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Urteil andere Verwaltungsbehörden (LU - MPUD 2000 1)

Zusammenfassung des Urteils MPUD 2000 1: andere Verwaltungsbehörden

Die Fremdenpolizei lehnte das Gesuch des marokkanischen Beschwerdeführers für eine Niederlassungsbewilligung ab, da er nicht über ausreichende finanzielle Mittel verfügte, um seine Familie zu unterstützen. Der Beschwerdeführer legte Beschwerde ein, um die Niederlassungsbewilligung zu erhalten, mit dem Argument, dass er bessere Arbeitschancen mit dieser Bewilligung hätte. Die Vorinstanz beantragte die Abweisung der Beschwerde, da Ausländer grundsätzlich keinen Anspruch auf eine Niederlassungsbewilligung haben. Trotzdem muss die Behörde alle relevanten Interessen sorgfältig abwägen. Letztendlich wurde dem Beschwerdeführer die Niederlassungsbewilligung verweigert, da ein konkretes Fürsorgerisiko bestand.

Urteilsdetails des Verwaltungsgerichts MPUD 2000 1

Kanton:LU
Fallnummer:MPUD 2000 1
Instanz:andere Verwaltungsbehörden
Abteilung:Militär-, Polizei- und Umweltschutzdepartement
andere Verwaltungsbehörden Entscheid MPUD 2000 1 vom 29.08.2000 (LU)
Datum:29.08.2000
Rechtskraft:Diese Entscheidung ist rechtskräftig.
Leitsatz/Stichwort:Erteilung einer Niederlassungsbewilligung. Fürsorgerisiko. Artikel 11 Absatz 1 ANAV. Vor der Erteilung einer Niederlassungsbewilligung ist zu prüfen, ob die gesuchstellende Person kein Fürsorgerisiko darstellt. Die erforderlichen finanziellen Mittel für den Unterhalt der gesuchstellenden Person und ihrer Familie sind dabei in analoger Anwendung von Artikel 39 Absatz 1c BVO nach den Richtlinien der Schweizerischen Konferenz für Sozialhilfe (SKOS) zu ermitteln. Da die Niederlassungsbewilligung einen Anspruch auf Nachzug der Familie einräumt, ist es für die Prüfung unerheblich, ob sich die Familienangehörigen in der Schweiz oder im Ausland befinden.

Schlagwörter: Niederlassung; Familie; Niederlassungsbewilligung; Familien; Familiennachzug; Aufenthalt; Person; Schweiz; Fürsorge; Erteilung; Kinder; Ausländer; Fürsorgerisiko; Richtlinien; Gesuch; Unterhalt; Verhältnisse; Ermessen; Anspruch; Aufenthaltsbewilligung; SKOS-Richtlinien; Beschwerdeführers; Bewilligung; Personen; Voraussetzung; Begründung; Vorinstanz
Rechtsnorm:-
Referenz BGE:120 Ib 18; 122 II 8;
Kommentar:
-

Entscheid des Verwaltungsgerichts MPUD 2000 1

1. Die Fremdenpolizei wies am 14. Februar 2000 das Gesuch des marokkanischen Beschwerdeführers vom 15. Oktober 1999, mit dem er um Erteilung einer Niederlassungsbewilligung ersucht hatte, ab. Zur Begründung führte sie an, sie habe am 27. August 1999 sein Gesuch um Familiennachzug für seine Frau und seine zwei Kinder abgelehnt, weil er nicht über genügend finanzielle Mittel für den Unterhalt für sich und seine Familie verfüge. Da er seine Familie in die Schweiz nachziehen wolle, aber nicht über genügend finanzielle Mittel verfüge, bestehe ein konkretes Fürsorgerisiko.

2. Der Beschwerdeführer reichte dagegen am 28. Februar 2000 beim Militär-, Polizeiund Umweltschutzdepartement fristgerecht Verwaltungsbeschwerde ein. Er beantragte, es sei ihm die Niederlassungsbewilligung zu erteilen. Dabei machte er geltend, er werde darauf verzichten, seine Familie nachzuziehen, solange er nicht über bessere finanzielle Verhältnisse verfüge. Er verspreche sich aber auf dem Arbeitsmarkt bessere Chancen mit der Niederlassungsbewilligung.

3. Die Vorinstanz beantragte am 15. Mai 2000 die Abweisung der Beschwerde.

4. Gemäss Artikel 4 des Bundesgesetzes über Aufenthalt und Niederlassung der Ausländer (ANAG) vom 26. März 1931 entscheidet die Behörde im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften und der Verträge mit dem Ausland nach freiem Ermessen über die Bewilligung von Aufenthalt Niederlassung. Ausländerinnen und Ausländer haben grundsätzlich keinen Anspruch auf Erteilung einer Niederlassungsoder Aufenthaltsbewilligung, soweit sie sich nicht auf eine Sondernorm des Bundesrechts eines Staatsvertrags berufen können, die ihnen einen Anspruch auf eine solche Bewilligung einräumt (BGE 120 Ib 18). Der Beschwerdeführer kann sich auf keine Bestimmung des schweizerischen Rechts berufen, wonach ihm ein Rechtsanspruch auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung zustünde. Die Behörde hat somit nach freiem Ermessen über die Bewilligung zu befinden.

Entscheiden nach Ermessen heisst nicht Entscheiden nach Belieben. Die Behörde ist an die aus Sinn und Zweck der gesetzlichen Ordnung sich ergebenden Kriterien gebunden. Eine pflichtgemässe Ermessensbetätigung verlangt, dass alle in der Sache erheblichen Interessen berücksichtigt und sorgfältig abgewogen werden. Ermessen bleibt an allgemeine Grundsätze gebunden, wie Verbot von Willkür und rechtsungleicher Behandlung, Gebot von Treu und Glauben der Grundsatz der Verhältnismässigkeit von Verwaltungsakten (Max Imboden/René A. Rhinow, Schweizerische Verwaltungsrechtssprechung, 5. Auflage, Basel und Stuttgart 1976, Nr. 67 B.I).

5. Die Niederlassungsbewilligung wird praxisgemäss in der Regel frühestens nach zehnjährigem ununterbrochenem Aufenthalt erteilt. Das ANAG enthält diesbezüglich keine entsprechende Vorschrift. Nach Artikel 11 Absatz 1 der Vollziehungsverordnung zum Bundesgesetz über Aufenthalt und Niederlassung der Ausländer (ANAV) vom 1. März 1949 ist vor der Erteilung der Niederlassungsbewilligung das bisherige Verhalten des Ausländers nochmals eingehend zu prüfen. Angesichts der Tragweite, welche einer Niederlassungsbewilligung zukommt, ist eine strenge Prüfung unerlässlich. Insbesondere müssen die gesuchstellenden Personen in geordneten finanziellen Verhältnissen leben, sie dürfen kein Fürsorgerisiko darstellen. Es wäre fragwürdig, Ausländern die Niederlassungsbewilligung zu erteilen, gegen welche - wenn auch nur potenziell - die Voraussetzungen für die Anordnung von Entfernungsoder Fernhaltemassnahmen gegeben wären (Peter Kottusch, Die Niederlassungsbewilligung gemäss Art. 6 ANAG, in: ZBl 87/1986 S. 518f.).

6. Die Vorinstanz hat dem Beschwerdeführer die Niederlassungsbewilligung einzig mit der Begründung verweigert, dass ein konkretes Fürsorgerisiko bestehe, weil er nicht über genügend finanzielle Mittel für den Unterhalt für sich und seine Familie verfüge, die er nachzuziehen beabsichtige. Die übrigen Voraussetzungen, wie die Aufenthaltsdauer, das bisherige Verhalten, eine gefestigte Arbeitsstelle usw., scheinen der Erteilung einer Niederlassungsbewilligung an den Beschwerdeführer nicht entgegenzustehen.

6.1 Die Ehefrau und die zwei Kinder des Beschwerdeführers leben in Marokko. Der Beschwerdeführer stellte am 20. Juni 1999 ein Gesuch um Familiennachzug für seine Ehefrau und seine zwei Kinder. Die Vorinstanz lehnte dieses Gesuch am 27. August 1999 mit der Begründung ab, der Beschwerdeführer verfüge nicht über genügend finanzielle Mittel für den Unterhalt für sich und seine Familie, weshalb ein konkretes Fürsorgerisiko bestehe.

6.2 Eine Person, die über eine Aufenthaltsbewilligung verfügt, hat grundsätzlich keinen Anspruch auf Familiennachzug. Wer dagegen eine Niederlassungsbewilligung besitzt, hat nach Artikel 17 Absatz 2 ANAG einen solchen Anspruch. Die Voraussetzungen zur Bewilligung des Familiennachzugs sind also unterschiedlich, je nachdem ob die betroffene Person über eine Niederlassungsoder bloss über eine Aufenthaltsbewilligung verfügt.

6.3 Bei einer Person mit Aufenthaltsbewilligung richtet sich der Familiennachzug nach den Artikeln 38 und 39 der Verordnung über die Begrenzung der Zahl der Ausländer (BVO) vom 6. Oktober 1986. Danach muss die aufenthaltsberechtigte Person u.a. über genügend finanzielle Mittel für den Unterhalt für sich und ihre Familie verfügen, damit der Familiennachzug bewilligt werden kann (Art. 39 Abs. 1c BVO). Diese Voraussetzung bezweckt, dass die um Familiennachzug ersuchende Person und ihre Familienangehörigen dem Sozialstaat voraussichtlich nicht zur Last fallen werden. Im Kanton Luzern wird daher bei der Prüfung, ob genügend finanzielle Mittel im Sinn von Artikel 39 Absatz 1c BVO vorhanden sind, auf die für die Sozialhilfe massgebenden Richtlinien der Schweizerischen Konferenz für Sozialhilfe (SKOS-Richtlinien) abgestellt (LGVE 1999 III Nr. 1). Denn wer das erforderliche Einkommen nach den SKOS-Richtlinien nicht erreicht, kann grundsätzlich Sozialhilfe in Anspruch nehmen.

6.4 Im Unterschied dazu darf der Familiennachzug einer Person mit Niederlassungsbewilligung nach bundesgerichtlicher Rechtsprechung nur verweigert werden, wenn die Gefahr einer fortgesetzten und erheblichen Fürsorgeabhängigkeit im Sinn von Artikel 10 Absatz 1d ANAG gegeben ist. Dabei ist von den aktuellen Verhältnissen auszugehen, die wahrscheinliche finanzielle Entwicklung aber auf längere Sicht abzuwägen (vgl. BGE 122 II 8 E. 3c). Nach der Rechtsprechung muss eine Person mit Niederlassungsbewilligung daher grundsätzlich lediglich über das betreibungsrechtliche Existenzminimum verfügen, damit der Familiennachzug bewilligt wird (vgl. Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons Luzern vom 28. Januar 2000 im Fall V 99.54, E. 3b), wobei nach dem Gesagten wahrscheinliche künftige Zusatzeinkommen der Familie mitzuberücksichtigen sind. Da das betreibungsrechtliche Existenzminimum erheblich unter dem fürsorgerischen Minimalbedarf nach den SKOS-Richtlinien liegt, wird damit bewusst in Kauf genommen, dass Familien, deren Einkommen unter dem fürsorgerischen Minimalbedarf liegt, voraussichtlich ab Einreise in die Schweiz die öffentliche Fürsorge beanspruchen werden und erst dann wieder zum Verlassen der Schweiz angehalten werden können, wenn sie der öffentlichen Wohltätigkeit fortgesetzt und in erheblichem Mass zur Last fallen (Art. 10 Abs. 1d ANAG).

6.5 Wer die Erteilung einer Niederlassungsbewilligung beantragt, beabsichtigt in der Regel, die Schweiz zu seinem Lebensmittelpunkt zu machen (vgl. dazu beispielsweise Art. 9 Abs. 3c ANAG, wonach die Niederlassungsbewilligung dahinfällt, wenn sich der die Betroffene abmeldet während sechs Monaten tatsächlich im Ausland aufhält). Es ist nahe liegend, dass niedergelassene Personen mit ihren Ehegatten und den noch nicht erwachsenen Kindern möglichst zusammenleben wollen. Wer eine Niederlassungsbewilligung besitzt, holt denn auch regelmässig seine Familie zu sich. Es ist deshalb angezeigt, die finanziellen Verhältnisse Gesuchstellender zur Abschätzung des Fürsorgerisikos vor der Erteilung der Niederlassungsbewilligung generell so zu prüfen, wie wenn ihre ganze Familie in der Schweiz lebte.

Eine Niederlassungsbewilligung ist demnach nur noch zu erteilen, wenn die gesuchstellenden Personen über genügend finanzielle Mittel für den Unterhalt für sich und ihre Familien verfügen. Dabei ist auf die SKOS-Richtlinien abzustellen. Die Berechnung erfolgt analog der Praxis für den Familiennachzug bei Personen mit einer Aufenthaltsbewilligung. Es ist zu beachten, dass der Familiennachzug bei Niedergelassenen grundsätzlich bis zum Erreichen der Volljährigkeit möglich ist. Im Unterschied zum Familiennachzug von Aufenthaltern und Aufenthalterinnen sind daher alle Kinder bis zum Erreichen des 18. Altersjahres zu berücksichtigen. Weiter ist, wenn der die Betroffene nicht über eine angemessene, ausreichend grosse Wohnung verfügt, ein Mietzins in die Berechnung aufzunehmen, für den auf dem Wohnungsmarkt eine entsprechende, billige Wohnung gefunden werden kann. Verfügt die betroffene Person nicht über genügend finanzielle Mittel nach den SKOS-Richtlinien, besteht ein Fürsorgerisiko und die Niederlassungsbewilligung ist zu verweigern. Nur so kann die Gefahr der Fürsorgeabhängigkeit, die in Kauf genommen wird, sobald jemand über eine Niederlassungsbewilligung verfügt, minimiert werden.

6.6 Bei dieser Ausgangslage greift der Einwand des Beschwerdeführers nicht, die Lebenshaltungskosten seien in Marokko kleiner als in der Schweiz. Im Übrigen wirken sich die unterschiedlichen Lebenshaltungskosten auch bei den Kinderzulagen nicht aus. Diese betragen gleich viel, ob sich die Kinder in der Schweiz im Ausland aufhalten. Die Zusicherung des Beschwerdeführers, er werde seine Familie erst nachziehen, wenn er über bessere finanzielle Verhältnisse verfüge, ist nicht bindend und kann deshalb ebenfalls nicht berücksichtigt werden.
Quelle: https://gerichte.lu.ch/recht_sprechung/publikationen
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