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Urteil Verwaltungsgericht (LU)

Kopfdaten
Kanton:LU
Fallnummer:A 02 49
Instanz:Verwaltungsgericht
Abteilung:Abgaberechtliche Abteilung
Verwaltungsgericht Entscheid A 02 49 vom 16.10.2002 (LU)
Datum:16.10.2002
Rechtskraft:Diese Entscheidung ist rechtskräftig.
Leitsatz/Stichwort:Art. 16 Abs. 3 lit. b SVG; Art. 2 Abs. 2 VRV. Folgen eines Alkoholdelikts im Ausland. Wer im Ausland in angetrunkenem Zustand fährt und gegen den deswegen ein Fahrverbot verhängt wird, muss auch in der Schweiz den Führerausweis abgeben (Erw. 2). Wurde im Ausland nur ein Atemlufttest durchgeführt, müssen die festgestellten Werte umgerechnet werden. Die Angetrunkenheit gilt nur dann als erwiesen, wenn die umgerechneten Werte klar über der im schweizerischen Recht massgebenden Blutalkohol-Konzentration von 0,8 Gewichtspromillen liegen (Erw. 3).
Schlagwörter: Beschwerdeführer; Beweis; Führer; Deutschland; Führerausweis; Gewichtspromillen; Umrechnung; Nachvollzug; Bundesgericht; Blutalkoholkonzentration; Atemlufttest; Recht; Schweiz; Recht; Blutprobe; Grundsatz; Ergebnis; Strassen; Behörde; Umrechnungsfaktor; Werte; Vorliegenden; Schweizerischen; Massnahme; Ausland; Angetrunkenheit; Entzog; Alkoholeinwirkung
Rechtsnorm:-
Referenz BGE:125 II 402; 127 IV 172; 127 IV 175; 128 II 133;
Kommentar zugewiesen:
Spühler, Basler Kommentar zur ZPO, Art. 321 ZPO ; Art. 311 ZPO, 2017
Weitere Kommentare:-
Entscheid
A wurde in der Nacht auf den 14. Juni 2001 in Waldshut-Tiengen (Deutschland) am Steuer eines Personenwagens angehalten. Die Atemluftkontrolle (Gerät Evidential/Alcotest) ergab eine Alkoholkonzentration von 0,53 mg/l. Gestützt darauf wurde der Fahrzeugführer mit DM 500.- gebüsst und gegen ihn ein Fahrverbot für Deutschland auf die Dauer eines Monats erlassen. Wegen dieses Vorfalles und eines weiteren Alkoholdelikts, das A im Januar 2002 in der Schweiz begangen hatte, entzog ihm das Strassenverkehrsamt den Führerausweis für die Dauer von zwölf Monaten. Im Beschwerdeverfahren war umstritten, ob die Auslandstat in der Schweiz geahndet werden dürfe. Das Verwaltungsgericht führte dazu aus:

2.- Der Ausweis muss laut Art. 16 Abs. 3 lit. b SVG entzogen werden, wenn der Führer in angetrunkenem Zustand gefahren ist. Dabei gilt Fahrunfähigkeit wegen Alkoholeinwirkung nach Art. 2 Abs. 2 der Verkehrsregelnverordnung (VRV) als erwiesen, wenn der Fahrzeugführer eine Blutalkoholkonzentration von 0,8 oder mehr Gewichtspromillen aufweist oder eine Alkoholmenge im Körper hat, die zu einer solchen Blutalkoholkonzentration führt. Der Beschwerdeführer macht zunächst geltend, der Nachvollzug in der Schweiz sei schon grundsätzlich ausgeschlossen.

a) Dabei beruft er sich vorab auf den Grundsatz ne bis in idem. In BGE 125 II 402 ff. hat das Bundesgericht erwogen, dieses Prinzip komme angesichts der beschränkten Beurteilungskompetenz der verschiedenen Behörden nicht zur Anwendung. So sei der Strafrichter, der die Busse ausgesprochen habe, sachlich nicht zuständig, einen Führerausweisentzug anzuordnen. Die Administrativbehörde andererseits sei nicht befugt, die Strafbestimmungen des SVG anzuwenden. Deshalb werde der Grundsatz ne bis in idem durch die Anordnung der Administrativmassnahme nicht verletzt. Allerdings betraf der zitierte Fall einen Sachverhalt, der sich ganz in der Schweiz zugetragen hat, während vorliegend der Nachvollzug einer in Deutschland bestraften Alkoholfahrt zur Diskussion steht, wobei sowohl die Busse als auch das Fahrverbot von derselben Behörde verhängt und Strafe wie Administrativmassnahme dort bereits vollzogen wurden.

b) Der Nachvollzug einer Administrativmassnahme in der Schweiz ist laut BGE 128 II 133 ff. nicht ausgeschlossen. Leitlinien für diesen Entscheid bildeten der Umstand, dass innerhalb der Europäischen Union die Umsetzung von Führerausweisentzügen durch den Wohnsitzstaat des fehlbaren Lenkers vertraglich geregelt wurde und der Bundesrat das nationale Führerausweisrecht mit dem europäischen harmonisieren will. Demzufolge wird der schweizerische Nachvollzug einer im Ausland verfügten Massnahme durch die Art der ausländischen Massnahme begrenzt. Der schweizerische Führerausweis darf daher nur noch entzogen werden, wenn auch der Tatortstaat die Fahrberechtigung für sein Staatsgebiet entzogen hat, eine Verwarnung darf nur noch ausgesprochen werden, wenn auch der Tatortstaat eine der schweizerischen Verwarnung entsprechende Massnahme verfügt hat. Im vorliegenden Fall wurde der Beschwerdeführer in Deutschland gebüsst und mit einem bereits vollzogenen, einmonatigen Fahrverbot für dieses Land belegt. Vor dem Hintergrund der Rechtsprechung ist es somit dem Grundsatz nach zulässig, wenn das Strassenverkehrsamt das Fehlverhalten des Beschwerdeführers im Ausland im Hinblick auf einen Entzug des Führerausweises mit berücksichtigt hat. Damit aber ein Nachvollzug möglich ist, muss die Auslandtat auch nach schweizerischem Recht sanktionswürdig sein. Bei der Festsetzung der Entzugsdauer durfte daher die Vorinstanz nur dann auf den Vorfall in Deutschland abstellen, wenn der Beschwerdeführer auch nach den Vorschriften des schweizerischen Rechts in angetrunkenem Zustand gefahren ist.

c) Der Beschwerdeführer stellt sich auf den Standpunkt, die hier vorgenommene Umrechnung der in Deutschland gewonnenen Ergebnisse des Atemtests in einen nach der schweizerischen Rechtsordnung massgeblichen Blutalkoholwert sei rechtswidrig und ein Verstoss gegen den im Strafrecht geltenden Grundsatz der Gesetzmässigkeit (nulla poena sine lege). Auch dazu kann auf einen neueren Entscheid des Bundesgerichts verwiesen werden. Für den Nachweis der Fahrtüchtigkeit besteht demnach keine Beschränkung auf bestimmte Beweismittel (BGE 127 IV 172 ff.). Die geeignete Untersuchungsmassnahme ist die Blutprobe, wie Art. 138 Abs. 1 VZV ausdrücklich festhält. Wird sie nicht angeordnet und durchgeführt, besteht die Gefahr von Beweisschwierigkeiten. Deshalb sind die Untersuchungsbehörden gehalten, eine Blutprobe, soweit möglich, durchzuführen. Daraus folgt jedoch nicht, dass dort, wo keine Blutprobe abgenommen wurde, der Beweis der Angetrunkenheit nicht mit andern Mitteln geführt werden kann (BGE 127 IV 175 Erw. 3d). Ist aber die Beweisführung betreffend die Angetrunkenheit entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers nicht auf die Blutprobe beschränkt, geht der Einwand des ungesetzlichen Vorgehens bezogen auf die Umrechnung fehl. Zu prüfen bleibt demnach einzig, ob die Fahrunfähigkeit wegen Alkoholeinwirkung bei den mit einem Atemprüfgerät gemessenen 0,53 mg/l Alkoholgehalt nach schweizerischem Recht als nachgewiesen gilt oder nicht.

3. - Der Atemlufttest vom 14. Juni 2001 ergab 0,53 mg/l. Die Vorinstanz hat auf die Ausführungen des Bundesamtes für Strassen mit Bezug auf den zulässigen Umrechnungsfaktor abgestellt und legt ihrer Berechnung den Faktor von 1,7 zugrunde. Allerdings nahm das Bundesamt als Ausgangswert irrtümlich 0,471 mg/l an, während die wirkliche Atemalkoholkonzentration 0,53 mg/l betrug. Dies ergibt bei einem Umrechnungsfaktor von 1,7 einen Wert von 0,901 Gewichtspromillen. Bei einer zweiten Methode, wenn das Messgerät selbst die Blutalkoholkonzentration mit einem Umrechnungsfaktor von üblicherweise 2 oder 2,1 ermittelt, ist dieser Wert anschliessend um 20 Prozent nach unten zu korrigieren. Bei dem für den Beschwerdeführer ungünstigeren Fall (Berücksichtigung des Umrechnungsfaktors 2,1) erhält man einen Wert von 1,113. Dieser Wert um 20 Prozent reduziert, ergäbe einen massgebenden (umgerechneten) Blutalkoholwert von 0,8904 Promille. Beide umgerechneten Werte sind praktisch identisch und liegen nur unwesentlich über der im schweizerischen Recht massgebenden Blutalkoholkonzentration von 0,8 Gewichtspromillen. Im vorliegenden Fall ist nun entscheidend, dass die deutschen Behörden keine Blutprobe vorgenommen haben. Das Bundesgericht hat in diesem Zusammenhang im erwähnten Urteil BGE 127 IV 172 ff. seinerseits auf ein unveröffentlichtes Urteil vom 6. Mai 1992 verwiesen. Darin erkannte es wegen der mit Atemlufttest verbundenen Ungenauigkeiten, dass ein Atemlufttestergebnis von 0,87 bzw. 0,9 Gewichtspromillen von Bundesrechts wegen nicht eine ausreichende Grundlage für die Feststellung einer Blutalkoholkonzentration von mindestens 0,8 Gewichtspromillen bilden könne. Wird im vorliegenden Fall auf das Ergebnis der Atemprobe von 0,53 mg/l abgestellt, so liegt ganz klar kein ausreichendes Ergebnis für die Annahme der Angetrunkenheit vor. Das gilt auch dann, wenn nach den beschriebenen Methoden der genannte Wert umgerechnet wird. Diesfalls bewegen sich nämlich die Werte im gleichen Rahmen wie die Werte in dem vom Bundesgericht beurteilten Fall. Der Beweis der Fahruntauglichkeit durch Alkoholeinwirkung wird jedoch nur durch einen eindeutigen Atemlufttest erbracht. Im publizierten Urteil lagen denn auch dem Bundesgericht durch zwei Messungen ermittelte Werte von 1,36 bzw. 1,54 Gewichtspromillen vor, was als eindeutiger Beweis zugelassen wurde. Im vorliegenden Fall liegt aber nach dem Gesagten gerade kein eindeutiger Fall vor. Das Strassenverkehrsamt beruft sich - neben dem durchgeführten Atemlufttest - auf keine anderen Beweismittel, was die Feststellung der Angetrunkenheit betrifft. Dass die deutschen Behörden bestätigt haben, zwischen Trinkende und Atemprobe sei eine Zeit von mehr als 20 Minuten verstrichen und der Beschwerdeführer habe das Ergebnis nicht zu seinen Gunsten beeinflussen können, reicht in diesem Zusammenhang nicht aus. Fehlt aber nach diesen Ausführungen der Beweis der Fahruntüchtigkeit bezogen auf die Alkoholmessung vom Juni 2001, darf gestützt auf den Vorfall in Deutschland keine Massnahme verfügt werden, und damit stellt sich auch die Frage nach dem Nachvollzug nicht.
Quelle: https://gerichte.lu.ch/recht_sprechung/publikationen
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