E-MailWeiterleiten
LinkedInLinkedIn

Urteil Verwaltungsgericht (LU)

Kopfdaten
Kanton:LU
Fallnummer:V 97 191
Instanz:Verwaltungsgericht
Abteilung:Verwaltungsrechtliche Abteilung
Verwaltungsgericht Entscheid V 97 191 vom 09.10.1997 (LU)
Datum:09.10.1997
Rechtskraft:Diese Entscheidung ist rechtskräftig.
Leitsatz/Stichwort:§§ 4 und 142 VRG; §§ 6, 7, 8 und 21 ErzG; Art. 27 Abs. 2 BV. Die vorsorgliche Zuteilung eines einzuschulenden Kindes in eines von mehreren Primarschulhäusern eines Primarschulkreises stellt lediglich eine organisatorische Anordnung innerhalb des durch die Einschulung begründeten besonderen Rechtsverhältnisses mit der Schulanstalt und somit keinen - mit Verwaltungsbeschwerde anfechtbaren - Entscheid dar.
Schlagwörter: Recht; Verwaltungs; Schulhaus; Entscheid; Anordnung; Verfügung; Erziehungs; Schulpflege; Rechtsverhältnis; Verwaltungsbeschwerde; Schulhauszuteilung; Anordnungen; Anstalt; Eltern; Vorsorglich; Rechtsverhältnisse; Kindes; Aufsichtsbeschwerde; Verbindlich; Genügenden; Organisatorische; Sinne; Anstaltsverhältnis; Verwaltungsgericht; Prüfen; Kulturdepartements; Anspruch; Wird; Vorsorgliche; Kanton
Rechtsnorm: Art. 27 BV ;
Referenz BGE:109 Ib 253; 121 II 477;
Kommentar zugewiesen:
Spühler, Basler Kommentar zur ZPO, Art. 321 ZPO ; Art. 311 ZPO, 2017
Weitere Kommentare:-
Entscheid
Der Rektor der Gemeindeschulen Z teilte den Eltern des einzuschulenden A mit, dieser sei für die 1. (Primarschul-)Klasse im Schulhaus Y vorgesehen. Die Eltern des Kindes beantragten daraufhin, A sei dem - im selben Primarschulkreis gelegenen - Schulhaus X zuzuteilen. Dies lehnte der Schulpflegeausschuss Z ab. Einem Wiedererwägungsgesuch der Eltern gab die Schulpflege Z nicht statt und teilte das Kind definitiv dem Schulhaus Y zu. Dagegen reichten A und seine Eltern am 7. Juli 1997 eine Verwaltungsund subsidiär eine Aufsichtsbeschwerde ein. Mit Entscheid vom 14. August 1997 trat die Vorsteherin des kantonalen Erziehungsund Kulturdepartements, präsidial handelnd für den Erziehungsrat des Kantons Luzern, auf die Verwaltungsbeschwerde nicht ein. Die Aufsichtsbeschwerde hiess sie gut, hob die angefochtene Schulhauszuteilung deshalb auf und wies die Schulpflege an, über die Schulhauszuteilung des Kindes nochmals zu befinden.

Am 18./19. August 1997 wies der Ausschuss der Schulpflege Z das Kind A vorsorglich dem Schulhaus Y zu. Dagegen wurden am 22. August 1997 wieder eine Verwaltungsund subsidiär eine Aufsichtsbeschwerde eingereicht. Die Vorsteherin des Erziehungsund Kulturdepartements trat, präsidial handelnd für den Erziehungsrat, mit Entscheid vom 28. August 1997 auf die Verwaltungsbeschwerde wiederum nicht ein und wies die Aufsichtsbeschwerde ab.

Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde liessen A und seine Eltern nebst anderem beantragen, die Nichteintretensentscheide vom 14. und 28. August 1997 sowie die vorsorgliche Schulhauszuteilung vom 18./19. August 1997 seien aufzuheben und A sei dem Schulhaus X zuzuteilen.

Das Verwaltungsgericht trat auf die Beschwerde nicht ein, soweit sie sich auf den Nichteintretensentscheid der Vorsteherin des Erziehungsund Kulturdepartements vom 14. August 1997 bezog und soweit beantragt wurde, A sei in das Schulhaus X einzuteilen. Soweit sich die Beschwerde gegen den Nichteintretensentscheid vom 28. August 1997 richtete, wies es sie mit folgender Begründung ab.

2. - Zu prüfen ist, ob die Erziehungsdirektorin im Entscheid vom 28. August 1997 zu Recht nicht auf die Verwaltungsbeschwerde vom 22. August 1997 eingetreten ist. Zur Begründung führte sie an, bei der vorsorglichen Schulhauszuteilung vom 18./19. August 1997 handle es sich nicht um einen - mit Verwaltungsbeschwerde anfechtbaren - Entscheid, sondern lediglich um eine organisatorische Anordnung.

Das Eintreten auf eine Verwaltungsbeschwerde setzt unter anderem einen mit diesem Rechtsmittel anfechtbaren Entscheid voraus (vgl. § 142 VRG). Es ist zu prüfen, ob die vorsorglich durch die Schulpflege Z vorgenommene Schulhauszuteilung einen Entscheid im Sinne von § 4 VRG - bzw. nach anderer Terminologie eine Verfügung - darstellt.

a) Festzuhalten ist zunächst, dass der Titel (Verfügung, Entscheid und dgl.) eines Verwaltungsaktes für dessen rechtliche Qualifikation grundsätzlich unbeachtlich ist. Nach der Lehre und der Rechtsprechung des Bundesgerichts ist die Verfügung ein individueller, an den einzelnen gerichteter Hoheitsakt, durch den eine konkrete verwaltungsrechtliche Rechtsbeziehung rechtsgestaltend oder feststellend in verbindlicher und erzwingbarer Weise geregelt wird (BGE 121 II 477 Erw. 2a; Gygi, Bundesverwaltungsrechtspflege, 2. Aufl. 1983, S. 128; Häfelin/Müller, Grundriss des Allgemeinen Verwaltungsrechts, 2. Aufl. 1993, N 685ff.; Rhinow/Krähenmann, Verwaltungsrechtsprechung, Ergänzungsband, Nr. 35 B I). Diese Umschreibung unterscheidet sich im Grundsätzlichen nicht von dem für das Bundesverwaltungsrecht geltenden Begriff der Verfügung, wie er in Art. 5 des Bundesgesetzes über das Verwaltungsverfahren (VwVG) in einer mehr ins einzelne gehenden Weise verankert ist. Grundsätzlich die gleiche Definition wie das VwVG enthält das VRG in § 4 Abs. 1 VRG. Eine Verfügung - bzw. nach der Terminologie des VRG ein Entscheid - ergeht gemäss dieser Bestimmung, wenn eine diesem Gesetz unterstellte Behörde mit hoheitlicher Wirkung für den Einzelfall u.a. Rechte und Pflichten bestimmter Personen begründet, ändert oder aufhebt (lit. a), die rechtlichen Verhältnisse bestimmter Personen feststellt (lit. b) oder Begehren im Sinne von a und b abweist, nicht darauf eintritt oder sie als erledigt erklärt (lit. c).

Nicht alle Handlungen, Äusserungen und Anordnungen von Verwaltungsbehörden, die dem Gesetzesvollzug dienen, sind auch Verfügungen. Werden durch eine Anordnung oder einen Beschluss einer Behörde keine individuellen Rechte oder Pflichten gestaltend oder feststellend geregelt bzw. werden keine Rechtsfolgen verbindlich festgelegt, mangelt es an einem wesentlichen Verfügungselement. Dies ist bei bereits rechtsgültig begründeten Rechtsverhältnissen (öffentlichrechtliche Anstellungs-, Anstaltsverhältnisse und dgl.) namentlich bei innerdienstlichen Weisungen und organisatorischen Anordnungen regelmässig der Fall (BVR 1996 S. 173 mit Hinweis; ZBl 95/1994 S. 477). Erfolgen solche organisatorischen Anordnungen innerhalb eines bereits bestehenden - besonderen - Rechtsverhältnisses, wie beispielsweise einem Anstaltsverhältnis, stellen sie demnach keine Entscheide dar. Dies gilt auch dann, wenn diese Anordnungen verbindlich und erzwingbar sind (vgl. BVR 1996 S. 173; ZBl 95/1994 S. 477).

Gemäss Plotke, Schweizerisches Schulrecht, Bern 1979, S. 72, dürfte die Schule wohl als Paradigma einer Anstalt gelten, durch die sich mehrere verschiedenartige besondere Rechtsverhältnisse begründen. Eines dieser Rechtsverhältnisse sieht Plotke darin, dass der Schüler als Benützer in eine enge Beziehung zur Unterrichtsanstalt tritt.

In der Praxis wurde mangels verbindlicher Regelung eines Rechtsverhältnisses das Vorliegen einer Verfügung beispielsweise verneint bei Organisationsakten, wie der Umbenennung einer Poststelle (BGE 109 Ib 253ff.), der Zuteilung eines Schülers zu einer Klasse (EGV-SZ 1984 S. 135), der Zuteilung einer Schulklasse an einen Lehrer (EGV-SZ 1980 S. 73) oder der Aufhebung einer Poststelle (VPB 1975 Nr. 102; vgl. Rhinow/Krähenmann, a.a.O., Nr. 35 B VII.b.4 mit weiteren Beispielen).

b) Gemäss Art. 27 Abs. 2 BV sorgen die Kantone für genügenden Primarunterricht, welcher ausschliesslich unter staatlicher Leitung stehen soll; derselbe ist obligatorisch und in den öffentlichen Schulen unentgeltlich. Es besteht für den einzelnen also verfassungsmässig ein Anspruch auf genügenden Primarunterricht wie auch die Pflicht, diesen zu besuchen. Der Kanton Luzern ist der ihm durch die Bundesverfassung übertragenen Aufgabe im Erziehungsgesetz nachgekommen. Zu erwähnen ist hier einerseits § 6 ErzG, in welchem zum einen die Gemeinden zur Führung von Volksschulen verpflichtet und zum anderen die Bildung von Primarschulkreisen umschrieben wird. In § 7 ErzG wird die Schulpflicht und in § 8 ErzG der Schulort umschrieben. Zu erwähnen ist im weiteren § 21 ErzG, in welchem die Modalitäten des Schuleintritts geregelt sind.

c) Im vorliegenden Fall ist unumstritten, dass A ab Herbst 1997 die Primarschule in Z zu besuchen hat. Diese verfassungsmässig vorgeschriebene Einschulung stellte - auch wenn sie freiwillig erfolgte - den massgebenden Eingriff in die Rechtsstellung des Kindes dar, trat dieses doch damit in ein besonderes Rechtsverhältnis zur Schulanstalt ein. Organisatorischen Anordnungen, welche die Schulpflege aufgrund dieses Anstaltsverhältnisses erlässt, kommt aufgrund des zuvor Dargelegten grundsätzlich kein Entscheidscharakter im Sinne von § 4 VRG zu. Anders wäre zu entscheiden, wenn durch solche Anordnungen das Recht des Kindes auf genügenden Primarunterricht in Frage gestellt oder ein anderer durch das Gesetz zugesicherter Anspruch tangiert würde (vgl. Plotke, a.a.O., S. 492f.). Die Zuteilung eines Kindes in eine bestimmte Klasse wie auch in eines von mehreren, im selben Primarschulkreis gelegenen Schulhäusern ist als organisatorische Anordnung in einem besonderen Rechtsverhältnis zu qualifizieren. Die durch die Schulpflege vorgenommene Zuweisung in das Schulhaus Y kann daher nicht als Entscheid im Sinne von § 4 VRG verstanden werden, zumal durch diese Anordnung weder der Anspruch auf genügenden Primarschulunterricht noch ein anderes gesetzlich eingeräumtes Recht berührt wird. Daran - insbesondere auch am massgebenden Anstaltsverhältnis - ändert der Umstand nichts, dass die Primarschule in Z in mehreren Schulhäusern geführt wird. Es wird von den Beschwerdeführern im weiteren auch nicht geltend gemacht, im Schulhaus Y werde im Gegensatz zum Schulhaus X kein genügender Primarschulunterricht geboten, was ohnehin kaum nachvollziehbar wäre. Da die vorsorgliche Schulhauszuteilung vom 18./19. August 1997 nach dem Gesagten keinen Entscheid gemäss § 4 VRG darstellte, hat die Vorinstanz in ihrem Entscheid vom 28. August 1997 zu Recht die - von ihr von Amtes wegen zu prüfenden - Sachentscheidsvoraussetzungen verneint und ist auf die Verwaltungsbeschwerde nicht eingetreten. Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde ist daher diesbezüglich abzuweisen, woran die darin enthaltenen Ausführungen nichts zu ändern vermögen.



Siehe zum Erziehungswesen auch Nr. 2

Quelle: https://gerichte.lu.ch/recht_sprechung/publikationen
Wollen Sie werbefrei und mehr Einträge sehen? Hier geht es zur Registrierung.

Bitte beachten Sie, dass keinen Anspruch auf Aktualität/Richtigkeit/Formatierung und/oder Vollständigkeit besteht und somit jegliche Gewährleistung entfällt. Die Original-Entscheide können Sie unter dem jeweiligen Gericht bestellen oder entnehmen.

Hier geht es zurück zur Suchmaschine.

SWISSRIGHTS verwendet Cookies, um Inhalte und Anzeigen zu personalisieren, Funktionen für soziale Medien anbieten zu können und die Zugriffe auf der Website analysieren zu können. Weitere Informationen finden Sie hier: Datenschutz