Zusammenfassung des Urteils RRE Nr. 470: Regierungsrat
Zwei Personalverbände reichten eine Petition mit zwei Forderungen beim Rektor und den Schulleitungsmitgliedern einer Berufsschule ein. Die erste Forderung betraf verbindliche Richtlinien bei Pensenreduktionen, während die zweite eine externe Untersuchung wegen Defiziten in der Personalpolitik und Personalführung forderte. Die Präsidenten der Verbände wurden vom Rektor abgemahnt, und der Regierungsrat wies ihre Verwaltungsbeschwerde ab. Die Beschwerdeführer beantragten die Entfernung der Abmahnungen aus ihren Personalakten, jedoch wurde festgestellt, dass die Abmahnungen nicht als personalrechtliche Entscheide zu qualifizieren sind.
Kanton: | LU |
Fallnummer: | RRE Nr. 470 |
Instanz: | Regierungsrat |
Abteilung: | - |
Datum: | 28.04.2015 |
Rechtskraft: | Dieser Entscheid ist rechtskräftig. |
Leitsatz/Stichwort: | Die Einreichung einer Petition durch Vertreter von Personalverbänden ist im Rahmen des Mitspracherechts von § 61 PG von der kollektiven Koalitionsfreiheit (§ 45 PG) erfasst. Bei der Ausübung des Mitspracherechts sind die Personalverbände und ihre Vertreter aber an den allgemeinen Rechtsgrundsatz von Treu und Glauben gebunden. Abmahnungen stellen keine personalrechtlichen Entscheide im Sinn von § 70 Abs. 2 PG dar, weshalb sie vom Regierungsrat nicht direkt auf deren Rechtmässigkeit überprüft werden können. |
Schlagwörter: | Person; Recht; Petition; Abmahnung; Koalitionsfreiheit; Forderung; Personalverbände; Berufs; Berufsschule; Fachbereich; Mängel; Abmahnungen; Mitspracherecht; Arbeitgeber; Verhalten; Untersuchung; Massnahmen; Dienst; Private; Schule; Richtlinien; Personalführung; Regierungsrat; Arbeitsverhältnis; Personalrecht; Personalorganisationen; Kantons |
Rechtsnorm: | Art. 5 BV ; |
Referenz BGE: | - |
Kommentar: | - |
Nach der Reduktion des Unterrichtspensums einer Lehrperson an einer Berufsschule reichten zwei Personalverbände zuhanden des Rektors und der Schulleitungsmitglieder der Schule eine Petition von rund siebzig Personen ein, welche zwei Forderungen enthielt. Zum einen wurden mit der Petition verbindliche Richtlinien verlangt für den Fall, dass in einem Fachbereich der Schule Pensenreduktionen notwendig würden. Zum andern wurde in der Petition festgestellt, dass in einem bestimmten Fachbereich der Schule erhebliche Defizite bezüglich Personalpolitik und Personalführung beständen, und eine externe Untersuchung verlangt, mit welcher die bestehenden Mängel aufgezeigt und Massnahmen vorgeschlagen würden. Die Petition war von den Präsidenten der beiden Personalverbände abgefasst worden, welche als Lehrpersonen an der Berufsschule tätig sind und die Eingabe stellvertretend für die Petitionäre unterzeichneten. In der Folge wurden die beiden Unterzeichner vom Rektor der Berufsschule wegen ihres Vorgehens abgemahnt. Der Regierungsrat wies die von ihnen gegen die Abmahnung erhobene Verwaltungsbeschwerde ab, soweit er darauf eintrat.
Aus den Erwägungen:
5. Die Beschwerdeführer beantragen die Entfernung der Abmahnungen aus ihren Personalakten. Dieser Forderung ist nach § 28 Abs. 2 des Gesetzes über das öffentlich-rechtliche Arbeitsverhältnis vom 26. Juni 2001 (Personalgesetz, PG; SRL Nr. 51) dann nachzukommen, wenn die Aktenstücke mit dem Arbeitsverhältnis in keinem unmittelbaren Zusammenhang stehen.
Die Beschwerdeführer sind einerseits Lehrpersonen an der Berufsschule. Andererseits üben sie eine nebenberufliche Funktion aus, indem sie als Präsidenten von Personalverbänden fungieren. Sie berufen sich beide darauf, dass die Koalitionsfreiheit gewährleistet werde und sie mit dem Auflegen der Petition von ihrem Mitspracherecht in Personalangelegenheiten gemäss § 61 PG Gebrauch gemacht hätten.
5.1 Nach § 45 PG ist die Koalitionsfreiheit im Rahmen des Verfassungsrechts gewährleistet, insbesondere das Recht, Personalverbände zu gründen und ihnen anzugehören. Mit der Koalitionsfreiheit wird die ungehinderte Bildung und Tätigkeit von Vereinigungen der Arbeitnehmer und Arbeitgeber mit dem Ziel, die Arbeitsbeziehungen kollektiv zu regeln, geschützt. Die verfassungsrechtliche Koalitionsfreiheit stellt sicher, dass sich Arbeitgeber und Arbeitnehmer so kollektiv organisieren können, dass sie zu gemeinsamer Aushandlung und vertraglicher Festsetzung von Arbeitsbedingungen fähig sind. Die individuelle Koalitionsfreiheit umfasst das Recht jeder Person, eine Arbeitnehmeroder Arbeitgebervereinigung im Hinblick auf die Gestaltung der Arbeitsbeziehungen zu gründen, ihr beizutreten, ihr fernzubleiben, aus ihr auszutreten sich an ihren Aktivitäten als Mitglied zu beteiligen. Demgegenüber umfasst die kollektive Koalitionsfreiheit das Recht der Vereinigung, ihre Aktivitäten frei auszuüben, und untersagt ihre behördliche Auflösung Aussetzung. Geschützt ist unter diesem Aspekt der kollektiven Koalitionsfreiheit vor allem der ungehinderte Abschluss von Tarifverträgen durch die Sozialpartner (Tarifautonomie). Dies bedeutet die Freiheit der Arbeitsnehmerbeziehungsweise Arbeitgeberorganisationen, die Arbeitsund insbesondere Lohnbedingungen auszuhandeln und in Gesamtarbeitsverträgen zu verankern. Da im öffentlichen Dienst der Staat als Arbeitgeber die Anstellungsbedingungen regelmässig in Rechtserlassen erlässt, beschränkt sich hier die kollektive Koalitionsfreiheit der Angestelltenverbände aber auf das Recht auf vorgängige Anhörung, wenn Erlasse geändert werden, welche die Arbeitsbedingungen ihrer Mitglieder wesentlich beeinflussen. Ein Recht auf Mitwirkung bei der Ausgestaltung von öffentlichen Dienstverhältnissen, das über ein solches Anhörungsrecht hinausgeht, besteht nur in dem Rahmen und Umfang, als das anwendbare Personalrecht den Abschluss von Gesamtarbeitsverträgen vorsieht (vgl. zum Ganzen: Jörg Paul Müller/Markus Schefer, Grundrechte in der Schweiz, 4. Aufl., Bern 2008, S. 1087 ff.).
Im vorliegenden Fall steht der Aspekt der individuellen Koalitionsfreiheit nicht in Frage. Massgebend ist der Aspekt der kollektiven Koalitionsfreiheit, welche im Anhörungsrecht der Personalorganisationen gemäss § 61 PG seinen Ausdruck findet. Zwar kennt das Personalrecht des Kantons Luzern auch die Möglichkeit, dass der Regierungsrat in Bereichen, für deren Regelung er abschliessend zuständig ist, mit den Personalverbänden Gesamtarbeitsverträge für alle Angestellten für einzelne Angestelltengruppen abschliessen kann (§ 4 Abs. 1 PG). Davon hat der Regierungsrat bisher jedoch keinen Gebrauch gemacht.
5.2 Gestützt auf die vorstehenden Ausführungen ist festzuhalten, dass die Einreichung einer Petition im Rahmen des Mitspracherechts von § 61 PG grundsätzlich von der kollektiven Koalitionsfreiheit erfasst wird. Bei der Ausübung des Mitspracherechts sind die Personalverbände und ihre Vertreter aber an den allgemeinen Rechtsgrundsatz von Treu und Glauben gebunden. Dieses in Art. 5 Abs. 3 der Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft (BV; SR 101) und in § 2 Abs. 3 der Verfassung des Kantons Luzern (KV; SRL Nr. 1) enthaltene Verfassungsprinzip bindet sowohl staatliche Organe wie auch Private und ist unmittelbar anwendbar. Dies gilt sowohl im Verhältnis vom Privaten zum Staat - indem der Private im Verkehr mit staatlichen Behörden verpflichtet ist, nach Treu und Glauben zu handeln - wie auch unter Privaten und im Verkehr unter staatlichen Organen beziehungsweise Gemeinwesen. Der Grundsatz von Treu und Glauben gebietet ein loyales und vertrauenswürdiges Verhalten insbesondere auch des Privaten gegenüber den staatlichen Behörden (vgl. zum Ganzen: Benjamin Schindler, in: Die schweizerische Bundesverfassung, St. Galler Kommentar, 3. Aufl. 2014, Art. 5 Rz. 53 ff.). Es ist daher im Folgenden zu prüfen, ob die inhaltliche Ausgestaltung der von den Beschwerdeführern unterzeichneten Petition vor diesem Verfassungsprinzip standhält und somit das Mitspracherecht in einem zulässigen Rahmen ausgeübt wurde.
5.3 Die Petition beinhaltet zwei Forderungen. So wird zum einen die Festlegung von verbindlichen Richtlinien verlangt, welche befolgt werden müssen, wenn in einem Fachbereich der Schule zufolge Reduktion von Stellenprozenten eine Reduktion der Unterrichtslektionen notwendig ist. ( ) Zum andern wird gefordert, dass die Schulleitung eine externe Untersuchung anordnet, da bekannte Fakten darauf schliessen liessen, dass im Fachbereich X bezüglich Personalpolitik und Personalführung erhebliche Defizite beständen. Mit der externen Untersuchung sollten die bestehenden Mängel aufgezeigt und Massnahmen zu deren Behebung vorgeschlagen werden.
Die Forderung betreffend die Festlegung von verbindlichen Richtlinien bei Pensenreduktionen bezieht sich auf ein Anliegen, zu welchem die Dienststelle Berufsund Weiterbildung bereits ein Projekt gestartet hat, das sich mit der Vorgehensweise bei der Umsetzung von Sparvorgaben und den Auswirkungen der sinkenden Schülerzahlen auseinandersetzt. Im Rahmen dieses Projektes wurden auch die Beschwerdeführer beziehungsweise die durch sie vertretenen Personalverbände orientiert und konnten sich einbringen. Wenn nun die Personalverbände mittels einer Petition für die Umsetzung dieses Projektes an der Berufsschule verbindliche Richtlinien verlangen, so kann darin noch kein treuwidriges Verhalten erblickt werden: Gemäss § 61 Abs. 3 PG werden die Personalorganisationen über wichtige allgemein betriebliche und berufliche Angelegenheiten informiert, und sie können dazu Stellung nehmen. Auch wenn das Vorgehen, mittels Petition ihrem Standpunkt in dieser Angelegenheit ein grösseres Gewicht zu geben, über die eng gefasste Definition einer Stellungnahme hinausgeht, so kann die Petition in Bezug auf diese Forderung als zulässige Ausübung des Mitspracherechts gemäss § 61 PG angesehen werden.
Anders verhält es sich in Bezug auf die zweite Forderung. Mit der Formulierung der Petition, wonach im Fachbereich X bezüglich Personalpolitik und Personalführung erhebliche Defizite beständen, verbunden mit der Forderung, dass mittels externer Untersuchung die bestehenden Mängel aufgezeigt und Massnahmen zu deren Behebung aufgezeigt werden sollen, werden dem Fachbereichsleiter X öffentlich erhebliche Mängel in der Ausübung seiner Führungsfunktion attestiert. Mit der Forderung nach einer externen Untersuchung zur Behebung dieser Mängel wird zudem letztlich der gesamten Schulleitung ein Führungsversagen vorgeworfen. Diese Vorwürfe wurden durch die Beschwerdeführer beziehungsweise der durch sie vertretenen Personalorganisationen direkt mittels einer Petition innerhalb der gesamten Berufsschule öffentlich erhoben. Die Personalorganisationen sind gemäss § 61 Abs. 1 PG als Verhandlungsund Gesprächspartner anerkannt und stehen damit in einer Sozialpartnerschaft zum Staat als Arbeitgeber. Sie haben gemäss § 61 Abs. 3 und 4 PG Anspruch auf Information über wichtige allgemeine betriebliche und berufliche Angelegenheiten. Zudem haben sie das Recht, in diesen Angelegenheiten Vorschläge zu machen. Es steht ihnen deshalb grundsätzlich zu, auch auf Mängel von Vorgesetzten in ihrer Führungsfunktion aufmerksam zu machen. Indem diese Verbände direkt den Weg einer Petition gewählt haben, haben sie die Grenze eines loyalen und vertrauenswürdigen Verhaltens, wie es von einem Sozialpartner erwartet werden darf und von Art. 5 Abs. 3 BV sowie § 2 Abs. 3 KV gefordert wird, überschritten. Im Sinn eines partnerschaftlichen Verhaltens ist zu verlangen, dass bei solchen Anliegen diese Verbände zuerst das persönliche Gespräch mit den betroffenen Personen suchen. Sollten sie kein Gehör finden, können sie zudem auch an die vorgesetzten Behörden gelangen. Das im vorliegenden Fall gewählte Vorgehen kann daher im Hinblick auf diese Forderung nicht mehr als zulässige Ausübung des Mitspracherechts gemäss § 61 PG angesehen werden.
( )
6. Die Beschwerdeführer beantragen, es sei festzustellen, dass die schriftlichen Abmahnungen wahrheitswidrig, widerrechtlich und unbeachtlich seien.
Es ist vorab zu klären, ob die Abmahnung an sich vom Regierungsrat auf deren Rechtmässigkeit überprüft werden kann. Dies ist nur der Fall, wenn die Abmahnung als personalrechtlicher Entscheid gemäss § 70 Abs. 2 PG zu qualifizieren ist.
Personalrechtliche Entscheide sind Entscheide, die mit dem Arbeitsverhältnis zusammenhängen und die Rechtsstellung der Angestellten berühren (§ 2 lit. e PG). Die Rechtsstellung ist dann berührt, wenn die Behörde mit hoheitlicher Wirkung für den Einzelfall
a. Rechte und Pflichten der Person begründet, ändert aufhebt,
b. die rechtlichen Verhältnisse der Person feststellt oder
c. Begehren im Sinne von a und b abweist, nicht darauf eintritt sie als erledigt erklärt (vgl. § 4 Abs. 1 Gesetz über die Verwaltungsrechtspflege [VRG; SRL Nr. 40]).
Die ausgesprochenen Abmahnungen haben zweifellos einen Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis. Mit den Abmahnungen wird von den Beschwerdeführern ein bestimmtes Verhalten erwartet und es wird in diesem Sinn auf bestehende Pflichten verwiesen. Es werden aber weder unmittelbar Rechte und Pflichten des bestehenden Dienstverhältnisses begründet, geändert aufgehoben, noch werden Verhältnisse rechtsverbindlich festgestellt entsprechende Begehren abgewiesen. Das entsprechende Verhalten muss einseitig erzwingbar sein, damit ein entscheidwesentliches Merkmal vorliegt. Dies ist bei einer Abmahnung nicht der Fall. Sie zählt zu den Dienstanweisungen und ist ein Mittel zur Personalführung. Die Adressaten einer Abmahnung können nicht auf dem Rechtsweg verpflichtet werden, die Auflagen zu erfüllen. Sie haben allerdings negative Konsequenzen zu befürchten, sollten sie sich nicht an die Erwartungen halten. Da die Auflagen der Abmahnung nicht direkt einseitig erzwingbar sind, fehlt es an einem entscheidenden Element. Die Abmahnungen stellen daher keinen personalrechtlichen Entscheid gemäss § 70 Abs. 2 PG dar (vgl. LGVE 1995 III Nr. 7; Urteil des Kantonsgerichts 7H 13 157 vom 26.6.2014, E. 7.2.2; Andreas Keiser, Rechtsschutz im öffentlichen Personalrecht nach dem revidierten Verwaltungsrechtspflegegesetz des Kantons Zürich, in: ZBl 1998 S. 200). Im Weiteren ist bei der rechtlichen Qualifikation einer Abmahnung als Verfügung zudem wesentlich, ob die Beschwerdeführer in einem späteren Zeitpunkt die Möglichkeit haben, diese noch überprüfen zu lassen. Das ist vorliegend der Fall. Kommt es in der Folge dieser Abmahnungen zu dienstrechtlichen Massnahmen, die in die Rechte der Beschwerdeführer unmittelbar eingreifen (im äussersten Fall die Kündigung), so kann die Rechtmässigkeit der Abmahnung im Rahmen der Anfechtung dieser Massnahmen gerügt und somit überprüft werden (BVR 2000 S. 534). Eine Vorabprüfung zum jetzigen Zeitpunkt sieht die Rechtsmittelordnung nicht vor.
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