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Urteil Verwaltungsgericht (GL - VG.2024.00020)

Zusammenfassung des Urteils VG.2024.00020: Verwaltungsgericht

Die Beschwerdegegnerin wendete die Psycho-Praxis an, um psychische Beschwerden nach einem Unfall zu beurteilen, obwohl der Beweiswert des Berichts der behandelnden Ärztin nicht als wesentlich angesehen wurde. Das Verwaltungsgericht des Kantons Glarus entschied teilweise zugunsten des Beschwerdeführers und wies die Sache an die Beschwerdegegnerin zurück. Es wurde festgestellt, dass weitere medizinische Abklärungen erforderlich sind, um den Zusammenhang zwischen psychischen Beschwerden und dem Unfallereignis zu klären. Der Beschwerdeführer erhielt eine angemessene Parteientschädigung.

Urteilsdetails des Verwaltungsgerichts VG.2024.00020

Kanton:GL
Fallnummer:VG.2024.00020
Instanz:Verwaltungsgericht
Abteilung:-
Verwaltungsgericht Entscheid VG.2024.00020 vom 13.06.2024 (GL)
Datum:13.06.2024
Rechtskraft:
Leitsatz/Stichwort:Unfallversicherung: Anwendung der Psycho-Praxis
Schlagwörter: Unfall; Arbeit; Beschwerden; Beurteilung; Adäquanz; Unfallereignis; Kausalzusammenhang; Psycho-Praxis; Bericht; Recht; Abklärung; Verwaltung; Gericht; Unfallversicherung; Kausalzusammenhangs; Unfallfolgen; Bereich; Arbeitsfähigkeit; Wahrscheinlichkeit; Gesundheit; Sozialversicherung; Behandlung; Beeinträchtigung
Rechtsnorm:-
Referenz BGE:-
Kommentar:
Ueli Kieser, ATSG- 4. A., Zürich, 2020

Entscheid des Verwaltungsgerichts VG.2024.00020

Geschäftsnummer: VG.2024.00020 (VG.2024.1361)
Instanz: K2
Entscheiddatum: 13.06.2024
Publiziert am: 13.08.2024
Aktualisiert am: 13.08.2024
Titel: Sozialversicherung - Unfallversicherung

Resümee:

Unfallversicherung: Anwendung der Psycho-Praxis

Obschon dem Bericht der behandelnden Ärztin im Ergebnis kein wesentlicher Beweiswert zukommt, wendete die Beschwerdegegnerin gestützt darauf die Psycho-Praxis an, womit sie das Bestehen psychischer Beschwerden offensichtlich selbst nicht ausschloss (E. II/5.3). Die Prüfung des für die Leistungspflicht der Beschwerdegegnerin vorausgesetzten adäquaten Kausalzusammenhangs zwischen dem Unfallereignis und dem eingetretenen Schaden nach der Psycho-Praxis ist allein gestützt auf den streitbetroffenen Bericht nicht gerechtfertigt. Sollte eine fachärztliche Abklärung nämlich ergeben, dass organisch hinreichend nachweisbare psychische Unfallfolgen vorliegen, wären diese nach der allgemeinen Adäquanzformel zu beurteilen (E. II/5.4).

Teilweise Gutheissung der Beschwerde.
 

 

 

 

VERWALTUNGSGERICHT DES KANTONS GLARUS

 

 

 

Urteil vom 13. Juni 2024

 

 

II. Kammer

 

 

Besetzung: Gerichtspräsident MLaw Colin Braun, Verwaltungsrichter Samuel Bisig, Verwaltungsrichterin Petra Feusi Bissig und Gerichtsschreiberin MLaw Leonora Muji

 

 

in Sachen

VG.2024.00020

 

 

 

A.______

Beschwerdeführer

 

vertreten durch Prof. Dr. Hardy Landolt, Rechtsanwalt

 

 

 

gegen

 

 

 

Schweizerische Unfallversicherungsanstalt (Suva)

Beschwerdegegnerin

 

 

betreffend

 

 

Invalidenrente

 

Die Kammer zieht in Erwägung:

I.

1.

A.______, geboren am […], war seit dem 1. April 2019 bei der B.______AG als Monteur tätig und in dieser Eigenschaft bei der Schweizerischen Unfallversicherungsanstalt (Suva) gegen die Folgen von Berufs- und Nichtberufsunfällen versichert. Am 27. Oktober 2021 stürzte er aus einer Höhe von etwa zwei Metern von einer Leiter und zog sich dabei eine Berstungsfraktur zu. Die Suva erbrachte in der Folge die gesetzlichen Leistungen.

 

2.

Am 19. September 2023 sprach die Suva A.______ eine Invalidenrente bei einem Invaliditätsgrad von 12 % sowie eine Integritätsentschädigung bei einer Integritätseinbusse von 5 % zu. Die am 11. Oktober 2023 bzw. am 25. Oktober 2023 von ihm dagegen erhobene Einsprache wies die Suva am 26. Februar 2024 ab.

 

3.

A.______ gelangte mit Beschwerde vom 9. April 2024 ans Verwaltungsgericht und beantragte die Aufhebung des Einspracheentscheids vom 26. Februar 2024. Ihm sei ab dem 1. Juli 2023 eine Invalidenrente basierend auf einem Invaliditätsgrad von mindestens 50 % zuzusprechen. Eventualiter sei die Sache im Sinne der Erwägungen an die Suva zurückzuweisen; alles unter Kosten- und Entschädigungsfolgen zu Lasten der Suva. Die Suva schloss am 7. Mai 2024 auf Abweisung der Beschwerde.

 

II.

1.

Das Verwaltungsgericht ist gemäss Art. 1 Abs. 1 des Bundesgesetzes über die Unfallversicherung vom 20. März 1981 (UVG) i.V.m. Art. 56 ff. des Bundesgesetzes über den Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts vom 6. Oktober 2000 (ATSG) i.V.m. Art. 1 des Einführungsgesetzes zum Bundesgesetz über die Unfallversicherung vom 3. Mai 2009 (EG UVG) zur Behandlung der vorliegenden Beschwerde zuständig. Da auch die übrigen Prozessvoraussetzungen erfüllt sind, ist auf die Beschwerde einzutreten.

 

2.

2.1 Der Beschwerdeführer bringt vor, die psychischen Beeinträchtigungen seien koinzident mit dem Unfall aufgetreten und folglich natürlich kausal zum Unfallereignis. Da sie im direkten Zusammenhang mit dem Unfallereignis aufgetreten seien, könne die Adäquanzbeurteilung überdies nicht nach Massgabe der Rechtsprechung erfolgen, welche für ausschliessliche psychische Unfallfolgen anwendbar sei. Sodann hätte die Beschwerdegegnerin eine umfassende und neutrale Begutachtung durchführen und abklären müssen, ob unfallbedingt eine depressive Symptomatik und eine psychosoziale Belastungssituation eingetreten seien. Hinzu komme, dass der Kreisarzt kein Facharzt für Psychiatrie sei und entsprechend auch nicht beurteilen könne, ob die komplexe Schmerzproblematik als somatoforme Schmerzstörung bzw. die Belastungssituation als Depression Belastungsstörung zu beurteilen sei. Die Rechtsprechung im Bereich der Invalidenversicherung betreffend die anhaltenden somatoformen Schmerzstörungen und vergleichbaren psychosomatischen Leiden gelte dabei sinngemäss. Das Unfallereignis sei ferner geeignet, bei ihm eine psychische Belastungssituation herbeizuführen, nicht zuletzt weil er als bald 60-Jähriger von einem Arbeitsplatzverlust überdurchschnittlich betroffen sei und er bis zum Erreichen des ordentlichen Rentenalters keine Arbeitsstelle mehr finden werde. Selbst wenn die Adäquanzrechtsprechung zu den psychischen Störungen anwendbar wäre, so werde bestritten, dass es sich lediglich um ein mittelschweres Unfallereignis handle. Ferner sei die Invaliditätsbemessung fehlerhaft, da insbesondere auf den Medianwert der Löhne abgestellt worden sei. Er sei mit Bezug auf die angestammte Tätigkeit vollständig arbeitsunfähig und könne auch geeignete Verweisungstätigkeiten nur eingeschränkt und mit einem verminderten Arbeitstempo bzw. einem erhöhten Pausenbedarf im Umfang von 50 % ausführen. Selbst bei einer vollständigen Arbeitsfähigkeit wäre schliesslich der maximale Abzug vom Tabellenlohn von 25 % zu gewähren, da er als bald 60-Jähriger mit überwiegender Wahrscheinlichkeit das noch vorhandene funktionelle Leistungsvermögen auf dem konkreten Arbeitsmarkt nicht mehr verwerten könne.

 

2.2 Die Beschwerdegegnerin ist der Ansicht, der adäquate Kausalzusammenhang zwischen den psychischen Beschwerden und dem Unfall vom 27. Oktober 2021, welcher als mittelschwerer Unfall im engeren Sinne zu qualifizieren sei, sei zu verneinen, wobei die Adäquanzprüfung rechtsprechungsgemäss nach der Psycho-Praxis zu erfolgen habe. Sodann sei bei Unfällen aus dem mittleren Bereich kein Gutachten für deren Beurteilung erforderlich. Ferner seien die massgeblichen Zusatzkriterien insgesamt nicht im erforderlichen Ausmass erfüllt. Namentlich handle es sich bei einer Berstungsfraktur LWK 1 nicht um eine schwere Verletzung um eine solche besonderer Art. Dementsprechend sei diese nicht geeignet, psychische Fehlentwicklungen auszulösen. In den Akten fänden sich darüber hinaus keine Anhaltspunkte für eine ärztliche Fehlbehandlung, einen schwierigen Heilungsverlauf erhebliche Komplikationen, wobei die Behandlung der psychischen Beschwerden nicht in die Prüfung dieser Kriterien miteinzubeziehen sei. Im Übrigen berücksichtige die behandelnde Hausärztin unfallfremde Beschwerden und beziehe sich lediglich auf die angestammte Tätigkeit. Insgesamt sei mit der versicherungsmedizinischen Beurteilung vom 5. Mai 2023 der Endzustand eingetreten. Schliesslich könne den Einwänden des Beschwerdeführers hinsichtlich des herangezogenen Tabellenlohns nicht gefolgt werden. Für die Bemessung des Invalideneinkommens anhand statistischer Werte hätten nämlich weiterhin die Zentral- bzw. Medianwerte der Schweizerischen Lohnstrukturerhebung des Bundesamts für Statistik (LSE) Geltung.

 

3.

3.1

3.1.1 Nach Art. 6 Abs. 1 UVG werden bei Berufsunfällen, Nichtberufsunfällen und Berufskrankheiten die Versicherungsleistungen gemäss Art. 10 ff. UVG gewährt, sofern das Gesetz nichts anderes bestimmt. Als Unfall gilt nach Art. 4 ATSG die plötzliche, nicht beabsichtigte schädigende Einwirkung eines ungewöhnlichen äusseren Faktors auf den menschlichen Körper, die eine Beeinträchtigung der körperlichen, geistigen psychischen Gesundheit den Tod zur Folge hat.

 

3.1.2 Ist ein Versicherter infolge eines Unfalls voll teilweise arbeitsunfähig im Sinne vom Art. 6 ATSG, so hat er gemäss Art. 16 Abs. 1 UVG Anspruch auf ein Taggeld. Wenn von der Fortsetzung der ärztlichen Behandlung keine namhafte Besserung des Gesundheitszustands mehr erwartet werden kann und allfällige Eingliederungsmassnahmen der Invalidenversicherung abgeschlossen sind, besteht bei einem Invaliditätsgrad von mindestens 10 % Anspruch auf eine Invalidenrente (Art. 18 Abs. 1 i.V.m. Art. 19 Abs. 1 UVG). Mit dem Rentenbeginn fällt der Anspruch auf Taggeld dahin (Art. 19 Abs. 1 UVG).

 

3.1.3 Invalidität ist die voraussichtlich bleibende längere Zeit dauernde ganze teilweise Erwerbsunfähigkeit (Art. 8 Abs. 1 ATSG). Erwerbsunfähigkeit ist der durch Beeinträchtigung der körperlichen, geistigen psychischen Gesundheit verursachte und nach zumutbarer Behandlung und Eingliederung verbleibende ganze teilweise Verlust der Erwerbsmöglichkeiten auf dem in Betracht kommenden ausgeglichenen Arbeitsmarkt (Art. 7 Abs. 1 ATSG). Eine Erwerbsunfähigkeit liegt vor, wenn sie aus objektiver Sicht nicht überwindbar ist (Art. 7 Abs. 2 ATSG).

 

3.1.4 Für die Beurteilung des Gesundheitszustands und der rechtlichen Folgen sind Versicherungsträger und Gerichte auf Angaben ärztlicher Experten angewiesen. Die Aufgabe dieser Experten ist es, sämtliche Auswirkungen einer Krankheit eines Unfalls auf den Gesundheitszustand des Versicherten zu beurteilen und zu umschreiben, welche Tätigkeiten ihm noch zumutbar sind und inwiefern er in seiner körperlichen und geistigen Integrität beeinträchtigt ist (vgl. dazu BGE 125 V 351 E. 3a).

 

3.1.5 Der Versicherungsträger prüft die Begehren, nimmt die notwendigen Abklärungen von Amtes wegen vor und holt die erforderlichen Auskünfte ein (Art. 43 Abs. 1 ATSG). Im Rahmen der Verfahrensleitung kommt ihm ein grosser Ermessensspielraum bezüglich Notwendigkeit, Umfang und Zweckmässigkeit von medizinischen Erhebungen zu. Was zu beweisen ist, ergibt sich aus der jeweiligen Sach- und Rechtslage. Gestützt auf den Beweisgrad ist der Sachverhalt so weit zu ermitteln, dass über den Leistungsanspruch zumindest mit dem Beweisgrad der überwiegenden Wahrscheinlichkeit entschieden werden kann (BGer-Urteil 8C_815/2012 vom 21. Oktober 2013 E. 3.2.1).

 

3.2

3.2.1 Die Verwaltung wie auch die kantonalen Versicherungsgerichte haben die Einschätzungen der Experten nach dem Grundsatz der freien Beweiswürdigung (Art. 61 lit. c ATSG) ohne Bindung an förmliche Beweisregeln umfassend und pflichtgemäss zu würdigen. Für das Beschwerdeverfahren bedeutet dies, dass das Gericht alle Beweismittel, unabhängig davon, von wem sie stammen, objektiv zu prüfen und danach zu entscheiden hat, ob die verfügbaren Unterlagen eine zuverlässige Beurteilung des streitigen Rechtsanspruchs gestatten (BGE 125 V 351 E. 3a).

 

3.2.2 Hinsichtlich des Beweiswerts eines Arztberichts ist entscheidend, ob dieser für die streitigen Belange umfassend ist, auf allseitigen Untersuchungen beruht, die geklagten Beschwerden berücksichtigt, in Kenntnis der Vorakten (Anamnese) abgegeben worden ist, in der Beurteilung der medizinischen Zusammenhänge und in der Beurteilung der medizinischen Situation einleuchtet und ob die Schlussfolgerungen begründet sind. Ausschlaggebend für den Beweiswert ist grundsätzlich somit weder die Herkunft eines Beweismittels noch die Bezeichnung der eingereichten in Auftrag gegebenen Stellungnahme als Bericht Gutachten (BGE 143 V 124 E. 2.2.2, 125 V 351 E. 3a, mit Hinweisen).

 

3.2.3 Auch den Berichten und Gutachten versicherungsinterner Ärzte und Ärztinnen kommt Beweiswert zu, sofern sie als schlüssig erscheinen, nachvollziehbar begründet sowie in sich widerspruchsfrei sind und keine Indizien gegen ihre Zuverlässigkeit bestehen. Die Tatsache allein, dass der befragte Arzt die befragte Ärztin in einem Anstellungsverhältnis zum Versicherungsträger steht, lässt nicht schon auf mangelnde Objektivität und auf Befangenheit schliessen. Es bedarf vielmehr besonderer Umstände, welche das Misstrauen in die Unparteilichkeit der Beurteilung objektiv als begründet erscheinen lassen. Im Hinblick auf die erhebliche Bedeutung, welche den Arztberichten im Sozialversicherungsrecht zukommt, ist an die Unparteilichkeit des Gutachters der Gutachterin allerdings ein strenger Massstab anzulegen (BGE 122 V 157 E. 1c).

 

3.3

3.3.1 Die Leistungspflicht des Unfallversicherers setzt zunächst voraus, dass zwischen dem versicherten Unfallereignis und dem eingetretenen Schaden ein natürlicher Kausalzusammenhang besteht. Ursachen im Sinne des natürlichen Kausalzusammenhangs sind alle Umstände, ohne deren Vorhandensein der eingetretene Erfolg nicht als eingetreten nicht als in der gleichen Weise bzw. nicht zur gleichen Zeit eingetreten gedacht werden kann. Entsprechend dieser Umschreibung ist für die Bejahung des natürlichen Kausalzusammenhangs nicht erforderlich, dass ein Unfall die alleinige unmittelbare Ursache gesundheitlicher Störungen ist. Es genügt, dass das schädigende Ereignis zusammen mit anderen Bedingungen die körperliche geistige Integrität des Versicherten beeinträchtigt hat, der Unfall mit anderen Worten nicht weggedacht werden kann, ohne dass auch die eingetretene gesundheitliche Störung entfiele. Ob zwischen einem schädigenden Ereignis und einer gesundheitlichen Störung ein natürlicher Kausalzusammenhang besteht, ist eine Tatfrage, worüber die Verwaltung bzw. im Beschwerdefall das Gericht im Rahmen der ihm obliegenden Beweiswürdigung nach dem im Sozialversicherungsrecht üblichen Beweisgrad der überwiegenden Wahrscheinlichkeit zu befinden hat. Die blosse Möglichkeit eines Zusammenhangs genügt für die Begründung eines Leistungsanspruchs nicht (vgl. BGE 144 V 427 E. 3.2, 129 V 177 E. 3.1). Es ist daher unerlässlich, dass die geklagten Beschwerden nicht lediglich den von der versicherten Person subjektiv umschriebenen Leiden entsprechen, sondern medizinisch einer fassbaren gesundheitlichen Beeinträchtigung zugeschrieben werden können und diese Gesundheitsschädigung mit überwiegender Wahrscheinlichkeit in einem ursächlichen Zusammenhang mit dem versicherten Unfallereignis steht (BGE 119 V 335 E. 2b). Entscheidend ist dabei die Würdigung der in den Akten liegenden medizinischen Berichte, wobei das Gericht bei der Beurteilung des natürlichen Kausalzusammenhangs nicht ohne zwingenden Grund von der Einschätzung der medizinischen Experten abweicht (BGE 118 V 286 E. 1b).

 

3.3.2 Die Leistungspflicht der Unfallversicherung setzt im Weiteren voraus, dass zwischen dem Unfall und der dadurch verursachten Arbeits- bzw. Erwerbsunfähigkeit ein adäquater Kausalzusammenhang besteht. Ein Ereignis hat dann als adäquate Ursache eines Erfolgs zu gelten, wenn es nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge und nach der allgemeinen Lebenserfahrung an sich geeignet ist, einen Erfolg von der Art des eingetretenen herbeizuführen, der Eintritt dieses Erfolgs also durch das Ereignis allgemein als begünstigt erscheint (BGE 117 V 359 E. 5a). Die Adäquanz spielt im Bereich organisch objektiv ausgewiesener Unfallfolgen praktisch keine Rolle, da sich hier die adäquate weitgehend mit der natürlichen Kausalität deckt (Alexandra Rumo-Jungo/André P. Holzer, in Erwin Murer/Hans-Ulrich Stauffer [Hrsg.], Rechtsprechung des Bundesgerichts zum Sozialversicherungsrecht, Bundesgesetz über die Unfallversicherung, 4. A., Zürich/Basel/Genf 2012, S. 58 f.).

 

4.

4.1 Prof. Dr. med. C.______ und Assistenzärztin D.______ diagnostizierten am 10. November 2021 eine Berstungsfraktur LWK 1. Am 15. November 2021 stellte die Rehaklinik E.______ beim Beschwerdeführer sodann Schmerzen in Bewegung sowie im Operationsgebiet fest. Das Gehen und Stehen gehe gut. Er, der Beschwerdeführer, bemerke leichte Sensibilitätseinschränkungen an der linken Fusssohle. Die behandelnden Ärzte attestiertem ihm vom 10. November 2021 bis zum 31. Dezember 2021 ferner eine volle Arbeitsunfähigkeit.

 

4.2 Am 14. Februar 2022 schilderte Prof. C.______, es bestünden weiterhin tieflumbale mechanische Rückenschmerzen sowie ISG-Beschwerden. Bis Ende Februar sei weiterhin von einer vollständigen Arbeitsunfähigkeit auszugehen.

 

4.3 Kreisarzt Dr. med. F.______, Facharzt für Orthopädie und Traumatologie, stellte am 14. März 2022 eine Deckplattenimpressionsfraktur in LWK 1 mit deutlicher Höhenminderung und Beteiligung der Vorder- sowie Hinterkante fest. Die frakturierte Hinterkante reiche um etwa fünf Millimeter in den Spinalkanal. Sodann liege ein partiell mitabgebildetes subcutanes Hämatom gluteal beidseits und rechtsbetont vor, womit der Unfall mit überwiegender Wahrscheinlichkeit zu zusätzlichen strukturellen Läsionen geführt habe. Nach einer Wirbelsäulenoperation seien mindestens sechs bis zwölf Monate bis zur vollen Arbeitsfähigkeit abzuwarten. Dem Beschwerdeführer sei auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt eine leichte überwiegend sitzende Arbeit ganztags zumutbar. Länger andauerndes repetitives Einnehmen einer Zwangshaltung für die Wirbelsäule wie gebückte Haltung, Tätigkeiten mit maximalen länger dauernden Rumpfrotationen seien weitgehend zu meiden. Arbeiten auf Leitern und Gerüsten sowie andauernde Vibrationsbelastungen für die Wirbelsäule seien zu vermeiden.

 

4.4 Dr. med. G.______, Fachärztin für Allgemeine Innere Medizin FMH, führte am 1. September 2022 aus, beim Beschwerdeführer bestünden weiterhin lumbale Schmerzen und tieflumbale muskuläre Verspannungen, teilweise immobilisierend mit hinkendem Gangbild. Weiter lägen Verspannungen paravertebral im Bereich der Facettengelenke vor, wobei durch die Physiotherapie eine leichte Beschwerdebesserung habe erzielt werden können. Er, der Beschwerdeführer, könne weiterhin keine schweren Platten heben. Die Arbeit könne er zu 50 % wiederaufnehmen.

 

4.5 Am 19. Oktober 2022 diagnostizierte Prof. C.______ eine Spondylodese thorakolumbal bei Berstungsfraktur L1 und einen mechanischen Rückenschmerz, insbesondere in den Segmenten L4/5 und L5/S1. Überdies bestehe der Verdacht auf eine beidseitige ISG-Arthropathie.

 

4.6 Anlässlich der ärztlichen Untersuchung vom 16. Dezember 2022 diagnostizierte Kreisarzt Dr. med. H.______, Facharzt für Chirurgie und Traumatologie, eine Berstungsfraktur LWK 1 sowie als unfallfremde Erkrankungen Spondylarthrosen LWK4/LWK5 und LWK5/SWK1 beidseits. Die bisherige Tätigkeit sei nicht mehr zumutbar. Hingegen sei eine vollschichtige wechselbelastende Tätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt zumutbar. Dies vorwiegend sitzend, aber auch stehend und gehend. Das Heben und Tragen von Lasten sei auf zehn Kilogramm begrenzt. Überkopfarbeiten, Tätigkeiten in Zwangshaltungen (vornüber geneigt), an unzugänglichen Orten, in kniender kauernder Stellung seien nicht zumutbar. Mit einer Steigerung der Arbeitsfähigkeit könne nicht gerechnet werden.

 

4.7 Prof. C.______ operierte den Beschwerdeführer am 15. Februar 2023 und hielt ein störendes Osteosynthesematerial nach thorakolumbaler Spondylodese sowie muskuläre und Fasziendehiszenz dorsal fest. Mittels Physiotherapie könne keine Verbesserung mehr erreicht werden. Am 26. April 2023 informierte Prof. C.______, dass im Bereich des dorsalen Zugangs keine Muskeln Fasziendehiszenzen vorlägen. Die Muskulatur sei deutlich weicher als vorher. Im Bereich der unteren LWS bestehe nach wie vor ein mechanischer Rückenschmerz mit Facettengelenksschmerzen und rechtsbetont auch ISG-Probleme.

 

4.8 Am 5. Mai 2023 beurteilte Kreisarzt Dr. H.______ die Restbeschwerden als teilkausal zum Unfallereignis vom 27. Oktober 2021. Von weiteren Behandlungen werde mit überwiegender Wahrscheinlichkeit keine Besserung des unfallbedingten Gesundheitszustands möglich sein.

 

4.9 Am 20. Oktober 2023 hielt Dr. G.______ fest, sie könne nicht beurteilen, ob aktuell noch Unfallfolgen vorlägen. Dem Beschwerdeführer habe sie aufgrund der Lumbago und einer depressiven Symptomatik sowie einer psychosozialen Belastungssituation eine Arbeitsunfähigkeit von 50 % attestiert. Die Arbeitsunfähigkeit beziehe sich auf die angestammte Tätigkeit. Auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt sei eine wechselbelastende Tätigkeit zumutbar und zu befürworten.

 

5.

5.1 Der Beschwerdeführer klagt über Beschwerden im Bereich des Rückens und über eine psychische Problematik. Betreffend die Rückenbeschwerden anerkannte die Beschwerdegegnerin eine Teilkausalität, weshalb an dieser Stelle nicht weiter darauf einzugehen ist. Uneinigkeit besteht demgegenüber, ob die geltend gemachten psychischen Beschwerden kausal zum Unfallereignis vom 27. Oktober 2021 sind, wobei der Beschwerdeführer die Anwendung der Psycho-Praxis (BGE 115 V 133) bestreitet.

 

5.2 Bei der Beurteilung der Adäquanz von organisch nicht (hinreichend) nachweisbaren Unfallfolgeschäden ist zunächst abzuklären, ob die versicherte Person beim Unfall ein Schleudertrauma der Halswirbelsäule, eine dem Schleudertrauma äquivalente Verletzung ein Schädel-Hirntrauma erlitten hat. Ist dies nicht der Fall, gelangt die Psycho-Praxis zur Anwendung. Ergeben die Abklärungen aber, dass die versicherte Person eine der soeben erwähnten Verletzungen erlitten hat, muss beurteilt werden, ob die zum typischen Beschwerdebild einer solchen Verletzung gehörenden Beeinträchtigungen zwar teilweise vorliegen, im Vergleich zur psychischen Problematik aber ganz in den Hintergrund treten. Trifft dies zu, sind für die Adäquanzbeurteilung ebenfalls die in BGE 115 V 133 für Unfälle mit psychischen Folgeschäden aufgestellten Grundsätze massgebend. Andernfalls erfolgt die Beurteilung der Adäquanz gemäss den in BGE 117 V 359 festgelegten Kriterien (vgl. BGE 138 V 248 E. 4, 127 V 102 E. 5b/bb, je mit Hinweisen).

 

5.3 Aus den im Recht liegenden Akten geht einzig aus dem Bericht von Dr. G.______ vom 20. Oktober 2023 eine depressive Symptomatik sowie eine psychosoziale Belastungssituation hervor. Dieser Bericht vermag den beweisrechtlichen Anforderungen jedoch nicht zu genügen, zumal sich Dr. G.______ weder rechtsgenüglich mit den Vorakten auseinandergesetzt noch eigene Explorationen angestellt Tests durchgeführt hat. Überdies äussert sie sich einzig und lediglich pauschal zur Arbeitsfähigkeit in der angestammten Tätigkeit und bleibt eine Einschätzung zur Arbeitsfähigkeit in Verweistätigkeiten schuldig. Des Weiteren weist sie selbst darauf hin, dass sie sich zum Vorliegen von Unfallfolgen nicht äussern könne, weshalb ihr Bericht von vornherein mit erheblichen Unsicherheiten behaftet ist. Ferner bezieht sie zu den vom Beschwerdeführer beklagten psychischen Beschwerden nicht eingehend Stellung. Obschon ihrem Bericht im Ergebnis somit kein wesentlicher Beweiswert zukommt, bezog sich die Beschwerdegegnerin bei der Beurteilung des adäquaten Kausalzusammenhangs auf ihren Bericht vom 20. Oktober 2023 und wendete in der Folge die Psycho-Praxis an, womit die Beschwerdegegnerin das Bestehen psychischer Beschwerden offensichtlich selbst nicht ausschloss. Weitere Berichte, welche Schlussfolgerungen in Bezug auf allfällige psychische Beschwerden zulassen würden bzw. welche sich mit den Voraussetzungen zur Anwendbarkeit der Psycho-Praxis auseinandersetzen hierzu geeignet sind, liegen sodann nicht vor. Zwar stellt die Frage nach der Adäquanz eines natürlichen Kausalzusammenhangs grundsätzlich eine Rechtsfrage dar, worauf die Beschwerdegegnerin zu Recht hinweist (vgl. BGE 134 V 109 E. 6.2.1, BGer-Urteil 8C_100/2021 vom 7. April 2021 E. 4.2). Die Anwendung der Psycho-Praxis setzt indessen aber voraus, dass natürlich unfallkausale, aber organisch nicht objektiv ausgewiesene Beschwerden vorliegen, was vorgängig die Beurteilung allfälliger Krankheits- und Unfallfolgen bedingt. Erst dieser Umstand gibt Anlass zu einer besonderen Adäquanzbeurteilung, anhand welcher vom augenfälligen Geschehensablauf auszugehen ist und je nachdem weitere unfallbezogene Kriterien einzubeziehen sind (vgl. zum Ganzen BGE 140 V 193 E. 3.2; BGer-Urteil 8C_749/2010 vom 6. Januar 2011 E. 3, mit Hinweisen).

 

5.4 Wie bereits dargelegt, beurteilte die Beschwerdegegnerin die Adäquanz anhand der Psycho-Praxis. Dies obschon ungewiss ist, ob und unter welchen psychischen Beschwerdebildern der Beschwerdeführer leidet und ob durch die Behandlung derselben noch eine namhafte Verbesserung der Erwerbsfähigkeit erreicht werden kann bzw. inwiefern die Arbeitsfähigkeit und das Zumutbarkeitsprofil durch die psychischen Leiden beeinflusst werden. Überdies bestehen keine verlässlichen Angaben über das Zusammenwirken der somatischen und der allfälligen psychischen Beschwerden, zumal verlässliche medizinische Unterlagen fehlen. Ferner bleibt unklar, ob die übrigen Beeinträchtigungen gegenüber der psychischen Problematik in den Hintergrund treten, womit insgesamt nicht mit dem Beweisgrad der überwiegenden Wahrscheinlichkeit auf organisch nicht objektiv ausgewiesene Beschwerden geschlossen werden kann. Dementsprechend ist die Prüfung des für die Leistungspflicht der Beschwerdegegnerin vorausgesetzten adäquaten Kausalzusammenhangs zwischen dem Unfallereignis und dem eingetretenen Schaden nach der Psycho-Praxis allein gestützt auf den Bericht von Dr. G.______ vom 20. Oktober 2023 nicht gerechtfertigt (vgl. BGE 127 V 102 E. 5b/bb). Sollte eine diesbezügliche fachärztliche Abklärung nämlich ergeben, dass organisch hinreichend nachweisbare psychische Unfallfolgen vorliegen, wären diese nach der allgemeinen Adäquanzformel zu beurteilen. Schliesslich ist darauf hinzuweisen, dass es an der Beschwerdegegnerin im Rahmen ihrer Abklärungspflicht (Art. 43 ATSG) gelegen hätte, solche Unklarheiten mittels weiteren medizinischen Abklärungen zu beseitigen.

 

6.

6.1 Gemäss bundesgerichtlicher Rechtsprechung können die Sozialversicherungsgerichte nicht mehr frei entscheiden, ob sie eine Streitsache zur neuen Begutachtung an die Verwaltung zurückweisen. Die Beschwerdeinstanz hat vielmehr im Regelfall selbst ein Gerichtsgutachten einzuholen, wenn sie einen im Verwaltungsverfahren anderweitig erhobenen Sachverhalt überhaupt für gutachterlich abklärungsbedürftig hält wenn ein Administrativgutachten in einem rechtserheblichen Punkt nicht beweiskräftig ist. Eine Rückweisung an die Vorinstanz bleibt hingegen möglich, wenn sie allein in der notwendigen Erhebung einer bisher vollständig ungeklärten Frage begründet ist oder, wenn lediglich eine Klarstellung, Präzisierung Ergänzung von gutachterlichen Ausführungen erforderlich ist (BGE 137 V 210 E. 4.4.1 ff.).

 

6.2 Die Beurteilung von Dr. G.______ vom 20. Oktober 2023, auf welche sich die Beschwerdegegnerin bei der Adäquanzbeurteilung der psychischen Beschwerden hauptsächlich abstützt, stellt keine verlässliche medizinische Entscheidungsgrundlage dar (vgl. vorstehende E. II/5.3). Dennoch hat die Beschwerdegegnerin pauschal darauf abgestellt und gestützt darauf die Adäquanzprüfung vorgenommen, was mit Blick auf ihre Untersuchungs- bzw. Abklärungspflicht im Verwaltungsverfahren ungenügend erscheint. Ob der Beschwerdeführer im Nachgang zum Unfall tatsächlich psychische Beschwerden entwickelt hat und diese auf das Unfallereignis vom 27. Oktober 2021 zurückzuführen sind, kann einzig mittels einer fachärztlichen Beurteilung geklärt werden. Die Sache ist dementsprechend an die Beschwerdegegnerin zurückzuweisen, damit sie die notwendigen Abklärungen vornimmt und hernach erneut über ihre Leistungspflicht verfügt.

 

7.

Da es bezüglich der Frage des natürlichen Kausalzusammenhangs zwischen allfälliger psychischer Beschwerden und dem Unfallereignis vom 27. Oktober 2021 weiterer medizinischer Abklärungen bedarf, erübrigt sich (aktuell) die Prüfung der Arbeitsfähigkeit und des Invaliditätsgrads.

 

Dies führt zur teilweisen Gutheissung der Beschwerde.

 

III.

1.

Die Gerichtskosten sind von Gesetzes wegen auf die Staatskasse zu nehmen (Art. 1 Abs. 1 UVG i.V.m. Art. 61 lit. a ATSG). Da die Rückweisung der Sache an den Versicherungsträger hinsichtlich der Kosten- und Entschädigungsfolge als Obsiegen gilt (Ueli Kieser, ATSG-Kommentar, 4. A., Zürich/Basel/Genf 2020, Art. 61 N. 224), steht dem Beschwerdeführer zu Lasten der Beschwerdegegnerin eine angemessene Parteientschädigung zu, welche auf pauschal Fr. 1'800.- (inkl. Mehrwertsteuer) festzusetzen ist (Art. 1 Abs. 1 UVG i.V.m. Art. 61 lit. g ATSG).

 

2.

Gegen diesen Zwischenentscheid steht die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten ans Bundesgericht nur nach Massgabe von Art. 93 Abs. 1 des Gesetzes über das Bundesgericht vom 17. Juni 2005 (BGG) offen.

Demgemäss erkennt die Kammer:

1.

Die Beschwerde wird teilweise gutgeheissen. Der Einspracheentscheid der Beschwerdegegnerin vom 26. Februar 2024 wird aufgehoben und die Sache wird im Sinne der Erwägungen an diese zurückgewiesen.

2.

Die Gerichtskosten werden auf die Staatskasse genommen.

3.

Die Beschwerdegegnerin wird verpflichtet, dem Beschwerdeführer innert 30 Tagen nach Rechtskraft dieses Entscheids eine Parteientschädigung in der Höhe von Fr. 1'800.- (inkl. Mehrwertsteuer) zu bezahlen.

4.

Schriftliche Eröffnung und Mitteilung an:

 

[…]

 



 
Quelle: https://findinfo.gl.ch
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