. 36 BV ; |
Referenz BGE: | 124 II 112; |
Kommentar: | - |
Anwesend: Präsident Prof. Dr. U. Cavelti; Verwaltungsrichter Dr. E. Oesch-Frischkopf, lic. iur. A. Linder, Dr. B. Heer, lic. iur. A. Rufener; Gerichtsschreiber lic. iur. Th. Vögeli
In Sachen
G. F.,
Beschwerdeführerin,
vertreten durch Rechtsanwalt lic.iur. W. gegen
Justiz- und Polizeidepartement des Kantons St. Gallen, Oberer Graben 32, 9001 St. Gallen,
Vorinstanz, betreffend
Nichtverlängerung der Aufenthaltsbewilligung hat das Verwaltungsgericht festgestellt:
./ G. F., geboren 1975, ist Staatsangehörige von Kroatien. Sie reiste am 14. Januar 2002 von Kroatien auf Einladung des in W. wohnhaften M. F., geboren 1967, in die Schweiz ein und heiratete M. F. am 23. April 2002 in Gais. Aufgrund der Heirat mit einem Schweizer erteilte das Ausländeramt G. F. eine Aufenthaltsbewilligung im Rahmen des Familiennachzugs. Am 8. September 2003 verstarb der Ehemann. Am 1. März 2004 zog G. F. von W. nach Gossau.
Mit Verfügung vom 4. Oktober 2004 wies das Ausländeramt das Gesuch von G. F. um Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung ab mit der Begründung, nach Auflösung der Ehe fehlten die Voraussetzungen für die weitere Aufenthaltsbewilligung.
./ Gegen die Verfügung des Ausländeramts erhob G. F. durch ihren Rechtsvertreter Rekurs, der vom Justiz- und Polizeidepartement mit Entscheid vom 30. August 2005 abgewiesen wurde.
./ Mit Eingabe ihres Rechtsvertreters vom 15. September 2005 erhob G. F. Beschwerde beim Verwaltungsgericht mit dem Antrag, der Rekursentscheid vom 30. August 2005 und die Verfügung des Ausländeramts vom 4. Oktober 2004 seien aufzuheben und das Ausländeramt sei anzuweisen, die Aufenthaltsbewilligung zu verlängern, eventualiter sei die Sache zur ergänzenden Untersuchung und zur Neubeurteilung an das Ausländeramt zurückzuweisen, subeventuell sei das Gesuch um Erteilung einer Bewilligung gemäss Art. 36 BVO in befürwortendem Sinn an das Bundesamt für Migration zu übermitteln, alles unter Kosten- und Entschädigungsfolge zulasten des Staates. Die zur Begründung vorgebrachten Ausführungen werden, soweit wesentlich, in den nachstehenden Erwägungen dargelegt und gewürdigt.
Mit Verfügung vom 16. September 2005 wies der Präsident des Verwaltungsgerichts das Gesuch der Beschwerdeführerin um unentgeltliche Rechtspflege und Rechtsverbeiständung wegen Aussichtslosigkeit der Beschwerde ab.
Die Vorinstanz schliesst in ihrer Vernehmlassung vom 10. Oktober 2005 unter Berufung auf die Erwägungen des angefochtenen Entscheids auf Abweisung der Beschwerde.
Darüber wird in Erwägung gezogen:
./ Die sachliche Zuständigkeit des Verwaltungsgerichts ist gegeben (Art. 59bis Abs. 1 des Gesetzes über die Verwaltungsrechtspflege, sGS 951.1, abgekürzt VRP). Die Beschwerdeführerin ist zur Ergreifung des Rechtsmittels legitimiert (Art. 64 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 45 Abs. 1 VRP). Die Beschwerdeeingabe vom 15. September 2005 entspricht zeitlich, formal und inhaltlich den gesetzlichen Anforderungen (Art. 64 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 47 Abs. 1 und Art. 48 Abs. 1 VRP). Auf die Beschwerde ist einzutreten.
./ Nach Art. 4 des Bundesgesetzes über Aufenthalt und Niederlassung der Ausländer (SR 142.20, abgekürzt ANAG) entscheidet die zuständige Behörde im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften und der Verträge mit dem Ausland nach freiem Ermessen über die Bewilligung von Aufenthalt und Niederlassung.
Fest steht, dass die Beschwerdeführerin nach dem Tod ihres Ehemannes weder aufgrund der gesetzlichen Ordnung noch aufgrund eines Staatsvertrags einen
Rechtsanspruch auf Erteilung Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung hat. Der Entscheid über die Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung lag daher im pflichtgemässen Ermessen der Verwaltung. Dem Verwaltungsgericht ist es verwehrt, Entscheide der Verwaltung im Bereich der Ermessensausübung zu überprüfen (Art. 61 Abs. 1 und 2 VRP). Es kann nur prüfen, ob die Vorinstanz ihr Ermessen überschritten missbraucht hat, als sie die Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung verweigerte. Im Streitfall bedeutet dies, dass das Verwaltungsgericht den Entscheidungsspielraum der Vorinstanz zu respektieren hat, wenn diese bei ihrem Entscheid von sachlichen und vernünftigen Ueberlegungen ausging, die im Einklang mit Sinn und Zweck des Gesetzes stehen. Es kann nur überprüfen, ob ein Entscheid eine Verfügung auf einer Ueberschreitung bzw. einem Missbrauch des Ermessens beruht (vgl. GVP 1998 Nr. 22 und 1996 Nr. 9 mit Hinweisen).
Nach der Praxis des Ausländeramts wird die Aufenthaltsbewilligung in gewissen Fällen zwar auch nach der Auflösung der Ehe verlängert. Als massgebend werden dabei nach den Weisungen des Bundesamts für Migration (Ziff. 654) unter anderem die Dauer der Anwesenheit in der Schweiz, insbesondere wenn Kinder vorhanden sind, die berufliche Situation, die Wirtschafts- und Arbeitsmarktlage sowie das Verhalten und der Integrationsgrad betrachtet. Zu berücksichtigen sind ferner die Umstände, die zur Auflösung der Ehe geführt haben. Nach der ständigen Praxis des Ausländeramts wird bei einer Dauer der ehelichen Gemeinschaft von fünf Jahren und mehr in der Regel eine Jahresaufenthaltsbewilligung nicht mehr widerrufen (ABl 2001, S. 32).
Die Beschwerdeführerin gelangte im Jahr 2002 im Alter von rund 27 Jahren erstmals in die Schweiz. Sie verbrachte somit den weitaus überwiegenden Teil ihres Lebens im Heimatstaat. Die eheliche Gemeinschaft in der Schweiz dauerte knapp eineinhalb Jahre. Die Umstände, die zur Auflösung der ehelichen Gemeinschaft führen, sind bei der Ermessensausübung zu berücksichtigen. Allein der Umstand des Todes des Ehegatten begründet aber keinen Anspruch auf Erteilung bzw. Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung nach kurzem Aufenthalt bzw. kurzer Dauer der ehelichen Gemeinschaft (GVP 1998 Nr. 22; VerwGE B 2003/117 vom 16. März 2004 i.S. M.G. und VerwGE B 2005/59 vom 20. Juni 2005 i.S. R.B., beide zurzeit publiziert in: www.gerichte.sg.ch).
Die Beschwerdeführerin hält sich erst seit Januar 2002 und damit seit weniger als vier Jahren in der Schweiz auf. Eine weitgehende Integration konnte daher aufgrund des kurzen Aufenthalts in der Schweiz noch nicht erfolgen. Von einer unvollständigen Feststellung des Sachverhalts durch die Vorinstanz kann nicht gesprochen werden. Die Beschwerdeführerin macht denn auch keine näheren Angaben zu dem von ihr angeblich in kürzester Zeit aufgebauten tragenden sozialen Netz und hat dazu auch keine Beweismittel beigebracht bezeichnet. Der Umstand, dass sie ein Kind von einem abgewiesenen Asylbewerber gebar, spricht jedenfalls gegen eine Integration in der Schweiz. Hinzu kommt, dass auch im Hinblick auf die Wirtschafts- und Arbeitsmarktlage keine Gründe bestehen, welche eine Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung nahelegen.
Die Vorinstanz hat im weiteren zutreffend festgehalten, dass die Depressionen nach dem Tod des Ehemannes eine Verlängerung der Bewilligung nicht rechtfertigen. Nach den Ausführungen des Hausarztes der Beschwerdeführerin stand diese seit 18. September 2003 in regelmässiger Behandlung wegen einer reaktiven, recht ausgeprägten Depression. Der Arzt hielt am 25. März 2004 fest, seit Anfang 2004 habe sich eine Verbesserung des Gesundheitszustandes feststellen lassen. Bei einer Ausschaffung wäre ein erneutes Aufflammen der Depression mit entsprechend negativen Auswirkungen auf den Gesundheitszustand der schwangeren Patientin zu erwarten. Ein aktuelles Arztzeugnis hat die Beschwerdeführerin nicht beigebracht. Sie hat auch nicht geltend gemacht, sie stehe nach wie vor in ständiger medizinischer Behandlung wegen Depressionen. Die Vorinstanz durfte daher davon ausgehen, dass sich die vom Arzt festgestellte Verbesserung des Gesundheitszustandes fortsetzte. Im übrigen ist es nicht aussergewöhnlich, dass nach dem Tod des Ehegatten depressive Verstimmungen eintreten. Allerdings ist auch zu berücksichtigen, dass die Beschwerdeführerin bereits wenige Wochen nach dem Tod ihres Ehemannes eine Bekanntschaft mit einem abgewiesenen Asylbewerber aus Serbien und Montenegro einging und von diesem am 24. Oktober 2004 ein Kind gebar. Dass eine erzwungene Ausreise eine gewisse depressive Verstimmung verstärkt, ist zwar nachvollziehbar. Doch ist nicht dargetan, dass eine schwere gesundheitliche Beeinträchtigung besteht, wie sie unter Umständen einen Grund für die Anerkennung eines Härtefalls bildet (vgl. zur Praxis des Verwaltungsgerichts VerwGE B 2004/74 vom 25. Januar 2005 i.S. G.Y. und H.Y. mit Hinweisen auf frühere Urteile, zurzeit publiziert in www.gerichte.sg.ch),
dass eine Ausreise nach Kroatien zu einer solchen schweren Beeinträchtigung führen würde.
Dem Kind kann zugemutet werden, seiner Mutter nach Kroatien zu folgen. Es ist erst rund ein Jahr alt und damit in einem Alter, in dem es sich veränderten Umständen gut anpassen kann. Daran ändert nichts, dass eine allfällige Beziehung zum Vater schwieriger aufrecht zu erhalten ist, wenn sich die Mutter mit dem Kind in Kroatien aufhält. Ausserdem ist nicht belegt, ob der Kindsvater überhaupt persönliche Kontakte zu seinem Kind pflegt. Nach den unbestrittenen Feststellungen der Vorinstanz lebt er nicht an derselben Adresse wie die Beschwerdeführerin. Die Behauptung in der Beschwerde, der Vater erhalte keine Einreisebewilligung nach Kroatien bzw. es sei ihm verwehrt, sich aus-serhalb der Schweiz am gleichen Ort wie sein Kind aufzuhalten, ist nicht weiter belegt. Die Vorinstanz war nicht gehalten, diesbezüglich den Sachverhalt näher abzuklären. Die vorläufige Aufnahme des Kindsvaters in der Schweiz wurde angeordnet, weil bei ihm als Angehöriger der serbischen Minderheit in Kosovo eine Rückkehr nach Kosovo als unzumutbar erachtet wurde. Inwiefern Besuchsaufenthalte in Kroatien unter diesen Umständen ausgeschlossen sind, ist nicht ersichtlich und wird in der Beschwerde auch nicht näher dargelegt.
Unter den gegebenen Umständen kann eine Verweigerung der Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung nicht als Ueberschreitung Missbrauch des Ermessens qualifiziert werden.
Schliesslich macht die Beschwerdeführerin einen Härtefall geltend. Nach Art. 13 lit. f der Verordnung über die Begrenzung der Zahl der Ausländer (SR 823.21, abgekürzt BVO) sind Ausländer von der Höchstzahl für erwerbstätige Personen ausgenommen, wenn ein schwerwiegender persönlicher Härtefall staatspolitische Gründe vorliegen. Die von der Beschwerdeführerin angerufene Bestimmung von Art. 36 BVO betrifft ausdrücklich nichterwerbstätige Ausländer, weshalb vorliegend die allgemeine Härtefallvorschrift von Art. 13 lit. f BVO zur Anwendung gelangt.
Nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung setzt ein Härtefall im Sinn von Art. 13 lit. f BVO voraus, dass sich der betreffende Ausländer in einer persönlichen Not-
lage befindet. Das bedeutet, dass seine Lebens- und Daseinsbedingungen gemessen am durchschnittlichen Schicksal von Ausländern in gesteigertem Mass in Frage gestellt sein müssen, bzw. die Verweigerung der Ausnahme von der zahlenmässigen Begrenzung für den Betroffenen schwere Nachteile zur Folge hätte (vgl. statt vieler BGE 124 II 112).
Die Beschwerdeführerin lebte bis zum Alter von rund 27 Jahren in Kroatien bzw. im ehemaligen Jugoslawien. Im Umstand, dass sie nach einem Aufenthalt von knapp vier Jahren in der Schweiz wieder in ihr Herkunftsland zurückkehren muss, ist keine aussergewöhnliche Härte zu erblicken. Dies gilt auch unter Berücksichtigung des Umstandes, dass sie ein Kleinkind hat. Als alleinerziehende Mutter ist sie zwar in einer wenig vorteilhaften Situation, doch genügt dies nicht für die Annahme eines Härtefalles. Offen bleiben kann sodann, inwiefern die Rückkehr in wirtschaftlicher Hinsicht erhebliche Nachteile mit sich bringt. Aufgrund der Akten ist nicht ersichtlich, dass die Beschwerdeführerin zurzeit eine Arbeitsstelle hat. Zwar ist eine Rückkehr in wirtschaftlicher Hinsicht ohne Zweifel mit grosser Ungewissheit verbunden, doch war die Beschwerdeführerin vor ihrer Einreise in die Schweiz in der Tourismusbranche tätig, was bedeutet, dass sie auch in Kroatien relativ gute Chancen hat, um auch wirtschaftlich wieder Fuss zu fassen.
Zusammenfassend ergibt sich, dass die Beschwerde als unbegründet abzuweisen ist.
./ Dem Verfahrensausgang entsprechend sind die amtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens der Beschwerdeführerin aufzuerlegen (Art. 95 Abs. 1 VRP). Eine Entscheidgebühr von Fr. 2'500.-- ist angemessen (mit Einschluss der Verfügung vom
16. September 2005, Ziff. 381 und 382 des Gerichtskostentarifs, sGS 941.12). Sie ist mit dem geleisteten Kostenvorschuss in gleicher Höhe zu verrechnen.
Ausseramtliche Entschädigungen sind nicht zuzusprechen (Art. 98bis VRP). Demnach hat das Verwaltungsgericht zu Recht erkannt:
./ Die Beschwerde wird abgewiesen.
./ Die amtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens von Fr. 2'500.-- bezahlt die Beschwerdeführerin unter Verrechnung mit dem geleisteten Kostenvorschuss in gleicher Höhe.
./ Ausseramtliche Kosten werden nicht entschädigt.
V. R. W.
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:
Zustellung dieses Entscheides an:
die Beschwerdeführerin (durch Rechtsanwalt lic. iur. W.)
die Vorinstanz
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