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Urteil Regierungsrat (LU)

Kopfdaten
Kanton:LU
Fallnummer:RRE Nr. 1326
Instanz:Regierungsrat
Abteilung:-
Regierungsrat Entscheid RRE Nr. 1326 vom 25.11.2008 (LU)
Datum:25.11.2008
Rechtskraft:Diese Entscheidung ist rechtskräftig.
Leitsatz/Stichwort:Gemeindeversammlung. Antragstellung. Abänderungsantrag zur Ertragsüberschussverwendung. Vorfinanzierungen. § 106 Absatz 1 StRG; § 89 Absatz 2 GG. Anträge, über die an der Gemeindeversammlung Beschluss gefasst werden soll, können nur zu traktandierten Geschäften vorgebracht werden. Weder das Gemeindegesetz noch das Stimmrechtsgesetz sehen vor, dass die Stimmberechtigten Abänderungsanträge innert einer bestimmten Frist vor der Gemeindeversammlung zu stellen haben und dass solche Anträge den Stimmberechtigten im Voraus bekannt zu geben sind. Abänderungsanträge, die über den angekündigten Verhandlungsgegenstand hinausgehen und damit einen neuen selbständigen Hauptantrag darstellen, sind aber unzulässig. - Vorfinanzierungen können nur zulasten der Laufenden Rechnung und nur dann getätigt werden, wenn die vorgeschriebenen Mindestabschreibungen gedeckt sind und ein allfälliger Bilanzfehlbetrag abgeschrieben ist und wenn dadurch kein neuer Bilanzfehlbetrag entsteht.
Schlagwörter: Gemeinde; Stimmberechtigte; Stimmberechtigten; Beschwerde; Gemeindeversammlung; Antrag; Ertragsüberschuss; Vorfinanzierung; Beschluss; Beschwerdeführer; Projekt; Abstimmung; Rügt; Verwaltung; Stimmrechtsbeschwerde; Recht; Gerügt; Gemeindebeschwerde; Sportplatz; Gemeinderat; Verwendung; Ertragsüberschusses; Abänderungsantrag; Eigenkapital; Investition; Verwaltungsvermögen; Verwenden; Erweiterung
Rechtsnorm:-
Referenz BGE:115 Ia 392; 132 I 291;
Kommentar zugewiesen:
Spühler, Basler Kommentar zur ZPO, Art. 321 ZPO ; Art. 311 ZPO, 2017
Weitere Kommentare:-
Entscheid
An der Gemeindeversammlung vom 19. Mai 2008, an welcher über die Genehmigung der Gemeinderechnung 2007 und über die Verwendung des Ertragsüberschusses der Laufenden Rechnung zu befinden war, stand der folgende Antrag des Gemeinderates über die Verwendung des Ertragsüberschusses zur Diskussion:



Der Ertragsüberschuss von Fr. 1113393.66 ist wie folgt zu verwenden:

a. Fr. 363393.66 für zusätzliche Abschreibungen auf dem Verwaltungsvermögen,

b. Fr. 750000.00 für die Bildung von Eigenkapital.



Die Gemeindeversammlung lehnte diesen Antrag ab und stimmte dem folgenden Antrag eines Stimmberechtigten zu:



1. Der Ertragsüberschuss von Fr. 1113393.66 ist wie folgt zu verwenden:

a. Fr. 363393.66 für zusätzliche Abschreibungen auf dem Verwaltungsvermögen,

b. Fr. 250000.- zur Vorfinanzierung des Projektes "Erweiterung Sportplatz X (Landkauf und Ausbau)",

c. Fr. 500000.- für die Bildung von Eigenkapital.

2. Falls bis Ende 2010 zum Projekt "Erweiterung Sportplatz X (Landkauf und Ausbau)" kein Entscheid durch die Bürgerschaft vorliegt oder wenn die Bürgerschaft zuvor eine Vorlage zu diesem Projekt ablehnt, ist die Vorfinanzierung von Fr. 250000.- aufzulösen und dieser Betrag für zusätzliche Abschreibungen auf dem Verwaltungsvermögen zu verwenden.



Der Beschwerdeführer reichte am 28. Mai 2008 beim Regierungsrat Beschwerde gegen diesen Beschluss ein und beantragte, dass der Antrag des Stimmberechtigten als ungültig zu erklären und der Antrag des Gemeinderates zu genehmigen sei; eventualiter sei die Abstimmung über die Verwendung des Ertragsüberschusses auf eine spätere Versammlung zu verschieben. Der Regierungsrat wies die Beschwerde ab.

Aus den Erwägungen:

I. Zulässiges Rechtsmittel

1. Der Beschwerdeführer macht einerseits geltend, dass der Antrag des Stimmberechtigten nicht hätte zur Abstimmung gebracht werden dürfen, da er nicht traktandiert gewesen sei. Andererseits rügt er, dass die beschlossene Vorfinanzierung willkürlich sei, weil das Zustandekommen einer Investition beim Sportplatz im Zeitpunkt der Gemeindeversammlung noch nicht mit Sicherheit habe vorausgesehen werden können. Er bezeichnet seine Beschwerde als Stimmrechtsbeschwerde.

2. Gemäss § 160 Absatz 1a des Stimmrechtsgesetzes vom 25. Oktober 1988 (StRG) können mit der Stimmrechtsbeschwerde Verfahrensmängel und andere Unregelmässigkeiten bei der Vorbereitung und Durchführung von Abstimmungen gerügt werden. Anfechtungsobjekt der Stimmrechtsbeschwerde sind alle Beeinträchtigungen der politischen Rechte der Bürgerinnen und Bürger (Yvo Hangartner/Andreas Kley, Die demokratischen Rechte in Bund und Kantonen der Schweizerischen Eidgenossenschaft, Zürich 2000, N. 283). Nach Artikel 34 Absatz 2 der Bundesverfassung vom 18. April 1999 (BV) schützt die Garantie der politischen Rechte die freie Willensbildung und die unverfälschte Stimmabgabe. Mit der Stimmrechtsbeschwerde können nur formelle Fehler gerügt werden. Sie eignet sich nicht zur Anfechtung materieller Beschlüsse der Stimmberechtigten oder der Gemeindebehörde. Gegen solche Beschlüsse ist die Gemeindebeschwerde zu ergreifen, sofern kein anderes Rechtsmittel gegeben ist (LGVE 1999 III Nr. 4, 1993 III Nr. 11; Alex Stöckli, Die politischen Rechte des Aktivbürgers in der ordentlichen Gemeindeorganisation des Kantons Luzern, Willisau 1989, S. 236ff.).

Die erste Rüge, mit welcher vorgebracht wird, dass über den Antrag mangels Traktandierung nicht hätte abgestimmt werden dürfen, betrifft einen Verfahrensmangel bei der Durchführung einer Abstimmung und ist mit Stimmrechtsbeschwerde anfechtbar. Mit der zweiten Rüge, dem Einwand, dass die Voraussetzungen für eine Vorfinanzierung nicht gegeben seien und diese daher unzulässig sei, wird der Beschluss der Stimmberechtigten inhaltlich gerügt. Diese Rüge kann nicht mit Stimmrechtsbeschwerde erhoben werden. Es wird daher zu prüfen sein, ob die Gemeindebeschwerde oder ein anderes Rechtsmittel dafür zur Verfügung steht.

II. Stimmrechtsbeschwerde

3. Zur Stimmrechtsbeschwerde legitimiert sind die Stimmberechtigten und die im Kreis der Wahl oder Abstimmung organisierten politischen Parteien (§ 160 Abs. 4 StRG). Tritt der Beschwerdegrund vor dem Abstimmungstag ein, ist die Stimmrechtsbeschwerde innert drei Tagen seit der Entdeckung einzureichen. Ist die Frist am Abstimmungstag noch nicht abgelaufen, wird sie bis zum zehnten Tag nach dem Abstimmungstag verlängert. In allen übrigen Fällen beträgt die Beschwerdefrist zehn Tage seit dem Abstimmungstag (§ 160 Abs. 2 und 3 StRG).

Der Beschwerdeführer ist in der von seiner Beschwerde betroffenen Gemeinde stimmberechtigt. Die Beschwerde wurde am 28. Mai 2008 und damit innerhalb von zehn Tagen seit der Gemeindeversammlung vom 19. Mai 2008 eingereicht.

4. Mängel bei der Durchführung einer Gemeindeversammlung müssen sofort gerügt werden, damit sie womöglich noch vor der Abstimmung behoben werden können und diese nicht wiederholt zu werden braucht. Nach der Abstimmung kann nur gerügt werden, dass sie nicht korrekt durchgeführt oder das Ergebnis unrichtig ermittelt worden sei. Für die sofortige Rüge genügt dabei die tatsächliche Bezeichnung des Fehlers und allenfalls ein Verbesserungsvorschlag. Es ist nicht erforderlich, dass der spätere Beschwerdeführer selber den Einwand erhebt (Christoph Hiller, Die Stimmrechtsbeschwerde, Zürich 1990, S. 68f. und 323, mit Hinweisen). Voraussetzung für die sofortige Rüge ist, dass ein sofortiges Handeln nach den Verhältnissen geboten und zumutbar war. Es widerspricht Treu und Glauben, wenn jemand eine behauptete Verletzung von Verfahrensvorschriften an der Gemeindeversammlung widerspruchslos hinnimmt und erst hinterher die Abstimmung wegen Formmangels anficht, weil deren Ergebnis nicht den gehegten Erwartungen entspricht. Unterlassen Stimmberechtigte dies in einem solchen Fall, so verwirken sie das Recht zur Anfechtung der Abstimmung (BGE 115 Ia 392 E. 4c S. 397; LGVE 2004 III Nr. 10 und 1998 III Nr. 2; Stöckli, a.a.O., S. 221; René A. Rhinow/Beat Krähenmann, Schweizerische Verwaltungsrechtsprechung, Ergänzungsband, Basel und Frankfurt am Main 1990, Nr. 79 B.III.c).

Die Vorinstanz macht geltend, dass der Beschwerdeführer am Ende der Gemeindeversammlung auf die Frage des Gemeindepräsidenten, ob noch Einwände gegen die Geschäftsführung oder die Durchführung der Abstimmung erhoben würden, nicht reagiert habe. Der Beschwerdeführer hält dazu fest, dass diese Frage nicht gestellt worden sei. Wie es sich damit verhält, kann indes offen gelassen werden. Der Beschwerdeführer hat gemäss dem Protokoll der Gemeindeversammlung bereits bei der Behandlung des hier angefochtenen Geschäfts gerügt, dass die Stimmberechtigten gemäss § 21 der Gemeindeordnung nur zu traktandierten Geschäften abstimmen könnten und deshalb über den hier angefochtenen Antrag nicht abgestimmt werden dürfe. Der Beschwerdeführer ist seiner Rügepflicht anlässlich der Gemeindeversammlung somit nachgekommen. Auf seine Beschwerde ist daher einzutreten, soweit damit eine mangelhafte Traktandierung gerügt wird.

5. Der Beschwerdeführer macht geltend, dass der Antrag des Stimmberechtigten dem Gemeinderat früher hätte eingegeben werden müssen, damit alle Stimmberechtigten über die beantragte Verwendung des Ertragsüberschusses hätten informiert werden können. Es hätten mehr Stimmberechtigte an der Gemeindeversammlung teilgenommen, wenn sie von diesem Antrag gewusst hätten.

5.1 Gemäss § 106 Absatz 1 StRG kann sich jeder Teilnehmer einer Gemeindeversammlung zu den Verhandlungsgegenständen äussern und Anträge stellen. Dieses Antragsrecht ermöglicht es den Stimmberechtigten, nicht nur sanktionierend zu Projekten der Exekutive Stellung zu nehmen, sondern gestaltend ihren Einfluss auf Rechtsetzung und Verwaltung in den Einwohnergemeinden auszuüben. Mittels des Antragsrechts kann somit das Handeln der Behörden nicht nur angeregt, sondern unmittelbar inhaltlich bestimmt werden (Stöckli, a.a.O., S. 186f.). In der Befugnis der Stimmberechtigten, gemeinderätliche Vorlagen zu diskutieren und abzuändern, liegt der Sinn der Versammlungsdemokratie, ihr "demokratischer Mehrwert" gegenüber der Urnendemokratie, bei welcher der Stimmbürger eine Vorlage bloss annehmen oder verwerfen kann. Die Stimmberechtigten haben daher mit Abänderungsanträgen an der Versammlung zu rechnen (vgl. BGE 132 I 291 E. 4.1 S. 294). Anträge, über die an der Gemeindeversammlung Beschluss gefasst werden soll, müssen aber zu einem traktandierten Gegenstand vorgebracht werden (vgl. Stöckli, a.a.O., S. 197). Im Gegensatz zum Initiativbegehren hat das unmittelbare Antragsrecht der Stimmberechtigten in der Gemeindeversammlung zudem unselbständigen Charakter. Antrag und Verhandlungsgegenstand müssen, anders gesagt, in einem engen Zusammenhang stehen, wobei dem Antrag gegenüber dem traktandierten Geschäft keine Selbständigkeit zukommen darf. Abänderungsanträge, die über den angekündigten Verhandlungsgegenstand hinausgehen und damit einen selbständigen neuen Hauptantrag darstellen, sind unzulässig. Für die Qualifikation eines Antrages als Abänderungsantrag genügt es somit nicht, dass er sich formell unter das angekündigte Traktandum oder den tatsächlichen Verhandlungsgegenstand subsumieren lässt. Entscheidend ist vielmehr, dass er sich inhaltlich, das heisst hinsichtlich seiner materiellen Tragweite, innerhalb der Grenzen hält und kein neues Geschäft zum Gegenstand hat, das weder vorschriftsgemäss vorberaten noch angekündigt worden ist und daher den gesetzlichen Voraussetzungen für eine gültige Beschlussfassung nicht genügt. Solche selbständige Anträge bilden neue Hauptanträge, die an der gleichen Gemeindeversammlung nur in der allgemeinen Umfrage behandelt, nicht aber beschlossen werden können (vgl. zum Ganzen Stöckli, a.a.O., S. 197f.).

5.2 Der hier massgebliche Hauptantrag betraf die Verwendung des Ertragsüberschusses der Rechnung 2007. Der Gemeinderat hatte zu diesem Geschäft den Stimmberechtigten beantragt, Fr. 750000.- als Einlage ins Eigenkapital und Fr. 363393.66 für zusätzliche Abschreibungen zu verwenden. Der diesem Hauptantrag gegenübergestellte Antrag eines Stimmberechtigten, den die Gemeindeversammlung annahm, deckte sich grundsätzlich mit diesem Antrag und liess ihn, inhaltlich gesehen, in weiten Teilen stehen. Die Abweichung bestand darin, dass 250000 Franken des Ertragsüberschusses nicht für die Bildung von Eigenkapital, sondern als Vorfinanzierung für die Erweiterung eines Sportplatzes dienen sollten. Der Antrag wurde dem Gemeinderat am 6. Mai 2008 schriftlich eingereicht, sodass diesem genügend Zeit blieb, sich für die Gemeindeversammlung darauf vorzubereiten. Die Stimmberechtigten waren hingegen nicht darüber orientiert, dass ein entsprechender Antrag vorlag. Weder das Gemeindegesetz noch das Stimmrechtsgesetz sehen vor, dass die Stimmberechtigten Abänderungsanträge innert einer bestimmten Frist vor einer Gemeindeversammlung zu stellen haben und dass solche Anträge den Stimmberechtigten im Voraus bekannt zu geben sind. Dies würde auch dem Sinn der Gemeindeversammlung widersprechen, wonach es in der Befugnis der Stimmberechtigten liegt, gemeinderätliche Vorlagen direkt an der Versammlung zu diskutieren und abzuändern. Mit inhaltlich unbekannten Abänderungsanträgen an der Gemeindeversammlung muss daher gerechnet werden. Gerade bei einem hohen Ertragsüberschuss ist es nicht ungewöhnlich, dass Personen und Parteien Anträge zur Verwendung des Überschusses nach ihren Vorstellungen stellen und die Stimmberechtigten davon zu überzeugen vermögen, einen Teil des Überschusses gemäss diesen Anträgen zu verwenden. Abänderungsanträge sind daher auch ohne vorgängige Information der Stimmberechtigten zulässig. Wenn es Stimmberechtigte im vorliegenden Fall ein Anliegen war, dass der Antrag des Gemeinderates unverändert angenommen würde, hätten sie an der Gemeindeversammlung teilnehmen und ihn dort unterstützen müssen.

5.3 Es stellt sich indessen die Frage, ob der Abänderungsantrag im vorliegenden Fall noch als unselbständiger Antrag im dargelegten Sinn gelten kann, das heisst im vorgeschriebenen engen Zusammenhang zum Hauptantrag stand. Vorliegend ging es um die Verwendung eines Ertragsüberschusses. Mit Ertragsüberschüssen können nach § 89 Absatz 2 des Gemeindegesetzes vom 4. Mai 2004 (GG) Verwaltungsvermögen zusätzlich abgeschrieben, frei verfügbares Eigenkapital gebildet oder Vorfinanzierungen getätigt werden. Der vom Beschwerdeführer beanstandete Abänderungsantrag bewegte sich innerhalb dieser vom Gesetz ausdrücklich genannten Möglichkeiten der Überschussverwendung. Vorfinanzierungen im Sinn von § 89 Absatz 2 GG sind von den Stimmberechtigten bewilligte Reserven für künftige Investitionen. Mit ihnen werden die bewilligten Geldmittel nicht definitiv verwendet, sondern lediglich über eine bestimmte Zeitdauer für einen bestimmten Zweck beziehungsweise ein bestimmtes Projekt reserviert. Die kreditrechtliche Bewilligung des Projektes selbst liegt in den Händen der Stimmberechtigten. Erst mit deren Zustimmung werden die Geldmittel definitiv für das Projekt gesprochen. Liegt innert Frist keine Zustimmung vor, ist die Vorfinanzierung aufzulösen. Der Beschluss über die Vorfinanzierung bewirkt daher keine neue Ausgabe. Er nimmt vorliegend auch keine zusätzlichen Geldmittel in Anspruch. Ebenso bedeutet er im vorliegenden Fall keine Vorentscheidung für das Projekt, wurde doch an der Gemeindeversammlung nicht über die Sache an sich, die Erweiterung des Sportplatzes, beschlossen, sondern lediglich über die zeitlich beschränkte Reservation eines Teils des Ertragsüberschusses für dieses Projekt. Die Wirkungen des Beschlusses sind daher beschränkt. Für Stimmberechtigte, die an der Gemeindeversammlung nicht teilnahmen, wurde in diesem Sinn kein wesentlicher Beschluss vorweggenommen. Alle Beschlüsse zur Erweiterung des Sportplatzes, die definitive Wirkungen zeitigen, wie der Beschluss über den nötigen Landkauf und die Bewilligung des Sonderkredits, werden ihnen erst noch vorzulegen sein. Die Stimmberechtigten sind mit dem gerügten Abänderungsantrag auch insoweit nicht überrascht worden, als dieser ein Projekt betrifft, das bereits im Massnahmenund Finanzplan der Gemeinde enthalten ist. Er bezieht sich damit auf eine von der Gemeinde für die Zukunft bereits in Betracht gezogene Investition.

5.4 Zusammenfassend ist festzuhalten, dass die Stimmberechtigten im vorliegenden Fall mit einem Abänderungsantrag zur Ertragsüberschussverwendung rechnen mussten. Zumindest konnten sie nicht zum Voraus davon ausgehen, dass die vom Gemeinderat vorgesehene betragsmässige Aufteilung zugunsten von Eigenkapital und Abschreibungen auf dem Verwaltungsvermögen ohne Änderungen beschlossen würde. Den nicht anwesenden Stimmberechtigten wurde zudem durch den gerügten Abänderungsantrag und dessen Annahme kein wesentlicher Entscheid vorweggenommen, wird doch über den Landkauf und den Sonderkredit für das Projekt, für das mit dem angefochtenen Beschluss Mittel reserviert worden sind, erst noch zu beschliessen sein. Der angefochtene Beschluss bewirkt lediglich, dass vom Ertragsüberschuss nicht, wie vom Gemeinderat beantragt, 750000 Franken für die Bildung von Eigenkapital verwendet werden, sondern bloss 500000 Franken, und dass der darüber hinausgehende Ertragsüberschuss für längstens zwei Jahre für ein Projekt, das im Massnahmenund Finanzplan bereits vorgesehen ist, reserviert ist. Stimmberechtigten, die an der Gemeindeversammlung teilnahmen, hätten nach § 122 StRG die Möglichkeit gehabt, den Antrag zu stellen, dass über die bereinigte Vorlage an der Urne abzustimmen sei, wenn sie mit der Abstimmung über den Abänderungsantrag an der Gemeindeversammlung nicht einverstanden waren. Bei Gutheissung dieses Antrags wäre der Beschluss über die Verwendung des Ertragsüberschusses sämtlichen Stimmberechtigten vorzulegen gewesen. Unter diesen Umständen ist der gerügte Beschluss als zulässig zu betrachten, das Recht auf freie Willensbildung und unverfälschte Stimmabgabe wurde damit nicht verletzt. Die Stimmrechtsbeschwerde ist daher abzuweisen.

III. Gemeindebeschwerde

6. Zu prüfen bleibt, ob das Begehren, das dem Abänderungsantrag zugrunde liegt, wie vom Beschwerdeführer vorgebracht, finanzrechtlich unzulässig war. Die inhaltliche Richtigkeit beziehungsweise Zulässigkeit eines Beschlusses kann, wie in Erwägung 2 dargelegt, nicht mit Stimmrechtsbeschwerde gerügt werden. Die Verwaltungsbeschwerde ist ebenfalls nicht gegeben, da es sich beim Beschluss der Gemeindeversammlung nicht um einen Beschluss einer Behörde gemäss § 6 des Gesetzes über die Verwaltungsrechtspflege vom 3. Juli 1972 (VRG) handelt. Als einziges Rechtsmittel kommt daher die Gemeindebeschwerde gemäss § 109 GG in Betracht.

7. Anfechtungsobjekt einer Gemeindebeschwerde können nach § 109 Absatz 1 GG Beschlüsse der Gemeindeorgane und Gemeindeverbände sein. Gemäss Absatz 2 dieser Bestimmung ist zur Einreichung der Gemeindebeschwerde befugt, wer ein schutzwürdiges Interesse an der Aufhebung oder Änderung eines Beschlusses hat. Unter schutzwürdigem Interesse werden nicht nur die rechtlich geschützten, sondern auch die wirtschaftlichen, ideellen oder sogar die rein tatsächlichen Interessen von Beschwerdeführern verstanden. Erforderlich ist jedoch eine besondere, beachtenswerte, nahe Beziehung des Beschwerdeführers zum Streitgegenstand. Der Beschwerdeführer muss davon mehr als irgendjemand oder die Allgemeinheit betroffen sein (LGVE 2007 III Nr. 1 E. 4, 1992 III Nr. 2). Die Verfolgung bloss allgemeiner Interessen der Öffentlichkeit ohne persönliche Betroffenheit reicht daher nicht aus. Nur wer vom angefochtenen Beschluss im Sinn eines Nachteils oder einer Beeinträchtigung persönlich betroffen ist, hat ein Rechtschutzinteresse, welches zur Einreichung einer Gemeindebeschwerde legitimiert (Thomas Willi, Funktion und Aufgabe der Gemeindebeschwerde im System der Verwaltungsrechtspflege des Kantons Luzern, Emmenbrücke 1989, S. 156ff.). Beschlüsse finanziellen Inhalts sind als Anfechtungsobjekte einer Gemeindebeschwerde zuzulassen, sofern sie geeignet sind, den Steuerfuss einer Gemeinde und damit auch das Mass der steuerlichen Belastung der einzelnen Gemeindeangehörigen zu beeinflussen (LGVE 1999 III Nr. 5 und 1992 III Nr. 2 mit Hinweisen; Willi, a.a.O., S. 100f., 111f., 145f., 154ff.).

Der Beschwerdeführer macht geltend, als Steuerpflichtiger zur Beschwerde legitimiert zu sein, da sein Interesse vor allem darin bestehe, dass die Steuergelder für eine spätere Steuerreduktion verwendet würden. Tatsächlich wollte der Gemeinderat, wie sich aus den Akten ergibt, mit der von ihm beantragten Ertragsüberschussverwendung Handlungsspielraum für Steuersenkungen oder Investitionen schaffen. Der Beschwerdeführer ist daher zur Gemeindebeschwerde legitimiert. Die Beschwerde erfolgte innerhalb der Beschwerdefrist von zehn Tagen gemäss § 109 Absatz 3 GG.

8. Der Beschwerdeführer rügt, dass die Vorfinanzierung von 250000 Franken für die Erweiterung des Sportplatzes (Landkauf und Ausbau) willkürlich sei, da bis heute nicht sicher sei, ob eine Investition beim Sportplatz zustande komme. Bis heute seien weder ein Landkauf noch ein Ausbauplan bekannt .

8.1 Ertragsüberschüsse sind nach § 89 Absatz 2 GG zur Abtragung des Bilanzfehlbetrags zu verwenden. Ist kein solcher vorhanden, ist gemäss dieser Bestimmung Verwaltungsvermögen zusätzlich abzuschreiben, frei verfügbares Eigenkapital zu bilden oder es sind Vorfinanzierungen zu tätigen.

Bei einer Vorfinanzierung im Sinn von § 89 Absatz 2 GG handelt es sich, wie in Erwägung 5.3 dargelegt, um von den Stimmberechtigten bewilligte Reserven für künftige Investitionen. Solche Reserven können gebildet werden, wenn die vorgeschriebenen Mindestabschreibungen gedeckt sind und ein allfälliger Bilanzfehlbetrag abgeschrieben ist und wenn dadurch kein Bilanzfehlbetrag entsteht. Sie sind nur zulasten der Laufenden Rechnung möglich. Sie müssen entweder auf einem im Voranschlag eingestellten Betrag oder dem Rechnungsergebnis mit Bestimmung des Zweckes und Beschluss der Gemeindeversammlung oder auf dem Voranschlag aufgrund des Ergebnisses beruhen. Sie sind nach Abschluss des Investitionsvorhabens oder wenn das Investitionsvorhaben nicht ausgeführt wird, aufzulösen (Handbuch Rechnungswesen für Luzerner Gemeinden, herausgegeben von der Konferenz der Regierungsstatthalter des Kantons Luzern, Version vom 31. Oktober 2008, S. 20, 67, 78).

8.2 Die Gemeinderechnung weist im vorliegenden Fall einen Ertragsüberschuss auf. Gemäss den Unterlagen und dem Bericht von Rechnungskommission und Regierungsstatthalter sind die vorgeschriebenen Mindestabschreibungen gedeckt. Es liegt danach weder ein Bilanzfehlbetrag vor, noch wird einer entstehen, da nur der Ertragsüberschuss für die Vorfinanzierung verwendet wird. Die Stimmberechtigten konnten daher am 19. Mai 2008 gültig über die Vorfinanzierung beschliessen. Sie haben der gerügten Verwendung von 250000 Franken aus dem Ertragsüberschuss als Vorfinanzierung für das Sportplatzprojekt zugestimmt. Das Projekt ist darüber hinaus im Massnahmenund Finanzplan der Gemeinde enthalten. Die Vorfinanzierung steht unter dem Vorbehalt, dass die Stimmberechtigten dem Projekt bis Ende 2010 zustimmen werden, ansonsten die Vorfinanzierung aufzulösen und der Betrag zur Abschreibung auf dem Verwaltungsvermögen zu verwenden ist. Damit sind die Voraussetzungen für eine Vorfinanzierung erfüllt. Die Voraussetzung, dass das Zustandekommen eines Projektes im Zeitpunkt des Beschlusses über die Vorfinanzierung sicher feststehen muss, wie der Beschwerdeführer vorbringt, gibt es nicht. Zusammenfassend kann also nicht gesagt werden, dass die Ertragsüberschussverwendung für die Vorfinanzierung des Sportplatzprojektes willkürlich sei. Die Gemeindebeschwerde ist folglich abzuweisen. (Regierungsrat, 25. November 2008, Nr. 1326)

Quelle: https://gerichte.lu.ch/recht_sprechung/publikationen
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