Der 1968 geborene A litt an Keratokonus beidseits. Auf Gesuch vom 9. November 1989 hin übernahm die Invalidenversicherungs-Kommission (IVK) mit Beschluss vom 30. Mai 1990 Kontaktlinsen beidseits nach ärztlicher Anordnung. Laut Dr. med. B, Augenarzt FMH, war mit Kontaktlinsen eine Sehschärfe von 1,0 zu erreichen. Am 24. Juni 1991 meldete sich A erneut bei der Invalidenversicherung an und beantragte die Übernahme von medizinischen Massnahmen. Er beabsichtigte am 10. Juli 1991 eine Operation am rechten Auge und am 17. Juli 1991 eine solche am linken Auge durch Dr. med. C in Deutschland durchführen zu lassen. Die Invalidenversicherung fragte bei Dr. med. D, Chefarzt an der Augenklinik des Kantonsspitals, nach, ob eine solche Operation in Deutschland notwendig sei. Dieser erklärte, ein Hornhaut-Durchbruch sei sehr selten und er sehe aufgrund der Akten dafür keine Gefahr. Ausserdem könnte die Operation an jeder grösseren Klinik in der Schweiz durchgeführt werden. A entschloss sich dennoch zu den Operationen in Deutschland.
Mit Vorbescheid vom 29. August 1991 kündigte die IVK dem Versicherten an, dass das Leistungsbegehren von der Invalidenversicherung abgewiesen werde. Der Versicherte war damit nicht einverstanden und machte insbesondere geltend, man habe ihm früher nie gesagt, dass die Operation auch in der Schweiz hätte durchgeführt werden können. Da ihn die Linsen fürchterlich irritiert und geschmerzt hätten, habe er wiederholt Dr. B aufgesucht, sich darüber beklagt und allmählich das Vertrauen in ihn verloren. Als er im Fernsehen von der Möglichkeit einer Keratoplastik erfahren habe, habe er sich an einen seiner Familie bekannten Augenarzt, Dr. E in Italien, gewandt, der die Krankheit am rechten Auge als sehr fortgeschritten diagnostiziert und eine Operation als notwendig bezeichnet sowie ihn an Dr. C in Deutschland verwiesen habe. Er habe in der Folge Dr. B darauf angesprochen. Dieser habe ihn wissen lassen, dass in Luzern Dr. F diese Operation mache, dass es aber ein grosses Risiko sei. Er habe sich deshalb an Dr. C gewandt, der dagegen ein solches Risiko verneint und in der Folge die Operationen vorgenommen habe.
Die IVK holte noch einen Bericht von Dr. B ein, der die Notwendigkeit einer solchen Operation am 16. September 1991 weiterhin verneinte.
Gestützt auf einen Präsidialbeschluss der IVK wies die zuständige Ausgleichskasse mit Verfügung vom 5. Februar 1992 ein entsprechendes Leistungsbegehren ab.
Gegen diese Verfügung liess A rechtzeitig Beschwerde erheben und erneut die Kostenübernahme der Operationen beantragen. In einer Ergänzung verwies er noch darauf, dass er bei PD Dr. G in Nachbehandlung sei, bei welchem ein Bericht eingeholt werden könne. Dagegen sei auf die Aussagen von Dr. A nicht abzustellen, weil das Vertrauensverhältnis zu ihm gestört sei. Die seinerzeitige Beurteilung von Dr. D sei lediglich aufgrund der Akten erfolgt.
Die IVK beantragt Abweisung der Beschwerde.
Das Gericht holte sowohl bei Dr. D als auch bei PD Dr. G einen Bericht ein und liess an der Augenklinik des Universitätsspitals X, bei Prof. Dr. H, ein Gutachten erstellen.
Das Verwaltungsgericht hat die Beschwerde teilweise gutgeheissen.
Aus den Erwägungen:
1. - Nach Art. 12 Abs. 1 IVG hat der Versicherte Anspruch auf medizinische Massnahmen, die nicht auf die Behandlung des Leidens an sich, sondern unmittelbar auf die berufliche Eingliederung gerichtet und geeignet sind, die Erwerbsfähigkeit dauernd und wesentlich zu verbessern oder vor wesentlicher Beeinträchtigung zu bewahren. Als medizinische Massnahmen im Sinne von Art. 12 IVG gelten namentlich chirurgische, physiotherapeutische und psychotherapeutische Vorkehren, die eine als Folgezustand eines Geburtsgebrechens, einer Krankheit oder eines Unfalles eingetretene Beeinträchtigung der Körperbewegung, der Sinneswahrnehmung oder der Kontaktfähigkeit zu beheben oder zu mildern trachten, um die Erwerbsfähigkeit dauernd und wesentlich zu verbessern oder vor wesentlicher Beeinträchtigung zu bewahren. Die Massnahmen müssen nach bewährter Erkenntnis der medizinischen Wissenschaft angezeigt sein und den Eingliederungserfolg in einfacher und zweckmässiger Weise anstreben (Art. 2 Abs. 1 IVV).
Bei Keratokonus kann die Hornhautübertragung (Keratoplastik) eine medizinische Eingliederungsmassnahme darstellen, wenn damit eine narbig veränderte Hornhaut oder eine getrübte Keratokonusspitze ersetzt wird (unveröffentlichtes Urteil des Eidg. Versicherungsgerichts L. vom 21.5.1990; BGE 100 V 97; ZAK 1975 S. 66 ff.). Negativ formuliert sind die Voraussetzungen in dem für die Verwaltung verbindlichen Kreisschreiben über die medizinischen Eingliederungsmassnahmen: Eine Keratoplastik bei Verwölbung einer weder narbig veränderten noch wesentlich getrübten Hornhaut stellt eine Behandlung eines labilen pathologischen Geschehens dar und kann selbst dann nicht übernommen werden, wenn das Tragen von Kontaktlinsen nicht mehr möglich ist (Rz 661/861.15 des Kreisschreibens über die medizinischen Eingliederungsmassnahmen, KME).
Der Keratokonus führt selten schon in frühester Jugend, häufiger nach der Pubertät, zu einer fortschreitenden Ekstasie der zentralen Hornhautteile mit kegelförmiger Verwölbung. In der Regel geschieht dies an beiden Augen, bisweilen mit mässigem lntervall und Differenzen in der Ausprägung. Die krankhaften Veränderungen nehmen meist langsam, aber stetig, bisweilen auch schubartig zu. Hierbei alternieren Perioden eines gewissen Anhaltens mit solchen der Progression, wobei es mitunter zu Dehiszenzen und Rupturen kommen kann. Schliesslich treten in der Kegelspitze weitere Trübungen hinzu. In diesem Stadium lässt sich selbst mit Brille bzw. Haftglas kaum mehr eine befriedigende Sehschärfe erreichen. Dies ist dann der Zeitpunkt, da eine Keratoplastik vorgenommen wird. Im mittleren bis höheren Lebensalter bleibt der Prozess irgendwann stehen. Allerdings ist prognostisch hierüber nichts genaueres zu sagen (vgl. Urteil der Rekurskommission für Sozialversicherung des Kantons Obwalden vom 7.6.1979, publ. in: Amtsbericht über die Rechtspflege Obwalden 1978/79 S. 71 mit Hinweisen).
2. - Die medizinischen Antworten hinsichtlich des Stadiums, in welchem sich der Keratokonus befand, divergieren. Laut Dr. D bestand im hier massgebenden Zeitpunkt von Juli 1991 beidseits ein deutlicher Keratokonus mit Hornhautverdünnung und leichter Trübung sowie eine deutliche Radiusabnahme mit entsprechend hoher Myopie. Weder von Dr. B noch vom Kantonsspital sei eine gefährlich starke Verdünnung beschrieben worden. Die Anpassung einer Kontaktlinse sei unproblematisch und ausser gelegentlichen Beschwerden wegen Staub würde diese gut vertragen. Die Sehschärfe mit den Kontaktlinsen habe beidseits 0,8 (sehr gut) betragen. Laut Dr. G befand sich der Keratokonus sicher im Endstadium im Juli 1991. Der Beschwerdeführer habe angegeben, er könne die Kontaktlinsen nicht mehr vertragen. Gemäss Gutachten von Prof. H war damals beim Beschwerdeführer der Keratokonus beidseits fortgeschritten und es bestanden ein deutlicher Astigmatismus, rechts mehr als links (rechts 5,25 dpt, links 1,25 dpt), und sogenannte Spitzentrübungen beidseits. Die unkorrigierte Sehschärfe betrug nur 0,03 beidseits (Untersuchung durch Dr. C). Durch Kontaktlinsen habe allerdings eine gute Sehschärfe von 0,8 bis 1,0 beidseits erreicht werden können. Die Kontaktlinsen seien vom Beschwerdeführer von Anfang an schlecht toleriert worden. Er habe an Augenreizungen, welche vor allem auch am Arbeitsplatz als Lackierer aufgetreten seien, gelitten. Die Tatsache, dass er seinen Beruf gewechselt habe, hätte die Aussagen glaubhaft gemacht. Bei der Würdigung dieser Darstellungen ist davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer zu seinem Hausarzt kein Vertrauen mehr hatte, weil dieser trotz der Schmerzen auf der Versorgung durch Kontaktlinsen beharrte. Dr. G wiederum schloss allein aufgrund der Aussagen, dass der Beschwerdeführer die Kontaktlinsen für unverträglich hielt, dass sich der Keratokonus im Endstadium befand. Differenzierter ist die Auffassung im eingeholten Gutachten. Danach befand sich der Keratokonus des Versicherten am rechten Auge in einem fortgeschrittenen Stadium mit hohem irregulärem Astigmatismus und Spitzentrübungen, am linken Auge in einem weniger weit fortgeschrittenen Stadium, aber sicher über das Frühstadium hinaus. Vernarbungen werden nicht genannt. Zur Notwendigkeit der Operation schreibt Dr. D, dass sie hier weder notwendig, angezeigt, noch vertretbar sei. Insbesondere könne niemand dem Beschwerdeführer versichern, dass er nach einer allfälligen Keratoplastik keine Kontaktlinsen mehr tragen müsse, könne doch eine starke Refraktionsanomalie auch nach der Operation entstehen, mit einem starken Astigmatismus (sog. Hornhautverkrümmung). Im Gegensatz dazu hält Dr. G fest, diese Operation sei, soweit er es abschätzen könne, sicher angezeigt gewesen. Im Gutachten H wird die Operation im Juli 1991 als gut vertretbar bezeichnet.
Die Ergänzungsfrage vom 6. Mai 1993, ob die bestehende Verwölbung beim rechten Auge schon narbig sei, bejahte Dr. med. I, der die Fragen für Prof. Dr. H beantwortete: «Die bestehende Verwölbung beim rechten Auge war schon narbig, die im Gutachten mit Spitzentrübungen angesprochenen Veränderungen entsprechen morphologisch gesehen Narben.» Die weitere Frage, nämlich, ob beim rechten Auge von einer wesentlich getrübten Hornhaut gesprochen werden dürfe, wird ebenfalls bejaht. «Trübungen in der optischen Achse, also genau im Zentrum der Hornhaut, vermindern die Sehfähigkeit sehr stark, auch wenn sie von der flächenhaften Ausdehnung her gesehen nur klein sind (z. B. 3 mm im Durchmesser). Es soll hier noch gesagt werden, dass die Veränderungen beim Keratokonus vor allem durch die Entstehung einer unregelmässigen Hornhautverkrümmung zu einer starken Sehkraftabnahme führen.» Auf eine weitere Ergänzungsfrage, ob im Zeitpunkt der Operation bei beiden Augen von einem labilen pathologischen Zustand oder einem stabilisierten Zustand zu sprechen sei, antwortete Dr. I: «Der Keratokonus ist immer ein progredientes Leiden, auch wenn die Zunahme der Trübungen und die Zunahme der unregelmässigen Hornhautverkrümmung zeitlich langsam vorgehen. Der Verlauf und die Progredienz des Keratokonus ist individuell verschieden rasch, oft auch ist das eine Auge bereits stärker betroffen als das andere. In diesem Sinne war im Zeitpunkt der Operation bei beiden Augen ein labiler pathologischer Zustand vorhanden.» Diese medizinisch nicht zu beanstandende Aussage ist aber in rechtlicher Hinsicht insofern zu präzisieren, dass die Rechtsprechung in dem Zeitpunkt, in wel-chem die Hornhaut narbig verändert oder wesentlich getrübt ist, einen stabilisierten Zustand bejaht, der einen Anspruch auf medizinische Massnahmen im Sinne von Art. 12 Abs. 1 IVG auszulösen vermag. Mithin darf davon ausgegangen werden, dass beim rechten Auge ein solcher stabilisierter Zustand bestand und von einer Keratoplastik eine Verbesserung der Erwerbsfähigkeit zu erwarten war, so dass hier der Schluss gezogen werden darf, dass mit der Keratoplastik am rechten Auge nicht nur labiles pathologisches Geschehen behandelt werden sollte, sondern diese unmittelbar auf die Beseitigung oder Korrektur eines stabilisierten Defektzustandes oder Funktionsausfalles hinzielte (BGE 115 V 195, 112 V 349, 105 V 19 und 149, 104 V 82).
Anders stellt sich dagegen die Situation beim linken Auge dar. Auf die Frage, ob mit dieser Operation nicht noch hätte zugewartet werden können, antwortet Dr. l wie folgt: «Wir können diese Frage im nachhinein weder bejahen noch verneinen. Bei der Indikationsstellung zu einem operativen Eingriff am zweiten Auge (Herr A hatte zuerst eine Keratoplastik rechts) spielen nicht nur der reine medizinische Befund, sondern auch das soziale Umfeld, der Beruf und die Erwartungen und Wünsche des Patienten eine Rolle. Rein medizinisch gesehen bestand keine Notfallsituation. Aus beruflich-sozialer Sicht und im Hinblick auf eine Wiedereingliederung war eine Operation auch am linken Auge vertretbar.» Wenn die IVK dagegen einwendet, dass hier aber die Dringlichkeit oder Notwendigkeit der Operation nicht gegeben war, ist ihr beizupflichten. Die von Dr. l beschriebenen Gründe für die Durchführung dieser zweiten Operation können nicht darüber hinwegtäuschen, dass diesbezüglich der Zustand nicht stabilisiert war, so dass die Operation nicht zu Lasten der Invalidenversicherung gehen konnte. Hinzu kommt noch, dass die Operationen ohnehin nicht zur gleichen Zeit, sondern zumindest gestaffelt durchgeführt werden mussten. Sowohl Dr. E als auch Dr. C selber hatten die Operation an diesem Auge nicht als dringlich angesehen. Der Beschwerdeführer, der damals bereits wusste, dass die IVK überhaupt keine Operationskosten übernehmen wollte, hätte daher diese Operation zumindest so lange aufschieben können, bis die Situation bezüglich der Versicherungsleistungen geklärt gewesen wäre. Es geht auch nicht an, dass ein Versicherter die Versicherung einfach vor eine gesetzte Tatsache stellt. Die Voraussetzungen für die Übernahme dieser Operation fehlten im Zeitpunkt des Verfügunger-lasses jedenfalls. Ob diesbezüglich in einem späteren Zeitpunkt ein Anspruch entstanden ist, ist hier nicht zu prüfen.
3. - Nach Art. 9 IVG werden die Eingliederungsmassnahmen in der Schweiz ausnahmsweise auch im Ausland, gewährt. Erweist sich die Durchführung einer Eingliederungsmassnahme in der Schweiz nicht als möglich, insbesondere weil die erforderlichen Institutionen oder Fachpersonen fehlen, oder muss eine medizinische Massnahme notfallmässig im Ausland durchgeführt werden, so übernimmt die Versicherung die Kosten einer einfachen und zweckmässigen Durchführung im Ausland (Art. 23 bis Abs. 1 IVV). Wird eine Massnahme aus andern beachtlichen Gründen im Ausland durchgeführt, so vergütet die Versicherung die Kosten bis zu dem Umfang, in welchem solche Leistungen in der Schweiz zu erbringen gewesen wären (Art. 23 bis Abs. 2 IVV).
Vorliegendenfalls können beachtliche Gründe darin erblickt werden, dass der Beschwerdeführer, der infolge seines Leidens sogar den Beruf wechselte, das Vertrauen in Dr. B verloren hatte, wie sich herausstellte, auch zu Recht. Ausserdem hat der Augenarzt in Italien, Dr. E, zu dem der Beschwerdeführer ein besonderes Vertrauensverhältnis hatte, und der eine zutreffende Diagnose gestellt hatte, ihm die Operation bei Dr. C empfohlen. Dr. C ist auch in Zürich als erfahrener Hornhautchirurg bekannt, wie Prof. Dr. H im Gutachten bestätigt. Die Auskünfte, welche der Beschwerdeführer erhielt, ob die Operation hier in Luzern oder zumindest in der Schweiz durchgeführt werden könne, waren zumindest verwirrlich und hinsichtlich des Risikos auch nicht vertrauenserweckend. Die Schmerzen infolge des Tragens der Linsen, die auf den Beschwerdeführer eingehende Art von Dr. C sowie der relativ kurzfristige Termin zur Durchführung der Operation lassen daher die Gründe für das entsprechende Handeln des Beschwerdeführers als beachtlich erscheinen. Die Invalidenversicherung hat deshalb die Kosten für die Operation am rechten Auge soweit sie jene in der Schweiz nicht übersteigen, zu erbringen.
Die von der IVK gegen dieses Urteil eingereichte Verwaltungsgerichtsbeschwerde wurde vom Eidg. Versicherungsgericht gutgeheissen.
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