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Urteil Regierungsrat (LU - RRE Nr. 1265)

Zusammenfassung des Urteils RRE Nr. 1265: Regierungsrat

Eine geschiedene Frau mit vier Kindern beantragt im Oktober 1993 wirtschaftliche Sozialhilfe. Der Gemeinderat setzt den Bedarf auf Fr. 3940.- fest, berücksichtigt aber nicht alle Einkünfte korrekt. Im Verlauf des Verfahrens verliert die Frau ihre Stelle. Die Rechtslage basiert auf den SKöF-Richtlinien, die spezielle Regelungen für Alleinerziehende vorsehen. Es wird diskutiert, ob der Lebenspartner angemessen unterstützt. Es entsteht ein Streit über die Berechnung der Unterhaltskosten und der Haushaltsführung.

Urteilsdetails des Verwaltungsgerichts RRE Nr. 1265

Kanton:LU
Fallnummer:RRE Nr. 1265
Instanz:Regierungsrat
Abteilung:-
Regierungsrat Entscheid RRE Nr. 1265 vom 03.05.1994 (LU)
Datum:03.05.1994
Rechtskraft:Diese Entscheidung ist rechtskräftig.
Leitsatz/Stichwort:Umfang der wirtschaftlichen Sozialhilfe. § 30 SHG; § 146 VRG. Massgebend für den Umfang der wirtschaftlichen Sozialhilfe sind die Verhältnisse im Zeitpunkt des Entscheides bzw. des Beschwerdeentscheides. - Die Anrechnung eines fiktiven Einkommens ist nicht in jedem Fall zulässig. - Bei der Berechnung des Unterhaltsbedarfs einer geschiedenen Frau mit Kindern ist der Unterhalt eines Lebenspartners mitzuberücksichtigen, nämlich dessen persönliche Unterhaltskosten, der Anteil an den gemeinsamen Kosten und die Entschädigung für die Haushaltführung.

Schlagwörter: Sozialhilfe; Richtlinien; Kinder; Unterhalt; Ziffer; SKöF-Richtlinien; Einkommen; Existenzminimums; Lebenspartners; Wolffers; Haushaltführung; Person; Berechnung; Höhe; Verhältnisse; Familie; Unterhaltskosten; SköF-Richtlinien; Entschädigung; Beiblatt; Alter; Betrag; Gemeinderat; Einkommens; Erwerbstätigkeit; Natur; Verhältnissen
Rechtsnorm:-
Referenz BGE:-
Kommentar:
-

Entscheid des Verwaltungsgerichts RRE Nr. 1265

1. Die Beschwerdeführerin ist geschieden und hat für vier Kinder im Alter von 10 bis 15 Jahren zu sorgen. Sie hat im Oktober 1993 ein Gesuch um wirtschaftliche Sozialhilfe eingereicht. Bei der Feststellung des sozialen Existenzminimums durch den Sozialvorsteher vom 6. Oktober 1993 wurde der Bedarf mit total Fr. 3940.- beziffert. Bei den Einkünften wurden der Lohn der Beschwerdeführerin mit Fr. 500.-, die Unterhaltsbeiträge des Vaters der Kinder mit Fr. 1984.- und ein Beitrag des Lebenspartners von Fr. 1000.-, total somit Fr. 3484.-, eingesetzt, was den Betrag von Fr. 456.- für die wirtschaftliche Sozialhilfe ergab. Im Einspracheentscheid hat der Gemeinderat von X beschlossen, die der Berechnung des sozialen Existenzminimums zugrundegelegten Lohneinkünfte von Fr. 500.- auf Fr. 400.- herabzusetzen und damit die Höhe der wirtschaftlichen Sozialhilfe von Fr. 456.- auf Fr. 556.- heraufzusetzen. Dass die Beschwerdeführerin einen Anspruch auf wirtschaftliche Sozialhilfe hat, ist unbestritten.

Strittig sind die Höhe des Einkommens der Beschwerdeführerin bzw. die Frage der Zumutbarkeit einer Erwerbstätigkeit sowie die Höhe bzw. die Anrechnung eines Beitrages des Lebenspartners.

2. In tatsächlicher Hinsicht hat sich im Verlaufe des Beschwerdeverfahrens eine Änderung ergeben, indem die Beschwerdeführerin im Dezember 1993 ihre Stelle beim Hauspflegedienst Y verloren hat. Gemäss § 146 des Verwaltungsrechtspflegegesetzes (VRG) sind die tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse im Zeitpunkt des Beschwerdeentscheides massgebend, soweit sich aus der Natur der Streitsache nichts anderes ergibt. Es liegt in der Natur der wirtschaftlichen Sozialhilfe, dass diese dauernd den tatsächlichen Verhältnissen angepasst werden muss.

3. In bezug auf die Rechtslage ist festzustellen, dass gemäss § 30 des Sozialhilfegesetzes (SHG) für die Bemessung der wirtschaftlichen Sozialhilfe die Empfehlungen der Schweizerischen Konferenz für öffentliche Fürsorge (SKöF-Richtlinien) wegleitend sind. Dies bedeutet, dass nur bei Vorliegen besonderer Gründe von diesen Richtlinien abgewichen werden soll. In der Ziffer 5.0.3 der SKöF-Richtlinien wird festgehalten, "dass Alleinerziehende und haushaltführende Elternteile solange nicht verpflichtet werden sollen, einem Verdienst nachzugehen, als sie sich der Kindererziehung widmen und die Kinder ihrer Aufsicht und Obhut bedürfen". Aus dem Kommentar zu Ziffer 5.0.3 der SKöF-Richtlinien ergibt sich, dass hier eine auf den Einzelfall bezogene Güterabwägung (praktische Möglichkeiten, finanzielle Auswirkungen, pädagogische Überlegungen) erfolgen muss. Aus heilpädagogischer und psychologischer Sicht stellte der Vorsteher des kantonalen Sozialamtes in seinem Amtsbericht fest, dass heute eine Familie mit 4 Kindern eine kinderreiche Familie mit all ihren Risikofaktoren (wirtschaftlich, sozial) darstellt. Handle es sich um Kinder im Alter von 10 bis 15 Jahren, sei auf die Risikofaktoren dieser Entwicklungsphase (Pubertät) und die grosse Bedeutung verlässlicher, stabiler erwachsener Bezugspersonen hinzuweisen. Schliesslich dürfe bei der Ermittlung des Bedarfs an wirtschaftlicher Sozialhilfe nur das effektive Einkommen berücksichtigt werden. Dafür spreche auch Ziffer 5.0.2 der SKöF-Richtlinien sowie ausdrücklich F. Wolffers, Grundriss des Sozialhilferechts, erschienen 1993, S. 153. Der Amtsbericht des kantonalen Sozialamtes verweist in diesem Zusammenhang zu Recht auch auf den § 29 Absatz 3 SHG, wonach mit Gewährung von wirtschaftlicher Sozialhilfe Auflagen und Weisungen verbunden werden können. Diese sind aber mit einer angemessenen Frist zu versehen. Erhöhungen bei den Einnahmen aufgrund eines theoretischen Einkommens sind keine Weisungen, sondern bereits Sanktionen. Im übrigen ist vorliegend die Beschwerdeführerin grundsätzlich nach wie vor bereit, eine beschränkte Erwerbstätigkeit wieder aufzunehmen. Es erübrigt sich daher, darüber zu befinden, ob der Beschwerdeführerin eine solche Tätigkeit im Sinne einer Auflage vorzuschreiben ist.

4. Der Gemeinderat von X macht im weitern geltend, dass der monatliche Beitrag des Lebenspartners von Fr. 1000.- (Kost und Logis) relativ bescheiden sei. Demgegenüber macht die Beschwerdeführerin geltend, dass im errechneten Budget (Berechnung des sozialen Existenzminimums) die Unterhaltskosten ihres Lebenspartners auch nicht eingerechnet worden seien. Dazu ist folgendes festzustellen:

Die SKöF-Richtlinien enthalten unter Ziffer 6 Bestimmungen über die Sozialhilfe innerhalb von familienähnlichen Wohnund Lebensgemeinschaften. Danach haben nichtunterstützte Mitglieder alle Kosten, die sie verursachen, selbst zu tragen. Dies betrifft inbesondere die Aufwendungen für den Unterhalt, die Miete mit Nebenkosten, Telefon, Radio, TV, Versicherungen usw. Die Kostentragung innerhalb der Gemeinschaft erfolgt grundsätzlich nach Pro-Kopf-Aufteilung (vgl. F. Wolffers, a.a.O., S. 159, und SköF-Richtlinien Ziffer 6.1). Leistet ein unterstütztes Mitglied Haushaltsdienste, sind auch diese abzugelten. Die finanzielle Abgeltung der Haushaltsdienste richtet sich nach den Verhältnissen des Einzelfalls und trägt insbesondere der aufzuwendenden Arbeitszeit und dem Einkommen des begünstigten Partners Rechnung. Die Entschädigung für die Haushaltführung ist in der Bedarfsrechnung der unterstützten Person als Einkommen zu berücksichtigen (vgl. F. Wolffers, a.a.O., S. 160). In Ziffer 6.2 des Beiblattes der SköF-Richtlinien 1994 ist für die Haushaltführung eine Entschädigung von Fr. 550.- bis Fr. 900.- (1993: Fr. 500.- bis Fr. 800.-) vorgesehen.

Gemäss Wolffers, Sozialhilferecht, S. 160, gilt aber auch hier der Grundsatz, dass der unterstützten Person nur das tatsächlich zufliessende ohne weiteres erhältliche Entgelt für die Haushaltführung angerechnet werden darf.

Im vorliegenden Fall wurde bei der Berechnung des sozialen Existenzminimums der Beitrag des Lebensgefährten pauschal mit Fr. 1000.- eingesetzt. Es hätte aber unterschieden werden müssen zwischen den Unterhaltskosten, den gemeinsamen Kosten und der Entschädigung für die Haushaltführung. Der Unterhaltsbedarf wurde sodann nur für die Beschwerdeführerin und ihre vier Kinder mit monatlich Fr. 1850.- gemäss Beiblatt 1993 der SköF-Richtlinien festgesetzt. Nach dem neuen Beiblatt 1994 werden die Unterhaltskosten leicht reduziert, nämlich von Fr. 350.- auf Fr. 330.- pro Person, was bei einer sechsköpfigen Familie pro Monat gesamthaft den Betrag von Fr. 1980.- ergibt. Beim Unterhaltsbedarf ist daher der neue (niedrigere) Ansatz von Fr. 330.- pro Person bzw. Fr. 1980.- für die ganze sechsköpfige Gemeinschaft einzusetzen.
Quelle: https://gerichte.lu.ch/recht_sprechung/publikationen
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