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Urteil Verwaltungsgericht (GL - VG.2024.00011)

Zusammenfassung des Urteils VG.2024.00011: Verwaltungsgericht

Die Beschwerdeführerin A.______ hat erfolgreich gegen die Neubewertung ihres Grundstücks im Kanton Glarus geklagt. Die Steuerverwaltung hatte den Wert des Grundstücks aufgrund eines Kaufrechts im Grundbuch neu festgelegt, was A.______ anfocht. Das Verwaltungsgericht des Kantons Glarus gab der Beschwerde recht, da die Neubewertung ohne ausreichende rechtliche Grundlage erfolgte. Die Kosten des Verfahrens trägt die unterlegene Steuerverwaltung, und A.______ erhält den bereits geleisteten Kostenvorschuss zurückerstattet. Keine Partei erhält eine Parteientschädigung.

Urteilsdetails des Verwaltungsgerichts VG.2024.00011

Kanton:GL
Fallnummer:VG.2024.00011
Instanz:Verwaltungsgericht
Abteilung:-
Verwaltungsgericht Entscheid VG.2024.00011 vom 27.06.2024 (GL)
Datum:27.06.2024
Rechtskraft:
Leitsatz/Stichwort:Steuerliche Neubewertung von Grundstücken
Schlagwörter: Neubewertung; Kanton; Grundstück; GstBV; Kaufrecht; Bewertung; Grundstücke; Kaufrechts; Umstände; Werte; Regierungs; Recht; Regierungsrat; Eintragung; Kantons; Apos; Glarus; Anpassung; Liegenschaft; Verwaltung; Kantonen; Grundbuch; Anlass; Urteil; Eigenmietwert; Tatsache; Grundstücken; Umstand
Rechtsnorm:-
Referenz BGE:-
Kommentar:
Marti, Frank, Basler Kommentar StHG , 2014

Entscheid des Verwaltungsgerichts VG.2024.00011

Geschäftsnummer: VG.2024.00011 (VG.2024.1369)
Instanz: K1
Entscheiddatum: 27.06.2024
Publiziert am: 12.08.2024
Aktualisiert am: 12.08.2024
Titel: Steuern

Resümee:

Steuerliche Neubewertung von Grundstücken

Im Kanton Glarus sind die Vermögenssteuerwerte und die Eigenmietwerte alle zehn Jahre neu festzulegen, sofern keine ausserordentlichen Umstände vorliegen. Der Regierungsrat setzt den Zeitpunkt fest, auf den eine allgemeine Neubewertung durchzuführen ist (E. II/3).
Eine Auslegung ergibt, dass sich ausserordentliche Umstände nur auf spezifische Einzelfall-Tatsachen und nicht auf solche beziehen können, die eine grosse Anzahl Grundstücke betreffen. Damit kann eine allgemeine Anpassung an die bundesrechtlichen bzw. bundesgerichtlichen Vorgaben kein Grund für eine einzelne Neubewertung sein (E. II/4.2). Die Eintragung eines Kaufrechts im Grundbuch ist kein ausserordentlicher Umstand, da eine solche nicht derart aussergewöhnlich ist und auch den Wert des Grundstücks nicht zwingend verändert (E. II/4.3).
Eine allgemeine Unvereinbarkeit der Werte mit den bundesrechtlichen Vorgaben kann im Einzelfall ebenfalls kein Anlass für eine Neubewertung sein (E. II/5).
Die kantonalen Regeln zur Neubewertung von Grundstücken stehen den Steuerharmonisierungsbestimmungen entgegen, was durch den Verordnungsgeber und nicht durch das Verwaltungsgericht zu korrigieren ist (E. II/6).

Gutheissung der Beschwerde.
 

 

 

 

VERWALTUNGSGERICHT DES KANTONS GLARUS

 

 

 

Urteil vom 27. Juni 2024

 

 

I. Kammer

 

 

Besetzung: Gerichtspräsident MLaw Colin Braun, Verwaltungsrichter Ernst Luchsinger, Verwaltungsrichterin Jolanda Hager und Gerichtsschreiberin MLaw Paula Brändli

 

 

in Sachen

VG.2024.00011

 

 

 

A.______

Beschwerdeführerin

 

vertreten durch B.______

 

 

 

gegen

 

 

 

1.

Steuerverwaltung des Kantons Glarus

Beschwerdegegnerinnen

 

2.

Steuerrekurskommission des Kantons Glarus

 

 

betreffend

 

 

Grundstücksbewertung

 

Die Kammer zieht in Erwägung:

I.

1.

1.1 A.______ ist Eigentümerin der Parz.-Nr. 01, Grundbuch […]. Diese wurde unter dem vorherigen Eigentümer am 19. März 2020 durch die Steuerverwaltung des Kantons Glarus auf einen Steuerwert von Fr. 460'000.- und einen Eigenmietwert von Fr. 12'600.- geschätzt. Nachdem die Liegenschaft auf A.______ übertragen worden war, wurde das Grundstück am 18. Juni 2020 auf dieselben Werte geschätzt.

 

1.2 A.______ schloss am 22. Februar 2022 einen Kaufrechtsvertrag betreffend die Parz.-Nr. 01, Grundbuch […], ab, welcher am 23. Februar 2022 im Grundbuch eingetragen wurde. Am 19. Dezember 2022 wurde das Grundstück erneut steuerlich bewertet, wobei ein Steuerwert von Fr. 546'900.-, ein Mietwert von Fr. 24'964.- sowie ein Eigenmietwert von Fr. 14'978.- festgelegt wurden. Hiergegen erhob A.______ am 30. Dezember 2022 Einsprache bei der Steuerverwaltung, welche Letztere am 10. Januar 2023 abwies. Den hiergegen erhobenen Rekurs vom 16. Januar 2023 wies die Steuerrekurskommission des Kantons Glarus am 13. Februar 2024 ebenfalls ab.

 

2.

A.______ gelangte mit Beschwerde vom 19. Februar 2024 ans Verwaltungsgericht und beantragte die Aufhebung der Liegenschaftenbewertung vom 19. Dezember 2022. Es sei weiterhin von den Schätzwerten vom 19. März 2020 bzw. 18. Juni 2020 auszugehen; unter Kosten- und Entschädigungsfolge zu Lasten der Steuerverwaltung. Die Steuerrekurskommission schloss am 22. Februar 2024 auf Abweisung der Beschwerde, verzichtete allerdings auf eine eingehende Stellungnahme. Die Steuerverwaltung beantragte am 13. März 2024 die Abweisung der Beschwerde, soweit darauf einzutreten sei; alles unter Kosten- und Entschädigungsfolge zu Lasten von A.______. Am 18. März 2024 erneuerte A.______ ihre Anträge.

 

II.

1.

Das Verwaltungsgericht beurteilt Beschwerden gegen Rekursentscheide der kantonalen Steuerrekurskommission (Art. 166 Abs. 1 des Steuergesetzes vom 7. Mai 2000 [StG] i.V.m. Art. 105 Abs. 1 lit. e des Gesetzes über die Verwaltungsrechtspflege vom 4. Mai 1986 [VRG]). Es ist somit zur Behandlung der vorliegenden Beschwerde zuständig und prüft die Angelegenheit vollumfänglich (vgl. Art. 107 Abs. 2 lit. a VRG). Da die übrigen Prozessvoraussetzungen zudem erfüllt sind, ist auf die Beschwerde einzutreten.

 

2.

2.1 Die Beschwerdeführerin bringt vor, die Beschwerdegegnerin 1 habe ihr mitgeteilt, dass die Bewertungen vom 19. März 2020 bzw. 18. Juni 2020 aufgrund von allgemeinen Neubewertungen erfolgt seien. Dabei könne es jedoch nicht angehen, dass bereits zwei Jahre nach einer Bewertung wieder eine allgemeine Neubewertung durchgeführt werde, zumal eine solche im Kanton Glarus lediglich alle zehn Jahre veranlasst würde. Das im Grundbuch eingetragene Kaufrecht könne sodann nicht als ausserordentlicher Umstand qualifiziert werden, welcher zu einer weiteren Neubewertung berechtige. Die Beschwerdegegnerin 1 habe den im Grundbuch eingetragenen Preis des Kaufrechts als Marktwert genommen. Die aktuelle Bundesgerichtspraxis sehe aber eine Neuschätzung aufgrund einer Eintragung eines Kaufrechts in einem Fall mit Vermögenssteuerwert für das Jahr 2016, wobei das Kaufrecht erst 2020 ausgeübt worden sei, als nicht zulässig an. Im vorliegenden Fall sei das Kaufrecht zwar eingetragen, aber nach wie vor nicht ausgeübt worden. Dies deute darauf hin, dass der definierte Kaufpreis zu hoch angesetzt worden sei. Im Übrigen sei die Liegenschaft mit einer Hypothek von Fr. 500'000.- belastet. Im Ergebnis sei somit weiterhin auf die bisherigen (korrekt) eruierten Schätzwerte aus dem Jahr 2020 abzustellen.

 

2.2 Die Beschwerdegegnerin 1 stellt sich auf den Standpunkt, die Bewertung der Grundstücke erfolge schematisch. Eine Abkehr von den formelhaft berechneten Werten sei dabei gerechtfertigt, wenn sie von durch externe Fachpersonen erstellten, substantiierten Verkehrswertschätzungen massgeblich differierten. Im Kanton Glarus entsprächen die Berechnungsparameter nicht mehr den aktuellen Gegebenheiten, woraus ein faktischer Abschlag und damit bei einer Mehrheit der Grundstücke ein viel zu tiefer Steuer- sowie Mietwert resultiere. Da dies gegen Bundesrecht verstosse, seien die der Bewertung zugrundeliegenden Berechnungsparameter angepasst worden. Eine bundesrechtskonforme Bewertung sei so schnell wie möglich vorzunehmen, wozu im vorliegenden Fall der vom Grundbuch gemeldete Kaufrechtsvertrag Anlass gegeben habe. Der vereinbarte Kaufpreis von Fr. 800'000.- sei ein Indiz dafür, dass der bisherige Steuerwert mit 57 % dieses Preises zu tief gewesen sei. Die Beschwerdeführerin stütze sich zwar auf die bundesgerichtliche Rechtsprechung, wonach eine Neubewertung aufgrund eines Kaufrechts unzulässig sei. Im vorliegenden Fall sei aber nicht auf das Kaufrecht abgestützt worden, sondern es sei lediglich eine neue Formelbewertung anhand der aktuellsten Parameter erfolgt. Dies, weil durch die Festlegung des Kaufrechts im Sinne einer neuen Tatsache erkannt worden sei, dass die bisherige Formelbewertung viel zu tief gewesen sei. Überdies hätten neue Versicherungswerte der glarnerSach vorgelegen, wonach der Gebäudewert den bisherigen Steuerwert überstiegen habe. Nach einer neuen Erhebung betrage der Realwert Fr. 743'270.- und der bisherige Steuerwert lediglich 62 % hiervon, was nicht haltbar sei. Die individuelle Neubewertung aufgrund neuer Tatsachen sei damit gerechtfertigt. Falsche Bewertungen seien nämlich immer zu korrigieren, damit dem Prinzip der Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit entsprochen werden könne. Die Marktpreise lägen schliesslich nur in Ausnahmefällen unter dem Realwert.

 

3.

Im Kanton Glarus wird das Vermögen zum Verkehrswert bewertet, wobei der Ertragswert angemessen berücksichtigt werden kann (Art. 38 Abs. 1 StG). Der Landrat erlässt die für eine gleichmässige Bewertung von Grundstücken notwendige Verordnung (Art. 38 Abs. 3 StG). Dem ist er mit Erlass der Verordnung über die Bewertung der Grundstücke vom 22. November 2000 (GstBV) nachgekommen. Gemäss Art. 31 Abs. 1 GstBV sind die Vermögenssteuerwerte und die Eigenmietwerte, ausserordentliche Umstände vorbehalten, alle zehn Jahre neu festzulegen. Die periodische Anpassung erfolgt aufgrund des Zürcher Baukostenindexes bzw. aufgrund des Mietpreisindexes des BIGA (Umrechnung der bestehenden Werte aufgrund der Indexveränderung seit der letzten Anpassung). Der Veränderung der Bodenpreise ist bei der Neubewertung Rechnung zu tragen. Der Regierungsrat setzt den Zeitpunkt fest, auf den eine allgemeine Neubewertung durchzuführen ist (Art. 32 Abs. 1 GstBV).

 

4.

Zunächst ist zu klären, ob die Beschwerdegegnerin 1 überhaupt zu einer Neuschätzung der streitbetroffenen Liegenschaft im Jahr 2022 berechtigt war. Vor dem Hintergrund, dass der Regierungsrat für das Jahr 2022 keine allgemeine Neubewertung nach Art. 32 Abs. 1 GstBV angeordnet hat, konnte eine solche einzig gestützt auf Art. 31 Abs. 1 GstBV erfolgen, wobei hierbei lediglich der Tatbestand der ausserordentlichen Umstände in Betracht fällt, da unbestrittenermassen noch keine zehn Jahre seit der letzten Einschätzung im Jahr 2020 vergangen sind.

 

4.1 Die Beschwerdegegnerin 1 wies weder ausdrücklich auf die Gründe für die streitbetroffene Neubewertung hin noch führte sie aus, inwieweit ausserordentliche Umstände gemäss Art. 31 Abs. 1 GstBV vorliegen würden. Sie bezeichnet das Kaufrecht an der streitbetroffenen Parzelle einerseits als neue Tatsache, was sich als zutreffend erweist. Indessen ist eine neue Tatsache aber nicht ohne Weiteres als ausserordentlicher Umstand zu qualifizieren. Andererseits impliziert sie in ihren Stellungnahmen, dass falsche Einschätzungen offenbar jederzeit korrigiert werden könnten. Da sie jedoch eine Neubewertung und keine Revision nach Art. 169 ff. StG vornahm, ging sie entsprechend aber selbst nicht davon aus, dass die älteren Einschätzungen offensichtlich falsch gewesen wären. Eine Revision gemäss Art. 169 ff. StG fällt damit ausser Betracht, nicht zuletzt, weil eine solche lediglich zugunsten einer steuerpflichtigen Person möglich ist. Die Beschwerdegegnerin 1 gibt weiter an, die früheren Werte seien mit Blick auf die bundesgerichtliche Rechtsprechung zu tief gewesen. Da dies jedoch bei sämtlichen Grundstücken der Fall wäre, wäre auch die prozessuale Revision für eine entsprechende Korrektur nicht der richtige Weg. Eine Praxisänderung der Verwaltung erlaubt nämlich keine prozessuale Revision (vgl. Art. 169 StG und Art. 117 VRG e contrario). Schliesslich gab die Beschwerdegegnerin 1 das Kaufrecht als Anlass zur Neubewertung an, womit sie zumindest implizit einen ausserordentlichen Umstand als gegeben sieht. Als Hintergrund für diese Überprüfung fügt sie darüber hinaus an, dass Bewertungen der Grundstücke im Kanton allgemein nicht mehr den Vorgaben des Bundesgerichts entsprächen. Die Beschwerdegegnerin 2 hat sich ihrerseits ebenfalls nicht eingehend dazu geäussert, worin sie ausserordentliche Umstände im Sinne von Art. 31 Abs. 1 GstBV erblickt. Sie hat in ihrem Entscheid lediglich in pauschaler Weise ausgeführt, die Beschwerdegegnerin 1 habe die ausserordentlichen Umstände konkretisiert, indem diese auf die allgemeine Neubewertung der Liegenschaft hingewiesen habe. Überdies stellte sich die Beschwerdegegnerin 2 auf den Standpunkt, dass die strittige Grundstücksbewertung wegen des Kaufrechtsvertrags erfolgt sei.

 

4.2

4.2.1 Art. 31 Abs. 1 GstBV definiert die ausserordentlichen Umstände nicht näher, weshalb diese auslegungsbedürftig sind. Nach den üblichen Regeln der Gesetzesauslegung ist eine Bestimmung in erster Linie nach ihrem Wortlaut auszulegen. Ist der Text nicht ganz klar und sind verschiedene Auslegungen möglich, so muss nach seiner wahren Tragweite gesucht werden unter Berücksichtigung aller Auslegungselemente, namentlich von Sinn und Zweck sowie der dem Text zugrundeliegenden Wertung. Vom klaren, d.h. eindeutigen und unmissverständlichen Wortlaut darf nur ausnahmsweise abgewichen werden. Dies unter anderem dann, wenn triftige Gründe dafür vorliegen, dass der Wortlaut nicht den wahren Sinn der Bestimmung wiedergibt. Solche Gründe können sich aus der Entstehungsgeschichte der Bestimmung, aus ihrem Grund und Zweck aus dem Zusammenhang mit anderen Vorschriften ergeben (BGE 141 V 674 E. 2.2, 139 V 148 E. 5.1, je mit Hinweisen; VGer-Urteil VG.2021.00074 vom 24. März 2022 E. II/5.2).

 

4.2.2 Aus dem Wortlaut und der Systematik von Art. 31 GstBV folgt, dass Vermögenssteuer- und Eigenmietwerte periodisch alle zehn Jahre neu bewertet werden sollen. Unklar erscheint dabei jedoch, ob sich die ausserordentlichen Umstände nur auf Einzelfälle auf die Gesamtheit bzw. eine Mehrzahl von Grundstücken bezieht. Mit Blick auf Art. 32 Abs. 1 GstBV, wonach dem Regierungsrat die Kompetenz zur Anordnung einer allgemeinen Neubewertung zusteht, wird aber deutlich, dass Art. 31 Abs. 1 GstBV Konstellationen einer Neubewertung aufgrund spezifischen Tatsachen betrifft. Dies entspricht denn auch einer Regelung, wie sie in anderen Kantonen existiert (vgl. Gerhard Roesch/Goranco Pandurski, Abgaberechtliche Immobilienbewertung, in StR 78/2023, S. 668 ff., 677). Daraus folgt, dass eine Überprüfung eines Einzelfalls aufgrund von Tatsachen, welche eine Vielzahl von Grundstücken betreffen bzw. von allgemeiner Relevanz sind, nicht unter diese Norm subsumiert werden kann. Eine angepasste bundesgerichtliche Rechtsprechung die Notwendigkeit einer allgemeinen Anpassung über die Dauer zu tief gewordener Werte lässt sich entsprechend nicht als ausserordentlicher Umstand im Sinne von Art. 31 Abs. 1 GstBV bezeichnen. Folglich kann eine Neubewertung aufgrund des geltend gemachten allgemeinen Anpassungsbedarfs der Werte im Kanton nicht gestützt auf Art. 31 Abs. 1 GstBV durchgeführt werden. Damit ist nachfolgend zu prüfen, ob die Eintragung eines Kaufrechts im Grundbuch als ausserordentlicher Umstand gemäss Art. 31 Abs. 1 GstBV verstanden werden kann.

 

4.3

4.3.1 Art. 31 Abs. 1 GstBV ist offen formuliert. Aus dem Wortlaut wird aber zumindest deutlich, dass ein Abweichen vom zehnjährigen Prüfrhythmus eine Ausnahme darstellt. Die Eintragung eines Kaufrechts stellt dabei aber keine dermassen aussergewöhnliche und vor allem nicht direkt eindeutig mit dem Wert einer Liegenschaft verbundene Tatsache dar, wodurch eine Neubewertung angezeigt wäre. Dasselbe gilt für den von der Beschwerdegegnerin 1 vorgebrachten Grund von neuen Versicherungswerten. Dies ist ebenfalls nicht als derart aussergewöhnlich anzusehen, als dass unbesehen vom zehnjährigen Rhythmus abgewichen werden müsste. Anders würde sich beispielsweise eine erhebliche bauliche Veränderung auf dem Grundstück präsentieren, welche einerseits aussergewöhnlich ist und andererseits selbst im Zweifelsfall den Wert des Grundstücks verändert.

 

4.3.2 Mit Blick auf das historische Auslegungselement ist weiter festzuhalten, dass die vorbereitenden Unterlagen des Regierungs- und Landrats keine Überlegungen zu Art. 31 Abs. 1 GstBV enthielten (vgl. Protokoll der Landratssitzung vom 8. und 22. November 2000 sowie Schreiben der landrätlichen Kommission vom 23. Oktober 2000). Dies lässt sich damit erklären, dass diese Bestimmung keine Änderung erfuhr bzw. Art. 31 Abs. 1 GstBV inhaltlich bereits der Fassung vom 24. Juni 1992 entsprach. Der Regierungsrat legte dem Landrat am 30. März 1992 nach einigen gescheiterten Versuchen zwei Varianten der neuen Verordnung zur Bewertung der Grundstücke vor. Die vom Landrat (ohne Bezugnahme auf die Thematik der Neubewertungen) gewählte Variante enthielt bereits eine Bestimmung, wonach die Vermögenssteuerwerte und die Eigenmietwerte, ausserordentliche Umstände vorbehalten, alle fünf Jahre neu festzulegen seien. Die Kommission des Landrats beantragte daraufhin am 2. Mai 1992 lediglich, die vom Regierungsrat vorgeschlagene Frist zur periodischen Neubewertung von fünf auf zehn Jahre zu verlängern. Dies wurde in der darauffolgenden Fassung übernommen. Der Zusatzbericht der landrätlichen Kommission vom 13. Juni 1992 äusserte sich ebenfalls nicht zu Art. 31 GstBV. In der Landratssitzung vom 24. Juni 1992 wurde Letzterer zwar diskutiert, dies jedoch nur hinsichtlich der Verwendung des Zürcher Baukostenindexes. Die Regelung der periodischen Neubewertung gemäss Art. 31 GstBV besteht damit bereits seit 1992 und das Erfordernis der ausserordentlichen Umstände wurde weder bei der Einführung noch im Jahr 2000 näher erörtert. Des Weiteren musste sich die kantonale Rechtsprechung bislang nicht mit dieser Frage befassen. Entsprechend lässt sich aus dem historischen Auslegungselement nichts Entscheidwesentliches ableiten. Einzig die Verlängerung der Frist auf zehn Jahre deutet darauf hin, dass vom Gesetzgeber grundsätzlich keine allzu häufige Überprüfung gewollt war. Dies wiederum verstärkt die Annahme, dass für eine ausserordentliche Neubewertung hohe Hürden bestehen.

 

4.3.3 Sodann lässt sich dem Bundesrecht zur Frage, ob das streitbetroffene Kaufrecht ein ausserordentlicher Umstand im Sinne von Art. 31 Abs. 1 GstBV darstellt, nichts Hilfreiches entnehmen. Die steuerliche Bewertung von Grundstücken ist nämlich hauptsächlich auf kantonaler Ebene relevant. Sie darf zwar das Bundesrecht nicht vereiteln. In welchem Verfahren die Bewertung der Grundstücke vorzunehmen ist, bestimmt das Steuerharmonisierungsgesetz aber nicht und den Kantonen kommt hierbei eine hohe Autonomie zu (vgl. BGer-Urteil 2C_94/2014 vom 28. August 2015 E. 2.1 ff.; Hannes Teuscher/Frank Lobsiger, in: Martin Zweifel/Michael Beusch [Hrsg.], Basler Kommentar StHG, 4. A., Basel 2022, Art. 14 N. 28). Nur, aber immerhin, lässt sich der bundesgerichtlichen Rechtsprechung entnehmen, dass der vereinbarte Preis im Rahmen eines Kaufrechtvertrags ein spekulatives Element enthält und sich daraus nicht zwingend der Verkehrswert ergeben muss. Wenn dieser Preis somit keine zwingend signifikante Abweichung des Verkehrswerts vom entsprechenden früheren Wert zur Folge hat, was eine Neubewertung erforderlich machen würde, erscheint ein Kaufrecht auch kein zwingender Anlass für eine Neubewertung zu sein (vgl. BGer-Urteil 9C_670/2022 vom 19. April 2023 E. 5.3; Lukas Aebi/Selina Many, Entscheidübersicht 4/2023, StR 7-8/2023, 546, 551; zum früheren Recht vgl. BGE 103 Ia 103).

 

4.3.4 Den Regelungen aus anderen Kantonen lassen sich sodann ebenfalls keine eindeutigen Schlussfolgerungen ziehen. So nimmt der Kanton Bern beispielsweise eine Neubewertung bei Errichtung, Änderung Löschung von Rechten, Lasten und Konzessionen, soweit sie für die amtliche Bewertung von Bedeutung sind, vor (Art. 183 Abs. 1 lit. d des Steuergesetzes des Kantons Bern vom 21. Mai 2000). Der Kanton Aargau sieht dies demgegenüber nicht vor. Er bewertet lediglich dann neu, wenn sich Bestand, Nutzung Wert des Grundstücks wesentlich ändern wenn die Werte auf einer offensichtlich unrichtigen Schätzung auf einer unrichtigen Rechtsanwendung beruhen (§ 218 Abs. 2 des Steuergesetzes des Kantons Aargau vom 15. Dezember 1998), was bei der Eintragung eines Kaufrechts nicht der Fall ist. Im Kanton Zürich ist eine ausserordentliche Neubewertung einzelner Liegenschaften schliesslich bei Neubauten, nach umfassender Totalrenovation Abbruch von Gebäuden und nach Handänderungen möglich (Weisung des Regierungsrates an die Steuerbehörden über die Bewertung von Liegenschaften und die Festsetzung der Eigenmietwerte ab Steuerperiode 2009, dessen Ziff. 89). Die Eintragung eines Kaufrechts stellt entsprechend ebenfalls keinen Grund für eine Neubewertung dar. Insgesamt besteht nur in einigen Kantonen überhaupt die Möglichkeit, ausserhalb einer festgelegten Frist ein Grundstück zu bewerten. Dabei gibt die Eintragung eines Kaufrechts nur in einzelnen Kantonen Anlass zu einer Neubewertung, wobei dies beispielsweise im Fall des Kantons Bern explizit auf Gesetzes- und nicht nur auf Verordnungsstufe geregelt wurde (vgl. zum Ganzen Roesch/Pandurski, 677). Entsprechend stellt es im Vergleich zu anderen Kantonen zumindest nicht die Regel dar, dass die Eintragung eines Kaufrechts Anlass für eine Neubewertung bildet. Im Kanton Glarus ist dies mangels einer expliziten Regelung ebenfalls nicht vorgesehen.

 

4.3.5 Als Zwischenfazit ist damit festzuhalten, dass Art. 31 GstBV die Beschwerdegegnerin 1 nicht berechtigt, wegen der streitbetroffenen Eintragung des Kaufrechts eine Neubewertung vorzunehmen, andernfalls das Legalitätsprinzip missachtet würde.

 

5.

Da die Beschwerdegegnerin 1 die streitbetroffene Neubewertung unter anderem damit rechtfertigen will, dass die früheren Bewertungen nicht mehr mit der bundesgerichtlichen Rechtsprechung vereinbar seien, ist weiter zu prüfen, ob dies Anlass zur Neubewertung geben durfte. Dabei werden einmal korrekt ermittelte Steuerwerte mit der Zeit harmonisierungswidrig, wenn sie mehrere Jahre nicht angepasst worden sind und den aktuellen Werten nicht mehr annähernd entsprechen (Teuscher/Lobsiger, Art. 14 N. 32). Dies erscheint beim streitbetroffenen Grundstück auf den ersten Blick nicht offensichtlich, zumal die letzte Bewertung lediglich zwei Jahre alt war. Wenn die Werte allgemein nicht mehr aktuell sind, wie die Beschwerdegegnerin 1 geltend macht, erscheint es mit Blick auf die Rechtsgleichheit sodann nicht angebracht, dies in Einzelfällen als Anlass für Anpassungen zu nehmen. Es wäre diesfalls vielmehr geboten und wohl auch notwendig, den politischen Weg einer Verordnungsanpassung eines Regierungsratsbeschlusses (i.S.v. Art. 32 Abs. 1 GstBV) einzuschlagen, wodurch eine Anpassung aller Grundstücke gleichzeitig ermöglicht würde. Art. 72 Abs. 2 StHG erlaubt zwar eine direkte Anwendung der bundesrechtlichen Normen, wenn ihnen das kantonale Steuerrecht widerspricht. Dies setzt jedoch voraus, dass das Bundesrecht tatsächlich eine direkt anwendbare Regel enthält. Andernfalls ist der Gesetzgeber des jeweiligen Kantons kompetent, wobei die Kantonsregierung vorläufige Vorschriften erlassen kann (Art. 72 Abs. 3 StHG; vgl. zum Ganzen Silvia Hunziker/Corinna Bigler, in: Martin Zweifel/Michael Beusch, Basler Kommentar StHG, 4. A., Basel 2022, Art. 72 N. 11 ff.). Da das StHG nicht bestimmt, in welchem Verfahren die Bewertung der Grundstücke vorzunehmen ist und den Kantonen dabei eine weitgehende Autonomie zukommt (vgl. BGer-Urteil 2C_94/2014 vom 28. August 2015 E. 2.1 ff.; Hannes Teuscher/Frank Lobsiger, in: Martin Zweifel/Michael Beusch [Hrsg.], Basler Kommentar StHG, 4. A., Basel 2022, Art. 14 N. 2), kann die Beschwerdegegnerin 1 sich im Hinblick auf die streitbetroffene Einzelneubewertung nicht direkt auf das StHG abstützen. Wenn sie zur Ansicht gelangt, dass die Schätzungen der Grundstücke im Kanton allgemein nicht mehr aktuell seien, hat sie somit den Weg gemäss Art. 32 Abs. 1 GstBV zu beschreiten (vgl. auch Art. 72 Abs. 3 StHG und BGE 131 I 291 E. 2.5.3 ff.).

 

6.

Obschon das Anliegen der Beschwerdegegnerin 1 nach einer Neubewertung durchwegs nachvollziehbar und verständlich ist, muss schliesslich festgehalten werden, dass wohl nicht nur die bisherige Bewertungsmethode gegen Bundesrecht verstösst. Gemäss Art. 15 Abs. 1 i.V.m. Art. 17 Abs. 1 StHG bemisst sich das steuerbare Vermögen nämlich nach dem Stand am Ende des Kalenderjahrs als Steuerperiode. Das StHG gestattet den Kantonen dementsprechend nicht, das Vermögen nur in grösseren zeitlichen Abständen zu bewerten bzw. die ermittelten Vermögenswerte zu aktualisieren. Wenn sich aus der kantonalen Regelung Steuerwerte ergeben, die seit mehreren Jahren keine Anpassung mehr erfahren haben und den aktuellen Werten nicht mehr annähernd entsprechen, erweist sich dies als bundesrechtswidrig (BGer-Urteil 2C_422/2016 vom 13. September 2017 E. 6, 2A.611/2004 vom 21. April 2005 E. 3.3, je mit Hinweisen; Beat König/Christian Maduz, in Martin Zweifel/Michael Beusch, Basler Kommentar StHG, 4. A., Basel 2022, Art. 17 N. 2). Hieraus folgt, dass die Zehnjahresfrist gemäss Art. 31 Abs. 1 GstBV und die sehr eingeschränkte Möglichkeit einer Neubewertung wegen ausserordentlichen Umständen – unabhängig vom vorliegenden Fall – den Steuerharmonisierungsgrundsätzen entgegenstehen. Dies gilt umso mehr, als dass der Regierungsrat von Art. 32 Abs. 1 GstBV seit dem Steuerjahr 2001 keinen Gebrauch mehr gemacht hat (vgl. Art. 4 Abs. 1 GstBV; VGer-Urteil VG.2004.00037 vom 30. August 2005 E. 3a). Die damalige Neubewertung stand dabei unter der Annahme, dass die Werte im Kanton allgemein eher zu hoch angesetzt gewesen seien (vgl. hierzu das Protokoll der landrätlichen Sitzung vom 8. November 2000), wobei sich die Situation heute wohl eher gegenläufig präsentiert, worauf die Beschwerdegegnerin 1 denn auch hinweist. Ein gewisser Handlungsbedarf des Gesetzgebers erweist sich damit als unumgänglich, nicht zuletzt, weil dem Verwaltungsgericht, wie bereits dargelegt, kein diesbezüglicher Spielraum verbleibt (vgl. vorstehende E. II/5; vgl. auch das Urteil des Verwaltungsgerichts Zürich SB.2020.00088 vom 11. November 2020 E. 4.1 f. sowie die Weisung des Zürcher Regierungsrats an die Steuerbehörden über die Bewertung von Liegenschaften und die Festsetzung der Eigenmietwerte ab Steuerperiode 2025, wonach der Kanton Zürich eine ähnliche Problematik mit einer allgemeinen Neubewertung zu legalisieren gedenkt). Im Übrigen ist erneut darauf hinzuweisen, dass eine Neubewertung direkt gestützt auf das Steuerharmonisierungsrecht ebenfalls nicht gerechtfertigt ist, andernfalls die den Kantonen hier zustehende Autonomie ausgehöhlt würde, was nicht angehen kann.

 

7.

Zusammenfassend war die Beschwerdegegnerin 1 mangels genügender Rechtsgrundlage nicht dazu befugt, das Grundstück der Beschwerdeführerin im Jahr 2022 neu zu bewerten. Art. 31 Abs. 1 GstBV sieht die Möglichkeit einer Neubewertung ausserhalb einer periodischen Zehnjahresfrist nur bei ausserordentlichen Umständen vor. Solche sind bei einer Eintragung eines Kaufrechts zu verneinen, was bereits zur Gutheissung der vorliegenden Beschwerde führt. Hinzuweisen ist darauf, dass Art. 31 Abs. 1 GstBV den Bestrebungen des Steuerharmonisierungsrechts entgegensteht, wobei eine direkte Anwendung der bundesrechtlichen Bestimmungen mit Blick auf die Wahrung der Kantonsautonomie vorliegend nicht angezeigt ist. Dementsprechend kommt der Beschwerdegegnerin 1 vor Ablauf der zehnjährigen Frist und mangels ausserordentlicher Umstände keine Befugnis für eine Neubewertung des streitbetroffenen Grundstücks zu. Darüber hinaus ist darauf hinzuweisen, dass wohl gesetzgeberische Anpassungen notwendig sind, um Art. 31 f. GstBV in Einklang mit dem Steuerharmonisierungsrecht zu bringen.

 

Dies führt zur Gutheissung der Beschwerde. Der Entscheid der Beschwerdegegnerin 2 vom 13. Februar 2024 sowie die Verfügungen der Beschwerdegegnerin 1 vom 19. Dezember 2022 bzw. vom 10. Januar 2023 sind aufzuheben.

 

III.

1.

Gemäss Art. 166 Abs. 1 StG i.V.m. Art. 134 Abs. 1 lit. c VRG hat die Partei, welche im Beschwerdeverfahren unterliegt, die amtlichen Kosten zu tragen. Ausgangsgemäss sind die Kosten somit auf die Staatskasse zu nehmen (Art. 135 Abs. 1 VRG) und der von der Beschwerdeführerin bereits geleistete Kostenvorschuss in der Höhe von Fr. 1'200.- ist ihr zurückzuerstatten.

 

2.

Eine Parteientschädigung steht der obsiegenden Beschwerdeführerin mangels einer berufsmässigen Vertretung nicht zu (Art. 138 Abs. 1 VRG). Ausgangsgemäss und mangels besonderer Umstände ist auch der Beschwerdegegnerin 1 keine solche zuzusprechen (Art. 138 Abs. 4 e contrario VRG).

Demgemäss erkennt die Kammer:

1.

Die Beschwerde wird gutgeheissen. Der Entscheid der Beschwerdegegnerin 2 vom 13. Februar 2024 sowie die Verfügungen der Beschwerdegegnerin 1 vom 19. Dezember 2022 sowie 10. Januar 2023 werden aufgehoben.

2.

Die Gerichtskosten werden auf die Staatskasse genommen. Der von der Beschwerdeführerin bereits geleistete Kostenvorschuss in der Höhe von Fr. 1'200.- wird ihr zurückerstattet.

3.

Es werden keine Parteientschädigungen zugesprochen.

4.

Schriftliche Eröffnung und Mitteilung an:

 

[…]

 



 
Quelle: https://findinfo.gl.ch
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