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Urteil Verwaltungsgericht (LU)

Kopfdaten
Kanton:LU
Fallnummer:S 02 425
Instanz:Verwaltungsgericht
Abteilung:Sozialversicherungsrechtliche Abteilung
Verwaltungsgericht Entscheid S 02 425 vom 20.05.2003 (LU)
Datum:20.05.2003
Rechtskraft:Diese Entscheidung ist rechtskräftig.
Leitsatz/Stichwort:Art. 3b Abs. 3 lit. b, 3c Abs. 1 lit. g ELG; Art. 16 ELV; § 39 Abs. 4 StG; § 10 Abs. 2 lit. c StV. Der Verzicht auf eine eingeräumte Nutzniessung ist anzurechnen, sofern dazu keine rechtliche Verpflichtung bestand oder die Verzichtende keine adäquate Gegenleistung erhalten hat. Massgebend für die Berechnung ist der Zeitpunkt des Verzichts. Anrechnung von Gebäudeunterhaltskosten und Hypothekarzinsen.
Schlagwörter: Nutzniessung; Leistung; Beschwerdeführerin; Ergänzungsleistung; Betrag; Verzicht; Ergänzungsleistungen; Liegenschaft; Ausgleichskasse; Gebäudeunterhalt; Steuer; Nutzniessungsrecht; Anrechenbare; Hypothekarzins; Berechnung; Ausgaben; Einnahmen; Schweiz; Hypothekarzinse; Einkommen; Anrechenbaren; Verzichtet; Gebäudeunterhaltskosten; Verzichts; Steueramt; Rechtlich; Ertrag; Verfügung; Nutzniessungsertrag; Einkünfte
Rechtsnorm: Art. 758 ZGB ; Art. 765 ZGB ; Art. 776 ZGB ;
Referenz BGE:121 V 205; 122 V 158;
Kommentar zugewiesen:
Spühler, Basler Kommentar zur ZPO, Art. 321 ZPO ; Art. 311 ZPO, 2017
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Entscheid
A wohnt seit dem 4. Mai 1998 im Altersund Pflegeheim in X. Mit Gesuch vom 25. März 2002 meldete sie sich zum Bezug von Ergänzungsleistungen zur Altersrente an. Mit Verfügung vom 5. Juni 2002 lehnte die Ausgleichskasse einen Anspruch auf Ergänzungsleistungen ab.

Dagegen liess A Verwaltungsgerichtsbeschwerde erheben und beantragen, die Verfügung vom 5. Juni 2002 sei aufzuheben. Ihr seien die ihr gesetzlich zustehenden Ergänzungsleistungen zuzusprechen. Die Ausgleichskasse schloss auf Abweisung der Beschwerde.

Das Verwaltungsgericht holte beim Steueramt von X Auskünfte und Unterlagen betreffend Mietwert und Hypothekarzinsen der Liegenschaft B in X, im Jahr 2000 ein. Den Parteien wurde Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben.

Aus den Erwägungen:

1. - (Keine Anwendbarkeit des ATSG, vgl. LGVE 2003 II Nr. 33 Erw. 1).

2. - a) Gemäss Art. 2 Abs. 1 ELG haben Schweizer Bürger mit Wohnsitz und gewöhnlichem Aufenthalt in der Schweiz Anspruch auf Ergänzungsleistungen, wenn sie eine der Voraussetzungen nach den Art. 2a-2d ELG erfüllen - namentlich eine Altersrente der AHV beziehen (Art. 2a lit. a ELG) - und die gesetzlich anerkannten Ausgaben (Art. 3b ELG) die anrechenbaren Einnahmen (Art. 3c ELG) übersteigen. Dabei entspricht die jährliche Ergänzungsleistung dem Betrag, um den die anerkannten Ausgaben die anrechenbaren Einnahmen übersteigen (Art. 3a Abs. 1 ELG).

b) Die anrechenbaren Einnahmen werden nach Art. 3c ELG berechnet. Als Einkommen anzurechnen sind danach u.a. Einkünfte und Vermögenswerte, auf die verzichtet worden ist (Art. 3c Abs. 1 lit. g ELG). Eine Verzichtshandlung liegt vor, wenn die versicherte Person ohne rechtliche Verpflichtung und ohne adäquate Gegenleistung auf Vermögen verzichtet hat, wo sie einen Rentenanspruch auf bestimmte Einkünfte und Vermögenswerte hat, davon aber faktisch nicht Gebrauch macht bzw. ihre Rechte nicht durchsetzt (BGE 121 V 205 Erw. 4a mit Hinweisen).

c) Der Sozialversicherungsprozess ist vom Untersuchungsgrundsatz beherrscht. Danach hat der Richter von Amtes wegen für die richtige und vollständige Abklärung des rechtserheblichen Sachverhaltes zu sorgen. Dieser Grundsatz gilt indessen nicht uneingeschränkt; er findet sein Korrelat in den Mitwirkungspflichten der Parteien (BGE 122 V 158 Erw. 1a, 121 V 210 Erw. 6c, je mit Hinweisen). Zu beachten ist sodann das Rügeprinzip, welches besagt, dass die Beschwerdeinstanz nicht prüft, ob sich der angefochtene Entscheid unter schlechthin allen in Frage kommenden Aspekten als korrekt erweist, sondern nur die vorgebrachten Beanstandungen untersucht (Gygi, Bundesverwaltungsrechtspflege, 2. Aufl., Bern 1983, S. 214 ff.; vgl. auch LGVE 1990 II Nr. 32 Erw. 2b). Diesen Grundsätzen folgend wird auch im vorliegenden Verfahren die angefochtene Verfügung nur hinsichtlich der vorgebrachten Rügen überprüft.

3. - a) Aus den Akten geht hervor, dass beim Verkauf der Liegenschaft B in X am 14. Januar 1972 an C und D zugunsten der Beschwerdeführerin ein lebenslängliches Nutzniessungsrecht eingeräumt wurde (Kaufvertrag vom 14.1.1972, S. 7). Infolge Verzichts fiel das Nutzniessungsrecht per 17. Oktober 2000 dahin, was unbestritten ist. Die Ausgleichskasse rechnete in der Folge bei der Berechnung der Ergänzungsleistungen bei den Einnahmen einen Betrag von Fr. 33171.- als Verzicht auf die Nutzniessung an.

b) Dagegen bringt die Beschwerdeführerin vor, der Verzicht auf das Nutzniessungsrecht sei nicht erfolgt, um in den Genuss von zusätzlichen AHV-Leistungen (recte Ergänzungsleistungen) zu gelangen. Vielmehr habe dem Nutzniessungsertrag, welcher rechtlich der Beschwerdeführerin zustehe, in den letzten Jahren ein zunehmend grösserer Ausgabenbetrag über den üblichen Gebäudeunterhalt gegenübergestanden. All diese finanziellen Aufwendungen hätten nicht mehr mit dem Liegenschaftsertrag finanziert werden können, sondern hätten vom Sohn der Beschwerdeführerin getragen werden müssen. Zudem sei die Beschwerdeführerin inzwischen ins Heim eingetreten, so dass es ohnehin keinen Sinn mehr gemacht hätte, unter den gegebenen Umständen das Nutzniessungsrecht weiterhin bei der Beschwerdeführerin zu belassen.

c) Nutzniessung ist das inhaltlich umfassende Nutzungsund Gebrauchsrecht an einem fremden Vermögensobjekt (Art. 745 ff. des Schweizerischen Zivilgesetzbuches, ZGB). Die Nutzniesserin hat dabei den vollen Genuss an einem fremden Vermögenswert. Da sie aber über die Sache weder rechtlich noch tatsächlich verfügen darf, wird sie nicht deren Eigentümerin (Tuor/Schnyder, Das Schweizerische Zivilgesetzbuch, 12. Aufl., Zürich 2002, S. 951 ff.). Die Nutzniessung repräsentiert somit einen wirtschaftlichen Wert, nämlich einen Ertrag im Umfang dessen, was ohne Nutzniessung zur anderweitigen Beschaffung der gleichen Leistung aufgewendet werden müsste. Die Nutzniessung stellt dementsprechend eindeutig einen Einkommensbestandteil dar, der ergänzungsleistungsrechtlich nicht ausser Acht gelassen werden darf. Dies umso mehr, als die Nutzniessung - im Gegensatz zum Wohnrecht (Art. 776 Abs. 2 ZGB) - zur Ausübung auf einen Dritten übertragen (Art. 758 Abs. 1 ZGB; Tuor/Schnyder, a.a.O., S. 788) und so ein Einkommen erzielt werden kann. Im Falle eines Verzichts auf eine eingeräumte Nutzniessung, sofern keine rechtliche Verpflichtung bestand oder die Verzichtende keine adäquate Gegenleistung erhalten hat, ist eine Aufrechnung im Sinne von Art. 3c Abs. 1 lit. g ELG vorzunehmen. Gleich wie bei einer bestehenden Nutzniessung ist dabei der - entäusserte - Ertrag in die Berechnung der Ergänzungsleistung einzusetzen (Bernische Verwaltungsrechtsprechung, BVR 1991 S. 526 f. Erw. 4b).

d) Die Beschwerdeführerin vermag nicht darzulegen, dass sie rechtlich gezwungen war, auf die Einkünfte aus der Nutzniessung zu verzichten. Offensichtlich erhielt sie auch keine adäquate Gegenleistung. Somit liegt ein Verzicht im Sinne von Art. 3c Abs. 1 lit. g ELG vor. Die Ausgleichskasse hat daher grundsätzlich zu Recht einen Betrag aus Verzicht auf die Nutzniessung als Einkommen angerechnet. Zu prüfen ist jedoch nachfolgend, ob der als Nutzniessungsertrag angerechnete Betrag von Fr. 33171.- korrekt ist.

4. - Unbestrittenermassen verzichtete die Beschwerdeführerin per 17. Oktober 2000 auf das Nutzniessungsrecht. Massgebend für die Berechnung ist der Zeitpunkt des Verzichts, somit das Jahr 2000 (vgl. BVR 1991 S. 528).

a) Gemäss Auskunft des Steueramtes von X vom 6. Februar 2003 ergibt sich für das Jahr 2000 ein leicht höherer Eigenmietwert als die Ausgleichskasse in ihrer Berechnung annahm, nämlich Fr. 6118.-. Da die Beschwerdeführerin jedoch seit 1998 in einem Heim wohnt, ist auf die Anrechnung eines Eigenmietwertes zu verzichten. Die Wohnung wurde inzwischen fremdvermietet und der daraus resultierende Ertrag ist somit im Mietzinsertrag der Liegenschaft enthalten. Gestützt auf die Aufstellung des Steueramtes von X vom 6. Februar 2003 betrug der Mietertrag der Liegenschaft B im Jahr 2000 Fr. 82780.-. Auf diesen Wert ist abzustellen.

Die Beschwerdeführerin machte in ihren Rechtsschriften geltend, für den Gebäudeunterhalt sei zum Betrag von Fr. 25995.- zusätzlich ein Betrag von Fr. 18510.- anzurechnen und als Hypothekarzinsen ein Betrag von Fr. 29982.-. Gestützt auf die beim Steueramt von X edierten Akten beantragte die Beschwerdeführerin mit Schreiben vom 17. Februar 2003 neu, es sei ein Betrag von Fr. 32920.55 als Hypothekarzinsen anzurechnen.

b) Nach Art. 3b Abs. 3 lit. b ELG werden bei in Heimen wie bei zu Hause wohnenden Personen Gebäudeunterhaltskosten und Hypothekarzinse bis zur Höhe des Bruttoertrages der Liegenschaft als Ausgaben anerkannt.

Gemäss Art. 16 ELV gilt für die Gebäudeunterhaltskosten der für die direkte kantonale Steuer im Wohnsitzkanton anwendbare Pauschalabzug. Vorliegend beträgt der Pauschalabzug gemäss § 39 Abs. 4 des kantonalen Steuergesetzes (SRL Nr. 620) i.V.m. § 10 Abs. 2 lit. c der kantonalen Steuerverordnung (SRL Nr. 621) ein Drittel des Brutto-Mietertrages. Es kann somit nicht auf die effektiven Kosten abgestellt werden (ZAK 1987 S. 309). Ausgehend von einem Brutto-Mietertrag von Fr. 82780.- beträgt der anrechenbare Betrag für die Gebäudeunterhaltskosten somit Fr. 27593.-.

c) Vom Ertrag der Liegenschaft sind nebst dem Pauschalbetrag für Gebäudeunterhaltskosten die Zinsaufwendungen für bestehende Hypothekarbelastungen abzuziehen. Dabei ist die effektive Belastung in Abzug zu bringen (Carigiet/Koch, Ergänzungsleistungen zur AHV/IV, Zürich 1995, S. 141). Wer die Schuldzinsen bezahlt hat, ist hingegen unerheblich, da gemäss Art. 765 ZGB der Nutzniesser u.a. auch die Zinsen für die auf dem Grundstück haftenden Kapitalschulden trägt.

Wie bereits erwähnt verzichtete die Beschwerdeführerin im Jahr 2000 auf das Nutzniessungsrecht an der Liegenschaft B. Zu diesem Zeitpunkt bestanden Passiven in der Höhe von Fr. 774600.- (= Fr. 254000.- + Fr. 520600.-), für welche Schuldzinsen von Fr. 32920.55 (= Fr. 10795.- + Fr. 22125.55) zu leisten waren.

5. - Zusammenfassend ergibt sich somit ein im Jahr 2000 jährlicher Nutzniessungsertrag von Fr. 22266.-:

Mietzinsertrag Fr. + 82780.-

Hypothekarzins Fr. - 32921.-

Gebäudeunterhalt Fr. - 27593.-

Nutzniessungsertrag Fr. 22266.-

Die Beschwerdeführerin hat sich somit einen Vermögensverzicht aus Nutzniessung von Fr. 22266.- anrechnen zu lassen, womit den total anrechenbaren Ausgaben von Fr. 56968.- gemäss Berechnungsblatt der Ausgleichskasse Einnahmen von Fr. 50546.- gegenüberstehen. Infolge Mehrausgaben von Fr. 6422.- hat die Beschwerdeführerin Anspruch auf monatliche Ergänzungsleistungen von Fr. 535.-, weshalb die Verwaltungsgerichtsbeschwerde gutzuheissen ist. Die Verfügung vom 5. Juni 2002 ist aufzuheben und die Ausgleichskasse zu verpflichten, monatliche Ergänzungsleistungen in der Höhe von Fr. 535.- an die Beschwerdeführerin zu bezahlen.
Quelle: https://gerichte.lu.ch/recht_sprechung/publikationen
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