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Urteil Regierungsrat (LU)

Kopfdaten
Kanton:LU
Fallnummer:RRE Nr. 2550
Instanz:Regierungsrat
Abteilung:-
Regierungsrat Entscheid RRE Nr. 2550 vom 24.09.1991 (LU)
Datum:24.09.1991
Rechtskraft:Diese Entscheidung ist rechtskräftig.
Leitsatz/Stichwort:Genossenschaften kantonalen Rechts. Art. 59 Abs. 3 ZGB; §§ 31 und 32 EGZGB; §§ 48 ff. StrG. Genossenschaftern für die Erstellung oder den Unterhalt privater Quartierstrassen sind privatrechtliche Genossenschaften des kantonalen Rechts. Streitigkeiten zwischen Genossenschaftern und zwischen Genossenschaftern und der Genossenschaft sind deshalb vom Zivilrichter zu beurteilen.

Schlagwörter: Genossenschaft; Genossenschaften; Recht; Recht; Statuten; Strasse; Strassen; Regierungsrat; Grundeigentümer; Gemeinderat; Aufsicht; Privatrecht; Genossenschaften; Regierungsrates; Genehmigung; Quartierstrassen; EGZGB; Bestimmungen; Arnold; Privaten; Strassengesetz; öffentlich; Staat; Genossenschaftern; Grundlage; Gemeinderates; Beurteilen; Statutengenehmigung; Vorbehaltes
Rechtsnorm: Art. 59 ZGB ;
Referenz BGE:104 I a 440;
Kommentar zugewiesen:
Spühler, Basler Kommentar zur ZPO, Art. 321 ZPO ; Art. 311 ZPO, 2017
Weitere Kommentare:-
Entscheid
1. Nach bisheriger langjähriger Praxis des Regierungsrates sind Streitigkeiten über die Anwendung der Statuten von Genossenschaften, die dem kantonalen Recht unterstellt sind, in erster Instanz vom Gemeinderat und zweitinstanzlich vom Regierungsrat zu beurteilen. Zur Genehmigung eingereichte Statuten geben nun Anlass, diese Praxis bezüglich der Genossenschaften des kantonalen Privatrechts zu überprüfen.

2. Regelungen über Genossenschaften des kantonalen Rechts finden sich in den §§ 31 und 32 des kantonalen Einführungsgesetzes zum Schweizerischen Zivilgesetzbuch (EGZGB).



§ 31 lautet:



B. Juristische Personen



1. Persönlichkeit der Genossenschaften



1 Die Genossenschaften, die dem kantonalen Recht unterstellt sind (Genossenschaften von Strassenpflichtigen nach dem Strassengesetz, von Wuhrpflichtigen nach dem Gesetz über den Wasserbau und die Wasserkraft, Genossenschaften zur Durchführung von Bodenverbesserungen, Brunnen-, Schwellenund ähnliche Genossenschaften), erlangen das Recht der Persönlichkeit, wenn sie körperschaftlich organisiert und ihre Statuten durch den Regierungsrat genehmigt sind.

2 Soweit die Statuten derselben Lücken aufweisen, gelten ausser den zutreffenden Bestimmungen des kantonalen öffentlichen Rechtes die entsprechenden Bestimmungen der Art. 63-79 des ZGB über Vereine.



§ 32 lautet:

2. Exekutionsmassregeln



Wenn bei einer Genossenschaft, die, ohne einen Teil der Staatsorganisation zu bilden, dem Staate öffentlich verpflichtet ist, ihren Zweck zu erfüllen, infolge Pflichtvernachlässigung der Genossenschaftsorgane öffentliche Interessen gefährdet sind oder gegenüber Gläubigern Verbindlichkeiten nicht erfüllt werden können, so ist der Regierungsrat berechtigt, Exekutionsmassnahmen zu verfügen und nötigenfalls einen Verwalter zu bestellen, der an Stelle der Genossenschaftsorgane deren Funktionen ganz oder teilweise zu übernehmen hat.



In § 31 Abs. 1 ist von Genossenschaften, die dem kantonalen Recht unterstellt sind, die Rede. Die Bestimmung unterscheidet nicht zwischen Genossenschaften des privaten und des öffentlichen kantonalen Rechts. Das ergibt sich auch daraus, dass nicht alle der beispielhaft aufgeführten Genossenschaften sich aus "Pflichtigen" nach Gesetz zusammensetzen. Die Regel beschlägt also unabhängig vom rechtlichen Charakter der Genossenschaft alle Genossenschaften, die im Rahmen des bundesrechtlichen Vorbehaltes von Art. 59 ZGB dem kantonalen Recht unterstehen.

Privatrechtliche wie öffentlich-rechtliche Genossenschaften des kantonalen Rechts erlangen also nach § 31 EGZGB mit der Genehmigung der Statuten die Rechtspersönlichkeit (vgl. M. Arnold, Die privatrechtlichen Allmendgenossenschaften und ähnliche Körperschaften, Freiburg, Universitätsverlag, 1987, S. 23).

3. Die Schaffung öffentlich rechtlicher Genossenschaften, die mit hoheitlichen Befugnissen ausgestattet sein können (z. B. Zwangsgewalt, Beitrittszwang), bedarf einer formellen gesetzlichen Grundlage (BGE 104 I a 440). Das luzernische Recht hat für Genossenschaften, die den Bau und Unterhalt von privaten Quartierstrassen bezwecken, keine entsprechenden gesetzlichen Grundlagen geschaffen. Insbesondere fehlen solche Grundlagen im Strassengesetz, in dem sich Bestimmungen über den Neubau und die Korrektion der erwähnten Strassen finden (§§ 48 ff. StrG). Die Vorschriften richten sich an die einzelnen Grundeigentümer oder an den Gemeinderat. Im Strassengesetz finden sich bezüglich dieser Strassenkategorie (allenfalls anders bei den Hauptgüterstrassen nach §§ 52ff.) keine Bestimmungen darüber, dass sich die einzelnen Grundeigentümer zu einer Genossenschaft zusammenschliessen müssten. Die "Quartierstrassengenossenschaften" sind somit keine Genossenschaften des öffentlichen Rechts des Kantons Luzern. Es bleibt zu prüfen, ob es sich um Genossenschaften des kantonalen Privatrechts handelt.

4. Die Kantone sind nicht frei, Genossenschaften des kantonalen Privatrechts zuzulassen. Den Rahmen für das kantonale Privatrecht setzt Art. 59 Abs. 3 ZGB. Danach verbleiben Allmendgenossenschaften und ähnliche Körperschaften unter den Bestimmungen des kantonalen Rechts. Es handelt sich um einen echten Vorbehalt für kantonales Privatrecht, da diese juristischen Personen sonst vom Bundesprivatrecht beherrscht wären (vgl. Gutzwiller, Schweizerisches Privatrecht, S. 265). Der Sinn des Vorbehaltes liegt darin, die Korporationen, die sich aus der früheren genossenschaftlichen Struktur im Laufe der Geschichte erhalten hatten, und die gemeinschaftliche Nutzung von Agrarland, Allmenden, Weidland und Wald bezweckten, möglichst in ihren alten Formen bestehen zu lassen. Daraus ergibt sich, dass sich der Vorbehalt nur auf solche Korporationen bezieht, die mit der Nutzung von Grund und Boden zusammenhängen und deshalb auf ein gewisses räumliches Gebiet und einen dadurch begrenzten Personenkreis beschränkt bleiben, wie Alpgenossenschaften, Rechtsamegemeinden, Bäuerten, Schwellen-, Brunnen-, Quell-, Weg-, Weinberg-, Wuhrund Flurgenossenschaften (Gutzwiller, a.a.O.). Da die Tragweite des Vorbehaltes eher dem empirischen Inhalte nach umschrieben als begrifflich genau abgegrenzt ist, bleibt den Kantonen ein recht grosser Spielraum (Gutzwiller, a. a. O.). Es sind auch moderne Neubildungen ähnlichen Charakters nicht ausgeschlossen (Tuor/Schnyder, Das schweizerische Zivilgesetzbuch, 10. Auflage, S. 113).

Im luzernischen Recht sind die Grundeigentümer Träger der Strassenbaulast für die privaten Quartierstrassen (§§ 49 Abs. 1 StrG). Die Strassenbaulast umfasst alle mit dem Bau und Unterhalt der Strasse zusammenhängenden Aufgaben (§ 24 StrG). Die Grundeigentümer haben überdies die Kosten für die Beleuchtung, Reinigung, Schneeräumung und Glatteisbekämpfung zu tragen (§§ 49 StrG). Die Grundeigentümer können zur Erfüllung der gemeinsamen Aufgaben gemäss langjähriger Praxis des Regierungsrates gestützt auf Art. 59 Abs. 3 ZGB und § 31 EGZGB eine Genossenschaft bilden.

5. Für den privatrechtlichen Charakter dieser Genossenschaften spricht vorab, dass sie keine öffentlich-rechtlichen Hoheitsbefugnisse haben. Die Grundeigentümer können zudem nicht gezwungen werden, der Genossenschaft beizutreten. Die Genossenschaft hat auch keine Zwangsgewalt gegenüber Dritten. Die Pflichten der Mitglieder (Treupflicht, Beitragsund Leistungspflicht usw.) bestimmen sich ausschliesslich nach den Statuten. Die Beitragsbeschlüsse der Genossenschaft sind gegebenenfalls im ordentlichen Betreibungsverfahren geltend zu machen; sie stellen keine definitiven Rechtsöffnungstitel im Sinne von Art. 80 Abs. 2 des Bundesgesetzes über Schuldbetreibung und Konkurs dar (vgl. Arnold, a. a. O., S. 178).

Aus der privatrechtlichen Natur dieser Genossenschaften ergibt sich - abweichend von der bisherigen Auffassung des Regierungsrates -, dass Streitigkeiten zwischen den Genossenschaftern und zwischen Genossenschaftern und der Genossenschaft vom Zivilrichter zu beurteilen sind (vgl. Arnold, a. a. O., S. 124, 210; Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Obwalden vom 15. September 1986 i. S. A. W.). Zu diesem Schluss führen auch die nachfolgenden Erwägungen.

6. Nach § 87 der Staatsverfassung stehen die durch Verfassung oder Gesetz anerkannten öffentlichen Genossenschaften unter der Oberaufsicht des Regierungsrates. Wie unter Ziffer 2 aufgeführt, handelt es sich bei den "Quartierstrassengenossenschaften" nicht um Genossenschaften des öffentlichen Rechts. Sie stehen folglich nicht unter der Aufsicht des Regierungsrates (vgl. § 32 EGZGB).

Diese Genossenschaften stehen auch nicht unter der Aufsicht des Gemeinderates. Der Gemeinderat ist zwar nach § 99 StrG Aufsichtsbehörde über die privaten Quartierstrassen. Er kann wenn nötig solche Strassen auch gegen den Willen einzelner Grundeigentümer erstellen lassen (§ 48 StrG). Diese Hoheitsbefugnis bezieht sich aber auf die Strassen als solche, d. h. der Gemeinderat kann entsprechende Verfügungen erlassen, unabhängig davon, ob die Grundeigentümer eine Genossenschaft gebildet haben oder nicht. Eine Aufsicht des Gemeinderates über einmal gebildete Genossenschaften ergibt sich aus dem Strassengesetz nicht.

Die "Quartierstrassengenossenschaften" unterstehen somit weder der Aufsicht des Regierungsrates noch des Gemeinderates. Diese Instanzen sind dementsprechend nicht zuständig, Streitigkeiten zwischen den Genossenschaftern und zwischen Genossenschaftern und der Genossenschaft zu beurteilen.

7. Da der Regierungsrat keine Aufsichtspflichten und Aufsichtskompetenzen über diese Genossenschaften besitzt, hat er bei der Statutengenehmigung nach § 31 EGZGB lediglich zu prüfen, ob die Genossenschaft einen in dieser Bestimmung umschriebenen Zweck hat und körperschaftlich organisiert ist. Die Statutengenehmigung durch den Staat hat die gleiche Funktion wie die Eintragung der Gesellschaften im Handelsregister (Arnold, a. a. O., S. 120). Die Genehmigung ist zu erteilen, wenn die Statuten den vom Gesetz (ausdrücklich oder stillschweigend) verlangten Mindestinhalt aufweisen und sie keinen zwingenden Vorschriften widersprechen.

Durch den Regierungsrat zu bestätigen ("genehmigen") sind auch Statutenrevisionen. Da die Statutengenehmigung nach § 31 EGZGB nur die Rechtspersönlichkeit (mit-)konstituiert, ist die Genehmigung von Statutenrevisionen von bereits Rechtspersönlichkeit aufweisenden Genossenschaften nur Ordnungsvorschrift: Die Statutenrevision wird unabhängig von der Genehmigung wirksam. Anders wäre es, wenn die Statuten selbst die Genehmigung zum Gültigkeitserfordernis machten (vgl. Arnold, a. a. O., S. 120f.).

Quelle: https://gerichte.lu.ch/recht_sprechung/publikationen
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