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Urteil Verwaltungsgericht (LU)

Kopfdaten
Kanton:LU
Fallnummer:V 09 264
Instanz:Verwaltungsgericht
Abteilung:Verwaltungsrechtliche Abteilung
Verwaltungsgericht Entscheid V 09 264 vom 02.12.2009 (LU)
Datum:02.12.2009
Rechtskraft:Diese Entscheidung ist rechtskräftig.
Leitsatz/Stichwort:Art. 2, 32c, 32d, 46 Abs. 1 und 59 USG; Art. 3 und 54 GSchG; Art. 20 AltlV. Im Zusammenhang mit der Beseitigung polizeiwidriger Zustände gilt es, die Frage nach der Massnahmepflicht einerseits und jene nach der Kostenpflicht andererseits zu trennen. Erstere bewirkt eine wirksame Durchsetzung des Umweltrechts, letztere eine möglichst gerechte Kostenanlastung. Die Kostenpflicht trifft primär denjenigen, der die Sanierung durch sein Verhalten verursacht. Die Pflicht zur Beseitigung polizeiwidriger Zustände (Realleistungspflicht) hingegen obliegt dem Störer (sog. Störerprinzip). In erster Linie hat der Standortinhaber (Zustandsstörer) die Sanierungsmassnahmen durchzuführen bzw. durchführen zu lassen.
Schlagwörter: Sanierung; Reparatur; Grundstück; Reparaturarbeiten; Beschwerde; Sickerwasser; Massnahme; Urteil; Verhalten; Linie; Deponie; Eigentümer; Inhaber; Zustand; BG-Urteil; Leitung; Massnahmen; Verursacht; Störer; Beschwerdeführerin; Sanierungspflicht; Standorts; Dulden; Zustandsstörer; Durchzuführen; Recht; Entscheid; Hinweis; Altlasten; Gefahr
Rechtsnorm:-
Referenz BGE:118 Ib 410; 118 Ib 414; 118 Ib 415; 121 II 413; 122 II 70;
Kommentar zugewiesen:
Spühler, Basler Kommentar zur ZPO, Art. 321 ZPO ; Art. 311 ZPO, 2017
Weitere Kommentare:-
Entscheid
Die Altdeponie A produziert Sickerwasser, welches nicht ohne Behandlung oder Aufbereitung in ein Oberflächengewässer eingeleitet werden darf. Ehemalige Betreiberin der Altdeponie war die B AG. Am 12. Januar 1983 genehmigte der Gemeinderat das Bauprojekt für die Ableitung des Sickerwassers aus der Deponie A und bewilligte die Einleitung in die Gemeindekanalisation. Für die Erstellung, den Unterhalt und allfällige Beseitigung der Kanalisation räumten die damaligen Eigentümer des betroffenen Grundstücks Nr. z der B AG ein Durchleitungsrecht so lange ein, wie sie das Deponie-Sickerwasser in die Gemeindekanalisation ableiten muss. In der Folge kaufte die C AG (zeitlich gestaffelt) Teilflächen ab dem Grundstück Nr. z, die unter Parzellierung neu als Grundstück Nr. y gebildet wurden. Die Sickerleitung ist nun teilweise beschädigt und muss saniert werden. Die B AG ist als ehemalige Deponiebetreiberin ihrer Sanierungspflicht nachgekommen und hat die Reparaturarbeiten an der Schmutzwasserleitung bis 2007 ausgeführt. Die erforderlichen Reparaturarbeiten wurden bis auf ein kurzes Teilstück auf der Parzelle Nr. y durchgeführt. Die vollständige Sanierung der Leitung scheiterte daran, dass die C AG keine Reparaturarbeiten auf ihrem Grundstück zuliess. Nach erfolglosen Bemühungen um eine einvernehmliche Lösung ordnete die Dienststelle Umwelt und Energie (uwe) am 31. August 2009 an, dass die B AG als Sanierungspflichtige die Reparaturarbeiten an der bestehenden Schmutzwasserleitung durchzuführen habe und dass das Sickerwasser der Deponie bis spätestens am 16. Oktober 2009 wieder der Abwasserreinigungsanlage (ARA) zugeführt werden müsse. Die C AG als Eigentümerin des Grundstücks Nr. y wurde verpflichtet, die Reparaturarbeiten zu dulden. Das Verwaltungsgericht weist die dagegen erhobene Verwaltungsgerichtsbeschwerde ab, soweit es darauf eintritt.

Aus den Erwägungen:

7. - a) Gemäss Art. 2 in Verbindung mit Art. 32d USG trägt, wer Massnahmen zur Untersuchung, Überwachung und Sanierung belasteter Standorte verursacht, dafür die Kosten (Abs. 1). Sind mehrere Verursacher beteiligt, so tragen sie die Kosten entsprechend ihren Anteilen an der Verursachung. In erster Linie trägt die Kosten, wer die Massnahmen durch sein Verhalten verursacht hat. Wer lediglich als Inhaber des Standorts beteiligt ist, trägt keine Kosten, wenn er bei Anwendung der gebotenen Sorgfalt von der Belastung keine Kenntnis haben konnte (Abs. 2). Somit ist primär kostenpflichtig, wer die Sanierung durch sein Verhalten verursacht hat (Verhaltensstörer). Wer lediglich als Inhaber der Deponie oder des Standorts beteiligt ist (Zustandsstörer), kommt erst subsidiär zum Zug, wobei er sich unter bestimmten Voraussetzungen von jeglicher Kostenpflicht befreien kann. Mit dieser Regelung wird dem Umstand Rechnung getragen, dass die Kostenpflicht für den unbeteiligten Zustandsstörer unverhältnismässig und unbillig sein kann (BG-Urteil 1A.214/1999 vom 3.5.2000, E. 2a mit Hinweisen).

Art. 2 und 32d USG betreffen nur die Kostenpflicht, sagen aber nichts darüber aus, wer die entsprechenden Massnahmen zu treffen hat (vgl. BGE 118 Ib 410 E. 3b; BG-Urteil 1A.214/1999 vom 3.5.2000, E. 2b mit Hinweisen, auch zum Folgenden; Rausch, Kommentar USG, Zürich 1985, N 3 zu Art. 2). Diese beiden Fragen sind zu trennen. Die Massnahmepflicht bezweckt eine wirksame Durchsetzung des Umweltrechts, die Kostentragungspflicht eine möglichst gerechte Kostenanlastung.

b) Nach Art. 32c Abs. 1 USG sorgen die Kantone dafür, dass Deponien und andere durch Abfälle belastete Standorte (belastete Standorte) saniert werden, wenn sie zu schädlichen oder lästigen Einwirkungen führen oder die konkrete Gefahr besteht, dass solche Einwirkungen entstehen. Das Gesetz äussert sich nicht ausdrücklich darüber, ob die Kantone diese Pflicht selber wahrzunehmen haben oder den Inhaber oder Dritte dazu verpflichten können. Nach den allgemeinen Grundsätzen des Polizeiund Umweltrechts obliegt die Pflicht zur Beseitigung polizeiwidriger Zustände dem Störer (BGE 122 II 70 E. 6a; Trüeb, Kommentar USG, Zürich 1998, N 15ff. zu Art. 59). Das gilt auch für die Sanierung von Altlasten, wie es in Art. 59 USG und Art. 54 GSchG in Bezug auf die Übernahme von Sicherungsund Behebungsmassnahmen vorgesehen ist (BGE 121 II 413 E. 17a/bb). Zu beachten ist aber auch etwa der Grundsatz, wonach jedermann verpflichtet ist, alle nach den Umständen gebotene Sorgfalt anzuwenden, um nachteilige Einwirkungen auf die Gewässer zu vermeiden (Art. 3 GSchG). Als Störer kommen sowohl derjenige in Betracht, der den Schaden oder die Gefahr selbst oder durch das unter seiner Verantwortung erfolgende Verhalten Dritter unmittelbar verursacht hat (Verhaltensstörer), als auch derjenige, der über die Sache, die den ordnungswidrigen Zustand bewirkt, rechtliche oder tatsächliche Gewalt hat (Zustandsstörer); als solcher kommt in erster Linie der Eigentümer des zu sanierenden Grundstücks in Frage (BGE 118 Ib 414f. E. 4c; BG-Urteil 1A.214/1999 vom 3.5.2000, E. 2c mit Hinweisen; Dubs, Wer soll das bezahlen? - Die Finanzierung der Sanierung, in: URP 1993, S. 289-299, 292f.).

c) Nach einem Urteil des Bundesgerichts vom 26. Februar 1998 (URP 1998, S. 158 ff. E. 4d und e) hat der Bundesrat die Altlasten-Verordnung erlassen. Art. 20 AltlV regelt die Pflicht zu Untersuchungs-, Überwachungsund Sanierungsmassnahmen. Diese sind vom Inhaber des belasteten Standorts durchzuführen (Abs. 1). Die Behörde kann zur Durchführung der Voruntersuchung, der Überwachungsmassnahmen oder der Detailuntersuchung Dritte verpflichten, wenn Grund zur Annahme besteht, dass diese die Belastung durch ihr Verhalten verursacht haben (Abs. 2). Zur Ausarbeitung des Sanierungsprojekts und zur Durchführung der Sanierung kann die Behörde Dritte verpflichten, wenn diese die Belastung des Standorts durch ihr Verhalten verursacht haben (Abs. 3). Art. 20 AltlV geht somit davon aus, dass die Pflicht zur Vornahme der Sanierungshandlungen ungeachtet der in Art. 32d USG festgelegten Kostentragungspflicht primär dem Standortinhaber obliegt (BG-Urteil 1A.214/1999 vom 3.5.2000, E. 2d und e). Bei der Zuweisung der Realleistungspflicht aufgrund des Störerprinzips geht es allein um polizeiliche Zwecke, nämlich um die Beseitigung eingetretener Störungen oder die Abwehr konkret drohender Störungen. Das Störerprinzip fragt weder nach dem Mass der Verantwortlichkeit noch nach dem Verschulden des in Anspruch genommenen Störers, sondern allein nach seiner Eignung zur Durchführung der polizeilich gebotenen Massnahmen (Tschannen, Kommentar USG, Zürich 2000, N 24 zu Art. 32c; Scherrer, Handlungsund Kostentragungspflichten bei der Altlastensanierung, Diss. Bern 2005, S. 19ff.).

Der Bundesgesetzgeber delegiert den Vollzug des Umweltschutzrechts bzw. die Sanierung von Deponien oder anderen durch Abfälle belasteten Standorten den Kantonen. Im Kanton Luzern ordnet die Dienststelle uwe die Untersuchungen an und entscheidet über den Sanierungsbedarf. Sie verlangt ein Sanierungsprojekt, entscheidet über das Sanierungsprojekt und ordnet die Sanierung an (§ 31 EGUSG; §§ 30, 31 USGVV).

d/aa) Nach den unbestrittenen Feststellungen der Vorinstanz im vorinstanzlichen Entscheid produziert die Altdeponie A Sickerwasser, welches ohne Behandlung oder Aufbereitung nicht in ein Oberflächengewässer eingeleitet werden darf. Es ist daher auf geeignete Weise aufzubereiten oder zu behandeln. Das Sickerwasser enthält schädliche Stoffe wie Ammonium (NH4+), gelösten Kohlenstoff (DOC) und Phenole, deren Werte die Einleitbedingungen gemäss Anhang 2 der GSchV deutlich übersteigen. In einer Machbarkeitsstudie vom 30. Oktober 2002 sei die Einleitung des Sickerwassers in eine ARA als technisch richtig und wirtschaftlich verhältnismässige Lösung bezeichnet worden. Die Einleitung in die ARA sei ab diesem Datum praktiziert worden bis im Jahr 2007, als die Sickerwasserleitung repariert werden musste. Die C AG verweigerte in der Folge jegliche Reparaturarbeiten auf einem kleinen Teilstück der Leitung innerhalb ihres Betriebsgeländes. Mangels verhältnismässiger Alternativen habe die Dienststelle uwe die Einleitung des Sickerwassers in ein Oberflächengewässer - obschon gesetzeswidrig - unter Auflagen temporär bewilligt. Im Gespräch zwischen Behörden, der Sanierungspflichtigen und der heutigen Grundeigentümerin seien die technischen Lösungen für eine geeignete Leitungsführung besprochen worden. Basierend auf einem vom Ingenieurbüro D ausgearbeiteten Variantenplan vom 8. Mai 2009 für verschiedene Linienführungen gehe hervor, dass die Reparatur der bestehenden Leitung auf Parzelle Nr. y die einfachste und kostengünstigste Variante sei. Alle anderen Ersatzvarianten seien nicht verhältnismässig. Wenn eine Reparatur der bestehenden Leitung durchführbar sei, verlange die Vollzugsbehörde von der Sanierungspflichtigen aus Gründen der Verhältnismässigkeit keine andere Sanierungsvariante und keine andere Linienführung.

bb) Die Beschwerdeführerin widersetzt sich der verfügten Sanierungsmassnahme hauptsächlich mit dem Argument, sie habe die angeordneten Reparaturarbeiten nicht zu dulden. Dieser Auffassung kann nicht beigepflichtet werden. Im Licht der bundesgerichtlichen Rechtsprechung hat in erster Linie der Standortinhaber (Zustandsstörer) die Sanierungsmassnahmen durchzuführen bzw. durchführen zu lassen. Die Realhandlung des Sanierungspflichtigen erschöpft sich praktisch darin, einen entsprechenden Auftrag an ein spezialisiertes Unternehmen zu erteilen, da der Standortinhaber in der Regel ohnehin nicht in der Lage ist, die notwendigen Untersuchungen und Massnahmen selber durchzuführen. Die Beschwerdeführerin als heutige Eigentümerin des Grundstücks Nr. y, auf dem die sanierungsbedürftige Sickerwasserleitung durchläuft, ist Inhaberin des belasteten Standorts. Als Eigentümerin hat sie die rechtliche und tatsächliche Gewalt über das belastete Grundstück und gilt somit altlastenrechtlich als Zustandsstörerin. Als solche ist sie nach dem in Art. 20 AltlV verankerten Grundsatz in erster Linie für Sanierungsmassnahmen verantwortlich. Daraus ergibt sich von selbst, dass die Beschwerdeführerin die notwendigen Sanierungsarbeiten auch zu dulden hat, wenn diese - wie vorliegend von der kantonalen Vollzugsbehörde angeordnet - der Beschwerdegegnerin als Verhaltensstörerin überbunden werden. Soweit die Leitung sanierungsbedürftig ist, muss somit die Beschwerdeführerin als Grundeigentümerin die erforderlichen Reparaturarbeiten dulden (vgl. Lustenberger, Gefahrenabwehr und Kostenpflicht am Beispiel der Sanierung privater und öffentlicher Kanalisationen, in: URP 2009, S. 370-396, S. 383; vgl. auch Scherrer, a.a.O., S. 30, welche von Duldungspflicht des unmittelbaren Besitzers spricht). Zudem ist der Inhaber auch nach Art. 46 Abs. 1 USG verpflichtet, auf seinem Grundstück die für den Vollzug des Gesetzes nötigen Abklärungen zu dulden, auch wenn diese von der Behörde oder von Dritten durchgeführt werden (BG-Urteil 1A.214/1999 vom 3.5.2000, E. 2e/aa und bb, mit Hinweisen; auch zum Folgenden). Ferner ist es ein allgemeiner Grundsatz, dass der Eigentümer sowohl Nutzen als auch Lasten aus seinem Eigentum trägt. Ihm obliegt daher in erster Linie die Verantwortung für den polizeikonformen Zustand seines Eigentums. Daher ist in erster Linie der Eigentümer verpflichtet, Gefahren abzuwehren, die sich aus dem Vorhandensein gefährlicher Gegenstände auf seinem Grundstück ergeben, auch wenn diese ohne sein Dazutun dorthin gelangt sind (BGE 118 Ib 415 E. 4c, 114 Ib 50f. E. 2c/aa). Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts entspricht die primäre Belangung des Inhabers nach Art. 20 AltlV wie auch nach Art. 46 Abs. 1 USG dem öffentlichen Interesse an einer wirksamen Sanierung der Altlasten (BG-Urteil 1A.214/1999 vom 3.5.2000, E. 2e/cc). Diese Erkenntnis hat auch im vorliegenden Fall ihre Berechtigung. Die der Beschwerdeführerin auferlegte Duldungspflicht hinsichtlich der notwendigen Reparaturarbeiten auf ihrem Grundstück ist daher zu Recht erfolgt. Die Beschwerde erweist sich in diesem Punkt als unbegründet.

8. - a-c) (...)

d) Im angefochtenen Entscheid wurde der Beschwerdegegnerin eine Frist bis 16. Oktober 2009 zur Umsetzung der Massnahme eingeräumt. Diese Frist ist mit dem vorliegenden Beschwerdeverfahren verstrichen, zumal die Verwaltungsgerichtsbeschwerde aufschiebende Wirkung hat (§ 131 Abs. 1 VRG) und diese bisher nicht aufgehoben wurde. Es ist daher eine neue Frist festzusetzen. Aufgrund der Dringlichkeit drängt sich eine rasche Umsetzung der Massnahmen auf. Die Beschwerdegegnerin hat die im angefochtenen Entscheid verfügten Reparaturarbeiten innerhalb von 60 Tagen nach Zustellung dieses Urteils durchzuführen. In dem Sinn ist Ziff. 1 des Rechtsspruchs des angefochtenen Entscheids zu ändern. Im Übrigen bleiben die verfügten Auflagen, der Hinweis auf die Strafandrohungen wegen Zuwiderhandeln gegen den angefochtenen Entscheid sowie die Ersatzvornahme (vgl. Rechtsspruch Ziff. 3-5) unverändert.
Quelle: https://gerichte.lu.ch/recht_sprechung/publikationen
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