A fuhr im April 2002 beruflich mit einem Lastwagen auf der Autobahn A2 Richtung Luzern. In der Region Sempach folgte ihm ein Dienstfahrzeug der Polizei. Dabei wurde festgestellt, dass A während einer Nachfahrstrecke von über 2000 Metern einen ungenügenden Abstand zum voranfahrenden Anhängerzug einhielt. Seine dabei gefahrene Geschwindigkeit betrug 80 km/h. In der Folge entzog das Strassenverkehrsamt des Kantons Luzern A dessen Führerausweis für die Dauer eines Monats. A gelangte an das Verwaltungsgericht und machte geltend, als Chauffeur sei er dringend auf den Führerausweis angewiesen, um seine Familie durchbringen zu können. Ferner verwies er auf die schwierigen persönlichen Verhältnisse und auf den Umstand, dass er in psychiatrischer Behandlung sei. Das Verwaltungsgericht hiess die Beschwerde gut.
Aus den Erwägungen:
3. - a) Liegt ein Sachverhalt nach Art. 16 Abs. 2 SVG vor, muss grundsätzlich der Führerausweis entzogen werden. Auf diese Massnahme darf nur verzichtet werden, wenn der Fall unter Berücksichtigung des Verschuldens des Fahrzeuglenkers und dessen automobilistischen Leumunds als leicht erscheint. Die Schwere der Gefährdung ist nicht entscheidendes Kriterium, immerhin aber insoweit von Bedeutung, als sie verschuldensmässig relevant ist (Art. 31 Abs. 2 VZV; BGE 126 II 194).
Vorliegend kann nicht von einem leichten Fall ausgegangen werden. Wer fahrlässig auf der Autobahn als Führer eines Lastwagens zu nahe auf einen Anhängerzug aufschliesst und den Abstand auf einer Länge von über 2000 Metern nicht vergrössert, dem kann der Vorwurf eines mittelschweren Verschuldens nicht erspart bleiben. Der Verkehrsregel, wonach beim Hintereinanderfahren ein genügender Abstand gewahrt werden muss, kommt eine grosse Bedeutung zu, lehrt doch die Praxis, dass deren Verletzung die Ursache vieler und oft schwerer Unfälle ist. Dies gilt insbesondere, je höher die gefahrene Geschwindigkeit und je knapper der zwischen den Fahrzeugen bestehende Abstand ist (BGE 117 IV 506). Im vorliegenden Fall handelte es sich zudem um ein schweres Fahrzeug, und der Beschwerdeführer ist immerhin mit einer Geschwindigkeit von rund 80 km/h gefahren. Ferner gilt es zu berücksichtigen, dass auch der automobilistische Leumund des Beschwerdeführers getrübt ist. Wegen eines Motorradunfalles im Oktober 1996 war der Beschwerdeführer bereits verwarnt worden. Dass der Beschwerdeführer damals ein Motorrad und nicht einen Lastwagen führte, ist im Hinblick auf die Frage, ob ein mittelschwerer ein leichter Fall vorliegt, nicht von Bedeutung. Nach dem Gesagten ist nicht zu beanstanden, wenn das Strassenverkehrsamt in Würdigung der gesetzlichen Vorschriften dem Beschwerdeführer den Führerausweis für die Dauer eines Monats entzogen hat.
b) Muss nach der gesetzlichen Vorschrift der Führerausweis entzogen werden, so kann bei Vorliegen besonderer Umstände ausnahmsweise dennoch auf den Entzug verzichtet werden. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts ist das der Fall, wenn der Lenker durch die Folgen seines Fehlverhaltens übermässig und schwer betroffen wird, so dass analog nach Art. 66bis StGB auf eine Massnahme zu verzichten ist (BGE 118 Ib 229), wenn eine Notstandslage gegeben war. Diese Praxis folgt aus dem Grundsatz der Verhältnismässigkeit, der im Hinblick auf den Strafcharakter des Warnungsentzuges gebietet, die «richtige» Sanktion zuzumessen (Weissenberger, Die Zumessung des Warnungsentzuges bei Führerausweisen, in: SJZ 95 [1999] S. 519). Soweit der Warnungsentzug als administrative Massnahme betrachtet wird, zwingt der Grundsatz der Verhältnismässigkeit, die in Betracht gezogene Massnahme am gesetzlichen Warnungszweck, wie er in Art. 30 Abs. 2 VZV verankert ist, zu überprüfen. Richtschnur ist dabei die Besserung des Führers und die Bekämpfung von Rückfällen. Es kann daher in einem konkreten Fall fraglich sein, ob sich die Anordnung einer Massnahme zur Ermahnung und Besserung des fehlbaren Fahrzeuglenkers überhaupt rechtfertigen lässt, denn der Entzug des Führerausweises muss geeignet sein, die vom Gesetzgeber verfolgten Zwecke zu erfüllen. Unverhältnismässig muss in diesem Sinne unter anderem eine Massnahme erscheinen, die im Einzelfall nicht zum Ziel führen kann nicht mehr nötig ist (BGE 123 II 110 f., 118 Ib 233 Erw. 3).
Es steht ausser Frage, dass sich der Beschwerdeführer auf keine Notstandslage berufen kann. Auch sind keine unmittelbaren schweren Folgen mit der Verfehlung verbunden, wie sie üblicherweise unter die Bestimmung des Art. 66bis StGB fallen (beispielsweise Unfall mit schwerer Körperverletzung). Im vorliegenden Fall sind jedoch besondere Umstände zu würdigen, die einerseits mittelbare Folgen des Ereignisses bilden, andererseits in den persönlichen Verhältnissen des Beschwerdeführers liegen. Der Beschwerdeführer ist verheiratet und Vater von fünf Kindern. Als Berufschauffeur ist die Massnahmeempfindlichkeit hinsichtlich des angeordneten Entzuges ungleich grösser als bei einem im üblichen Mass auf das Fahrzeug beruflich angewiesenen Lenker. Im Verfahren vor Verwaltungsgericht hat sich nun ergeben, dass dem Beschwerdeführer kürzlich das Arbeitsverhältnis gekündigt worden ist. Ob und inwieweit der drohende Entzug des Führerausweises andere Gründe das Transportunternehmen dazu bewogen haben, die Kündigung auszusprechen, kann hierbei offen bleiben. Entscheidend ist, dass der Beschwerdeführer, dessen Familie in bescheidenen wirtschaftlichen Verhältnissen lebt, auf ein regelmässiges Einkommen angewiesen ist und sich als Chauffeur wiederum auf dem Arbeitsmarkt bewerben muss. Hinzu kommt der gesundheitliche Aspekt. Die Oberärztin des Psychiatriezentrums X hat sich im Einverständnis mit dem Beschwerdeführer an das Gericht gewandt. Gestützt auf ihr Schreiben und die telefonische Unterredung steht fest, dass der Beschwerdeführer seit längerer Zeit in psychiatrischer Behandlung ist. Es wurde eine Persönlichkeitsstörung diagnostiziert, die sich namentlich im hartnäckigen Verfolgen von vermeintlichen Rechtsansprüchen zeigt. Eine grosse Belastung für den Beschwerdeführer und seine Familie stellt der Rechtsstreit um den elterlichen Hof dar. In diesem Zusammenhang musste der Beschwerdeführer nach einer Auseinandersetzung, bei der er sich eine Selbstverletzung zugefügt hatte, in die Klinik eingewiesen werden. Die Psychiaterin erachtet die Situation, in der sich der Beschwerdeführer befindet, als gefährlich, wobei zurzeit nicht beurteilt werden könne, in welche Richtung sich die Gefährdung die Gefährlichkeit des Beschwerdeführers bei weiteren behördlichen Massnahmen entwickeln werde. Immerhin steht fest, dass eine Gerichtsverhandlung vor Amtsgericht Z im September 2002 in Begleitung der Polizei und der Psychiaterin stattgefunden hat. Die Beurteilung der Psychiaterin wird offenbar vom forensischen Oberarzt der Psychiatrischen Klinik X geteilt.
Angesichts dieser Umstände muss von einer sehr grossen Massnahmeempfindlichkeit ausgegangen werden. Das aufgrund der Verkehrsregelverletzung angehobene Verfahren ist im Zusammenhang mit dem ganzen konkreten Umfeld des Beschwerdeführers zu würdigen. Da der Beschwerdeführer bei für ihn ungünstigen behördlichen Entscheidungen in einen akuten depressiven Zustand geraten kann, muss dieser Umstand zu seinen Gunsten gewertet werden. Der Beschwerdeführer ist in der jetzigen Situation nicht empfänglich für den mit einem Entzug des Ausweises verfolgten Zweck. Gegenteils kann ein Entzug des Führerausweises nur zu einer weiteren Verhärtung führen und den Erfolg der laufenden Behandlung seiner Leiden in Frage stellen. Deshalb ist es vorliegend angezeigt, ausnahmsweise auf den Entzug des Führerausweises zu verzichten. Dies ist vor allem auch deshalb gerechtfertigt, weil der Beschwerdeführer in seinem Arbeitsverhalten grundsätzlich als zuverlässig und engagiert gilt. Zudem ist er bislang als Berufschauffeur und Führer eines Lastwagens strassenverkehrsrechtlich nicht negativ aufgefallen.
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