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Urteil Verwaltungsgericht (LU)

Kopfdaten
Kanton:LU
Fallnummer:P 96 4
Instanz:Verwaltungsgericht
Abteilung:Abgaberechtliche Abteilung
Verwaltungsgericht Entscheid P 96 4 vom 09.10.1996 (LU)
Datum:09.10.1996
Rechtskraft:Diese Entscheidung ist rechtskräftig.
Leitsatz/Stichwort:§ 29 PBG. Der Regierungsrat hat mit § 29 PBG eine umfassende Kompetenz erhalten, die Berechnungsweise der Bauziffern und damit auch der Ausnützungsziffern zu regeln. Die getroffene Regelung hält sich in vertretbarem Rahmen.

§ 189 lit. a VRG. An die Voraussetzungen des schutzwürdigen Interesses an einer gerichtlichen Normenkontrolle sind keine allzu hohen Anforderungen zu stellen. Es muss als ausreichend gelten, dass der Eintritt einer Benachteiligung in nicht allzu ferner Zukunft zu erwarten ist. Im Rahmen der gerichtlichen Normenkontrolle sind die Rechtssätze nicht auf ihre Zweckmässigkeit hin zu überprüfen.
Schlagwörter: Berechnung; Berechnungsweise; Antrag; Anrechenbar; Regierungsrat; Recht; Anrechenbare; Anrechenbaren; Fläche; Gemeinde; Privatperson; Kompetenz; Flächen; Antragsteller; Geschossflächen; Ausnützung; Bestimmungen; Regelung; Wesentlichen; Geändert; Untergeschosse; Delegation; Bauziffern; Strittige; Gemeinden; Antragsbefugnis; Worden; Bauliche
Rechtsnorm:-
Referenz BGE:118 Ia 309;
Kommentar zugewiesen:
Spühler, Basler Kommentar zur ZPO, Art. 321 ZPO ; Art. 311 ZPO, 2017
Weitere Kommentare:-
Entscheid
Aufgrund einer Revision des Planungsund Baugesetzes beschloss der Regierungsrat am 19. Dezember 1995 eine Änderung der PBV, die am 1. Januar 1996 in Kraft trat. Neben neuen Bestimmungen über die Verfahrenskoordination wurde darin vor allem eine Änderung der Berechnungsweise der Ausnützungsziffer (AZ) vorgenommen. Dabei wurden die anrechenbaren Geschossflächen (§ 9) und die nicht anrechenbaren Geschossflächen (§ 10) neu definiert. Vorab sollen nicht mehr die für Wohnoder Arbeitszwecke verwendbaren Flächen anrechenbar sein, sondern die tatsächlich vorhandenen Flächen, wobei als weitere Differenz die Aussenmauern nicht mehr hinzugezählt werden (§ 9 Abs. 1 PBV). Nicht angerechnet werden neu die Flächen der nicht sichtbaren Untergeschosse und eines sichtbaren Untergeschosses, jeweils maximal im Umfang der Fläche eines durchschnittlichen Vollgeschosses mit einem Zuschlag von 10 % in den einund zweigeschossigen Zonen und von 20% ab den dreigeschossigen Zonen (§ 10 lit. a PBV). Übergangsrechtlich werden die anrechenbaren Geschossflächen mit einem Faktor 0,8 bei einbis dreigeschossigen und einem Faktor 0,9 ab den viergeschossigen Zonen multipliziert. Dieser Reduktionsfaktor fällt weg, wenn die Gemeinde im Rahmen einer Revision die AZ ändert. Gegen diese Verordnungsänderung reichten diverse Gemeinderäte namens ihrer Gemeinden sowie eine Privatperson im wesentlichen gleichlautende Normprüfungsgesuche ein mit dem Hauptantrag, § 9 und § 10 lit. a PBV in der Fassung vom 19. Dezember 1995 seien unverzüglich aufzuheben. Das Verwaltungsgericht hat den Antrag abgewiesen.

Aus den Erwägungen:

1. - (...)

bb) Neben den Gemeinden hat auch eine Privatperson ein Prüfungsgesuch eingereicht. Zur Begründung ihrer Antragsbefugnis macht sie geltend, sie sei Eigentümerin eines Grundstückes und Miteigentümerin zweier weiterer Grundstücke in der Gemeinde X. Die Ausnützung dieser Grundstücke sei im Rahmen der letzten Zonenplanrevision massiv reduziert worden. Bei grösserer Ausnützung hätte sie (die Privatperson) wesentlich anders überbaut. Zudem sei sie betroffen, weil den Eigentümern der Nachbargrundstücke durch die neue Verordnung eine viel höhere, möglicherweise bis zweieinhalbfache Ausnützung zugestanden werde. Das Baudepartement bezweifelt die Antragsbefugnis der Privatperson, ohne jedoch dafür eine konkrete Begründung zu liefern.

Der Privatperson steht die Antragsbefugnis zu, wenn ihre schutzwürdigen Interessen in absehbarer Zeit durch die Anwendung der angefochtenen Rechtssätze verletzt werden könnten (§ 189 lit. a VRG). Aus Zielund Zwecksetzung der selbständigen verwaltungsgerichtlichen Normenkontrolle heraus sind an die Voraussetzungen des schutzwürdigen Interesses keine allzu hohen Anforderungen zu stellen. Es muss als ausreichend gelten, dass der Eintritt einer Benachteiligung in nicht allzu ferner Zukunft zu erwarten ist. Das dürfte immer dann der Fall sein, wenn ein Antragsteller aufgrund vernünftiger Abwägung aller vorliegenden Umstände für die nahe Zukunft eine Verwaltungsmassnahme zu befürchten hat, die auf der umstrittenen Norm gründet und ihn in seinen rechtlichen Interessen verletzen kann (Urteil Sch. & Co. vom 11.9.1996; LGVE 1985 II Nr. 48 Erw. 2a und 1982 II Nr. 42 Erw. 1a und b). Antragsberechtigt ist aber nicht nur, wer selbst als Normadressat in Frage kommt. Dadurch, dass ein Rechtssatz Dritten einen Vorteil einräumt, kann sich ein Antragsteller nicht in einer grundsätzlich andern Situation als der Adressat einer ihn direkt belastenden Bestimmung befinden, der behauptet, gegenüber andern benachteiligt zu werden (LGVE 1991 II Nr. 16 Erw. 2b, bestätigt in Urteil V. vom 24.2.1994). Im Lichte dieser Rechtsprechung spricht einiges dafür, der Privatperson ein schutzwürdiges Interesse zuzusprechen, zumal die strittige Änderung der Ausnützungsberechnung die Eigentümer auch unterschiedlich treffen kann. Die Frage muss indessen nicht abschliessend beurteilt werden. Ihr Antragsgesuch ist in den wesentlichen Punkten inhaltlich identisch mit den drei andern Gesuchen, auf die ohnehin einzutreten ist. Da, wie noch darzulegen sein wird, auf amtliche Kosten verzichtet wird und keine Parteientschädigungen gesprochen werden, kann die Antragsbefugnis der Privatperson letztlich offen gelassen werden.

(...)

3. - a) Die Normprüfung hat sich gemäss § 188 Abs. 1 VRG auf die Frage zu beschränken, ob bestimmte Rechtssätze verwaltungsrechtlichen Inhalts verfassungsoder gesetzwidrig sind oder sonstwie einem übergeordneten Rechtssatz widersprechen. Dies bedeutet vorab einmal, dass das Verwaltungsgericht im Unterschied zum Regierungsrat bei der Genehmigung von Ortsplanungen (§ 20 Abs. 2 PBG) keine Überprüfung hinsichtlich der Zweckmässigkeit vornehmen darf. Liegt kein Verstoss gegen übergeordnetes Recht vor, kann das Verwaltungsgericht im Rahmen der Normenprüfung nicht einschreiten, selbst wenn die strittige Norm beziehungsweise das dadurch allenfalls notwendige Verfahren als unzweckmässig beurteilt würde.

Soweit die Antragsteller somit sinngemäss geltend machen, die angefochtenen Bestimmungen der PBV zwinge die Gemeinden zu einer erneuten Überprüfung ihrer Ortsplanungen, ist darauf grundsätzlich nicht einzutreten. (...)

4. - Die Antragsteller machen in materieller Hinsicht geltend, die Bestimmungen der §§ 9 und 10 lit. a PBV seien durch die Kompetenznorm von § 29 PBG nicht gedeckt. Die gesetzliche Delegationsnorm des PBG gebe dem Regierungsrat lediglich die Kompetenz, die Berechnungsweise der Bauziffern in einer Vollzugsverordnung zu regeln. Der Regierungsrat habe mit der neuen PBV nicht nur diese Berechnungsweise geändert, sondern direkt das Mass der baulichen Nutzung und damit die bauliche Dichte bestimmt bzw. massiv erhöht. Die AZ sei nach anerkannter Lehre und Rechtsprechung die Verhältniszahl zwischen der anrechenbaren Bruttogeschossfläche eines Gebäudes und der anrechenbaren Grundstückfläche. Als Bruttogeschossfläche gälten alle Flächen, welche objektiv Wohnoder Arbeitszwecken dienten. Mit der teilweisen Nichtanrechnung von Untergeschossen und den neuen Berechnungsfaktoren werde nun nicht nur diese Berechnungsweise geändert, sondern auch die bauliche Nutzung bzw. Dichte direkt wesentlich erhöht. Wie sich aus einem Gutachten ergebe, hätten die geänderten Bestimmungen der PBV Mehrnutzungen von 45% und mehr zur Folge.

Das Baudepartement hält dazu im wesentlichen fest, § 29 PBG gebe dem Regierungsrat die Regelungskompetenz für die Berechnungsweise der AZ. Näheres bestimme das Gesetz nicht. Dem Regierungsrat stehe damit ein weiter Ermessensspielraum zu. Dieser sei nicht überschritten worden. In § 9 PBV sei die anrechenbare Fläche neu definiert worden. Die AZ bleibe aber damit eine Flächenverhältnisziffer. Neu seien die realen Flächen in die Ausnützung einzurechnen. Mit dem Berechnungsfaktor sollen pauschal die bisher abzugsberechtigten Flächen abgegolten werden. Eine direkte Bestimmung der baulichen Dichte werde damit nicht vorgenommen. Da zudem der Gesetzgeber den bisherigen § 24 Abs. 2 PBG, der altrechtliche Dachgeschosse privilegiert habe, aufgehoben habe, sei eine konzeptionelle Neulösung der AZ notwendig geworden. Im übrigen habe man den komplizierten Ausnahmekatalog vereinfachen wollen. Die Berechnungen des Gutachters beschränkten sich auf einzelne konstruierte Beispiele, die aufgrund der rudimentären Skizzen nicht einmal nachvollziehbar seien. Überdies stützten sie sich auf eine alte Version der Verordnung. Die Gemeinden hätten es nach wie vor in der Hand, das Mass der Nutzung zu bestimmen. Notfalls könnten die Gemeinden mit einer Planungszone eine allfällige Verdichtung verhindern, bis die AZ im Rahmen der Ortsplanung geändert worden sei.

a) Das Erfordernis der gesetzlichen Grundlage ist einerseits Voraussetzung der Beschränkung spezifischer Grundrechte, anderseits schützt der Grundsatz der Gewaltentrennung, der nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts durch sämtliche Kantonsverfassungen als Individualrecht der Bürger gewährleistet wird, das Legalitätsprinzip im Zusammenhang mit der Delegation von Rechtsetzungsbefugnissen. Die beiden Aspekte hängen eng zusammen: Grundrechtsbeschränkungen haben auf einer gesetzlichen Grundlage zu beruhen, das heisst sie müssen sich auf eine generell-abstrakte Norm stützen, die ihrerseits materiell und formell verfassungsmässig ist (BGE 118 Ia 309 f).

Die Antragsteller bestreiten weder die Zulässigkeit der Rechtsetzungsdelegation für die Berechnung der AZ noch eine dafür fehlende Grundlage. Sie sind indessen der Auffassung, die angefochtenen Bestimmungen der PBV bewegten sich nicht mehr innerhalb der delegierten Rechtsetzungskompetenz. Dies gilt es nachfolgend zu prüfen.

Die AZ gehört zu den Bauziffern. Nach § 23 Abs. 1 PBG dienen die Bauziffern zur Bestimmung der maximalen und minimalen Nutzung in den Bauzonen. Nach der Definition von § 24 Abs. 1 PBG ist die AZ die Verhältniszahl zwischen der Gesamtheit der anrechenbaren Geschossflächen der Bauten und der anrechenbaren Grundstücksfläche. Die Berechnungsweise der Bauziffern (und damit auch der AZ) wird gemäss § 29 in der Vollzugsverordnung geregelt. Der Regierungsrat hat mit dieser Bestimmung eine umfassende Kompetenz erhalten, die Berechnungsweise der Bauziffern und damit auch der AZ zu regeln. Entgegen der Auffassung der Gesuchsteller wird diese Kompetenz durch § 24 Abs. 1 PBG nicht eingeschränkt. Auch bei einer Änderung der Bestimmungen über die anrechenbaren Geschossflächen bleibt die AZ eine Verhältniszahl zwischen den anrechenbaren Geschossflächen der Bauten und der anrechenbaren Grundstücksfläche. Mit der Kompetenz zur Regelung der Berechnungsweise hat der Regierungsrat eben diese Kompetenz erhalten, festzulegen, welche Geschossflächen anrechenbar seien und welche nicht. Da es keine gesamtschweizerisch einheitliche Berechnungsweise der AZ gibt, war der Regierungsrat diesbezüglich auch nicht an entsprechende Vorgaben gebunden. Wie eine neue Darstellung der Schweizerischen Vereinigung für Landesplanung (VLP) aufzeigt, wird die entsprechende Berechnungsweise vielmehr in letzter Zeit in den Kantonen vermehrt ganz unterschiedlich definiert (vgl. Pressedienst des VLP Nr. 312 vom April 1996). Schon aus dieser Tatsache geht hervor, dass der Gesetzgeber bei der Delegation der Kompetenz zur Regelung der Berechnungsweise der AZ nicht davon ausgehen konnte, diese müsse sich im engen bisherigen Rahmen bewegen. Der Gesetzgeber hat sich denn auch eingehend mit dieser Regelung befasst. Der Regierungsrat hat bereits in der Botschaft zur Teilrevision des PBG vom 3. Mai 1994 die vorgesehene neue Berechnungsweise der AZ dargelegt (Verhandlungen des Grossen Rates 1994 S. 787 und 802). Im Zusammenhang mit der Streichung von § 24 Abs. 2 PBG (der eine Privilegierung der altrechtlichen Dachund Untergeschosse bei der Berechnung der AZ vorsah) wurde in der grossrätlichen Kommission ausführlich über die vorgesehene neue Berechnungsweise der AZ diskutiert, die in wesentlichen Grundzügen bereits vorlag (vgl. beispielsweise Protokoll der Sitzung vom 19. September 1994, S. 2 ff.). Auch bei der Abstimmungskampagne zur Volksabstimmung vom 26. November 1995 war die neue Berechnung der AZ ein zentrales Thema. Entgegen der Darstellung der Antragsteller legte der Regierungsrat auch im Bericht an die Stimmberechtigten vom 26. September 1995 die beabsichtigte neue Berechnungsart dar (vgl. Bericht S. 29). Kurz vor der Abstimmung formierte sich gar ein eigenes Komitee, das die neue Gesetzgebung vor allem wegen der neuen Berechnungsweise der AZ bekämpfte. In Kenntnis dieser Opposition haben sowohl der Grosse Rat wie auch die Stimmbürger der Gesetzesrevision und damit auch der Delegationskompetenz zur Neuregelung der AZ-Berechnung im dargelegten Umfang deutlich zugestimmt. Die strittige PBV ist mithin durchaus durch den Willen des Gesetzgebers abgedeckt.

Durch die Änderung der Berechnungsweise einer AZ wird immer auch die mögliche Baudichte einer Zone verändert. Das liegt in der Natur der Sache. Dass die erhebliche Veränderung der Berechnungsweise der strittigen PBV auch zu wesentlichen Veränderungen der Baudichte führen kann, ist unbestreitbar. Dass eine erhebliche generelle Erhöhung der möglichen Baudichte eintreten wird, ist indessen nicht erkennbar. Bei ebenerdigen Bauten wird die Mehrnutzung vorab durch den Verzicht auf die Mitberechnung der Aussenmauern und den Berechnungsfaktor von 0,8 oder 0,9 verursacht. Diese Mehrnutzung wird indessen teilweise evtl. sogar ganz durch die volle Anrechnung bisher wegfallender Nebenräume und altrechtlicher Dachgeschosse kompensiert. Es sind sogar Fälle denkbar, für die die geänderte Berechnungsweise eine Mindernutzung zur Folge hat. Erhebliche Mehrnutzungen können denn auch vorab in Hanglagen wegen der beschränkten Anrechnung der Untergeschosse auftreten. Das von den Antragstellern aufgelegte Arbeitspapier des Gutachters zeigt denn auch Beispiele in Hanglagen auf. Aus den Beratungsunterlagen des Grossen Rates geht zwar hervor, dass eine höhere Baudichte mindestens zum Teil als erwünschte Nebenwirkung der neuen Berechnungsweise der AZ in Kauf genommen wurde. Hauptsächliche Zielsetzungen waren indessen eine einfachere Berechnungsweise und eine Kompensation der Aufhebung von § 24 Abs. 2 PBG.

Zusammenfassend kann festgestellt werden, dass dem Regierungsrat für die Regelung der Berechnungsweise ein erheblicher Ermessensspielraum zur Verfügung stand und sich die getroffene Regelung in vertretbarem Rahmen hält. In Anbetracht der dargelegten zurückhaltenden Praxis bei der Normprüfung kann die strittige PBV als durch die Delegationsgrundlage im PBG gedeckt bezeichnet werden.
Quelle: https://gerichte.lu.ch/recht_sprechung/publikationen
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