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Urteil Verwaltungsgericht (LU - A 97 238)

Zusammenfassung des Urteils A 97 238: Verwaltungsgericht

Der 1962 geborene A lebte vorübergehend in den USA und hatte seine Schriften bei seiner Heimatgemeinde in Luzern deponiert. Er beantragte 1996 eine Prämienverbilligung bei der AHV-Zweigstelle X, die ihm bewilligt wurde. Später forderte die Ausgleichskasse den Betrag zurück. A argumentierte vor dem Verwaltungsgericht, dass er auf die Auskunft der Behörde vertraut habe und somit Anspruch auf Treu und Glauben habe. Das Gericht stimmte ihm zu und hob die Rückerstattungsverfügung auf, da die Voraussetzungen für den Vertrauensschutz erfüllt waren.

Urteilsdetails des Verwaltungsgerichts A 97 238

Kanton:LU
Fallnummer:A 97 238
Instanz:Verwaltungsgericht
Abteilung:Abgaberechtliche Abteilung
Verwaltungsgericht Entscheid A 97 238 vom 02.12.1997 (LU)
Datum:02.12.1997
Rechtskraft:Diese Entscheidung ist rechtskräftig.
Leitsatz/Stichwort:Art. 4 BV; § 21 PVG. Grundsatz von Treu und Glauben; Schutz des berechtigten Vertrauens in behördliche Zusicherungen (sog. Vertrauensschutz). Anspruchsvoraussetzungen für eine vom objektiven Recht abweichende Behandlung, wenn der Bürger im berechtigten Vertrauen auf ein Verhalten der Behörde nachteilige und nicht wiedergutzumachende Dispositionen getroffen hat. Rückerstattung zu Unrecht ausbezahlter Prämienverbilligungsleistungen.
Schlagwörter: Prämienverbilligung; Auskunft; Behörde; Vertrauen; AHV-Zweigstelle; Bürger; Kanton; Vertrauens; Recht; Luzern; Gesuch; Anspruch; Glauben; Grundsatz; Vorinstanz; Verhalten; Schriften; Heimatgemeinde; Ausgleichskasse; Zuständigkeit; Prämienverbilligungsanspruch; Rechtsprechung; Vertrauensschutz; Zusicherung; Dispositionen; Beschwerdeführers; Voraussetzung
Rechtsnorm: Art. 4 BV ;
Referenz BGE:101 Ia 120; 118 Ib 316;
Kommentar:
-

Entscheid des Verwaltungsgerichts A 97 238

Der 1962 geborene A lebt mit seiner Familie seit dem 1. Januar 1995 zur beruflichen Weiterbildung vorübergehend in Z, USA. Bis zu seiner Ausreise aus der Schweiz hatte er seinen Wohnsitz in der Stadt Y, ausserhalb des Kantons Luzern. Für die Zeit des Auslandaufenthaltes deponierte er seine Schriften bei der Heimatgemeinde X im Kanton Luzern. Im Februar 1996 stellte A bei der AHV-Zweigstelle X ein Gesuch um Prämienverbilligung für 1996. Am 24. Mai 1996 teilte die Ausgleichskasse Luzern dem Gesuchsteller mit, dass er Anspruch auf Prämienverbilligung in der Höhe von Fr. 4344.- habe. Dieser Betrag wurde ihm in der Folge ausbezahlt. Mit Verfügung vom 21. Mai 1997 forderte die Ausgleichskasse von A den ihm zugesprochenen Betrag wieder zurück.

Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde lässt A beantragen, die Rückerstattungsverfügung sei aufzuheben.

Das Verwaltungsgericht hat eine Verletzung des Grundsatzes von Treu und Glauben bejaht und die Beschwerde mit folgender Begründung gutgeheissen:

1.-3. - (Ausführungen darüber, dass der nicht im Kanton Luzern wohnhafte Beschwerdeführer keinen Anspruch auf Prämienverbilligung für 1996 gehabt hätte und dass die zu Unrecht ausbezahlten Leistungen rückerstattungspflichtig sind.)

4. - a) Der Beschwerdeführer macht im weiteren geltend, er habe in guten Treuen davon ausgehen dürfen, dass die von der Vorinstanz vorgenommene Anknüpfung am Heimatort X zutreffend sei. Es würde dem Grundsatz von Treu und Glauben widersprechen, wollte man nun ihm im Nachhinein «einen Strick» aus dieser Sache drehen. Die Vorinstanz habe vielmehr die Konsequenzen des wechselseitig irrtümlich gewählten Anknüpfungspunktes - eben des Heimatortes - zu tragen, weil es der Behörde obliege, ihre Zuständigkeit von Amtes wegen zu prüfen. Anders zu entscheiden hiesse, den Beschwerdeführer um seinen Prämienverbilligungsanspruch zu prellen, den er ohne weiteres in Y hätte erhältlich machen können, wenn er nicht auf die sich nachträglich als falsch erweisenden Auskünfte der Behörden abgestellt hätte. Er macht damit eine Verletzung des allgemeinen Grundsatzes von Treu und Glauben geltend.

b) Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts verleiht der aus Art. 4 BV abgeleitete Grundsatz von Treu und Glauben dem Bürger einen Anspruch auf Schutz des berechtigten Vertrauens in behördliche Zusicherungen sonstiges, bestimmte Erwartungen begründendes Verhalten der Behörde (sog. Vertrauensschutz). Eine unrichtige Auskunft Zusicherung, die eine Behörde dem Bürger erteilt und auf die er sich verlassen hat, ist unter gewissen Umständen bindend.

Rechtsprechungsgemäss hat ein Bürger Anspruch auf eine vom objektiven Recht abweichende Behandlung, wenn er im berechtigten Vertrauen auf ein Verhalten der Behörde gewisse nachteilige und nicht wiedergutzumachende Dispositionen getroffen hat. Für die Behörde gilt das Verbot widersprüchlichen Verhaltens namentlich in der Weise, dass sie auf eine von ihr geschaffene Vertrauensgrundlage, die bestimmte Erwartungen begründet und die zur Vertrauensbetätigung durch Private geführt hat, nicht zurückkommen kann. Allerdings rechtfertigt nicht jedes Vertrauen eine vom Gesetz abweichende Behandlung. Nach der Rechtsprechung ist ein Verhalten einer Behörde - namentlich eine falsche Auskunft - nur dann bindend, wenn

1. die Behörde in einer konkreten Situation mit Bezug auf bestimmte Personen gehandelt hat,

2. sie für die Erteilung der betreffenden Auskunft zuständig war wenn der Bürger die Behörde aus zureichenden Gründen als zuständig betrachten durfte,

3. der Bürger die Unrichtigkeit der Auskunft nicht ohne weiteres erkennen konnte,

4. er im Vertrauen auf die Richtigkeit der Auskunft Dispositionen getroffen hat, die nicht ohne Nachteil rückgängig gemacht werden können,

5. die gesetzliche Ordnung seit der Auskunfterteilung keine Änderung erfahren hat.

Diese Voraussetzungen müssen kumulativ erfüllt sein (vgl. BGE 118 Ib 316 Erw. 3b, 117 Ia 287 Erw. 2b, 116 Ib 187 Erw. 3, je mit Hinweisen; LGVE 1992 II Nr. 15 Erw. 2, 1986 II Nr. 18; Urteil W. vom 26.1.1996).

aa) Unter dem Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes vermag in der Regel nur eine individuell-konkrete, d.h. an einen bestimmten Bürger gerichtete und auf einen bestimmten Fall bezogene Zusicherung der Verwaltungsbehörde eine Abweichung vom Gesetz zu rechtfertigen (BGE 101 Ia 120 Erw. 2a). Wie aus den Akten ersichtlich und von der Vorinstanz nicht bestritten, hat sich der Vater des Beschwerdeführers bei verschiedenen Stellen nach der Zuständigkeit für die Einreichung des Prämienverbilligungsgesuches 1996 erkundigt; zuerst in W, wo der Beschwerdeführer sein Auslandschweizer Stimmrecht hat, und dann in X, der Heimatgemeinde des Beschwerdeführers, wo er gemäss Gesetz seine Schriften deponiert hat. Aufgrund einer telefonischen Anfrage - bei welcher der Sachverhalt genau geschildert und die Umstände des USA-Aufenthaltes erläutert wurden - hat man sich in X zuständig erklärt und dem Beschwerdeführer die notwendigen Antragsformulare zugestellt (vgl. Brief vom 19.8.1997, S. 2). Dass die Prämienverbilligung bei der Heimatgemeinde geltend zu machen sei, hatte der Vater des Beschwerdeführers aufgrund seiner Abklärungen zuvor vom Bundesamt für Sozialversicherung, Abteilung Krankenversicherung, erfahren (vgl. Beschwerde S. 2f.). Im vorliegenden Fall ist obgenannte Voraussetzung somit unbestrittenermassen gegeben, handelt es sich doch bei der Auskunft der AHV-Zweigstelle X um eine auf einen konkreten, den auskunftserheischenden Bürger direkt betreffenden Sachverhalt bezogene Auskunft.

bb) Der Beschwerdeführer hat sein Gesuch um Prämienverbilligung bei der AHV-Zweigstelle X eingereicht, nachdem sich diese für die Entgegennahme des Gesuches zuständig erklärt und ihm auch die notwendigen Antragsformulare zugestellt hat. Gemäss § 4 Abs. 2 lit. a PVG ist es Aufgabe der AHV-Zweigstelle, die Bevölkerung angemessen zu informieren und allgemeine Auskünfte im Einzelfall zu erteilen. Um eine solche allgemeine Auskunft handelt es sich im vorliegenden Fall. Die AHV-Zweigstelle war somit zur Auskunftserteilung zuständig. Daran ändert nichts, dass für den Entscheid über den Prämienverbilligungsanspruch als solchen und den Erlass der diesbezüglichen Verfügung die Ausgleichskasse und nicht die AHV-Zweigstelle zuständig ist (vgl. § 3 Abs. 3 lit. a und c PVG).

cc) Dass der Beschwerdeführer, als juristischer Laie, die Unrichtigkeit der Auskunft nicht ohne weiteres erkennen konnte, kann ohne weiteres angenommen werden. Dies um so mehr, als auch die zuständigen luzernischen Behörden, welche die Prämienverbilligung verfügten, die fehlende Zuständigkeit zunächst nicht zu erkennen vermochten und davon ausgingen, die Schriftenhinterlegung des im Ausland zu Studienzwecken weilenden Versicherten erfülle die persönliche Anspruchsvoraussetzung für die Prämienverbilligung im Kanton Luzern.

dd) Im Vertrauen auf die Richtigkeit der Auskunft hat der Beschwerdeführer sein Gesuch um Prämienverbilligung 1996 bei der AHV-Zweigstelle X eingereicht. Dieses wurde ihm in der Folge auch gutgeheissen und der Prämienverbilligungsanspruch ausbezahlt. Gestützt darauf hat der Beschwerdeführer zu Recht auf die Einreichung eines Prämienverbilligungsgesuches im Kanton Y verzichtet. Wegen der nachträglichen Unzuständigkeitserklärung der Vorinstanz kann der Beschwerdeführer nun aber infolge Fristablaufs keine Prämienverbilligung mehr im Kanton Y beantragen (vgl. amtl. Bel. 7). Damit hat er aber eindeutig Dispositionen getroffen, die nicht ohne Nachteil rückgängig gemacht werden können.

ee) Unbestritten ist sodann, dass die gesetzliche Ordnung seit der Auskunftserteilung keine Änderung erfahren hat.

c) Zusammenfassend ist somit festzuhalten, dass die obgenannten Voraussetzungen allesamt erfüllt sind. Der Beschwerdeführer hat sich somit zu Recht auf den Grundsatz von Treu und Glauben berufen. In Anbetracht der Tatsache, dass hier das öffentliche Interesse an der Anwendung des positiven Rechts gegenüber dem Vertrauensschutz nicht überwiegt, ist die Beschwerde gutzuheissen und die Rückerstattungsverfügung vom 21. Mai 1997 aufzuheben.
Quelle: https://gerichte.lu.ch/recht_sprechung/publikationen
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