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Urteil andere Verwaltungsbehörden (LU - JSD 2005 8)

Zusammenfassung des Urteils JSD 2005 8: andere Verwaltungsbehörden

Der Gemeinderat verhängte eine Vormundschaft über den Beschwerdeführer aufgrund von Trunksucht und Misswirtschaft. Der Beschwerdeführer legte Beschwerde ein und argumentierte, dass er seine Alkoholprobleme überwunden habe und nicht verwahrlost oder verwirrt sei. Es wurde geprüft, ob die Voraussetzungen für eine Bevormundung nach Artikel 370 ZGB erfüllt sind, insbesondere bezüglich Trunksucht und Misswirtschaft. Aufgrund unzureichender Beweise für diese Entmündigungsvoraussetzungen wurde die Verwaltungsbeschwerde gutgeheissen, der Entscheid aufgehoben und die Angelegenheit zur erneuten Prüfung an die Vorinstanz zurückverwiesen. Es ist unklar, ob eine spätere Bevormundung notwendig ist, und die Vorinstanz muss weitere Feststellungen zur Vermögensverwaltung und den Gründen für die finanzielle Situation des Beschwerdeführers treffen.

Urteilsdetails des Verwaltungsgerichts JSD 2005 8

Kanton:LU
Fallnummer:JSD 2005 8
Instanz:andere Verwaltungsbehörden
Abteilung:Justiz- und Sicherheitsdepartement
andere Verwaltungsbehörden Entscheid JSD 2005 8 vom 25.10.2005 (LU)
Datum:25.10.2005
Rechtskraft:Dieser Entscheid ist rechtskräftig.
Leitsatz/Stichwort:Errichtung einer Vormundschaft. Sachverhaltsermittlung. Artikel 370 ZGB; § 53 VRG. Ob die Entmündigungsvoraussetzungen der Trunksucht und der Misswirtschaft im Sinn von Artikel 370 ZGB gegeben sind, hat die Behörde von Amtes wegen zu ermitteln.

Schlagwörter: Misswirtschaft; Entmündigung; Murer; Vorinstanz; Schnyder/Murer; Vermögens; Einkommens; Trunksucht; Verschwendung; Vermögensverwaltung; Alkohol; Akten; Entmündigungsvoraussetzung; Beschwerdeführers; Vormundschaft; Person; Sicherheit; Verstand; Willen; Verminderung; Mangel; Alkoholprobleme; Schutz; Ausgaben; Geschäftsführung; Verhalten; Bevormundung; Verhältnisse
Rechtsnorm: Art. 370 ZGB ;Art. 374 ZGB ;
Referenz BGE:92 II 141;
Kommentar:
-

Entscheid des Verwaltungsgerichts JSD 2005 8

Der Gemeinderat errichtete mit Entscheid vom 23. März 2005 über den Beschwerdeführer gestützt auf Artikel 370 ZGB eine Vormundschaft wegen Trunksucht und Misswirtschaft. Dieser erhob in der Folge Beschwerde beim Justizund Sicherheitsdepartement, wobei er die Aufhebung der Vormundschaft verlangte. Zur Begründung seines Antrags führte er im Wesentlichen an, dass er seine Alkoholprobleme überwunden habe und weder verwahrlost noch verwirrt sei.

2. Nach Artikel 370 ZGB gehört jede mündige Person unter Vormundschaft, die durch Verschwendung, Trunksucht, lasterhaften Lebenswandel durch die Art und Weise ihrer Vermögensverwaltung (Misswirtschaft) sich ihre Familie der Gefahr eines Notstandes der Verarmung aussetzt, zu ihrem Schutz dauernd des Beistandes und der Fürsorge bedarf die Sicherheit anderer gefährdet (vgl. zum Ganzen: Hans Michael Riemer, Grundriss des Vormundschaftsrechts, 2.Aufl. Bern 1997, § 4 N 20ff.; Bernhard Schnyder/Erwin Murer, Berner Kommentar, Bern 1984, N 1ff. zu Art. 370 ZGB; Ernst Langenegger, Basler Kommentar, 2.Aufl. Basel 2002, N 1ff. zu Art. 370 ZGB).

3. Damit eine Person nach Artikel 370 ZGB bevormundet werden kann, muss mindestens eine der Entmündigungsvoraussetzungen im engeren Sinn (Verschwendung, Trunksucht, lasterhafter Lebenswandel, Misswirtschaft) und mindestens eine der Schutzbedürftigkeiten gemäss Artikel 370 ZGB vorliegen (Schnyder/Murer, a.a.O., N 142 zu Art. 370 ZGB).

3.1 Trunksucht im Sinn des Artikels 370 ZGB liegt vor, wenn eine Person nicht mehr aus eigener Kraft auf den übermässigen Genuss von Alkohol verzichten kann (Schnyder/Murer, a.a.O., N 106 zu Art. 370 ZGB; Langenegger, a.a.O., N 5 zu Art. 370 ZGB).

Aus den Akten der Vorinstanz wie auch aus der Beschwerdeschrift geht hervor, dass beim Beschwerdeführer Alkoholprobleme vorgelegen haben. Der Beschwerdeführer bestreitet jedoch die Feststellung der Vorinstanz, dass diese Alkoholprobleme nach wie vor aktuell seien. Die Vorinstanz musste sich ihren Angaben gemäss schon in früheren Jahren verschiedentlich mit dem Beschwerdeführer und seinen Problemen, die er aufgrund übermässigen Alkoholkonsums hatte, auseinandersetzen. Obwohl in den Akten gewisse Anhaltspunkte für einen möglichen Rückfall gegeben sind, geht indessen daraus nicht rechtsgenüglich hervor, dass beim Beschwerdeführer Trunksucht im Sinn einer Entmündigungsvoraussetzung gegeben ist.

3.2 Zu prüfen ist weiter, ob beim Beschwerdeführer die Entmündigungsvoraussetzung der Misswirtschaft vorliegt. Von Misswirtschaft im Sinn von Artikel 370 ZGB ist zu sprechen, wenn eine Person wegen eines charakterbedingten Mangels an Verstand Willen dauernd auf unsinnige Art und Weise ihr Vermögen verwaltet (oder eben nicht verwaltet) beziehungsweise ihre Einkommensverhältnisse gestaltet. Der Ausdruck der Misswirtschaft kommt nur im Randtitel von Artikel 370 ZGB vor, der eigentliche Gesetzestext umschreibt die Misswirtschaft als "Art und Weise der Vermögensverwaltung", die zu Notstand und Verarmung usw. führt (vgl. Schnyder/Murer, a.a.O., N 48 zu Art. 370 ZGB). Die Misswirtschaft betrifft die gesamte, die Einnahmen wie die Ausgaben betreffende Gestaltung der wirtschaftlichen Existenz. Sie unterscheidet sich insofern vom Entmündigungsgrund der Verschwendung, welcher sich allein auf die Ausgabenseite und hier auch nur auf das aktive Verschleudern, Vergeuden, Vertun für sinnund zwecklose Dinge bezieht. Anders als die Verschwendung erfasst die Misswirtschaft das Vernachlässigen des Einkommens (z.B. durch Nichtsoder Zuwenig-Tun) wie auch die Verminderung der wirtschaftlichen Substanz durch passives Unterlassen durch aktives, aber nicht-verschwenderisches Gebaren (z.B. durch ständiges, auf Mangel an Verstand Willen beruhendes, in grober Weise gegen elementare Regeln einer vernünftigen Geschäftsführung verstossendes Verhalten). Grosser Aufwand für unsinnige Luxusbedürfnisse ist Verschwendung, während Finanzverlust infolge unsinnigen Ge-

schäftsgebarens Misswirtschaft darstellt (vgl. Schnyder/Murer, a.a.O., N 23 zu Art. 370 ZGB). Eine Bevormundung zum blossen Zweck, der Behörde den sonst fehlenden Einblick in die Verhältnisse zu verschaffen, ist nicht zulässig (BGE 92 II 141 E. 3e S. 146).

Als objektive Voraussetzungen für Misswirtschaft gelten eine bereits erfolgte Verminderung des eigenen Vermögens Einkommens durch ein Tun Unterlassen, wobei die Verminderung auf eine unsinnige, aber nicht verschwenderische Art und Weise der Vermögensverwaltung bzw. Einkommensgestaltung zurückzuführen sein muss. Die Ausgaben haben zudem in einem Missverhältnis zur wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des Betroffenen zu stehen (vgl. Schnyder/Murer, a.a.O., N 54ff. zu Art. 370 ZGB). In subjektiver Hinsicht muss das misswirtschaftliche Verhalten in einem charakterbedingten Mangel an Verstand Willen begründet sein. Obwohl das Gesetz hinsichtlich der in Artikel 370 ZGB genannten Entmündigungsgründe eine Begutachtung nicht ausdrücklich vorschreibt, ist es auch in diesen Fällen oft angezeigt, den Rat eines Sachverständigen einzuholen (vgl. Schnyder/Murer, a.a.O., N 140 zu Art. 374 ZGB).

Den Akten ist zu entnehmen, dass sich die wirtschaftlichen Verhältnisse des Beschwerdeführers - gemessen an der Steuerrechnung - seit 1995 verschlechtert haben und dass er seit 2001 jährlich nur noch Steuern von 120 Franken weniger zu entrichten hatte. Aus den Akten geht weiter hervor, dass gegen den Beschwerdeführer in der Zeit von Juli 2002 bis Mai 2005 Betreibungen im Gesamtbetrag von Fr. 86225.90 eingeleitet und seit dem Jahr 2000 insgesamt 66 Verlustscheine über eine Gesamtsumme von Fr. 126812.15 ausgestellt wurden. Die Forderungen, für die der Beschwerdeführer betrieben wurde, erstrecken sich auf alle Bereiche: Steuern, AHV, Krankenkasse, Gesundheitskosten, Telefon-, Radiound Fernsehgebühren, Lebensmittel (Wein), Konsumgüter (Möbel) sowie Lieferantenschulden. Der Beschwerdeführer gab anlässlich der Befragung vom Februar 2005 zu Protokoll, Lieferantenschulden in der Höhe von zirka 7000 Franken zu haben, andere Schulden Betreibungen bestünden nicht. In der Beschwerdeschrift bezifferte er seine Schulden auf 50000 Franken.

Die Verschlechterung der wirtschaftlichen Verhältnisse, die Verschuldung und der Umstand, dass der Beschwerdeführer keinen Überblick über seine Schuldensituation zu haben scheint, legen die Annahme einer Misswirtschaft nahe. Um eine Entmündigung nach Artikel 370 ZGB zu rechtfertigen, muss die schlechte Finanzlage des Beschwerdeführers aber durch unsinnige Vermögensverwaltung liederliche Geschäftsführung verursacht worden sein. Ist sie beispielsweise auf Konjunktureinbruch, Fehlkalkulationen, unnötige Anschaffungen und Investitionen Krankheit zurückzuführen, kann eine Entmündigung aufgrund von Misswirtschaft nicht in Frage kommen (vgl. BGE 92 II 141 E. 3c S. 145f.; Schnyder/Murer, a.a.O., N 57 zu Art. 370 ZGB). Vorliegend fehlt es an näheren Angaben darüber, worauf die Verminderung des Einkommens und allenfalls des Vermögens zurückzuführen ist. Aus den Akten und der Begründung der Vorinstanz ist nicht ersichtlich, ob die Geschäftsführung des Beschwerdeführers zweckmässig unwirtschaftlich ist. Schliesslich fehlen Angaben darüber, ob das geltend gemachte misswirtschaftliche Verhalten des Beschwerdeführers auf einem charakterbedingten Mangel an Verstand Willen beruht. Mit anderen Worten ergeben sich durch die vorliegenden Anhaltspunkte keine genügenden Hinweise auf eine Misswirtschaft.

Da es bereits an den Entmündigungsvoraussetzungen im engeren Sinn fehlt, braucht im Rahmen dieses Beschwerdeverfahrens die weitere Voraussetzung der besonderen Schutzbedürftigkeit sowie die Frage der Verhältnismässigkeit nicht näher geprüft zu werden.

3.3 Zusammenfassend fehlt es vorliegend am rechtsgenüglichen Nachweis, dass beim Beschwerdeführer die Voraussetzungen für eine Bevormundung nach Artikel 370 ZGB gegeben sind. Die Verwaltungsbeschwerde ist daher gutzuheissen, der angefochtene Entscheid aufzuheben und die Sache zur Neubeurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen. Es hängt von einer eingehenderen Abklärung des Sachverhalts durch die Vorinstanz ab, ob eine Bevormundung - in einem späteren Zeitpunkt - anzuordnen ist. Bezüglich der Entmündigungsvoraussetzung der Misswirtschaft hat die Vorinstanz insbesondere Feststellungen zu treffen über die Art und Weise der Vermögensverwaltung beziehungsweise die Einkommensgestaltung des Beschwerdeführers, über die Gründe, welche zur gegenwärtigen Situation geführt haben sowie über die Folgen, die sich daraus für den Beschwerdeführer mit Sicherheit ergeben werden. Die Vorinstanz wird dabei zunächst zu prüfen haben, ob sich als Sofortmassnahme die Errichtung einer Beistandschaft einer Beiratschaft aufdrängt. (Justizund Sicherheitsdepartement, 25. Oktober 2005)
Quelle: https://gerichte.lu.ch/recht_sprechung/publikationen
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