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Urteil Verwaltungsgericht (LU)

Kopfdaten
Kanton:LU
Fallnummer:A 08 99
Instanz:Verwaltungsgericht
Abteilung:Abgaberechtliche Abteilung
Verwaltungsgericht Entscheid A 08 99 vom 18.02.2009 (LU)
Datum:18.02.2009
Rechtskraft:Diese Entscheidung ist rechtskräftig.
Leitsatz/Stichwort:Art. 29 Abs. 2 BV; § 208 Abs. 1 StG. Bemessung der Steuerstrafe nach der Schwere des Verschuldens und den persönlichen Verhältnissen des Steuerpflichtigen.
Schlagwörter: Busse; Entscheid; Steuererklärung; Einsprache; Veranlagung; Pflicht; Beschwerdeführer; Erwägungen; Begründung; Verfahrenspflichten; Zumessung; Luzern; Vorbringen; Verfügung; Steuerpflichtigen; Steuerkommission; Steuern; Sieber; Gewährt; Einreichung; Beantragte; Wird; Mahnung; Wesentlichen; Verletzt; Steueramt; Hatte; Wiederholungsfall; Anspruch; Rechtliches
Rechtsnorm: Art. 123 DBG ; Art. 174 DBG ; Art. 182 DBG ; Art. 29 BV ;
Referenz BGE:112 Ia 109; 133 I 270; 134 I 83;
Kommentar zugewiesen:
Spühler, Basler Kommentar zur ZPO, Art. 321 ZPO ; Art. 311 ZPO, 2017
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Entscheid
A ist seit dem Jahr 2002 im Kanton Luzern beschränkt steuerpflichtig. Am 20. September 2007 mahnte ihn das Steueramt Z das erste Mal, weil er die Steuererklärung für das Jahr 2006 nicht eingereicht hatte. Der Säumige wurde aufgefordert, die ihm zugestellten Steuererklärungsformulare auszufüllen und einzureichen. Nachdem A auf dieses Schreiben nicht reagiert hatte, mahnte ihn das Steueramt mit eingeschriebenem Brief vom 21. November 2007 abermals u.a. unter der Androhung, dass er bei Verletzung der Verfahrenspflichten eine Busse zu gewärtigen habe. Auf diese zweite Mahnung hin beantragte A eine Fristerstreckung zur Einreichung der Steuererklärung bis Ende Jahr, die ihm gewährt wurde. Trotzdem liess sich der Steuerpflichtige in der Folge nicht mehr vernehmen. Am 19. Februar 2008 verfügte die Dienststelle Steuern des Kantons Luzern gegen A eine Busse in der Höhe von Fr. 7000.-, weil er trotz Mahnung vom 21. November 2007 die Steuererklärung für die Staatsund Gemeindesteuern 2006 nicht eingereicht hatte.

Gegen diese Bussenverfügung erhob A am 9. März 2007 Einsprache. Er machte geltend, dass er infolge einer länger dauernden Erkrankung nicht in der Lage gewesen sei, die nötigen Unterlagen zu einem früheren Zeitpunkt einzureichen, und beantragte den "Erlass" der ausgesprochenen Busse.

Am 18. März 2008 hiess die Steuerkommission für Unselbständigerwerbende der Dienststelle Steuern die Einsprache teilweise gut und reduzierte die Busse auf Fr. 3500.-, nachdem der Einsprecher die versäumten Verfahrenspflichten mittlerweile nachgeholt und die Steuererklärung des Jahres 2006 am 9. März 2008 eingereicht hatte. Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde beantragte A, der Einspracheentscheid sei aufzuheben und die Busse auf einen minimalen Betrag herabzusetzen.

Aus den Erwägungen:

1. - Nach § 208 Abs. 1 StG wird mit einer Busse bis zu Fr. 1000.-, in schweren Fällen oder im Wiederholungsfall bis zu Fr. 10000.- bestraft, wer einer Pflicht, die ihr oder ihm nach den Vorschriften dieses Gesetzes oder nach einer aufgrund dieses Gesetzes getroffenen Anordnung obliegt, trotz Mahnung vorsätzlich oder fahrlässig nicht nachkommt, insbesondere die Steuererklärung oder die dazu verlangten Beilagen nicht einreicht (lit. a), eine Bescheinigungs-, Auskunftsoder Meldepflicht nicht erfüllt (lit. b) oder Pflichten verletzt, die ihr oder ihm als Erbin oder Erben oder Drittperson im Inventarverfahren obliegen (lit. c).

Ob ein schwerer Fall vorliegt, entscheidet sich nach der Bedeutung der verletzten Pflicht im Hinblick auf eine sachgerechte Veranlagung. Ein Wiederholungsfall ist praxisgemäss gegeben, wenn jemand schon in früheren Steuerperioden wegen einer Steuerwiderhandlung bestraft wurde und dies nicht länger als zehn Jahre zurückliegt (Luzerner Steuerbuch, Weisungen StG, § 208 Nr. 1, S. 2f.).

2. - (...)

3. - a) Zur Erhebung der Steuern ist die Veranlagungsbehörde auf die Mitwirkung der Steuerpflichtigen angewiesen. Erfüllen diese die ihnen vom Gesetz auferlegten Pflichten (vgl. insbes. §§ 144 Abs. 1, 145, 146, 147 StG) nicht, besteht die Gefahr, dass die Steuerbemessungsgrundlagen falsch ermittelt werden und damit der Steueranspruch des Gemeinwesens vereitelt wird. Während sich die Steuerpflichtigen bei zu hoher Belastung regelmässig gegen die Veranlagungsverfügung mit Rechtsmitteln zur Wehr setzen werden, bleibt eine zu tiefe Faktorenfestsetzung bestehen, und die Veranlagung wird rechtskräftig. Die steuergesetzliche Androhung von Busse bei Verletzung von steuerlichen Verfahrenspflichten bezweckt den Schutz der Steuerrechtsordnung (Sieber, in: Kommentar zum Schweizerischen Steuerrecht, Bd. I/2b, 2.Aufl., Basel 2008, N 6 zu Art. 174 DBG). Sie zielt darauf ab, im sog. gemischten Veranlagungsverfahren (Richner/Frei/Kaufmann, Handkommentar zum DBG, N 1ff. zu Art. 123 DBG) die Kooperation der Steuerpflichtigen durchzusetzen und für die Festsetzung der Steuerfaktoren die materielle Wahrheit und Vollständigkeit der für die Besteuerung rechtserheblichen Tatsachen sicherzustellen.

Die Busse ist in jedem Einzelfall nach pflichtgemässem Ermessen so zu bestimmen, dass allen besonderen Umständen, insbesondere der Schwere des Verschuldens und den persönlichen Verhältnissen des Fehlbaren, Rechnung getragen wird. Selbst wenn die Strafzumessung im Steuerstrafverfahren verstärkt in schematisierter Weise erfolgt, sind schuldmindernde und schulderhöhende Tatsachen angemessen zu berücksichtigen, so dass der gesamte Unrechtsund Schuldgehalt der konkreten Verfehlung umfasst wird (Sieber, in: Kommentar zum Schweizerischen Steuerrecht, Bd. I/1, 2.Aufl., Basel 2002, N 22 zu Art. 55 StHG; Richner/Frei/Kaufmann, a.a.O., N 3 zu Art. 174 DBG; SGGVP 1999 Nr. 26 S. 78 E. 5c).

b) Bei der Durchsetzung der gesetzlichen Verfahrenspflichten haben die Steuerbehörden die allgemeinen Verfahrensgrundsätze zu beachten. Der Anspruch auf rechtliches Gehör ist Teil dieser Garantien (vgl. Art. 29 Abs. 1 und 2 BV) und verlangt als persönlichkeitsbezogenes Mitwirkungsrecht, dass die Behörde die Vorbringen des vom Entscheid in seiner Rechtsstellung Betroffenen auch tatsächlich hört, sorgfältig und ernsthaft prüft und in der Entscheidfindung berücksichtigt. Daraus folgt die grundsätzliche Pflicht der Entscheidbehörden, alle für die Sachverhaltsabklärung wesentlichen Vorbringen der Partei zu prüfen und ihren Entscheid zu begründen (vgl. zum Ganzen: BGE 134 I 83 E. 4.1; LGVE 1998 II Nr. 2 E. 3a). Die Tragweite der Begründungspflicht bestimmt sich nach Art und Ausmass des Eingriffs in die Rechtsstellung des Betroffenen, den dieser durch den Entscheid erleidet. Er soll auf jeden Fall nachvollziehen können, welche Überlegungen in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht die Behörde zu ihrem Entscheid bewogen haben. Die Begründung hat die für den Entscheid wesentlichen Punkte zu erfassen und muss der betroffenen Person ermöglichen, den Entscheid in voller Kenntnis der Sache gegebenenfalls anzufechten (BGE 133 I 270 E. 3.1; 117 Ib 86 E. 4; Sieber, a.a.O., N 77 und 80 zu Art. 182 DBG). Je stärker der Entscheid in die schutzwürdigen Interessen des Betroffenen eingreift, desto höhere Anforderungen sind an die Begründung des Entscheides zu stellen (BGE 112 Ia 109f. E. 2b mit Hinweisen).

c) Den Akten lässt sich entnehmen, dass der Beschwerdeführer vom Steueramt Z mit Schreiben vom 21. November 2007 zum wiederholten Mal schriftlich aufgefordert worden war, die ausstehende Steuererklärung 2006 einzureichen. Im Mahnschreiben wurde unter anderem darauf hingewiesen, dass eine Busse ausgesprochen werden müsse, wenn er die Steuererklärung nicht binnen Mahnfrist einreiche. Trotzdem liess der Steuerpflichtige die gewährte Nachfrist zur Einreichung seiner Steuerdeklaration unbeachtet verstreichen. In der Folge verhängte die Veranlagungsbehörde am 19. Februar 2008 eine Busse. Die Erwägungen der Strafverfügung beschränkten sich auf den - unvollständig wiedergegebenen - Sachverhalt (so blieb zum Beispiel die telefonisch bis Ende 2007 gewährte Fristerstreckung unerwähnt), einen Zusammenzug der Bestimmung von § 208 Abs. 1 und 2 StG und die Bussenfestsetzung. Erwägungen zur Strafzumessung fehlen vollständig, obwohl die Busse von Fr. 7000.- im Licht des gesetzlichen Strafrahmens von Busse bis zu Fr. 1000.-, in schweren Fällen oder im Wiederholungsfall bis zu Fr. 10000.-, den Rahmen eines Bagatellfalles erheblich überschritt. Insbesondere fehlten Ausführungen zum Umstand, dass der Beschwerdeführer bereits in den Vorjahren wegen derselben Verfahrenspflichtverletzung gebüsst worden war und deshalb der erweiterte Strafrahmen zur Anwendung gelangte. Ebenfalls unerwähnt blieb die Höhe des steuerbaren Einkommens aus der Vorperiode, auf das bei der Festlegung der Busse abgestellt wird. Gestützt auf die knappe Bussenverfügung konnte sich der Beschwerdeführer kein vollständiges Bild über die tatsächlichen und rechtlichen Grundlagen der verfügten Busse machen. Nachdem er Einsprache erhoben und die Steuererklärung nachgereicht hatte, reduzierte die Steuerkommission die Busse praxisgemäss auf die Hälfte, aber auch die Einsprachebehörde versäumte es, den Bussenentscheid näher zu begründen. Insbesondere unterblieben, abgesehen vom Hinweis auf das Bussenschema gemäss Luzerner Steuerbuch, Weisungen zum Steuergesetz, § 208 Nr. 1 Ziff. 4, wiederum jegliche Erwägungen zur Strafzumessung.

Zur Wahrung des Anspruchs auf rechtliches Gehör wäre es unabdingbar gewesen, dass zumindest die Steuerkommission auf das Vorbringen des Beschwerdeführers eingegangen wäre, er sei längere Zeit krank gewesen und habe daher die Steuererklärung nicht einreichen können. Sie hätte den Einwand prüfen und den Steuerpflichtigen gegebenenfalls zur Einreichung von Beweisen (Arztzeugnis u.ä.) auffordern müssen. Im Beweisergebnis wären die entscheidrelevanten Überlegungen darzulegen gewesen. Ausserdem wäre die Einsprachebehörde verpflichtet gewesen, in den Erwägungen nicht allein die Verfahrenspflichtverletzung festzustellen, sondern auch die Strafzumessung und ganz besonders die qualifizierenden Merkmale zu erwägen. Indem die Steuerkommission jedoch hierfür allein auf das Bussenschema verwies und jegliche Auseinandersetzung mit den wesentlichen Vorbringen des Einsprechers unterblieb, kam sie ihrer Begründungspflicht nicht gebührend nach. Der angefochtene Entscheid verletzt deshalb mangels gehöriger Begründung den Anspruch des Beschwerdeführers auf rechtliches Gehör gemäss Art. 29 Abs. 2 BV.

Damit ist erstellt, dass die Vorinstanz den verfassungsmässigen Verfahrensrechten des Beschuldigten nicht nachgekommen war. Der Einspracheentscheid ist deshalb aufzuheben.
Quelle: https://gerichte.lu.ch/recht_sprechung/publikationen
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