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Urteil Verwaltungsgericht (GL - VG.2024.00032)

Zusammenfassung des Urteils VG.2024.00032: Verwaltungsgericht

Die Beschwerdeführer A. und B. haben gegen die Änderung einer Gefahrenkarte bezüglich Murgang-, Sturz- und Lawinenprozessen in Glarus Süd Einspruch erhoben. Nachdem ihr Einspruch abgewiesen wurde, haben sie Beschwerde eingereicht. Das Verwaltungsgericht des Kantons Glarus hat die Beschwerde abgewiesen, da die geänderte Gefahrenkarte fachlich korrekt und nachvollziehbar erstellt wurde. Die Gerichtskosten von insgesamt CHF 3'000.- werden den Beschwerdeführern je zur Hälfte auferlegt.

Urteilsdetails des Verwaltungsgerichts VG.2024.00032

Kanton:GL
Fallnummer:VG.2024.00032
Instanz:Verwaltungsgericht
Abteilung:-
Verwaltungsgericht Entscheid VG.2024.00032 vom 05.09.2024 (GL)
Datum:05.09.2024
Rechtskraft:
Leitsatz/Stichwort:öffentliches Baurecht: Anfechtung einer Gefahrenkarte
Schlagwörter: Gefahr; Gefahren; Gefahrenkarte; Glarus; Prüfung; Recht; Gemeinde; Überprüfung; Behörde; Gericht; Urteil; Beschwerdegegner; Naturgefahren; Behörden; Beschwerdeführern; Gutachter; Gutachten; Erstellung; Umwelt; Kantons; Regierungsrat; Anlass; Entscheid; Gefahrenkarten; Murgang
Rechtsnorm:-
Referenz BGE:-
Kommentar:
Roland Norer, Peter Hettich, Luc Jansen, Kommentar zum Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft, 1900

Entscheid des Verwaltungsgerichts VG.2024.00032

Geschäftsnummer: VG.2024.00032 (VG.2024.1381)
Instanz: K1
Entscheiddatum: 05.09.2024
Publiziert am: 25.09.2024
Aktualisiert am: 25.09.2024
Titel: Öffentliches Baurecht/Raumplanung/Umweltschutz

Resümee:

öffentliches Baurecht: Anfechtung einer Gefahrenkarte

Das Gericht darf sich im Streitfall auf die eingereichten technischen Unterlagen abstützen (E. II/3.1.2). Ausnahmsweise lässt die Rechtsprechung eine vorfrageweise Überprüfung einer Gefahrenkarte durch Grundeigentümer zu, wenn der Betroffene im Baubewilligungsverfahren noch nicht die Möglichkeit hatte, über die ihm auferlegten Beschränkungen Rechenschaft zu geben (E. II/3.1.3).
Die Gefahrenkarte wurde anhand mehrerer unabhängigen Gutachten erarbeitet. Eine Befangenheit eines Gutachters kann nicht ausreichend dargelegt werden (E. II/4.2). Die Gutachten sind in sich stimmig, plausibel, ergänzen sich inhaltlich und das Vorgehen entsprach den formellen Richtlinien zur Erstellung einer Gefahrenkarte. Dem eingereichten Privatgutachten kommt ein geringerer Beweiswert zu (E. II/4.3).

Abweisung der Beschwerde.
 

 

 

 

VERWALTUNGSGERICHT DES KANTONS GLARUS

 

 

 

Urteil vom 5. September 2024

 

 

I. Kammer

 

 

Besetzung: Gerichtspräsident MLaw Colin Braun, Verwaltungsrichterin Jolanda Hager, Verwaltungsrichterin Katia Weibel und Gerichtsschreiber i.V. MLaw Siro Rhyner

 

 

in Sachen

VG.2024.00032

 

 

 

1.

A.______

Beschwerdeführer

 

2.

B.______

 

 

 

gegen

 

 

 

1.

Gemeinde Glarus Süd

Beschwerdegegner

 

2.

Departement Bau und Umwelt des Kantons Glarus

 

3.

Regierungsrat des Kantons Glarus

 

 

betreffend

 

 

Baubewilligung

 

Die Kammer zieht in Erwägung:

I.

1.

1.1 Die in Glarus Süd gelegene X-Runse birgt die Gefahr von Murgang-, Sturz- und Lawinenprozessen. Die lokalen Gegebenheiten haben in der Vergangenheit dazu geführt, dass bei der Ortsgemeinde […] unter anderem die alte Kantonsstrasse, die SBB-Linie sowie die Umfahrungsstrasse als rotes Gefahrengebiet bezeichnet werden mussten (vgl. amtliche Gefahrenkarte 2014). Felsstürze im Einzugsgebiet der X-Runse in den Jahren 2014 und 2020 haben in der Folge zu einer Neubeurteilung der dortigen Gefahrensituation geführt. Die Überprüfung der Gefahrenszenarien erfolgten im Rahmen eines Notfallkonzepts im Auftrag der Gemeinde Glarus Süd. Dieses bildete denn auch die Grundlage für eine Anpassung der Gefahrenkarte. Neue Erkenntnisse gaben dabei dazu Anlass, dass das Gefahrengebiet ausgeweitet und neu unter anderem das Quartier Y.______ miteinbezogen wurde.

 

1.2 Im Hinblick auf die Realisierung eines Schutzkonzepts mit dem Ziel, die Verkehrssicherheit, die Baustellenalarmierung und auch die frühzeitige Alarmierung der Bewohner im Gefahrengebiet sicherzustellen, reichte das Departement Wald und Landwirtschaft der Gemeinde Glarus Süd (nachfolgend: DWL) am 3. November 2020 ein Baugesuch ein, welches den Bau einer Murgang-Warnanlage beinhaltet.

 

1.3 Gegen das Baugesuch des DWL vom 3. November 2020 erhoben A.______ sowie B.______ am 10. Dezember 2020 Einsprache bei der Gemeinde Glarus Süd. Nachdem das Departement Bau und Umwelt (nachfolgend: DBU) am 3. Februar 2021 seine Zustimmung zum Baugesuch erteilt hatte, erliess die Gemeinde Glarus Süd am 9. September 2021 den Baubewilligungsentscheid und wies die dagegen erhobenen Einsprachen ab, soweit sie darauf eintrat.

 

1.4 Gegen den Entscheid der Gemeinde Glarus Süd vom 9. September 2021 erhoben A.______ sowie B.______ am 17. November 2021 Beschwerde beim Regierungsrat des Kantons Glarus, welcher die Sache am 19. März 2024 abwies.

 

2.

2.1 A.______ sowie B.______ gelangten mit Beschwerde vom 18. April 2024 ans Verwaltungsgericht und beantragten die Aufhebung des Entscheids des Regierungsrats vom 19. März 2024. Die Sache sei zur Neuüberprüfung zurückzuweisen und die Änderung der Gefahrenkarte sei einer erneuten wissenschaftlichen Überprüfung zu unterziehen. Die Gemeinde Glarus Süd beantragte am 2. Mai 2024 die Abweisung der Beschwerde; unter Kostenfolge zu Lasten von A.______ sowie B.______. Der Regierungsrat verzichtete am 10. Mai 2024 auf die Einreichung einer Stellungnahme. Das DBU liess sich am 17. Mai 2024 vernehmen und beantragte ebenfalls die Abweisung der Beschwerde; unter Kostenfolge zu Lasten von A.______ sowie B.______.

 

2.2 Nachdem A.______ sowie B.______ am 1. Juni 2024 an ihren Rechtsbegehren festgehalten hatten, verzichteten sowohl das DBU als auch die Gemeinde Glarus Süd am 10. Juni 2024 bzw. am 11. Juni 2024 auf die Einreichung einer weiteren Stellungnahme. Der Regierungsrat liess sich innert Frist nicht vernehmen.

 

II.

1.

1.1 Das Verwaltungsgericht ist gemäss Art. 79 Abs. 1 des Raumentwicklungs- und Baugesetzes vom 2. Mai 2010 (RBG) i.V.m. Art. 105 Abs. 1 lit. a des Gesetzes über die Verwaltungsrechtspflege vom 4. Mai 1986 (VRG) zur Behandlung der vorliegenden Beschwerde zuständig. Da auch die übrigen Prozessvoraussetzungen erfüllt sind, ist auf die Beschwerde einzutreten.

 

1.2 Gemäss Art. 107 Abs. 1 VRG können mit der Verwaltungsgerichtsbeschwerde die unrichtige unvollständige Feststellung des rechtserheblichen Sachverhalts (lit. a) sowie die unrichtige Rechtsanwendung einschliesslich eines Missbrauchs des Ermessens (lit. b) gerügt werden. Die Unangemessenheit des Entscheids kann gemäss abschliessender Aufzählung in Art. 107 Abs. 2 VRG nur ausnahmsweise geltend gemacht werden, wobei ein solcher Ausnahmefall nicht vorliegt.

 

2.

Die Beschwerdeführer bringen vor, der Felssturz im Jahr 2020 habe entgegen der Auffassung der Beschwerdegegner nicht zu einer Erhöhung, sondern zu einer Verringerung der Murgangfähigkeit geführt. Dementsprechend habe kein Grund für eine Gefahrenkartenänderung bestanden. Die Wahrscheinlichkeitsbetrachtungen seien theoretisch sowie wissenschaftlich widerlegbar und die darauf beruhenden Computersimulationen zur Bestimmung der Gefahrenkarte falsch. Sodann sei die Begutachtung, auf welcher die Gefahrenkartenänderung beruhe, mit mehreren Verfahrensmängeln behaftet.

 

3.

Die Beschwerdeführer setzen sich in ihrer Beschwerde hauptsächlich gegen die Gefahrenkarte und die dieser zugrundeliegenden Gutachten zur Wehr. Während damit auf die früher geltend gemachten Rügen des materiellen Baurechts im Beschwerdeverfahren nicht mehr eingegangen werden muss (vgl. BGE 143 V 208 E. 2, 133 II 254 E. 1.4.1), gilt es nachfolgend zunächst zu prüfen, ob die Gefahrenkarte überhaupt einer vorfrageweisen Überprüfung zugänglich ist.

 

3.1

3.1.1 Das Bundesamt für Umwelt (BAFU) erlässt Richtlinien betreffend die Erstellung der Gefahrenkarten (Art. 20 lit. b der Wasserbauverordnung vom 2. November 1994 [WBV]). Die Kantone haben die Gefahrengebiete zu bezeichnen (Art. 21 Abs. 1 WBV) und die zuständige kantonale Verwaltungsbehörde führt gemäss Art. 16 Abs. 1 des kantonalen Einführungsgesetzes zum Bundesgesetz über dem Wald vom 4. Oktober 1991 (EG WaG) ein Gefahrenkataster sowie eine Gefahrenkarte. Diese enthalten alle Naturgefahren, die Menschen erhebliche Sachwerte gefährden können, namentlich Lawinen, Rutschungen, Erosion, Steinschlag, Felssturz, Murgang und Hochwasser. Zuständige Verwaltungsbehörde ist die Abteilung Wald und Naturgefahren des DBU (Art. 2 Abs. 1 der Verordnung zum kantonalen Waldgesetz vom 21. März 2006). Die Gemeinden haben die Gefahrenkarten gemäss Art. 16 Abs. 2 EG WaG bei der Zonenplanung sowie bei allen übrigen raumwirksamen Tätigkeiten zu berücksichtigen.

 

3.1.2 Die Gefahrenkarte ist die wissenschaftliche und fachliche Grundlage zur Sachverhaltsfeststellung, welche es den Behörden ermöglicht, entsprechend der Gefährdungssituation zu handeln (vgl. Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons Zürich VB.2007.00413 vom 19. Juni 2008 E. 6.1). Sie macht Aussagen über die Gefahrenart, die Gefahrenstufe und die räumliche Ausdehnung der gefährlichen Prozesse (Art. 4 der Verordnung zum Schutz vor Naturgefahren vom 10. Mai 2016 [NGV]). Es handelt sich bei ihr um technische Fragestellungen, wobei mangels gegenteiliger Anhaltspunkte die Behörde und im Streitfall das Gericht auf diese technischen Unterlagen grundsätzlich abstützen darf (BGE 132 II 257, E. 4.4; BGer-Urteil 1C_405/2011 vom 24. April 2012 E. 2.6). In der Gefahrenkarte werden fünf Gefahrenstufen unterschieden (UVEK, Wegleitung Hochwasserschutz, Bern 2001, S. 46 ff.): rot (Personen auch innerhalb Gebäuden gefährdet, Gebäudezerstörung möglich), blau (keine Gefahren für Personen im Innenraum), gelb (geringe Gefahr), gelb-weiss schraffiert (Restgefährdung) und weiss (keine Gefährdung).

 

3.1.3 Mit der Festsetzung bzw. Genehmigung durch die zuständige Behörde wird die Gefahrenkarte behördenverbindlich und ist als Grundlage in der Raumplanung zu berücksichtigen (vgl. Art. 21 Abs. 3 WBV). Solange die planerische Umsetzung noch nicht erfolgt ist, entfaltet die Gefahrenkarte für die Grundeigentümer keine verbindliche Wirkung (Erwin Hepperle, in Peter Hettich/Luc Jansen/Roland Norer, Kommentar zum GSchG und WBG, Zürich/Basel/Genf 2016, Art. 3 WBG N. 12 f.). Daraus darf aber nicht geschlossen werden, dass behördenverbindliche Regeln nicht auch Grundeigentümerverbindlichkeit erlangen können (Ralph van den Bergh, Gefahren- und Gefahrenhinweiskarte Hochwasser, Rechtsgutachten vom 10. November 2011, S. 5). Eine Anfechtbarkeit für Betroffene ergibt sich trotz allem erst bei Planerlass unter Berücksichtigung der Gefahrenkarte. Nur ausnahmsweise lässt die Rechtsprechung eine vorfrageweise Überprüfung zu, nämlich wenn der Betroffene im Baubewilligungsverfahren noch nicht die Möglichkeit hatte, über die ihm auferlegten Beschränkungen Rechenschaft zu geben (vgl. zum Ganzen BGE 148 II 417 E. 3.3, 119 Ib 480 E. 5c, je mit Hinweisen).

 

3.2 Mit Blick auf das oben Dargelegte (vgl. vorstehende E. II/3.1) ist zur Wahrung der Verteidigungsrechte der Beschwerdeführer den Ausführungen des Beschwerdegegners 3 zu folgen, welcher die vorfrageweise Überprüfung ebenfalls für zulässig erklärt hat. Der behördenverbindliche Erlass der Gefahrenkarte ist nämlich direkter Anlass für das streitbetroffene Baugesuch bzw. die Erstellung einer Alarmierungsanlage im Quartier Y.______, was Auswirkungen auf die Grundeigentümerschaft zeitigt. Den Beschwerdeführern ist daher insoweit zuzustimmen, dass bei fehlender Möglichkeit zur vorfrageweisen Überprüfung der Gefahrenkarte die streitbetroffene Anlage ohne gewährten Rechtsschutz erstellt werden könnte. Im vorliegenden Falle ist die Vorprüfung demzufolge zulässig. Daran ändert auch die Möglichkeit einer Aufsichtsanzeige nichts, zumal es sich dabei um einen blossen Rechtsbehelf handelt, welcher weder an Fristen noch Formen gebunden ist und insbesondere keinen Erledigungsanspruch vermittelt (vgl. VGer-Urteil VG.2023.00089 vom 21. März 2024).

 

4.

Strittig und zu klären bleibt damit, ob die von den Beschwerdeführern beanstandete, geänderte Gefahrenkarte richtig und die Neueinreihung des Quartiers Y.______ in die rote Zone rechtmässig erfolgt ist.

 

4.1 Die Gefahrenkarte wird von Fachstellen und Experten erarbeitet. Es sind weder Planungsbehörden noch die Bevölkerung an deren Festlegung beteiligt. Das Thema des fachspezifischen Gefahrenmanagements steht im Vordergrund (Ralph van den Bergh, Gefahren- und Gefahrenhinweiskarte Hochwasser, Rechtsgutachten vom 10. November 2011, S. 5). Ob und welche Gefahrensituation vorliegt, bestimmt sich einzig nach hydrologisch-naturwissenschaftlichen Gesichtspunkten, wobei keine Interessen gegeneinander abgewogen werden. Der Rechtsschutz beschränkt sich dabei nur auf die Frage, ob das Resultat der technischen Bearbeitung nachvollziehbar und fachlich korrekt ist (vgl. zum Ganzen Hans W. Stutz, Uferstreifen und Gewässerraum – Umsetzung durch die Kantone, URP 2/2012, S. 121). Die Umsetzung in die Planung durch die kantonalen und kommunalen Behörden erfolgt schliesslich ohne Beizug von Experten, da die lokalen Behörden die örtlichen Verhältnisse und den Stand der Planung besser kennen (Erwin Hepperle, in Peter Hettich/Luc Jansen/Roland Norer, Kommentar zum GSchG und WBG, Zürich/Basel/Genf 2016, Art. 3 WBG N. 17).

 

4.2 Die Beschwerdeführer stellen insbesondere die Expertise der C.______ AG in Frage und unterstellen dem fallführenden Gutachter D.______ ein persönliches Interesse an der Überarbeitung der Gefahrenkarte. Aus dem Umstand, dass dieser als Gutachter bei der Erstellung der Gefahrenkarte und gleichzeitig als Projektverfasser tätig war, lässt sich indessen noch kein Ausstandsgrund i.S.v. Art. 13 VRG begründen. So ist zu berücksichtigen, dass die Änderung der Gefahrenkarte durch mehrere Fachexpertisen breit abgestützt ist. Darüber hinaus gilt miteinzubeziehen, dass D.______ bereits vor der Notfallplanung mit dem Vorprojekt des Hochwasserschutzes X-Runse befasst war. Entsprechend erweist sich seine Gutachtertätigkeit aufgrund der Vertrautheit mit den lokalen Gegebenheiten denn auch als durchwegs sinnvoll. Es ist zwar nicht von der Hand zu weisen, dass die gerügte doppelte Beauftragung von D.______ subjektiv als problematisch im Sinne einer Befangenheit empfunden werden kann. Objektiv betrachtet sprechen die gleichgewichteten Meinungen der übrigen Gutachter aber dagegen, wobei weder ersichtlich ist noch von den Beschwerdeführern substantiiert dargelegt wird, dass Letztere von D.______ beeinflusst wurden. Im Übrigen zielt die Rüge der Beschwerdeführer, wonach D.______ nicht genügend qualifiziert sei, ins Leere. Vielmehr ist angesichts seiner Referenzen und seiner Berufserfahrung nicht an seinen Fähigkeiten zu zweifeln.

 

4.3 Die Beschwerdeführer stellen sich weiter auf den Standpunkt, dass die neue Gefahrenkarte inhaltlich falsch sei. Diese wurde anhand der Grundlagen aus den Berichten der E.______ GmbH, F.______ GmbH, G.______ GmbH sowie der C.______ AG erarbeitet. Bei sämtlichen Ingenieurbüros handelt es sich um Fachexperten, welche auf Naturgefahren spezialisiert sind. Die Lebensläufe und Referenzen der Ingenieurbüros geben keinen Anlass dazu, an deren Qualifikation und Erfahrung zu zweifeln. Die ausführlichen Berichte decken sämtliche Fachgebiete ab und ergänzen sich inhaltlich bezüglich der aktuellen Situation der Gegebenheiten in der X-Runse. Mit Ausnahme des Gutachtens der E.______ GmbH wurden sodann sämtliche Berichte im Zeitraum nach den letzten Felsstürzen im Jahre 2020 verfasst, wobei selbst die E.______ GmbH darauf hinweist, dass Felsstürze das Geschiebepotential erhöhen (in concreto dasjenige aus dem Jahr 2014), dass Sperren wahrscheinlich beschädigt seien und dass beim nächsten Ereignis von einem Versagen Teilversagen der Sperren auszugehen sei. Im Ergebnis steht somit auch die Meinung der E.______ GmbH den Einschätzungen der übrigen Gutachter nicht entgegen. In einem zusätzlichen Gutachten der G.______ GmbH wurde ferner auf eine differenzierte Eintretenswahrscheinlichkeit eingegangen, wodurch den an der Besprechung mit dem Beschwerdeführer 1 am 10. Mai 2021 geäusserten Bedenken ausreichend Rechnung getragen wurde. Die Expertengruppe bestehend aus Geologen und Ingenieuren von vier voneinander unabhängigen Firmen hat sich entsprechend eingehend mit den geologischen und hydrologischen Verhältnissen, den Gefahrenprozessen (Murgang, Sturz), dem Handlungsbedarf und der Massnahmenplanung auseinandergesetzt. Die Berichte enthalten detaillierte Berechnungen und Angaben zur Risikobeurteilung. Die daraus erstellte Gefahrenkarte fasst die Berichte in sich stimmig sowie plausibel zusammen und das Vorgehen entsprach den formellen Richtlinien zur Erstellung von Gefahrenkarten der Abteilung Wald und Naturgefahren des Beschwerdegegners 2 vom September 2014. Dass die Ergebnisse fehlerhaft unvollständig seien auf unzutreffenden Berechnungen beruhen sollen, ist nicht erkennbar. Wird die Gefahrenkartierung nach den Regeln der Ingenieurskunst durchgeführt, so ist denn auch zu vermuten, dass die Eintragungen sachlich richtig und damit auch rechtmässig sind. Daran ändert auch der Beizug des von den Beschwerdeführern eingereichten Privatgutachtens nichts bzw. es ist nicht ersichtlich, inwiefern der Beschwerdegegner 3 den Sachverhalt offensichtlich unrichtig festgestellt haben soll. So weist der Beschwerdeführer 1 im Wesentlichen auf Punkte hin, welche den Fachexperten bereits bekannt waren. Indem er aber andere Schlüsse zieht, handelt es sich bei seiner Meinung lediglich um eine andere Einschätzung desselben Sachverhalts. Vor dem Hintergrund, dass dem Privatgutachten mehrere Fachexpertisen entgegenstehen und der Beschwerdeführer keine kaum Qualifikationen im Naturgefahrenbereich aufweist, kommt diesem ein geringerer Beweiswert zu, weshalb im Ergebnis auf die im Recht liegenden Einschätzungen der Fachexperten abzustellen ist. Da schliesslich von weiteren Begutachtungen keine neuen bzw. zusätzlichen Erkenntnisse zu erwarten sind, durfte angesichts der umfangreichen Abklärungen in antizipierter Beweiswürdigung (vgl. BGE 141 I 60 E. 3.3) davon abgesehen werden.

 

4.4 Aus dem Gesagten folgt, dass sich die Behörden bei der Beurteilung der streitbetroffenen baulichen Massnahmen auf die geänderte Gefahrenkarte abstützen durften, wobei die gegenteilige Ansicht der Beschwerdeführer hieran nichts ändert (vgl. BGer-Urteil 1C_488/2022 vom 5. September 2023 E. 4.3.2). Die Argumentationen der Beschwerdeführer, es seien falsche Berechnungsgrundlagen verwendet worden, laufen dementsprechend ins Leere. Da keine Anhaltspunkte für ein falsches bzw. willkürliches Vorgehen der kantonalen und kommunalen Behörden ersichtlich sind, besteht kein Anlass zur Nachprüfung derselben technischen Frage durch Fachbehörden (vgl. BGer-Urteil 1C_405/2011 vom 24. April 2012 E. 2.6), womit es an dieser Stelle sein Bewenden hat.

 

5.

Schliesslich ist darauf hinzuweisen, dass zum Schutz von Siedlungen und Verkehrswegen die Kantone für den Aufbau und Betrieb von Frühwarndiensten zu sorgen haben (Art. 24 WBV). Die aufgezeigte Gefahrensituation für das Wohnquartier sowie für die Verkehrswege macht Schutzmassnahmen zur Sicherung von hochrangigen Gütern vorliegend (Leib und Leben) notwendig. Sinn und Zweck der streitbetroffenen Warnanlage wären dabei selbst dann erfüllt, wenn die Gefahrenstufe tiefer eingeschätzt worden wäre. Bei grossen Umweltereignissen wie Murgängen Felsstürzen besteht nämlich ein hohes öffentliches Interesse daran, ausreichenden Schutz zu gewährleisten. Der Bau einer Warnanlage in Form eines Signalmasts mit Drehlicht und Sirene, welche die Anwohner im Ereignisfall alarmiert, erscheint hierfür geeignet, notwendig und zweckmässig. Die Interessen der Beschwerdeführer finanzieller, ideeller ästhetischer Art vermögen die öffentlichen Interessen dabei nicht zu überwiegen, weshalb sich die Massnahme insgesamt als verhältnismässig erweist. Hinzuweisen bleibt darauf, dass den zuständigen Behörden bei der Wahl der Massnahmen ein hohes Ermessen zukommt, in welches das Gericht nicht ohne Not eingreift. Eine solche besteht vorliegend nicht, zumal es sich bei er streitbetroffenen Anlage um ein mildes Mittel handelt.

 

6.

Zusammenfassend durfte der Beschwerdegegner 3 eine vorfrageweise Überprüfung der Gefahrenkarte vornehmen. Diese ergibt, dass die Gefahrenkarte formell rechtmässig und fachmännisch erstellt bzw. abgeändert wurde und insgesamt nachvollziehbar erscheint. Demgemäss besteht kein Anlass zur Abänderung Rückweisung zur erneuten Prüfung. Folglich erweist sich der angefochtene Entscheid insgesamt als rechtmässig, was zur Abweisung der Beschwerde führt.

 

III.

Ausgangsgemäss sind die Gerichtskosten von pauschal Fr. 3'000.- den Beschwerdeführern 1 und 2 je zur Hälfte aufzuerlegen (Art. 134 Abs. 1 lit. c VRG). Vom bereits geleisteten Kostenvorschuss von insgesamt Fr. 4'000.- sind ihnen je Fr. 500.- zurückzuerstatten.

Demgemäss erkennt die Kammer:

1.

Die Beschwerde wird abgewiesen.

2.

Die Gerichtskosten von pauschal Fr. 3'000.- werden den Beschwerdeführern 1 und 2 je zur Hälfte auferlegt. Vom bereits geleisteten Kostenvorschuss von insgesamt Fr. 4'000.- sind ihnen je Fr. 500.- zurückzuerstatten

3.

Schriftliche Eröffnung und Mitteilung an:

 

[…]

 



 
Quelle: https://findinfo.gl.ch
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