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Urteil Regierungsrat (LU - RRE Nr. 1353)

Zusammenfassung des Urteils RRE Nr. 1353: Regierungsrat

Der Beschwerdeführer erhielt von der Gemeinde X zwischen September 1988 und April 1994 Sozialhilfe für sich, seine Ehefrau und die Kinder. Nachdem ihm eine Invalidenrente zugesprochen wurde, forderte die Gemeinde X eine Rückzahlung von insgesamt Fr. 44'574.60. Der Beschwerdeführer argumentiert, dass ein Teil der Sozialhilfe für die Kinder bestimmt war und daher nicht zurückgezahlt werden muss. Es wird diskutiert, wer Anspruch auf Sozialhilfe hat und dass die Familie als eine Einheit betrachtet wird. Die Regelung besagt, dass Sozialhilfe für Jugendliche nicht zurückgezahlt werden muss, wenn sie für ihren eigenen Unterhalt oder Ausbildung verwendet wurde. Der Beschwerdeführer kann sich jedoch nicht auf diese Regelung berufen, da die Familie als eine Unterstützungseinheit gilt und die Kinder keinen eigenen Unterstützungswohnsitz hatten.

Urteilsdetails des Verwaltungsgerichts RRE Nr. 1353

Kanton:LU
Fallnummer:RRE Nr. 1353
Instanz:Regierungsrat
Abteilung:-
Regierungsrat Entscheid RRE Nr. 1353 vom 11.09.1998 (LU)
Datum:11.09.1998
Rechtskraft:Diese Entscheidung ist rechtskräftig.
Leitsatz/Stichwort:Rückerstattung wirtschaftlicher Sozialhilfe. § 37 Absatz 2 SHG. Wirtschaftliche Sozialhilfe, die einem Jugendlichen vor dem vollendeten 20. Altersjahr oder für seine Ausbildung über diesen Zeitpunkt hinaus, längstens aber bis zur Vollendung des 25. Altersjahres, gewährt wurde, ist nur dann nicht zurückzuerstatten, wenn sie ihm aufgrund eines eigenen Anspruchs auf wirtschaftliche Sozialhilfe geleistet wurde. Kein Ausschluss der Rückerstattung besteht hingegen, wenn unterhaltsverpflichtete Eltern einen Anspruch auf wirtschaftliche Sozialhilfe haben, der masslich auch die wirtschaftliche Sozialhilfe für den Lebensunterhalt der Kinder im gleichen Haushalt miteinschliesst.

Schlagwörter: Sozialhilfe; Unterstützung; Kinder; Absatz; Anspruch; Familie; Rückerstattung; Lebensunterhalt; Unterstützungswohnsitz; Jugendlichen; Gemeinde; Altersjahr; Zuständigkeit; Bundesgesetz; Ehefrau; Bundesgesetzes; Bedürftiger; Ehegatte; Prinzip; Unterstützungseinheit; Eltern; Thomet; Haushalt; Vollendung; Ausbildung
Rechtsnorm:-
Referenz BGE:-
Kommentar:
-

Entscheid des Verwaltungsgerichts RRE Nr. 1353

1. Der Beschwerdeführer erhielt von der Gemeinde X vom September 1988 bis April 1994 für sich, seine Ehefrau und die beiden unmündigen Kinder, die im gleichen Haushalt lebten, wirtschaftliche Sozialhilfe. Mit Verfügung der IV-Stelle Luzern vom 8. April 1994 wurde dem Beschwerdeführer rückwirkend ab 1. April 1991 eine ganze einfache Invalidenrente zugesprochen. Für seine Ehefrau erhielt er eine ganze Zusatzrente und für die Kinder eine ganze einfache Kinderrente bis zur Beendigung der Lehre der Tochter bzw. bis zur Vollendung des 18. Altersjahrs des Sohnes. Am 29. Juni 1994 verpflichtete der Gemeinderat von X als Sozialbehörde den Beschwerdeführer und seine Ehefrau, insgesamt Fr. 44 574.60 zurückzuerstatten. Die vom 1. April 1991 bis 30. April 1994 bezogene wirtschaftliche Sozialhilfe sei als Vorschuss für eine entsprechende Rente der Invalidenversicherung während desselben Zeitraums zu qualifizieren. Der Beschwerdeführer macht unter anderem geltend, der Rückerstattungsanspruch sei insofern gesetzwidrig, als die geleistete wirtschaftliche Sozialhilfe zum Teil auch dem Lebensunterhalt der beiden minderjährigen Kinder gedient habe. Gemäss § 37 Absatz 2 SHG sei die wirtschaftliche Sozialhilfe, die einem Jugendlichen vor dem vollendeten 20. Altersjahr für seine Ausbildung über diesen Zeitpunkt hinaus, längstens aber bis zur Vollendung des 25. Altersjahres, gewährt wurde, nicht zurückzuerstatten. Aufgrund dieser Bestimmung sei die Gemeinde X zu verhalten, die wirtschaftliche Sozialhilfe für die beiden Kinder auszuscheiden. Der Rückerstattungsanspruch sei entsprechend zu reduzieren.

2. Nach § 28 Absatz 1 SHG hat Anspruch auf wirtschaftliche Sozialhilfe, wer seinen Lebensunterhalt und den seiner Familienangehörigen nicht rechtzeitig hinreichend mit eigenen Mitteln, Arbeit Leistungen Dritter bestreiten kann. Für die Frage, wer zu den Familienangehörigen zählt, verweist § 28 Absatz 1 SHG auf die Bestimmungen des Bundesgesetzes über die Zuständigkeit für die Unterstützung Bedürftiger (Zuständigkeitsgesetz, ZUG) vom 24. Juni 1977 (SR 851.1). Damit gelten als Familienangehörige der Ehegatte und die unmündigen Kinder (Art. 6 und 7 ZUG). Und nach § 5 Absatz 1 SHG ist für die wirtschaftliche Sozialhilfe die Gemeinde am Wohnsitz des Hilfebedürftigen zuständig. Dabei bestimmt sich der Unterstützungswohnsitz wiederum nach den Bestimmungen des Bundesgesetzes über die Zuständigkeit für die Unterstützung Bedürftiger. Die entsprechenden Artikel dieses Bundesgesetzes zum Unterstützungswohnsitz gehen vom Prinzip der Familienoder Unterstützungseinheit aus. Das Prinzip besagt, dass die in ungetrennter Ehe lebenden Ehegatten beziehungsweise die zusammenlebende Familie abrechnungstechnisch als Einheit betrachtet werden. Konkret bilden beispielsweise die Ehefrau und die unmündigen Kinder zusammen mit dem Ehemann und Vater einen einzigen Unterstützungsfall. Dieser wird unter dem Namen der Eltern geführt (Werner Thomet, Kommentar zum Bundesgesetz über die Zuständigkeit für die Unterstützung Bedürftiger [ZUG], Zürich 1994, Vorbemerkungen zum Unterstützungswohnsitz, S. 62 Rz 91). Zusammenlebende Ehegatten haben also einen gemeinsamen Anspruch auf wirtschaftliche Sozialhilfe (Thomet, a.a.O., Rz 116 zu Art. 6 ZUG unter Hinweis auf die Art. 159, 162 und 163 ZGB sowie auf Art. 32 Abs. 3 ZUG). Der Anspruch umfasst auch die wirtschaftliche Sozialhilfe für den Unterhalt ihrer unmündigen Kinder. Erst wenn diese einen eigenen Unterstützungswohnsitz haben, können sie dort auch selbständig Unterstützungsleistungen geltend machen. In diesem Fall haben sie einen eigenen Anspruch auf wirtschaftliche Sozialhilfe. Einen selbständigen Unterstützungswohnsitz und damit einen eigenen Anspruch auf wirtschaftliche Sozialhilfe haben beispielsweise unmündige Kinder, die erwerbstätig und in der Lage sind, für ihren Lebensunterhalt selber aufzukommen (Art. 7 Abs. 3b ZUG). Sie haben ihren Unterstützungswohnsitz dort, wo sie sich mit der Absicht des dauernden Verbleibens aufhalten. Nicht als erwerbstätig in diesem Sinn gelten Lehrlinge und Lehrtöchter, auch wenn sie einen für ihren Lebensunterhalt zur Not ausreichenden Lohn erhalten. Ihre Tätigkeit dient der Ausbildung und nicht dem Erwerb des Lebensunterhalts (Thomet, a.a.O., Rz 117 ff. zu Art. 7 ZUG, insbesondere Rz 123 f.). Da § 5 Absatz 1 SHG auf die Wohnsitzbestimmungen des Bundesgesetzes über die Zuständigkeit für die Unterstützung Bedürftiger verweist, gelten das Prinzip der Familienoder Unterstützungseinheit und die daraus abgeleiteten Regeln auch für das Luzerner Sozialhilferecht (vgl. zum Prinzip der Familienoder Unterstützungseinheit der Kantone allgemein: Thomet, a.a.O., S. 63 Rz 92).

3. § 37 Absatz 2 SHG bestimmt, dass die wirtschaftliche Sozialhilfe, die einem Jugendlichen vor dem vollendeten 20. Altersjahr für seine Ausbildung über diesen Zeitpunkt hinaus, längstens aber bis zur Vollendung des 25. Altersjahrs, gewährt wurde, nicht zurückzuerstatten ist. Aufgrund des Wortlauts dieser Regelung ist zu schliessen, dass bei Jugendlichen die Rückerstattung nur dann ausgeschlossen sein soll, wenn sie die wirtschaftliche Sozialhilfe aufgrund eines eigenen Anspruchs erhalten haben, nicht aber, wenn unterhaltsverpflichtete Eltern einen Anspruch auf wirtschaftliche Sozialhilfe haben, der masslich auch die wirtschaftliche Sozialhilfe für den Lebensunterhalt der Kinder im gleichen Haushalt miteinschliesst. Das Gesetz spricht nämlich von der wirtschaftlichen Sozialhilfe, die einem Jugendlichen gewährt und nicht von der wirtschaftlichen Sozialhilfe, die den unterhaltsverpflichteten Eltern für den unterhaltsberechtigten Jugendlichen geleistet wurde.

Diese einschränkende wörtliche Interpretation von § 37 Absatz 2 SHG wird durch die Entstehungsgeschichte und die Materialien bestätigt. Nach § 45 des Armengesetzes vom 1. Oktober 1935 (G XI 542) war rückerstattungspflichtig, wer für sich, seine minderjährigen Kinder, Eltern Ehegatten durch die Gemeinde den Staat Unterstützung erhalten hatte, wenn er durch Erbschaft, ausreichenden Verdienst aus andern Gründen in die Lage gekommen war, ganz teilweise Ersatz zu leisten. Und § 46 Absatz 1 desselben Erlasses bestimmte, dass ein Minderjähriger grundsätzlich nur für das rückerstattungspflichtig sei, was er direkt erhalten habe. In der Botschaft zum damaligen Entwurf des Sozialhilfegesetzes führte der Regierungsrat aus, dass auch nach dem neuen Gesetz die Rückerstattung der wirtschaftlichen Sozialhilfe möglich bleiben solle. Gegenüber der bisherigen Regelung im Armengesetz unterbreite er dem Grossen Rat nur eine leicht modifizierte Lösung. Neu solle im Gesetz auch ausdrücklich geregelt werden, dass die Rückerstattung einer Verwirkung unterliege. Dies sei aufgrund der bundesgerichtlichen Rechtsprechung nötig (vgl. dazu die Ausführungen in den Verhandlungen des Grossen Rates 1989, S. 183, lit. c. Verwandtenunterstützung und Rückerstattung [§§ 35-40], 2. Absatz). Mithin betraf die beantragte Änderung nur die Frage der Verwirkung, nicht hingegen den Ausschluss der Rückerstattung. In den Beratungen gaben diese Ausführungen des Regierungsrates zu keinen Bemerkungen Anlass. Damit wollte auch der Grosse Rat keinen weitergehenden Ausschluss der Rückerstattung wirtschaftlicher Sozialhilfe als im bisherigen Armengesetz.

Unter diesen Umständen ist § 37 Absatz 2 SHG nur anwendbar, wenn es um wirtschaftliche Sozialhilfe geht, die Jugendlichen aufgrund eines eigenen Anspruchs auf wirtschaftliche Sozialhilfe ausbezahlt wurde. Die Beschwerdeführer wohnten aber im Zeitraum, als sie wirtschaftliche Sozialhilfe bezogen, mit ihren beiden unmündigen Kindern in einem Haushalt. Die Kinder hatten keinen eigenen Unterstützungswohnsitz. Insbesondere traf nicht zu, dass sie erwerbstätig und in der Lage waren, für ihren Lebensunterhalt aufzukommen (Art. 7 Abs. 3b ZUG i.V.m. § 5 Abs. 1 SHG). Die Familie der Beschwerdeführer war sozialhilferechtlich als eine Unterstützungseinheit zu betrachten. Der Beschwerdeführer kann sich damit nicht mit Erfolg auf § 37 Absatz 2 SHG berufen.



Quelle: https://gerichte.lu.ch/recht_sprechung/publikationen
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