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Urteil Regierungsrat (LU - RRE Nr. 1034)

Zusammenfassung des Urteils RRE Nr. 1034: Regierungsrat

Die Beschwerdeführer kritisieren, dass der Stadtrat die Vorlage zum Verkauf der Liegenschaften an der Industriestrasse als Gegenvorschlag zur Initiative bezeichnet hat. Sie argumentieren, dass die Vorlage bereits vor Einreichung der Initiative beschlossen wurde und daher nicht nachträglich umgewandelt werden kann. Zudem bemängeln sie, dass sie die Bezeichnung nicht rechtzeitig gerügt haben. Trotzdem wird inhaltlich geprüft, ob die Rüge gerechtfertigt ist, wobei festgestellt wird, dass die Bezeichnung als Gegenvorschlag nicht gegen die Regeln verstösst. Der Stadtrat hat die Initiative abgelehnt und zugestimmt, die beiden Beschlüsse in einer Doppelabstimmung den Stimmberechtigten vorzulegen. Letztendlich wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

Urteilsdetails des Verwaltungsgerichts RRE Nr. 1034

Kanton:LU
Fallnummer:RRE Nr. 1034
Instanz:Regierungsrat
Abteilung:-
Regierungsrat Entscheid RRE Nr. 1034 vom 18.09.2012 (LU)
Datum:18.09.2012
Rechtskraft:Diese Entscheidung ist rechtskräftig.
Leitsatz/Stichwort:Stimmrechtswesen. Doppelabstimmung. § 86 Absätze 1 und 2 StRG. Eine Doppelabstimmung kann auch ausserhalb des Initiativrechts durchgeführt werden. — Solange ein Beschluss nicht durch die Schlussabstimmung im Gemeindeparlament verabschiedet und als Referendumsvorlage veröffentlicht worden ist, ist es zulässig, ihn als Gegenvorschlag zu einer Initiative zu verwenden.
Schlagwörter: Initiative; Stadt; Vorschlag; Verkauf; Vorlage; Industriestrasse; Stimmberechtigten; Abstimmung; Stadtrat; Stadtparlament; Grundstücke; Vorlagen; Bezeichnung; Doppelabstimmung; Landverkauf; Verkaufs; Alternative; Einreichung; Areals; Recht; Verkaufsvertrag; Landverkaufs; Beschluss; Stadtparlaments; Allreal; Generalunternehmung; Luzern
Rechtsnorm:-
Referenz BGE:113 Ia 46; 129 I 366;
Kommentar:
-

Entscheid des Verwaltungsgerichts RRE Nr. 1034

Aus den Erwägungen:

4. Die Beschwerdeführer beanstanden weiter die Bezeichnung der Vorlage zum Verkauf der Liegenschaften an der Industriestrasse als Gegenvorschlag zur Initiative. Sie machen geltend, die Vorlage zum Landverkauf sei vom Stadtrat bereits vor der Einreichung der Initiative beschlossen worden und könne deshalb nicht nachträglich in einen Gegenvorschlag zur Initiative umformuliert werden. Mit der Bezeichnung des Verkaufs als Gegenvorschlag vermindere der Stadtrat die Chancen der Initiative erheblich und verletze damit das Recht der Stimmberechtigten auf eine unverfälschte Willenskundgabe.

4.1 Auch hier ist zu beachten, dass der Stadtrat bereits bei der Publikation des Abstimmungsdatums im Kantonsblatt Nr. 28 vom 14. Juli 2012 darauf hingewiesen hat, dass folgender Beschluss des Stadtparlaments vom 5. Juli 2012 dem obligatorischen Referendum unterliege: «Grundstücke Industriestrasse. Initiative und Gegenvorschlag». Aus der Abstimmungsanordnung vom 11. Juli 2012 geht ebenfalls hervor, dass der Verkauf der Grundstücke an der Industriestrasse (Nrn. 1323, 1324, 1325, 1574, 2147, 2191, linkes Ufer, Industriestrasse) an die Allreal Generalunternehmung AG als Gegenvorschlag zur Initiative den Stimmberechtigten zur Abstimmung unterbreitet werden wird. Die Abstimmungsanordnung wurde — wie bereits erwähnt — spätestens am 13. August 2012 an den amtlichen Publikationsstellen veröffentlicht. Ab diesem Zeitpunkt begann die Beschwerdefrist für Verfahrensmängel und andere Unregelmässigkeiten bei der Vorbereitung und Durchführung einer Abstimmung zu laufen (§ 163 Abs. 1b des Stimmrechtsgesetzes vom 25. Oktober 1988 [StRG]). Zu den sofort zu rügenden Mängeln gehören auch solche, die sich gegen den Abstimmungsmodus die Bezeichnung der Abstimmungsvorlagen richten. Eine solche Rüge hätte innert der Rechtsmittelfrist gemäss § 162 Absatz 2 StRG vorgebracht werden müssen. Dies haben die Beschwerdeführer unterlassen. Soweit sie mit ihrer Stimmrechtsbeschwerde vom 3. September 2012 die Bezeichnung der Vorlage zum Verkauf der Liegenschaften an der Industriestrasse als Gegenvorschlag zur Initiative beanstanden, erfolgte die Beschwerde ebenfalls verspätet, weshalb auch in diesem Punkt nicht darauf einzutreten ist.

4.2 Im Fall einer materiellen Prüfung erwiese sich aber auch diese Rüge als unbegründet. Das Stadtparlament hat am 5. Juli 2012 die Initiative «Ja zu einer lebendigen Industriestrasse» abgelehnt und dem Verkaufsvertrag zwischen der Stadt Luzern und der Allreal Generalunternehmung AG über die Grundstücke an der Industriestrasse zugestimmt. Es hat gleichzeitig entschieden, die beiden Beschlüsse den Stimmberechtigten in Form einer Doppelabstimmung mit Stichfrage zu unterbreiten. Bei einer Doppelabstimmung stehen sich jeweils zwei Vorlagen, die einander ausschliessen, zur Abstimmung gegenüber. Die Stimmberechtigten können also zwischen verschiedenen Varianten wählen. Doppelabstimmungen kommen im Regelfall im Rahmen des Initiativrechts vor. Der klassische Fall besteht darin, dass ein Initiativbegehren und ein Gegenentwurf des Parlaments einander gegenübergestellt werden (vgl. § 86 Abs. 1 StRG). Eine Doppelabstimmung kann aber auch ausserhalb des Initiativrechts durchgeführt werden. Die Grundlage dazu findet sich in § 86 Absatz 2 StRG. Gemäss dieser Bestimmung kann die für den Erlass zuständige Behörde den Stimmberechtigten auch in andern Fällen zwei Vorlagen, die einander ausschliessen, wahlweise zur Abstimmung unterbreiten. In diesen Fällen richtet sich das Abstimmungsverfahren sinngemäss nach demjenigen bei Initiativen und Gegenvorschlägen (§ 86 Abs. 2 StRG). Bei einer Doppelabstimmung haben die Stimmberechtigten die Möglichkeit, beiden Vorlagen zuzustimmen, einer zuzustimmen und die andere abzulehnen beide Vorlagen abzulehnen. Für den Fall, dass beide Vorlagen angenommen werden, ist mit einer Stichfrage zu ermitteln, welche der beiden Vorlagen vorgezogen wird.

Die Beschwerdeführer bestreiten nicht, dass sich im vorliegenden Fall die Ini­tiative und der Verkauf der Grundstücke an der Industriestrasse gegenseitig ausschliessen. Sie wehren sich denn auch nicht gegen die Durchführung der Doppelabstimmung. Sie beanstanden lediglich die Bezeichnung des Grundstückverkaufs als Gegenvorschlag. In der Regel wird von einem Gegenvorschlag gesprochen, wenn ein parlamentarischer Gesetzesoder Verfassungsentwurf nach Einreichung einer Volksinitiative ausgearbeitet wird, denselben Gegenstand beschlägt, eine Alternative zur Volksinitiative bildet und ihr in der Volksabstimmung unmittelbar gegenübergestellt wird. Im vorliegenden Fall hat der Stadtrat am 4. April 2012 beschlossen, dem Stadtparlament den Verkauf der Grundstücke an der Industriestrasse zu beantragen. Nach dem Eingang der Initiative ergänzte er seinen Beschluss und beantragte dem Stadtparlament, die Initiative abzulehnen und beide Vorlagen in einer Doppelabstimmung den Stimmberechtigten zu unterbreiten. Gegen dieses Vorgehen ist nichts einzuwenden, liegt es doch — worauf der Stadtrat zu Recht hinweist — im Interesse der Initianten. Das Stimmrecht vermittelt nämlich keinen Anspruch darauf, dass ein Parlament zwei sachlich verwandte Vorlagen gleichzeitig berät. Der Stadtrat hätte sich nach der Erwahrung der Initiative zwölf Monate Zeit lassen können für seinen Bericht und Antrag an das Stadtparlament (vgl. § 39 des Gemeindegesetzes vom 4. Mai 2004, Art. 8ff. der Gemeindeordnung der Stadt Luzern vom 7. Februar 1999). Damit hätten die Initianten jedoch riskiert, dass die Initiative im Fall der Gutheissung des Landverkaufs durch die Stimmberechtigten wegen Undurchführbarkeit hätte ungültig erklärt werden müssen. Im Interesse einer gesamthaften Betrachtungsweise hat der Stadtrat entschieden, die Behandlung der Initiative rasch voranzutreiben und beide Vorlagen gleichzeitig zur Abstimmung zu unterbreiten, um den Stimmberechtigten eine differenzierte Stimmabgabe zu ermöglichen. Das Stadtparlament hat diesem Vorgehen zugestimmt und sich für die Durchführung einer Doppelabstimmung ausgesprochen. Es hat sich jedoch nicht dazu geäussert, wie die beiden Abstimmungsvorlagen bezeichnet werden sollten. Es kann deshalb nicht gesagt werden, die Bezeichnung des Landverkaufs als Gegenvorschlag widerspreche dem Willen des Stadtparlaments, ist doch ein Gegenüber von Initiative und Gegenvorschlag der klassische Fall einer Doppelabstimmung (vgl. § 86 Abs. 1 StRG). Es trifft auch nicht zu, dass der Stadtrat den Verkauf der Grundstücke vor der Einreichung der Initiative beschlossen hat. Er hatte zu diesem Zeitpunkt lediglich entschieden, dem Stadtparlament den Verkauf zu beantragen. Mit Entscheid vom 23. Mai 2012 hat der Stadtrat das formelle Zustandekommen der Initiative festgestellt (vgl. Kantonsblatt Nr. 22 vom 2. Juni 2012). Am 5. Juli 2012 hat das Stadtparlament zuhanden der Stimmberechtigten beschlossen, die Initiative abzulehnen und dem Verkaufsvertrag zwischen der Stadt Luzern und der Allreal Generalunternehmung AG zuzustimmen. Es hat also gleichzeitig über die Initiative und den Verkaufsvertrag entschieden. Den Verkaufsvertrag als Gegenvorschlag zur Initiative zu verwenden, ist möglich, solange er nicht durch die Schlussabstimmung im Stadtparlament verabschiedet und als Referendumsvorlage veröffentlicht worden ist. Wenn der Stadtrat den Landverkauf also im vorliegenden Fall als Gegenvorschlag bezeichnet hat, so ist dies nicht zu beanstanden. Zwar hat er die Idee eines Verkaufs bereits vor der Einreichung der Initiative gefasst. Entscheidend ist jedoch, dass der Verkauf der Grundstücke eine inhaltliche Alternative zur Initiative darstellt. Es ist gerade der Sinn eines Gegenvorschlags, dass er auf die von der Initiative aufgeworfene Fragestellung eine andere Antwort gibt als die Initiative und dass er damit den Stimmberechtigten eine echte Alternative einräumt (BGE 113 Ia 46 E. 5a S. 54). Die Initiative verlangt die Abgabe des Areals an der Industriestrasse an gemeinnützige Wohnbauträger im Baurecht, demgegenüber sieht der Gegenvorschlag den Verkauf des Areals vor. Zwischen den beiden Vorlagen besteht ein offensichtlicher innerer sachlicher Zusammenhang, geht es doch um die Zukunft des Areals an der Industriestrasse. Damit ist auch die Einheit der Materie gewahrt (vgl. BGE 129 I 366 E. 2.3 S. 371). Der blosse Umstand, dass der auf einen engen Sachbereich beschränkten Initiative (die Abgabe der Grundstücke im Baurecht) ein über diesen Bereich hinausgehender Gegenvorschlag (der Verkauf der Grundstücke) gegenübersteht, stellt jedenfalls keine Verletzung des Grundsatzes der Einheit der Materie dar (Alfred Kölz, Die kantonale Volksinitiative in der Rechtsprechung des Bundesgerichts, in ZBl 1982, S. 35). Eine Grenze findet das Vorschlagsrecht des Parlaments dort, wo ein Gegenvorschlag aus sachwidrigen Motiven ausgearbeitet wird und damit als rechtsmissbräuchlich erscheint. Dies ist jedoch vorliegend nicht der Fall. Auch wenn der Stadtrat den Verkauf des Areals an der Industriestrasse bereits vor der Einreichung der Initiative lanciert hat und die Initiative vielmehr eine Reaktion auf diese Lancierung darstellt, ist es nicht unzulässig, den Beschluss des Stadtparlaments über den Verkauf der Grundstücke als Gegenvorschlag zur Initiative zu bezeichnen. Stehen zwei Alternativen zur Abstimmung, kommt der inhaltlichen Ausgestaltung grösseres Gewicht zu als der blossen Bezeichnung. Für die Stimmberechtigten muss klar sein, dass für die Zukunft des Areals an der Industriestrasse zwischen zwei voneinander abweichenden Varianten entschieden werden kann. Dies ist vorliegend der Fall. Jedenfalls ist die blosse Bezeichnung des Landverkaufs als Gegenvorschlag nicht geeignet, die Willensbildung der Stimmberechtigten zu verfälschen. Die Beschwerdeführer übersehen zudem, dass nicht die Bezeichnung des Landverkaufs als Gegenvorschlag die Chancen der Initiative schmälert, sondern der Umstand, dass der Initiative eine Alternative gegenübersteht. Dadurch verteilen sich die Stimmen für die Änderung des Status quo (selbst wenn das doppelte Ja zulässig ist) auf die beiden Alternativen, ein reformfeindliches Nein aber bleibt erfahrungsgemäss beisammen. Die Beschwerde erwiese sich deshalb auch in diesem Punkt als unbegründet. (Regierungsrat, 18. September 2012, Nr. 1034)

Quelle: https://gerichte.lu.ch/recht_sprechung/publikationen
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Bitte beachten Sie, dass keinen Anspruch auf Aktualität/Richtigkeit/Formatierung und/oder Vollständigkeit besteht und somit jegliche Gewährleistung entfällt. Die Original-Entscheide können Sie unter dem jeweiligen Gericht bestellen oder entnehmen.

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