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Urteil Verwaltungsgericht (GL - VG.2023.00045)

Zusammenfassung des Urteils VG.2023.00045: Verwaltungsgericht

Die Beschwerdeführerin wurde aufgrund selbstverschuldeter Arbeitslosigkeit für 18 Tage in der Anspruchsberechtigung eingestellt, da sie sich geweigert hatte, eine Maskenpflicht am Arbeitsplatz zu akzeptieren. Ihr Verhalten wurde als mindestens eventualvorsätzlich eingestuft. Der Schaden für die Arbeitslosenversicherung belief sich auf 22 Taggelder, was zu einer Reduzierung der Einstelltage führte. Die Beschwerde wurde teilweise gutgeheissen, die Gerichtskosten werden von der Staatskasse übernommen.

Urteilsdetails des Verwaltungsgerichts VG.2023.00045

Kanton:GL
Fallnummer:VG.2023.00045
Instanz:Verwaltungsgericht
Abteilung:-
Verwaltungsgericht Entscheid VG.2023.00045 vom 26.10.2023 (GL)
Datum:26.10.2023
Rechtskraft:
Leitsatz/Stichwort:Arbeitslosenversicherung: Einstellung in der Anspruchsberechtigung wegen selbstverschuldeter Arbeitslosigkeit
Schlagwörter: Arbeit; Arbeitgeber; Arbeitgeberin; Person; Verhalten; Beschwerdegegner; Maske; Kündigung; Einstellung; Urteil; Anspruch; Arbeitslosenversicherung; Anspruchsberechtigung; Arbeitsverhältnis; Auflösung; Verschulden; Schaden; Einstelltage; Arbeitsverhältnisses; Maskenpflicht; Arbeitslosigkeit; BGer-Urteil; Weisung; Hinweis; Recht; Anlass; Gründen; öglich
Rechtsnorm:-
Referenz BGE:-
Kommentar:
Ueli Kieser, ATSG- 4. A., Zürich, Art. 61 ATSG, 2020

Entscheid des Verwaltungsgerichts VG.2023.00045

Geschäftsnummer: VG.2023.00045 (VG.2023.1296)
Instanz: K2
Entscheiddatum: 26.10.2023
Publiziert am: 05.12.2023
Aktualisiert am: 05.12.2023
Titel: Sozialversicherung - Arbeitslosenversicherung

Resümee:

Arbeitslosenversicherung: Einstellung in der Anspruchsberechtigung wegen selbstverschuldeter Arbeitslosigkeit

Die Beschwerdeführerin hat durch ihr Verhalten mindestens eventualvorsätzlich Anlass zur Kündigung gegeben, wobei es ihr zumutbar gewesen wäre, echtzeitliche Belege für die Unmöglichkeit der Einhaltung der Weisung aus gesundheitlichen Gründen einzureichen (E. II/4.4).
Die Arbeitgeberin war grundsätzlich berechtigt, aufgrund der Weigerung zur Maskentragung ohne Einhaltung der regulären Frist zu kündigen (E. II/5.2.2). Es ist von einem schweren Verschulden und dementsprechend vom Mittelwert bzw. von 45 Einstelltagen auszugehen, wobei erschwerende sowie mildernde Faktoren und das Prinzip der Verhältnismässigkeit zu berücksichtigen sind (E. II/5.3.1). Vorliegend beträgt der für die Arbeitslosenversicherung entstandene Schaden 22 Taggelder, was angesichts des Zwecks der angemessenen Mitbeteiligung am Schaden mildernd zu berücksichtigen ist (E. II/5.3.2). In ähnlich gelagerten Fällen wurden weniger Einstelltage verfügt, weshalb es insgesamt angezeigt ist, die Einstelltage auf angemessene 18 zu reduzieren (E. II/5.3.3).
Das Schadenersatzbegehren ist nicht Streitgegenstand, da diesbezüglich die hierfür zuständige Arbeitslosenkasse noch keine Verfügung erlassen hat (E. II/6).

Teilweise Gutheissung der Beschwerde, soweit darauf eingetreten wird.
 

 

 

 

VERWALTUNGSGERICHT DES KANTONS GLARUS

 

 

 

Urteil vom 26. Oktober 2023

 

 

II. Kammer

 

 

Besetzung: Gerichtspräsident MLaw Colin Braun, Verwaltungsrichterin Olivia Lattmann, Verwaltungsrichter Fritz Jnglin und Gerichtsschreiberin MLaw Paula Brändli

 

 

in Sachen

VG.2023.00045

 

 

 

A.______

Beschwerdeführerin

 

vertreten durch B.______

 

 

 

gegen

 

 

 

Amt für Wirtschaft und Arbeit des Kantons Glarus

Beschwerdegegner

 

 

betreffend

 

 

Einstellung in der Anspruchsberechtigung

 

Die Kammer zieht in Erwägung:

I.

1.

A.______ war seit dem 1. Mai 2017 bzw. seit dem 1. Januar 2018 bei der C.______ als Pflegehelferin SRK und Haushaltshilfe angestellt. Nach einer Besprechung betreffend Maskenpflicht bei der Arbeit wurde das Arbeitsverhältnis am 21. Juli 2022 per 31. Juli 2022 aufgelöst.

 

2.

2.1 A.______ meldete sich am 6. September 2022 beim Regionalen Arbeitsvermittlungszentrum (RAV) Glarus zum Bezug von Leistungen der Arbeitslosenversicherung an und beantragte am 20. September 2022 Arbeitslosenentschädigung.

 

2.2 Nach Abklärungen zur Auflösung des Arbeitsverhältnisses stellte das Amt für Wirtschaft und Arbeit des Kantons Glarus A.______ am 16. November 2022 wegen selbstverschuldeter Arbeitslosigkeit für 59 Tage ab dem 1. August 2022 in der Anspruchsberechtigung ein. Hiergegen erhob Letztere am 16. Dezember 2022 Einsprache, welche sie am 18. Februar 2023 ergänzte. Am 15. März 2023 hiess das Amt für Wirtschaft und Arbeit die Einsprache teilweise gut und reduzierte die Einstellung in der Anspruchsberechtigung auf 47 Tage.

 

3.

A.______ gelangte mit Beschwerde vom 1. Mai 2023 ans Verwaltungsgericht und beantragte die Aufhebung des Einspracheentscheids vom 15. März 2023. Es sei auf eine Einstellung in der Anspruchsberechtigung zu verzichten. Eventualiter sei das Amt für Wirtschaft und Arbeit zu verpflichten, ihr die entgangenen Ersatzeinkünfte in der Höhe von Fr. 13'216.- zu ersetzen; unter Gewährung der unentgeltlichen Rechtsverbeiständung. Das Amt für Wirtschaft und Arbeit beantragte am 30. Mai 2023 die Abweisung der Beschwerde; unter Kosten- und Entschädigungsfolgen zu Lasten von A.______. Am 26. Juni 2023 bzw. am 23. August 2023 hielten die Parteien an ihren Anträgen fest.

 

II.

1.

Das Verwaltungsgericht ist gemäss Art. 1 Abs. 1 des Bundesgesetzes über die obligatorische Arbeitslosenversicherung und die Insolvenzentschädigung vom 25. Juni 1982 (AVIG) i.V.m. Art. 56 f. des Bundesgesetzes über den Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts vom 6. Oktober 2000 (ATSG) i.V.m. Art. 12 Abs. 2 des Einführungsgesetzes zum Bundesgesetz über die obligatorische Arbeitslosenversicherung und die Insolvenzentschädigung vom 6. Mai 1984 (EG AVIG) zur Behandlung der vorliegenden Beschwerde zuständig. Da auch die übrigen Prozessvoraussetzungen erfüllt sind, ist auf die Beschwerde einzutreten (vgl. aber nachstehende E. II/6).

 

2.

2.1 Die Beschwerdeführerin macht geltend, sie sei Ende 2021 an COVID-19 erkrankt, weshalb bis heute Geruchs- und Geschmackssinns-Irritationen bestünden. Ihre Arbeitgeberin habe anfangs Juli 2022 eine Maskenpflicht eingeführt und sie habe dieser in der Folge mitgeteilt, dass ihr die Tätigkeit wegen gesundheitlichen Einschränkungen unter den gegebenen Umständen nicht zumutbar sei. Daraufhin sei das Arbeitsverhältnis vermeintlich einvernehmlich aufgelöst worden, wobei sie zu diesem Zeitpunkt aus gesundheitlichen Gründen nicht in der Lage gewesen sei, sich gegen die Arbeitgeberin zur Wehr zu setzen. Der Beschwerdegegner habe diesbezüglich sodann ungenügend abgeklärt, ob und inwiefern die fehlende Bereitschaft, eine Maske zu tragen, der Grund für die Auflösung des Arbeitsverhältnisses gewesen sei. So habe ihre damalige Arbeitgeberin nämlich auch Ausnahmen von der Maskenpflicht bewilligt und ihr vor der Auflösung des Arbeitsverhältnisses keine Bedenkzeit eingeräumt. Schliesslich sei höchstens von einem sehr geringen Verschulden auszugehen, womit maximal 15 Einstelltage gerechtfertigt seien. Des Weiteren sei Schadenersatz geschuldet, weil der Beschwerdegegner seiner Aufklärungs- und Beratungspflicht nur ungenügend nachgekommen sei. Er habe sich mit den Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen begnügt und sie nicht darauf aufmerksam gemacht, dass weitere Arztberichte erforderlich seien. Darüber hinaus habe er sie trotz Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen nicht an die Invalidenversicherung weiterverwiesen. Ausgehend vom versicherten Verdienst ergebe sich ein Ausfall von Fr. 13'216.-, welchen der Beschwerdegegner zu verantworten habe.

 

2.2 Der Beschwerdegegner führt aus, nachdem er sowohl die Beschwerdeführerin als auch die ehemalige Arbeitgeberin befragt habe, sei er von einer Arbeitgeberkündigung ausgegangen. Die Beschwerdeführerin sei infolgedessen mit Einstelltagen sanktioniert worden, weil sie der Arbeitgeberin durch ihr eigenes Verhalten Anlass zur Kündigung gegeben habe. Die arbeitgeberseitige Einführung einer Maskenpflicht während der Arbeit sei dabei sachlich gerechtfertigt und die Weisung an die Beschwerdeführerin eindeutig gewesen, womit ihr die Konsequenzen einer Verweigerung hätten klar sein müssen. Die Arbeitgeberin habe für die Beschwerdeführerin sodann alternative Tätigkeitsmöglichkeiten geprüft und verneint, weil selbst als Haushaltshilfe zumindest teilweise eine Maskenpflicht notwendig gewesen sei. Ferner habe die Beschwerdeführerin bis zur Vertragsauflösung nicht belegt, dass es ihr aus gesundheitlichen Gründen nicht möglich sei, die Weisung zu befolgen. Dies obschon sie die Unzumutbarkeit zu belegen habe. Demgegenüber sei er, der Beschwerdegegner, seiner Abklärungspflicht genügend nachgekommen. Des Weiteren seien die Einstelltage von 59 bereits auf 47 reduziert worden, womit dem Einzelfall angemessen Rechnung getragen worden sei. Die Überprüfung der Vermittlungsfähigkeit sei überdies ein von den Einstelltagen gesondertes Verfahren, weshalb eine allfällige Information zu einer IV-Anmeldung nicht Gegenstand des vorliegenden Verfahrens sein könne. Schliesslich könne seine Beratungspflicht erst ab Anmeldung bei der Arbeitslosenversicherung greifen, womit er in Bezug auf die Auflösung des Arbeitsverhältnisses keine entsprechenden Möglichkeiten Pflichten gehabt habe.

 

3.

3.1 Die obligatorische Arbeitslosenversicherung will der versicherten Person einen angemessenen Ersatz für Erwerbsausfälle wegen Arbeitslosigkeit garantieren (Art. 1a Abs. 1 lit. a AVIG). Gemäss der im gesamten Sozialversicherungsrecht geltenden Schadenminderungspflicht (Art. 17 Abs. 1 AVIG) muss die versicherte Person jedoch alles Zumutbare unternehmen, um den Eintritt das Fortdauern der Arbeitslosigkeit zu verhindern (BGer-Urteil 8C_12/2010 vom 4. Mai 2010 E. 2.2). Ist sie durch eigenes Verschulden arbeitslos geworden, ist sie in der Anspruchsberechtigung einzustellen (Art. 30 Abs. 1 lit. a AVIG). Zweck der Einstellung als versicherungsrechtliche Sanktion ist die angemessene Mitbeteiligung der versicherten Person am Schaden, den sie durch ihr pflichtwidriges Verhalten der Arbeitslosenversicherung natürlich und adäquat kausal verursacht hat (BGE 122 V 34 E. 4c/aa, mit Hinweis).

 

3.2 Ein Selbstverschulden der versicherten Person liegt vor, wenn soweit der Eintritt das Andauern der Arbeitslosigkeit nicht objektiven Faktoren zuzuschreiben ist, sondern in einem nach den persönlichen Verhältnissen vermeidbaren Verhalten liegt, für das die Versicherung die Haftung nicht übernimmt (BGer-Urteil 8C_665/2018 15. April 2019 E. 4.3, mit Hinweisen). Die Arbeitslosigkeit gilt namentlich dann als selbstverschuldet, wenn die versicherte Person durch ihr Verhalten, insbesondere wegen Verletzung arbeitsvertraglicher Pflichten, dem Arbeitgeber Anlass zur Auflösung des Arbeitsverhältnisses gegeben hat (Art. 44 Abs. 1 lit. a der Verordnung über die obligatorische Arbeitslosenversicherung und die Insolvenzentschädigung vom 31. August 1983 [AVIV]). Stellt ein Arbeitgeber die versicherte Person sodann unmissverständlich vor die Wahl, entweder selbst zu kündigen die Kündigung entgegenzunehmen, handelt es nicht um eine Selbstkündigung (Barbara Kupfer Bucher, in Hans-Ulrich Stauffer/Basile Cardinaux [Hrsg.], Rechtsprechung des Bundesgerichts zum Sozialversicherungsrecht, AVIG, 5. A., Zürich/Basel/Genf 2019, S. 209, mit Hinweisen).

 

3.3 Das vorwerfbare Verhalten der versicherten Person muss nach Art. 20 lit. b des am 17. Oktober 1991 für die Schweiz in Kraft getretenen Übereinkommens Nr. 168 der Internationalen Arbeitsorganisation (IAO) über Beschäftigungsförderung und den Schutz gegen Arbeitslosigkeit vom 21. Juni 1988 vorsätzlich erfolgt sein, wobei Eventualvorsatz genügt. Eine zumindest eventualvorsätzliche Herbeiführung der Arbeitslosigkeit liegt unter anderem dann vor, wenn die versicherte Person auf Grund einer Verwarnung weiss, dass ein bestimmtes Verhalten vom Arbeitgeber nicht zumindest nicht mehr toleriert wird und zu einer Kündigung führt, sie aber die ihr nach den persönlichen Umständen und Verhältnissen zumutbaren Anstrengungen zu einer Änderung des vom Arbeitgeber beanstandeten Verhaltens nicht aufbringt. Gleichwohl ist für die Tatbestandserfüllung von Art. 44 Abs. 1 lit. a AVIV keine Auflösung des Arbeitsverhältnisses aus wichtigen Gründen gemäss Art. 337 bzw. Art. 346 Abs. 2 des Obligationenrechts vom 30. März 1911 (OR) vorausgesetzt. Somit ist bei der Klärung der arbeitslosenversicherungsrechtlichen Frage der Einstellung in der Anspruchsberechtigung nicht entscheidend, ob sich eine fristlose Auflösung des Arbeitsverhältnisses aus arbeitsrechtlicher Sicht rechtfertigt nicht. Es genügt, dass das allgemeine dienstliche ausserdienstliche Verhalten der versicherten Person Anlass zur Kündigung Entlassung gegeben hat, wobei Beanstandungen in beruflicher Hinsicht nicht vorgelegen haben müssen (vgl. BGE 112 V 242 E. 1, mit Hinweisen). Hat hingegen eine versicherte Person nur grobfahrlässig zur Kündigung durch den Arbeitgeber beigetragen, ist eine Einstellung in der Anspruchsberechtigung gemäss Art. 20 lit. b IAO nicht zulässig (vgl. BGer-Urteil 8C_19/2019 vom 1. April 2019 E. 2.4, mit Hinweisen).

 

3.4 Beim Einstellungsgrund gestützt auf Art. 44 Abs. 1 lit. a AVIV genügt der im Sozialversicherungsrecht übliche Beweisgrad der überwiegenden Wahrscheinlichkeit nicht, sondern es muss das der versicherten Person zur Last gelegte Verhalten in beweismässiger Hinsicht klar feststehen. In seiner Beweiswürdigung ist das Gericht regelmässig auf die Parteivorbringen und insbesondere auf die Aussagen der Arbeitgeberin angewiesen. Diese sollte eine Sachverhaltsdarstellung abgeben, ohne am Ausgang des Verfahrens interessiert zu sein und ohne ein Interesse daran zu haben, die versicherte Person in einem ungünstigen Licht erscheinen zu lassen. Solange kein Grund besteht, an den Aussagen der Arbeitgeberin zu zweifeln, ist auf diese abzustellen. Bei Differenzen zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer vermögen blosse Behauptungen des Arbeitgebers den Nachweis für ein schuldhaftes Verhalten der versicherten Person nicht zu erbringen, wenn sie von dieser bestritten werden und nicht durch andere Beweise Indizien bestätigt erscheinen (vgl. BGE 112 V 242 E. 1, mit Hinweisen; BGer-Urteil 8C_19/2019 vom 1. April 2019 E. 2.4, mit Hinweisen; vgl. auch Kupfer Bucher, a.a.O., S. 205).

 

4.

4.1 Vorliegend stützte der Beschwerdegegner die Einstellung in der Anspruchsberechtigung auf Art. 30 Abs. 1 lit. a AVIG i.V.m. Art. 44 Abs. 1 lit. a AVIV. Entsprechend ging er von einer Arbeitgeberkündigung aus. Diese Einordnung erscheint nachvollziehbar und plausibel (vgl. AVIG-Praxis ALE, Januar 2023, Rz. D25), womit Ausführungen zur allfälligen Einwilligung in die Auflösung des Arbeitsverhältnisses nicht weiter zu behandeln sind. Strittig und zu prüfen ist indessen, ob die Beschwerdeführerin mit ihrer Weigerung, während der Arbeit eine medizinische Hygienemaske zu tragen, Anlass zur Kündigung gegeben hat und ob ihr eine Weiterbeschäftigung zumutbar gewesen wäre.

 

4.2 Die damalige Arbeitgeberin der Beschwerdeführerin führte im Sommer 2022 eine allgemeine Maskenpflicht ein, wozu sie im Rahmen ihrer Weisungskompetenz ohne Weiteres berechtigt war (vgl. Art. 321d OR). Darüber hinaus erscheint diese Verpflichtung mit Blick auf den Aufgabenbereich der Mitarbeitenden und angesichts des Kontakts mit vulnerablen Personen nachvollziehbar. Dass sich die Beschwerdeführerin gegenüber ihrer Arbeitgeberin in der Folge geweigert hat, bei der Arbeit eine Maske zu tragen, ist sodann unbestritten. Sie machte zwar geltend, Letztere habe ihr vor der Unterzeichnung der Auflösungsvereinbarung keine Bedenkzeit eingeräumt. Aufgrund ihrer bereits zuvor geäusserten und eindeutigen Weigerung, eine Maske zu tragen, erscheint es jedoch unwahrscheinlich, dass die Beschwerdeführerin ihre Meinung hierzu geändert hätte, wovon die Arbeitgeberin denn auch nicht ausgehen musste. Dass die Auflösung des Arbeitsverhältnisses mit der Weigerung der Beschwerdeführerin begründet wurde, gilt schliesslich ebenfalls als erstellt.

 

4.3

4.3.1 Der Beschwerdegegner prüfte, ob der Beschwerdeführerin die Arbeit mit einer Maske zumutbar gewesen sei. Dabei verwies er auf Art. 44 Abs. 1 lit. b AVIV. Diese Bestimmung ist vorliegend jedoch nicht einschlägig, da sie lediglich Fälle der Selbstkündigung erfasst. Wie bereits dargelegt wurde eine solche vom Beschwerdegegner jedoch zu Recht verneint. Der vorliegende Sachverhalt fällt damit korrekterweise in die Kategorie der Arbeitgeberkündigung gemäss Art. 44 Abs. 1 lit. a AVIV. Folglich gilt zu prüfen, ob die Beschwerdeführerin die ihr zumutbaren Anstrengungen für eine Änderung des von der Arbeitgeberin beanstandeten Verhaltens hätte aufbringen können (vgl. obenstehende E. II/3.3).

 

4.3.2 Die Beschwerdeführerin stellt sich hauptsächlich auf den Standpunkt, dass sie die Maskentragepflicht aus gesundheitlichen Gründen nicht habe befolgen können. Obschon sie dies der Arbeitgeberin bereits vor Auflösung des Arbeitsverhältnisses mitgeteilt hat, vermochte sie dies jedoch nicht mit echtzeitlichen medizinischen Unterlagen zu belegen. Da die Arbeitnehmerin die Beweislast für eine Verhinderung an der Arbeit durch Krankheit trägt (BGer-Urteil 8C_125/2021 vom 14. September 2021 E. 3.1 f.; 8C_511/2009 vom 20. August 2009 E. 4, mit Hinweisen) und das ärztliche Zeugnis aktuell sein muss, um beweistauglich zu sein (vgl. auch Dejan Simic, Die Einstellung in der Anspruchsberechtigung nach Art. 30 AVIG, Zürich/Genf 2023, S. 76 ff.), hat sie gegenüber der Arbeitgeberin damit nicht rechtsgenüglich belegt, dass ihr eine Anpassung ihres Verhaltens medizinisch nicht zumutbar sei, woran die im späteren Arbeitslosenversicherungsverfahren eingereichten Unterlagen nichts zu ändern vermögen (vgl. aber nachstehende E. II/5.3.2).

 

4.4 Als Zwischenfazit ist damit festzuhalten, dass die Beschwerdeführerin die Weisung ihrer Arbeitgeberin betreffend Maskenpflicht nicht befolgt hat und spätestens seit dem Gespräch vom 21. Juli 2022 wusste, dass dies zur Auflösung des Arbeitsverhältnisses führen würde. Damit hat sie durch ihr Verhalten mindestens eventualvorsätzlich Anlass zur Kündigung gegeben. Es wäre ihr sodann zumindest zumutbar gewesen, bei ihrer Arbeitgeberin echtzeitliche Belege einzureichen, wonach ihr die Einhaltung der Weisung aus gesundheitlichen Gründen nicht möglich sei (vgl. Urteil des Verwaltungsgerichts Bern 200 2021 546 vom 1. November 2021 E. 3.2). Dasselbe gilt im Übrigen bezüglich ihrem Vorbringen, sie sei zu diesem Zeitpunkt bereits nicht arbeitsfähig gewesen, was ebenfalls gegenüber der Arbeitgeberin unbelegt blieb. Zu prüfen bleibt somit, ob die vom Beschwerdegegner verfügte Einstellung von 47 Tagen in der Anspruchsberechtigung angemessen ist.

 

5.

5.1 Die Dauer der Einstellung in der Anspruchsberechtigung bemisst sich nach dem Grad des Verschuldens (Art. 30 Abs. 3 AVIG) und beträgt je nach Einstellungsgrund 1 bis 15 Tage bei leichtem, 16 bis 30 Tage bei mittelschwerem und 31 bis 60 Tage bei schwerem Verschulden (Art. 45 Abs. 3 AVIV). Gestützt darauf hat das SECO ein Einstellraster für die kantonalen Amtsstellen erlassen (AVIG-Praxis ALE, Januar 2023, Rz. D79). Dieser entbindet die verfügende Stelle jedoch nicht von der Pflicht, das Verhalten der versicherten Person unter Berücksichtigung aller wesentlichen Umstände des Einzelfalls, d.h. der objektiven und subjektiven Gegebenheiten, zu würdigen und eine dem Verschulden angemessene Sanktion festzusetzen (BGer-Urteil 8C_285/2011 vom 22. August 2011 E. 3.2.1).

 

5.2

5.2.1 Vorliegend ging der Beschwerdegegner wegen des Verhaltens der Beschwerdeführerin, namentlich einer Selbstkündigung durch die versicherte Person eine Auflösung in gegenseitigem Einvernehmen ohne Zusicherung einer neuen Arbeitsstelle, von einem schweren Verschulden aus. Die dabei vorgenommene Kategorisierung entspricht jedoch nicht der bisherigen Einordnung des Sachverhalts, da der Beschwerdegegner im Rahmen der Prüfung des Einstelltatbestands von einer Arbeitgeberkündigung ausging, was wie dargelegt schlüssig erscheint (vgl. obenstehende E. II/4.1). Daraus folgt nun aber auch, dass im Rahmen der Verschuldensprüfung nicht von einer Arbeitgeberkündigung abzuweichen ist (vgl. AVIG-Praxis ALE, Januar 2023, Rz. D75 1.D). Dementsprechend ist fraglich, um welchen Untertatbestand der selbstverschuldeten Arbeitslosigkeit es sich vorliegend handelt. Eine fristgerechte Kündigung fällt dabei von vornherein ausser Betracht, da das Arbeitsverhältnis am 21. Juli 2022 trotz einer Kündigungsfrist von drei Monaten per 31. Juli 2022 aufgelöst wurde (vgl. Personalreglement Art. 5). Es bleibt nachfolgend somit zu prüfen, ob eine gerechtfertigte fristlose Kündigung vorliegt.

 

5.2.2 Bei Nichtbefolgung einer Weisung zur Maskenpflicht kommt eine fristlose Kündigung in Betracht, wenn die betroffene Person damit eine Unmöglichkeit der Arbeitserbringung in Kauf nimmt und auch nach Androhung der fristlosen Kündigung ihr Verhalten nicht anpasst (vgl. BGer-Urteil 8C_271/2023 vom 19. Juni 2023 E. 5.3; Urteil des Verwaltungsgerichts Zürich VB.2022.00367 vom 10. November 2022 E. 3; Urteil des Verwaltungsgerichts Aargau WKL.2021.17 vom 9. Juni 2022 E. 2.5; Urteil des Kantonsgerichts Glarus ZG.2022.00294 vom 5. September 2022 E. III/3.3.3; Rebecca Vionnet, Der Umgang mit Arbeitnehmern während der Corona-Krise, ex/ante 1/2021, S. 22). Mit Blick auf die vorgenannte Rechtsprechung und aufgrund der vorhandenen Unterlagen kann somit davon ausgegangen werden, dass die ehemalige Arbeitgeberin der Beschwerdeführerin grundsätzlich berechtigt war, ihr aufgrund der Weigerung zur Maskentragung ohne Einhaltung der regulären Frist zu kündigen.

 

5.3

5.3.1 Bei einer gerechtfertigten fristlosen Kündigung einer versicherten Person mit einem unbefristeten Arbeitsvertrag ist von einem schweren Verschulden auszugehen, was grundsätzlich zu einer Einstellung von 31 bis 60 Tagen führt (Art. 45 Abs. 3 lit. c AVIV i.V.m. AVIG-Praxis ALE, Januar 2023, Rz. D75 1.C). Zur Feststellung des individuellen Verschuldens und für die Bemessung der Einstellung bei schwerem Verschulden ist dabei vom Mittelwert bzw. von 45 Tagen auszugehen, wobei in der Folge erschwerende sowie mildernde Faktoren und das Prinzip der Verhältnismässigkeit zu berücksichtigen sind (AVIG-Praxis ALE, Januar 2023, Rz. D77).

 

5.3.2 Eine Einzelfallprüfung ergibt, dass der vorliegend für die Arbeitslosenversicherung entstandene Schaden 22 bezogene Taggelder darstellt. Vor dem Hintergrund, dass Einstelltage eine angemessene Mitbeteiligung am Schaden der Arbeitslosenversicherung bezwecken (Thomas Nussbaumer, in Ulrich Meyer [Hrsg.], Schweizerisches Bundesverwaltungsrecht, Band XIV, Soziale Sicherheit, 3. A., Basel 2016, Kap. 11 Rz. 866; Simic, a.a.O., S. 91), erscheint es gerechtfertigt, diesen Umstand mildernd zu berücksichtigen. Ebenso zu berücksichtigen ist sodann die Tatsache, dass sich die Beschwerdeführerin im Sommer 2022 in einer schwierigen Gesamtsituation befand. Dies unter anderem aus gesundheitlichen Gründen und aufgrund des Verhaltens der ehemaligen Arbeitgeberin, was auch der Beschwerdegegner bereits miteinbezogen hat. Ferner hat sie bereits während längerer Zeit bei der damaligen Arbeitgeberin gearbeitet und hierbei durchwegs positive Rückmeldungen erhalten (BGer-Urteil 8C_138/2017, 8C_143/2017 vom 23. Mai 2017, E. 6.3). Das von ihr zwar verspätet eingereichte, aber dennoch die gesundheitliche Einschränkung nachträglich bestätigende Arztzeugnis betreffend die Unmöglichkeit der Maskentragung ist schliesslich ebenfalls mildernd zu berücksichtigen und entgegen der Ansicht des Beschwerdegegners kann der Beschwerdeführerin der Verzicht auf die Einhaltung der ordentlichen Kündigungsfrist sodann nicht zum Nachteil gereichen, da ein solcher bei einer fristlosen Arbeitgeberkündigung nicht vorliegt.

 

5.3.3 Unter Berücksichtigung, dass der versicherten Person in ähnlich gelagerten Fällen weniger Einstelltage als wie vorliegend 47 Tage (36 Tage aufgrund Verweigerung der Maskenpflicht: vgl. Urteil des Verwaltungsgerichts Bern 200 2021 546 vom 1. November 2021 E. 3.2) bzw. in schwereren Fällen der fristlosen Kündigung ebenfalls weniger Einstelltage verfügt wurden (34 Tage bei handgreiflicher Auseinandersetzung mit Messer: BGer-Urteil 8C_582/2014 vom 12. Januar 2015 E. 6.2 f.; vgl. allgemein Simic, a.a.O., S. 96 f.) sowie unter Miteinbezug der oben dargelegten Milderungsgründe erweist es sich als angezeigt, die Einstellung in der Anspruchsberechtigung auf angemessene 18 Tage zu reduzieren.

 

6.

Soweit die Beschwerdeführerin ein Schadenersatzbegehren aufgrund der Verletzung der Aufklärungspflicht, unter anderem aufgrund fehlender Beratung bezüglich einer Anmeldung bei der Invalidenversicherung (Art. 27 i.V.m. Art. 78 ATSG) stellt, ist sie darauf hinzuweisen, dass hierüber die zuständige Behörde zu entscheiden hat (Art. 78 Abs. 2 ATSG). Im Bereich der Arbeitslosenversicherung ist dies die zuständige Kasse (Art. 82a Abs. 1 AVIG; vgl. Volker Pribnow, in Ghislaine Frésard-Fellay/Barbara Klett/Susanne Leuzinger-Naef [Hrsg.], Basler Kommentar ATSG, Basel 2020, Art. 78 N 42). Anhand der vorliegenden Akten ist sodann davon auszugehen, dass der Beschwerdegegner das Schadenersatzbegehren nicht behandelt und hierüber noch nicht verfügt hat. Folglich stellt dies nicht Streitgegenstand des vorliegenden Verfahrens dar, weshalb an dieser Stelle nicht weiter darauf einzugehen ist.

 

7.

Zusammenfassend hat die Beschwerdeführerin der vormaligen Arbeitgeberin Anlass zur Kündigung gegeben, indem sie sich weigerte, die Weisung betreffend Maskenpflicht umzusetzen. Dabei handelte sie mindestens eventualvorsätzlich und es wäre ihr zumutbar gewesen, der Arbeitgeberin echtzeitliche Belege für die vorgebrachte gesundheitliche Unzumutbarkeit einzureichen. Ihr Verschulden ist sodann zwar grundsätzlich als schwer zu qualifizieren. Aufgrund des geringen Schadens und der persönlichen Umstände der Beschwerdeführerin ist die Anzahl Einstelltage jedoch auf angemessene 18 Tage zu reduzieren.

 

Dies führt zur teilweisen Gutheissung der Beschwerde, soweit darauf einzutreten ist.

 

III.

Die Gerichtskosten sind von Gesetzes wegen auf die Staatskasse zu nehmen (Art. 1 Abs. 1 AVIG i.V.m. Art. 61 lit. a ATSG). Als teilweise obsiegende Partei hat die Beschwerdeführerin Anspruch auf eine reduzierte Parteientschädigung (Art. 61 lit. g ATSG), wobei ein tieferer Stundenansatz gewählt werden kann, wenn die Partei durch einen Nichtanwalt vertreten wird (Ueli Kieser, ATSG-Kommentar, 4. A., Zürich/Basel/Genf 2020, Art. 61 N 235). Dementsprechend ist der Beschwerdegegner zu verpflichten, der Beschwerdeführerin innert dreissig Tagen nach Rechtskraft dieses Entscheids eine reduzierte Parteientschädigung von Fr. 500.- (inkl. Mehrwertsteuer) zu bezahlen. Das Gesuch der Beschwerdeführerin um Gewährung der unentgeltlichen Rechtsverbeiständung ist schliesslich mangels anwaltlicher Vertretung abzuweisen (Art. 139 Abs. 2 des Gesetzes über die Verwaltungsrechtspflege vom 4. Mai 1986 [VRG]).

Demgemäss beschliesst die Kammer:

Das Gesuch der Beschwerdeführerin um Gewährung der unentgeltlichen Rechtsverbeiständung wird abgewiesen.

und erkennt sodann:

1.

Die Beschwerde wird teilweise gutgeheissen, soweit darauf eingetreten wird. Der Einspracheentscheid des Beschwerdegegners vom 15. März 2023 wird dahingehend abgeändert, als die Beschwerdeführerin für 18 Tage in der Anspruchsberechtigung eingestellt wird.

2.

Die Gerichtskosten werden auf die Staatskasse genommen.

3.

Der Beschwerdegegner wird verpflichtet, der Beschwerdeführerin innert 30 Tagen nach Rechtskraft dieses Entscheids eine reduzierte Parteientschädigung in der Höhe von Fr. 500.- (inkl. Mehrwertsteuer) zu bezahlen.

4.

Schriftliche Eröffnung und Mitteilung an:

 

[…]

 



 
Quelle: https://findinfo.gl.ch
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