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Urteil Regierungsrat (LU)

Kopfdaten
Kanton:LU
Fallnummer:RRE Nr. 2850
Instanz:Regierungsrat
Abteilung:-
Regierungsrat Entscheid RRE Nr. 2850 vom 29.10.1991 (LU)
Datum:29.10.1991
Rechtskraft:Diese Entscheidung ist rechtskräftig.
Leitsatz/Stichwort:Verbindlichkeit des Rechts untergeordneter Gemeinwesen. Zivile Nutzung einer militärischen Baute. Art. 20 BV; Art. 164 Absatz 3 MO. Übergeordnete Gemeinwesen sind grundsätzlich an das kompetenzgemäss erlassene Recht untergeordneter Gemeinwesen gebunden. Anders verhält es sich nur, wenn das übergeordnete Recht Ausnahmen vorsieht oder die Anwendung des Rechts des untergeordneten Gemeinwesens die Erfüllung verfassungsmässiger Kompetenzen oder Aufgaben des übergeordneten Gemeinwesens verunmöglicht oder erheblich erschwert. - Die zivile Nutzung einer militärischen Baute unterliegt dem kantonalen Recht, selbst wenn die Baute hauptsächlich militärisch genutzt wird.

Schlagwörter: Zivil; Zivile; Bundes; Bewilligung; Gemeinwesen; Kantonal; Militärspital; Recht; Militärisch; Kantonale; Landesverteidigung; Aufgabe; Militärische; Gebäude; Baute; Dienen; Stiftung; Gemeinwesens; Militärischen; Zivilen; Gebäudeversicherung; Kompetenz; Zwecke; Gesetzlich; Kantons; übergeordnete; Paraplegiker-Stiftung; Militärspitals; Feuerpolizeiliche
Rechtsnorm:-
Referenz BGE:101 I a 313; 110 Ib 261;
Kommentar zugewiesen:
Spühler, Basler Kommentar zur ZPO, Art. 321 ZPO ; Art. 311 ZPO, 2017
Weitere Kommentare:-
Entscheid
1. a. Übergeordnete Gemeinwesen sind grundsätzlich an das kompetenzgemäss erlassene Recht untergeordneter Gemeinwesen gebunden. Ausnahmen von diesem Grundsatz ergeben sich jedoch

- wenn sich das übergeordnete Gemeinwesen durch eine gesetzliche Ausnahmebestimmung vom Recht des untergeordneten Gemeinwesens befreit,

- wenn durch die Anwendung des Rechts des untergeordneten Gemeinwesens die Erfüllung verfassungsmässiger Kompetenzen des übergeordneten Gemeinwesens verunmöglicht würde,

- wenn durch die Anwendung des Rechts des untergeordneten Gemeinwesens die Erfüllung der verfassungsmässigen Aufgaben des übergeordneten Gemeinwesens erheblich erschwert würde und das übergeordnete Gemeinwesen höhere und schutzwürdige Interessen vertritt (vgl. Imboden/Rhinow, Schweiz. Verwaltungsrechtsprechung, 5. Auflage, Basel und Stuttgart 1976, Bd. I, Nr. 19 I; Rhinow/Krähenmann, Schweiz. Verwaltungsrechtsprechung, Ergänzungsband, Basel und Frankfurt 1990, Nr. 19 I; Dietrich Schindler, Rechtsgutachten über die Tragweite von Art. 164 Absatz 3 und Art. 33 des Bundesgesetzes über die Militärorganisation, 9. April 1990, S. 6 f.; alle mit Hinweisen auf Judikatur).

b. Der Bereich der Landesverteidigung und des Militärwesens ist Sache des Bundes. Aufgrund von Art. 20 der Bundesverfassung hat der Bund für diesen Bereich eine ausschliessliche, umfassende Gesetzgebungskompetenz. Gestützt auf diese Gesetzgebungskompetenz ist im Jahre 1907 das Bundesgesetz über die Militärorganisation (MO) erlassen worden (vgl. BGE 110 Ib 261 mit Verweisen auf Literatur). Art. 164 Absatz 3 MO bestimmt, dass die Ausführung von Arbeiten, die der Landesverteidigung dienen, keiner kantonalen Gebühr oder Bewilligung unterworfen werden darf; er statuiert somit eine gesetzliche Ausnahmebestimmung bezüglich Bindung an kantonales Recht. Das Bundesgericht hat 1984 klargestellt, dass diese Bestimmung so zu verstehen ist, dass nicht bloss die Ausführungsarbeiten, sondern die eigentlichen Bauvorhaben von einer Bewilligung nach kantonalem Recht ausgenommen seien. Zudem hat es festgehalten, dass der Bund bei seinen Militärbauten auch die materiellen Anliegen der kantonalen Erlasse zu prüfen und sie insoweit zu beachten habe, als ihm dies bei der Erfüllung seiner Aufgaben im Dienste der Landesverteidigung möglich sei; er unterliege hierbei jedoch nicht der Kontrolle durch eine kantonale Behörde (vgl. BGE 110 Ib 261 ff.; vgl. dazu auch Dr. Jürg Spahn, Die Bindung des Bundes an das kantonale und kommunale Baupolizeirecht sowie an die eidgenössischen Vorschriften im Bereich der Raumplanung, Bern 1977, S. 25).

c. Zu Recht wurde somit das Militärspital - zweifellos eine im Sinne der MO der Landesverteidigung dienende Baute - gestützt auf Art. 164 Absatz 3 MO ohne Durchführung eines ordentlichen Baubewilligungsverfahrens erstellt. Korrekterweise hat denn auch die Gebäudeversicherung des Kantons Luzern in einer Vorbemerkung zur feuerpolizeilichen Bewilligung vom 24. August 1990 zur Kenntnis genommen, dass das Gebäude als Eigentum des Bundes militärischen Zwecken dienen und damit weder dem kantonalen Feuerschutzgesetz unterstehe noch bei der kantonalen Gebäudeversicherung versichert werde.

2. Kompetenzprobleme zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft als Beschwerdeführerin und der Gebäudeversicherung des Kantons Luzern ergeben sich nun aber daraus, dass das Militärspital teilweise zivil genutzt wird.

a. Am 3. Juni 1987 schloss die Beschwerdeführerin mit der Schweizerischen Paraplegiker-Stiftung eine Vereinbarung über die Kostenbeteiligung, Entschädigung und Benützung des Militärspitals durch die Paraplegiker-Stiftung ab. Darin wurde ein einmaliger pauschaler Kostenbeitrag der Paraplegiker-Stiftung von Fr. 950 000.- an die Baukosten von Fr. 31 150 000.- festgelegt, wobei jährlich höchstens drei Vollbelegungen und 40 Teilbelegungen mit bis zu 100 Personen vorgesehen sind. Der Pauschalbeitrag umfasste unter anderem Fr. 350 000.- für den Vollbrandschutz. Diesbezüglich wurde festgehalten, dass in Kriegsanlagen kein Vollbrandschutz eingebaut werde. In Anbetracht der Tatsache, dass im Militärspital im strategischen Normalfall zeitweilig Patienten des Paraplegiker-Zentrums untergebracht werden sollten, sei der im zivilen Sektor gesetzlich vorgeschriebene Vollbrandschutz erforderlich; die Stiftung übernehme daher diesen Mehraufwand. Wegen der vorgesehenen zivilen Nutzung wurden im Militärspital denn auch die Schwellen weggelassen sowie Rollstuhl-WC und Rollstuhl-Duschen eingerichtet.

b. Mit der Gebäudeversicherung ist davon auszugehen, dass diese zivile Nutzung nicht eine der Landesverteidigung dienende Aufgabe darstellt; dies wird auch von der Beschwerdeführerin nicht bestritten. Die zivile Nutzung wird somit von der Ausnahmebestimmung des Art. 164 Absatz 3 MO nicht mitumfasst. Bereits die Entstehungsgeschichte dieses Artikels zeigt, dass damit, wenn das militärische Interesse eine beschleunigte Arbeitsleistung verlange, kantonale Verfahren vermieden werden sollten (vgl. Dietrich Schindler, a. a. O., S. 18, mit Verweis auf stenographisches Bulletin StR 1906, 949). Dass davon lediglich die Landesverteidigung betroffen sein soll, zeigt sich auch darin, dass für Bauten, die gestützt auf Art. 164 Absatz 3 MO ohne Baubewilligung errichtet wurden, nach Wegfall der ursprünglichen Zwecksetzung ein nachträgliches Baubewilligungsverfahren durchgeführt werden kann (vgl. BGE 101 I a 313 ff.). In der Praxis werden zudem für gemischte Bauten, die gleichzeitig militärischen und zivilen Zwecken dienen, neben der Genehmigung durch die zuständige Bundesbehörde grundsätzlich die kantonalen Bewilligungen als notwendig erachtet (vgl. Schindler, a. a. O., S. 45). Bezüglich gemischt genutzter Bauten kann auch analog auf die Ausführungen betreffend die Schweizerischen Bundesbahnen verwiesen werden, wonach der betriebsfremde Teil den kantonalund gemeinderechtlichen Erfordernissen zu entsprechen hat und den Bewilligungsverfahren zu unterziehen ist (vgl. Dr. Jürg Spahn, a. a. O., S. 33). Die zivile Nutzung einer militärischen Baute unterliegt somit den normalen kantonalen Vorschriften, selbst wenn die Baute hauptsächlich militärisch genutzt wird. Wäre dem nicht so, würde Art. 164 Absatz 3 MO dem Bund einen Freipass schaffen, um über eine der Landesverteidigung dienende Aufgabe andere Zwecke zu verfolgen, ohne die vorgesehenen kantonalen Bewilligungsverfahren zu durchlaufen. Dies war nicht die Meinung des Gesetzgebers; vielmehr beschränkte er diese Ausnahmeregelung eben ausdrücklich auf die umschriebenen Aufgaben.

c. Liegt demzufolge bezüglich der zivilen Nutzung des Militärspitals keine gesetzliche Befreiung von kantonalem Recht vor, ist im weiteren zu prüfen, ob durch die Anwendung kantonalen Rechts die Erfüllung verfassungsmässiger Aufgaben verunmöglicht oder erheblich erschwert würde.

Die Vorinstanz knüpft ihre Kompetenz zum Erlass einer feuerpolizeilichen Bewilligung an die Benutzung der militärischen Anlage durch die Paraplegiker-Stiftung und stützt sich dabei auf das kantonale Gesetz über den Feuerschutz vom 5. November 1957. Dieses Gesetz bestimmt die Massnahmen zur Verhütung und Bekämpfung von Brandfällen im ganzen Kantonsgebiet (§§ 1 und 2 Absatz 1). Gestützt darauf hat die Vorinstanz in ihrer Bewilligung diverse Massnahmen, unter anderem den Einbau einer Sprinkleranlage, angeordnet, die den Schutz der zivilen Benutzerinnen und Benutzer sicherstellen soll. Durch diese Schutzmassnahmen wird sicher nicht die Zweckerfüllung des Militärspitals verunmöglicht oder erheblich erschwert; im Gegenteil entstünde dadurch - sofern sich diese Massnahmen aus feuerpolizeilichen Gründen als richtig erweisen würden - eine grössere Sicherheit für die militärischen Benutzer dieser Anlage. Als Erschwerung könnten nur die anfallenden Kosten in Betracht fallen, die bei einer Interessenabwägung gegenüber dem Personenschutz jedoch weniger gewichtig sind.

d. Wie die bisherigen Ausführungen zeigen, ist bezüglich ziviler Nutzung des Militärspitals keine Befreiung von kantonalen Vorschriften gegeben. Die Gebäudeversicherung des Kantons Luzern hat somit grundsätzlich die Kompetenz, für diese Nutzung eine feuerpolizeiliche Bewilligung zu erlassen und Auflagen betreffend Feuerschutzmassnahmen zu verfügen.



Quelle: https://gerichte.lu.ch/recht_sprechung/publikationen
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