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Urteil Versicherungsgericht (SG - AVI 2010/23)

Zusammenfassung des Urteils AVI 2010/23: Versicherungsgericht

Der Beschwerdeführer stellte einen Antrag auf Arbeitslosenentschädigung, wurde jedoch aufgrund seiner arbeitgeberähnlichen Stellung bei einer Firma abgelehnt. Die UNIA Arbeitslosenkasse forderte zu Unrecht bezogene Leistungen zurück. Der Versicherte erhob Einspruch, welcher abgelehnt wurde. Die Beschwerdegegnerin verneinte den Anspruch auf Arbeitslosenentschädigung rückwirkend und ordnete eine Rückforderung an. Die Angelegenheit wurde an die Beschwerdegegnerin zur weiteren Klärung zurückverwiesen. Es wurden keine Gerichtskosten erhoben, und die Beschwerdegegnerin wurde zur Zahlung einer Parteientschädigung von Fr. 3'000.-- verpflichtet.

Urteilsdetails des Verwaltungsgerichts AVI 2010/23

Kanton:SG
Fallnummer:AVI 2010/23
Instanz:Versicherungsgericht
Abteilung:AVI - Arbeitslosenversicherung
Versicherungsgericht Entscheid AVI 2010/23 vom 12.10.2010 (SG)
Datum:12.10.2010
Rechtskraft:
Leitsatz/Stichwort:Entscheid Art. 53 Abs. 1 und 2 ATSG: Prüfung der Voraussetzungen für einen Rückkommenstitel (prozessuale Revision, Wiedererwägung). Rückwirkende Aberkennung des Anspruchs auf Arbeitslosenentschädigung aufgrund einer arbeitgeberähnlichen Stellung ohne ausreichende Abklärung der konkreten Verhältnisse (Entscheid des Versicherungsgerichts des Kantons St. Gallen vom 12. Oktober 2010, AVI 2010/23).
Schlagwörter: Arbeit; Verfügung; Einsprache; Anspruch; Entscheid; Einspracheentscheid; Handelsregister; Beschwerdeführers; Recht; Gesellschaft; Arbeitslosenentschädigung; Stellung; Gesellschafter; Kollektivgesellschaft; Anspruchs; Rückkommenstitel; Akten; Verfügungen; Gehör; Rückforderung; Taggeldabrechnung; Arbeitslosenkasse; Beilage; Gehörs; Begründung; üfen
Rechtsnorm: Art. 29 BV ;Art. 53 ATSG ;Art. 557 OR ;Art. 716f OR ;
Referenz BGE:122 V 270; 125 V 476; 127 V 437; 129 V 110;
Kommentar:
-

Entscheid des Verwaltungsgerichts AVI 2010/23

Präsidentin Lisbeth Mattle Frei, Versicherungsrichterinnen Karin Huber-Studerus und Marie-Theres Rüegg Haltinner; Gerichtsschreiber Marcel Kuhn

Entscheid vom 12. Oktober 2010

in Sachen

F. ,

Beschwerdeführer,

vertreten durch Rechtsanwältin lic. iur. Christa Rempfler, Falkensteinstrasse 1, Postfach 112, 9006 St. Gallen,

gegen

UNIA Arbeitslosenkasse, Sektion St. Gallen, Teufenerstrasse 8, Postfach 2163, 9001 St. Gallen,

Beschwerdegegnerin,

betreffend

Arbeitslosenentschädigung und Wiedererwägung (arbeitgeberähnliche Stellung) Sachverhalt:

A.

    1. F. stellte per 28. Oktober 2008 Antrag auf Arbeitslosenentschädigung. Vom 1. Juni 2003 bis 30. September 2008 war er bei der A. beschäftigt. Die Auflösung des Arbeitsverhältnisses erfolgte aufgrund gesundheitlicher Probleme des Versicherten in gegenseitigem Einverständnis mit der Arbeitgeberin auf den 30. September 2008 (act. G5/Beilage 1 und 2). Gemäss Handelsregisterauszug ist der Versicherte seit 23. Dezember 2002 Gesellschafter (mit Kollektivunterschrift zu zweien) der Kollektivgesellschaft D. , St. Gallen. Diese Kollektivgesellschaft ist mit einem Stammanteil von Fr. 49'000.-- (Stammkapital Fr. 50'000.--) Gesellschafterin der A. , welche seit 25. Juni 2003 im Handelsregister eingetragen ist. Bei dieser GmbH ist der Versicherte ebenfalls mit einer Kollektivunterschrift zu zweien eingetragen (act. G5/ Beilage 4).

    2. Mit Schreiben vom 14. November 2008 teilte die UNIA Arbeitslosenkasse dem Versicherten mit, dass er ab Antragsstellung Anspruch auf Arbeitslosenentschädigung habe; sie erbrachte in der Folge die gesetzlichen Leistungen (vgl. act. G5/Beilage 3).

    3. Mit Kassenverfügung vom 3. November 2009 eröffnete die UNIA Arbeitslosenkasse dem Versicherten, dass er ab 28. Oktober 2008 keinen Anspruch auf Arbeitslosenentschädigung habe, da er bei der A. eine arbeitgeberähnliche Stellung besitze. Aus dem Handelsregister und den Akten gehe hervor, dass er bei der A. nach wie vor eine Organstellung als Gesellschafter und damit rechtsprechungsgemäss eine arbeitgeberähnliche Funktion habe. Damit gelte der Versicherte nicht als mit der Kündigung definitiv aus der Firma ausgeschieden, weil er die Entscheidungen der Firma im Sinn von Art. 31 Abs. 3 lit. c des Bundesgesetzes über die obligatorische Arbeitslosenversicherung und die Insolvenzentschädigung (AVIG; SR 837.0) bestimmen massgebend beeinflussen könne. Weitere Zahlungen seien per sofort gestoppt und die schon ausbezahlten Leistungen würden mit separater Verfügung

      zurückgefordert (act. G5/Beilage 4). Mit Verfügung vom 4. November 2009 forderte die Beschwerdegegnerin die zuviel ausbezahlten Leistungen im Betrag von Fr. 85'394.-- zurück (act. G1.1/4).

    4. Gegen beide Verfügungen erhob der Versicherte am 16. respektive am 27. November 2009 Einsprache (act. G1.5 und G5/Beilage 5). Mit Einspracheentscheid vom 21. Januar 2010 wies die UNIA Arbeitslosenkasse die Einsprache vom 16. November 2009 gegen die Verfügung vom 3. November 2009 ab. Der Versicherte sei weiterhin als Gesellschafter im Handelsregister eingetragen. Sodann sei er seit 5. Mai 2008 bei der B. und seit 10. Juni 2009 bei der C. im Handelsregister als Mitglied mit Einzelunterschrift eingetragen (act. G5/Beilage 6).

B.

    1. Gegen diesen Einspracheentscheid richtet sich die von Rechtsanwältin Christa

      Rempfler, St. Gallen, im Namen des Versicherten eingereichte Beschwerde vom

      22. Februar 2010 mit den Anträgen, die Prozedur sei zur Gewährung des rechtlichen Gehörs und zur Neubeurteilung an die Beschwerdegegnerin zurückzuweisen, eventualiter sei der Einspracheentscheid aufzuheben und der Anspruch des Beschwerdeführers auf Arbeitslosenentschädigung ab 28. Oktober 2008 anzuerkennen; unter Kosten- und Entschädigungsfolge zulasten der Beschwerdegegnerin. Die Beschwerdegegnerin sei mit dem angefochtenen Einspracheentscheid ihrer Begründungspflicht als Ausfluss des rechtlichen Gehörs nicht nachgekommen. Eine weitere Verletzung des rechtlichen Gehörs bestehe darin, dass die Beschwerdegegnerin im Einspracheentscheid zwei neue Fakten eingebracht habe, zu denen der Beschwerdeführer nicht habe Stellung nehmen können. Der Beschwerdeführer habe nie eine Organstellung in der ehemaligen Arbeitgeberfirma

      A. gehabt und sei auch nie Gesellschafter gewesen. Aus der Kollektivunterschrift könne nicht im Geringsten eine Beeinflussung der Entscheidfindung abgeleitet werden, da die Beschlüsse ausschliesslich vom geschäftsführenden Inhaber allein, allenfalls unter Beizug des Finanzchefs und des Rechtsvertreters, getroffen würden. Die Kollektivunterschrift des Beschwerdeführers diene nur zur Absicherung der schnellen Beschlussumsetzung bei Abwesenheit des Inhabers, weshalb er weiterhin im Handelsregister eingetragen sei. Die Einzelzeichnungsberechtigung bei der B. und

      der C. führe ebenfalls nicht zu einer arbeitgeberähnlichen Stellung. Die mangelnde Qualität der Arbeit der UNIA Arbeitslosenkasse zeige sich auch dadurch, dass sie im Handelsregister nicht vollständig recherchiert habe, denn der Beschwerdeführer stehe auch bei der E. seit dem 9. Oktober 2007 als Gesellschafter und Geschäftsführer im Handelsregister.

    2. In der Beschwerdeantwort vom 27. April 2010 beantragt die Beschwerdegegnerin

      Abweisung der Beschwerde.

    3. Mit Schreiben vom 10. Mai 2010 verzichtete die Rechtsvertreterin des

Beschwerdeführers auf die Einreichung einer Replik.

Erwägungen:

1.

    1. In formeller Hinsicht rügt der Beschwerdeführer eine mehrfache Verletzung des rechtlichen Gehörs, da sich die Beschwerdegegnerin nicht detailliert mit den in der Einsprache vorgebrachten Argumenten auseinandergesetzt und dadurch die ihr obliegende Begründungspflicht verletzt habe und zudem im angefochtenen Einspracheentscheid zwei neue Fakten vorgebracht worden seien, zu welchen sich der Beschwerdeführer nicht habe äussern können.

    2. Gemäss Art. 42 des Bundesgesetzes über den Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts (ATSG; SR 830.1) in Verbindung mit Art. 29 Abs. 2 der Bundesverfassung (BV; SR 101) ist der Versicherungsträger verpflichtet, sich mit den Vorbringen der Partei auseinander zu setzen, um dem Anspruch der Versicherten auf rechtliches Gehör Genüge zu tun. Die Begründung entspricht den Anforderungen von Art. 29 Abs. 2 BV, wenn die Betroffenen dadurch in die Lage versetzt werden, die Tragweite der Entscheidung zu beurteilen und sie in voller Kenntnis der Umstände an eine höhere Instanz weiterzuziehen. Die Behörde ist aber nicht verpflichtet, sich zu allen Vorbringen der Parteien zu äussern. Vielmehr kann sie sich auf die für den Entscheid wesentlichen Gesichtspunkte beschränken (Häfelin/Müller, Allgemeines Verwaltungsrecht, 5. Auflage, Zürich 2006, N 1705 f.). Nach der Rechtsprechung kann eine - nicht besonders schwer wiegende - Verletzung des rechtlichen Gehörs als

      geheilt gelten, wenn die betroffene Person die Möglichkeit erhält, sich vor einer Beschwerdeinstanz zu äussern, die sowohl den Sachverhalt wie die Rechtslage frei überprüfen kann. Die Heilung eines - allfälligen - Mangels soll aber die Ausnahme bleiben (BGE 127 V 437 E. 3d/aa, 126 I 72, 126 V 132 E. 2b, je mit Hinweisen).

    3. Die Beschwerdegegnerin verneinte im angefochtenen Entscheid den Anspruch auf Arbeitslosenentschädigung mit der Begründung, dass der Beschwerdeführer nach wie vor im Handelsregister eingetragen sei und somit bei der A. eine arbeitgeberähnliche Stellung inne habe. Obwohl die Begründung äusserst knapp ausgefallen ist, kann dem Einspracheentscheid entnommen werden, dass die Beschwerdegegnerin auf das formale Kriterium der im Handelsregister eingetragenen Kollektivzeichnungsberechtigung für die A. abstellte. Die minimalen Anforderungen an die Begründungspflicht wurden somit gewahrt, da dem Beschwerdeführer der Grund für die Anspruchsverneinung mitgeteilt wurde. Hingegen hat sich die Beschwerdegegnerin nicht hinreichend mit den Vorbringen des Beschwerdeführers, welcher sich gegen dieses formale Kriterium wandte, auseinandergesetzt. Sie teilte im angefochtenen Entscheid lediglich mit, dass die vom Beschwerdeführer vorgebrachten Gründe keine andere Einschätzung zulassen würden. Indem sich die Beschwerdegegnerin offensichtlich nicht rechtsgenüglich zu den Einwänden des Beschwerdeführers geäussert hat, ist diesbezüglich von einer Verletzung des rechtlichen Gehörs auszugehen. Die Frage der Heilung dieses Formfehlers braucht allerdings nicht abschliessend beantwortet zu werden, da - wie die folgenden Erwägungen zeigen werden - der angefochtene Entscheid ohnehin aufzuheben ist und die Beschwerdegegnerin mittels Rückweisung verpflichtet wird, weitere Untersuchungen und Abklärungen durchzuführen und sich somit konkret mit den Vorbringen des Beschwerdeführers auseinander zu setzen haben wird. Es wird dann dem Beschwerdeführer auch möglich sein, sich vor der Beschwerdegegnerin zu den neu von ihr im Einspracheentscheid vorgebrachten Fakten zu äussern.

2.

    1. Die Beschwerdegegnerin hat in der Verfügung vom 3. November 2009 und im angefochtenen Einspracheentscheid vom 21. Januar 2010 den Anspruch des Beschwerdeführers auf Arbeitslosenentschädigung rückwirkend ab Antragstellung (28.

      Oktober 2008) und auch für die Zukunft ab Oktober 2009 verneint. In einer weiteren Verfügung vom 4. November 2009 hat sie eine Rückforderung für die ab Antragstellung bis Ende September 2009 unrechtmässig bezogenen Taggelder in der Höhe von Fr. 85'394.-- angeordnet. Gegen diese Verfügung erhob der Beschwerdeführer am 27. November 2009 Einsprache. Ein im Rückforderungsverfahren ergangener Einspracheentscheid ist den Akten nicht zu entnehmen. Der angefochtene Einspracheentscheid befasst sich ausschliesslich mit der rückwirkenden Anspruchsablehnung und nicht mit der Rückforderung, weshalb von daher diese an sich nicht Gegenstand des vorliegenden Beschwerdeverfahrens bildet. Zu beurteilen gilt es somit, ob die Beschwerdegegnerin zu Recht rückwirkend ab 28. Oktober 2008 in der laufenden Rahmenfrist für den Leistungsbezug den Anspruch des Beschwerdeführers auf Arbeitslosenentschädigung verneint hat. Diesbezüglich gilt es zu beachten, dass die Beschwerdegegnerin bezüglich der rückwirkenden Ablehnung des Anspruchs - für die bereits rechtskräftig verfügten Taggeldleistungen - über einen Rückkommenstitel verfügen muss. Für die Verneinung des Anspruchs für künftige Leistungen (ab Oktober 2009) ist dagegen kein Rückkommenstitel notwendig; diesbezüglich kann der Leistungsanspruch in freier Prüfung der Sachlage beurteilt werden.

    2. Zu beachten gilt es sodann, dass nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung der Erlass einer Feststellungsverfügung nicht zulässig ist, wenn eine rechtsgestaltende Verfügung den gleichen Zweck erfüllen kann. In dem Sinn kann nicht eine rückwirkende Verneinung des Anspruchs erfolgen und anschliessend von der gleichen Stelle eine Rückforderung verfügt werden (vgl. Urteil des Eidgenössischen Versicherungsgerichts [EVG; seit dem 1. Januar 2007: Sozialrechtliche Abteilungen des Bundesgerichts] vom

18. Mai 2006, C 334/05). Beim angefochtenen Entscheid handelt es sich nicht um eine reine Feststellungsverfügung, da künftige Taggeldauszahlungen ebenfalls verneint werden. Aus diesem Grund ist der angefochtene Einspracheentscheid vom Gericht grundsätzlich materiell zu prüfen und die Sache nicht einfach zum Erlass einer einzigen rechtsgestaltenden Verfügung zurückzuweisen. Hingegen ist die Beschwerdegegnerin darauf hinzuweisen, dass sie im Rahmen dieses Rückweisungsentscheids bei erneuter Verfügung über eine rückwirkende Ablehnung des Anspruchs bzw. über das Vorliegen eines Rückkommenstitel gleichzeitig mit der Beurteilung der Rückforderung zu befinden haben wird.

3.

    1. Gemäss Art. 53 Abs. 1 ATSG müssen formell rechtskräftige Verfügungen und Einspracheentscheide in Revision gezogen werden, wenn die versicherte Person der Versicherungsträger nach deren Erlass erhebliche neue Tatsachen entdeckt Beweismittel auffindet, deren Beibringung zuvor nicht möglich war. Nach Art. 53 Abs. 2 ATSG kann der Versicherungsträger auf formell rechtskräftige Verfügungen Einspracheentscheide zurückkommen, wenn diese zweifellos unrichtig sind und wenn ihre Berichtigung von erheblicher Bedeutung ist.

    2. Den formell rechtskräftigen Verfügungen gleichgestellt sind auch die im formlosen Verfahren ergangenen Entscheide, soweit sie eine mit dem Ablauf der Beschwerdefrist bei formellen Verfügungen vergleichbare Rechtsbeständigkeit erreicht haben (Ueli Kieser, ATSG-Kommentar, Art. 53 Rz 19). Taggeldabrechnungen der Arbeitslosenversicherung, die - wie im vorliegenden Fall - nicht in die Form einer formellen Verfügung gekleidet werden, weisen materiell Verfügungscharakter auf (Urteil des EVG vom 14. Juli 2003, C 7/02, BGE 125 V 476 E. 1; 122 V 368 E. 2 mit

      Hinweisen). Für die Verwaltung ist die Rechtsbeständigkeit nach Ablauf einer Zeitspanne eingetreten, die der Rechtsmittelfrist bei formellen Verfügungen entspricht. Zu einem späteren Zeitpunkt bedarf demnach das Zurückkommen auf eine Taggeldabrechnung eines Rückkommenstitels in Form einer Wiedererwägung einer prozessualen Revision, während vor Ablauf dieser Frist eine Rückforderung zufolge unrichtiger Taggeldabrechnungen ohne Bindung an die Voraussetzungen für einen Rückkommenstitel möglich ist (BGE 129 V 110). Die jeweiligen monatlichen Taggeldabrechnungen stellen faktische Verfügungen dar, welche jeweils einzeln die Frist für die Rechtsbeständigkeit auslösen.

    3. Das Zurückkommen auf im oben umschriebenen Sinn rechtsbeständige Taggeldabrechnungen war der Beschwerdegegnerin somit nur möglich, wenn sie über einen Rückkommenstitel in Form einer Wiedererwägung einer prozessualen Revision verfügte.

    4. Die Voraussetzungen für eine prozessuale Revision sind vorliegend nicht erfüllt. Die Beschwerdegegnerin machte in der Verfügung vom 3. November 2009 geltend, aus

      dem Handelsregister und den Akten gehe hervor, dass der Beschwerdeführer bei der A. eine arbeitgeberähnliche Stellung habe. Die Aktenlage sowie der Handelsregistereintrag haben sich seit Antragstellung nicht verändert, weshalb es vorliegend an relevanten Tatsachen Beweismitteln für eine prozessuale Revision fehlt (vgl. BGE 122 V 270 Erw. 4).

    5. Von den Voraussetzungen für die Wiedererwägung ist die erhebliche Bedeutung der Berichtigung in Anbetracht der Tatsache, dass der Beschwerdeführer während beinahe eines Jahres Taggelder der Arbeitslosenkasse bezogen hatte, ohne Weiteres gegeben (vgl. Kieser, a.a.O., Art. 53 Rz 33f). Zu prüfen bleibt, ob keine vernünftigen Zweifel an der Unrichtigkeit der ursprünglichen Taggeldabrechnungen bestehen. Nach dem Kreisschreiben über die Arbeitslosenentschädigung [KS-ALE], Januar 2007, Rz B17f, ergibt sich bei Verwaltungsräten/innen einer AG (Art. 716ff. OR) und Geschäftsführer/innen einer GmbH (Art. 811-815 und 827 OR) die massgebliche Einflussnahme von Gesetzes wegen. Die Kasse hat in diesen Fällen ohne weitere Prüfung den Leistungsausschluss zu verfügen. Bei den Mitgliedern eines obersten betrieblichen Entscheidgremiums ist jeweils im Einzelfall zu prüfen, welche Entscheidungsbefugnisse den Personen aufgrund der internen betrieblichen Struktur tatsächlich zukommen. Die Grenze zwischen dem obersten betrieblichen Entscheidungsgremium und den unteren Führungsebenen lässt sich nicht allein anhand formaler Kriterien beurteilen. So kann etwa aus einer Prokura anderen Handlungsvollmachten noch nichts Zwingendes hinsichtlich Stellung und Einflussmöglichkeit innerhalb des betreffenden Betriebes abgeleitet werden, weil damit nur die Verantwortlichkeiten nach aussen geregelt werden. Zwar gehen mit solchen Stellungen in aller Regel vergleichbare Kompetenzen im Innenverhältnis einher, doch kann aus ihnen allein, ohne Bezugnahme auf den gegebenen statutarischen vertraglichen Rahmen und die gelebten Verhältnisse, noch keine massgebliche Beeinflussung der Willensbildung im Betrieb abgeleitet werden. Gemäss Auszug aus dem Handelsregister war bzw. ist der Beschwerdeführer nicht Geschäftsführer der

      A. , weshalb von daher keine arbeitgeberähnliche Stellung von Gesetzes wegen anzunehmen ist, sondern die konkreten Entscheidbefugnisse näher zu prüfen sind. Wie bereits erwähnt, besitzt der Beschwerdeführer bei der A. eine Kollektivunterschrift zu zweien und ist mittels der Kollektivgesellschaft D. auch deren Gesellschafter. Aufgrund der vorliegenden Akten ist der mögliche Einfluss des Beschwerdeführers auf

      die Entscheidfindung der A. nicht klar ersichtlich. Insbesondere ist nicht erkennbar, wie die Aufgabenteilung und die Verhältnisse der aktuell fünf Gesellschafter der Kollektivgesellschaft D. sind. Bevor nicht das Innen- und Aussenverhältnis der Kollektivgesellschaft bekannt ist, kann der Einfluss des Beschwerdeführers auf die Entscheidfindung in der A. nicht beurteilt werden. Allein gestützt auf den Handelsregisterauszug sowie auf die vorliegende Aktenlage kann nicht entschieden werden, ob die Taggeldabrechnungen zweifellos unrichtig waren und ob somit die Beschwerdegegnerin zu Recht rückwirkend den Anspruch auf Arbeitslosenentschädigung verneinte.

    6. Wie bereits erwähnt, kann die Verneinung des Anspruchs für künftige Taggeldleistungen ab Oktober 2009 frei geprüft werden, ohne die Notwendigkeit eines Rückkommenstitels. Allerdings kann aufgrund der Aktenlage auch diese Frage nicht beantwortet werden. Die in Erwägung 3.5 gemachten Ausführungen beziehen sich somit auch auf die Ablehnung des Anspruchs für Leistungen ab Oktober 2009.

4.

    1. Nach dem Gesagten ist die Sache an die Beschwerdegegnerin zurückzuweisen, damit sie weitere Abklärungen vornehmen und anschliessend neu über das Vorliegen eines Rückkommenstitels mit rückwirkender Ablehnung und gleichzeitiger Rückforderung sowie über den Anspruch auf Arbeitslosenentschädigung ab Oktober 2009 entscheiden kann. Bei den Abklärungen hat die Beschwerdegegnerin hauptsächlich das Verhältnis der Gesellschafter untereinander in der D. zu klären. Der Beschwerdeführer hat mit dem Gesellschaftsvertrag gemäss Art. 557 Abs. 1 OR das Aussen- und Innenverhältnis der Gesellschaft darzulegen. Sollte lediglich ein mündlicher Gesellschaftsvertrag vorliegen, wäre eine schriftliche Bestätigung der Gesellschaft erforderlich, welche über die finanziellen Beteiligungen, die Stimmverhältnisse, die Aufgabenteilungen, die Kompetenz- und Entscheidungsbefugnisse und die Beschlussfassung Auskunft gibt. Im Weiteren könnte eine Steuerveranlagung für die Überprüfung der finanziellen Beteiligung an der Kollektivgesellschaft verlangt werden. Sodann gilt es abzuklären, inwiefern und in welcher Form die Kollektivgesellschaft Einfluss nimmt auf die A. . Da sie über einen

      Stammanteil von Fr. 49'000.-- - bei einem Stammkapital von Fr. 50'000.-- - verfügt, dürfte dieser von grundlegender Bedeutung sein.

    2. Anzumerken bleibt, dass die vorliegende Konstellation - Beschwerdeführer war Arbeitnehmer in einer zur Firmengruppe seines Vaters gehörenden GmbH und die Kollektivgesellschaft, in welcher er mit Vater, Bruder und zwei weiteren Gesellschaftern Teilhaber ist, ist Hauptgesellschafterin an dieser GmbH - zum vorneherein auf ein gewisses Missbrauchspotential schliessen lässt.

    3. Eine allfällige arbeitgeberähnliche Stellung des Beschwerdeführers bezieht sich ausschliesslich auf die gekündigte Stelle bei der A. . Bezüglich weiterer Tätigkeiten bei der D. , der B. , der C. und der E. wäre - soweit eine arbeitgeberähnliche Stellung des Beschwerdeführers zu verneinen ist - allenfalls die Frage der Vermittlungsfähigkeit des Beschwerdeführers zu prüfen.

5.

5.1 Nach dem Gesagten ist in Gutheissung der Beschwerde der Einspracheentscheid vom 21. Januar 2010 aufzuheben und die Sache zur weiteren Abklärung des Sachverhalts im Sinn der Erwägungen und anschliessend neuer Verfügung an die Beschwerdegegnerin zurückzuweisen.

    1. Gerichtskosten sind keine zu erheben (Art. 61 lit. a ATSG).

    2. Gemäss Art. 61 lit. g ATSG hat die obsiegende beschwerdeführende Partei Anspruch auf Ersatz der Parteikosten. Die Parteientschädigung wird vom Versicherungsgericht festgesetzt und ohne Rücksicht auf den Streitwert nach der Bedeutung der Streitsache und nach der Schwierigkeit des Prozesses bemessen (Art. 61 lit. g ATSG). In der Verwaltungsrechtspflege beträgt das Honorar vor

Versicherungsgericht nach Art. 22 Abs. 1 lit. b HonO (sGS 963.75) pauschal Fr. 1'000.-- bis Fr. 12'000.--. Die Rechtsvertreterin des Beschwerdeführers hat eine Kostennote

von Fr. 5'819.-- (wovon Fr. 5'200.-- Honorar) eingereicht. Diese Kostennote umfasst allerdings auch das Einspracheverfahren. Vorliegend sind keine Gründe ersichtlich, von der Zusprache der üblichen Parteientschädigung in vergleichbaren Fällen abzuweichen.

Die Beschwerdegegnerin hat daher den Beschwerdeführer mit pauschal Fr. 3'000.--

(inklusive Barauslagen und Mehrwertsteuer) zu entschädigen. Demgemäss hat das Versicherungsgericht entschieden:

1. In Gutheissung der Beschwerde wird der angefochtene Einspracheentscheid vom

21. Januar 2010 aufgehoben und die Sache zur weiteren Abklärung des Sachverhalts im Sinn der Erwägungen und anschliessend neuer Verfügung an die Beschwerdegegnerin zurückgewiesen.

  1. Es werden keine Gerichtskosten erhoben.

  2. Die Beschwerdegegnerin hat dem Beschwerdeführer eine Parteientschädigung von

Fr. 3'000.-- (einschliesslich Barauslagen und Mehrwertsteuer) zu bezahlen.

Quelle: https://www.sg.ch/recht/gerichte/rechtsprechung.html
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