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Urteil Verwaltungsgericht (GL - VG.2023.00043)

Zusammenfassung des Urteils VG.2023.00043: Verwaltungsgericht

Die Beschwerdeführer A. und B. haben gegen die Baubewilligung für ein Bauvorhaben Einspruch erhoben, wurden jedoch vom Verwaltungsgericht des Kantons Glarus abgewiesen. Es wurde festgestellt, dass das Baureglement nicht vom Regierungsrat genehmigt wurde und somit nicht gültig ist. Die Beschwerdeführer müssen die Gerichtskosten von CHF 2'500 tragen und eine Parteientschädigung von CHF 1'800 an die Beschwerdegegner 1 und 2 zahlen.

Urteilsdetails des Verwaltungsgerichts VG.2023.00043

Kanton:GL
Fallnummer:VG.2023.00043
Instanz:Verwaltungsgericht
Abteilung:-
Verwaltungsgericht Entscheid VG.2023.00043 vom 25.01.2024 (GL)
Datum:25.01.2024
Rechtskraft:
Leitsatz/Stichwort:Öffentliches Baurecht: Baubewilligung
Schlagwörter: Baureglement; Überbauung; Recht; Baureglements; Beschwerdegegner; Überbauungsplan; Gemeinde; Gebäude; Quartier; Regierungsrat; Teilbebauungsplan; Anbau; Glarus; Beweis; Überbauungspläne; Genehmigung; Verfahren; Entscheid; Gebäudegrundfläche; Beschwerdeführern; Behörde; Bauprojekt; Grenzbaurecht; Anbauten; Parz-Nr; Augenschein
Rechtsnorm:-
Referenz BGE:-
Kommentar:
Heinz Aemisegger, Praxis RPG: Nutzungsplanung, Zürich, 2016

Entscheid des Verwaltungsgerichts VG.2023.00043

Geschäftsnummer: VG.2023.00043 (VG.2024.1328)
Instanz: K1
Entscheiddatum: 25.01.2024
Publiziert am: 19.02.2024
Aktualisiert am: 19.02.2024
Titel: Öffentliches Baurecht/Raumplanung/Umweltschutz

Resümee:

Öffentliches Baurecht: Baubewilligung

Die Beweislast, dass der eingereichte Überbauungsplan vom Regierungsrat genehmigt wurde, tragen die Beschwerdeführer (E. II/4.2). Dass der streitbetroffene Überbauungsplan bei der Überprüfung sämtlicher Überbauungspläne nicht erwähnt wurde, ist Indiz dafür, dass er nicht genehmigt wurde und dementsprechend nicht in Kraft getreten war (E. II/4.3.3).
Selbst wenn davon auszugehen wäre, dass der Überbauungsplan und das dazugehörige Baureglement rechtsgültig genehmigt worden wären, wäre ein Grenzbaurecht für Anbauten vorgesehen, wodurch das strittige Bauvorhaben bewilligungsfähig wäre (E. II/5).

Abweisung der Beschwerde.
 

 

 

 

VERWALTUNGSGERICHT DES KANTONS GLARUS

 

 

 

Urteil vom 25. Januar 2024

 

 

I. Kammer

 

 

Besetzung: Gerichtspräsident MLaw Colin Braun, Verwaltungsrichterin Jolanda Hager, Ersatzrichter Samuel Bisig und Gerichtsschreiberin MLaw Paula Brändli

 

 

in Sachen

VG.2023.00043

 

 

 

1.

A.______

Beschwerdeführer

 

2.

B.______

 

beide vertreten durch MLaw Jacques Marti,

Rechtsanwalt

 

 

 

gegen

 

 

 

1.

C.______

Beschwerdegegner

 

2.

D.______

 

beide vertreten durch lic. iur. Hansjürg Rhyner,

Rechtsanwalt

 

3.

Gemeinde Glarus

 

4.

Departement Bau und Umwelt des Kantons Glarus

 

 

betreffend

 

 

Baubewilligung

 

Die Kammer zieht in Erwägung:

I.

1.

1.1 C.______ und D.______ sind Eigentümer der Parz.-Nr. 01, Grundbuch […]. Am 23. Juli 2021 reichten sie bei der Gemeinde Glarus ein Baugesuch für die Erweiterung des gedeckten Eingangsbereichs und die Erstellung eines Carports ein.

 

1.2 Gegen das Bauvorhaben erhoben A.______ und B.______ als Eigentümer der Parz.-Nr. 02, Grundbuch […], am 8. September 2021 Einsprache. Die Gemeinde Glarus wies diese am 28. Oktober 2021 ab und erteilte C.______ und D.______ gleichzeitig die Baubewilligung unter Auflagen. Dagegen gelangten A.______ und B.______ am 29. November 2021 ans Departement Bau und Umwelt des Kantons Glarus (DBU), welches die Beschwerde am 10. März 2023 ebenfalls abwies.

 

2.

2.1 A.______ und B.______ erhoben am 25. April 2023 Beschwerde beim Verwaltungsgericht und beantragten die Aufhebung des Entscheids des DBU vom 10. März 2023. Die Baubewilligung sei zu verweigern; unter Kosten- und Entschädigungsfolgen zu Lasten von C.______ und D.______ sowie des DBU. In prozessualer Hinsicht beantragten sie die Durchführung eines Augenscheins. Das DBU schloss am 22. Mai 2023 auf Abweisung der Beschwerde, soweit darauf einzutreten sei; unter Kostenfolge. Nämliches beantragten C.______ und D.______ am 19. Juni 2023; unter Kosten und Entschädigungsfolge zu Lasten von A.______ und B.______. Die Gemeinde Glarus liess sich am 22. Juni 2023 vernehmen und beantragte die Abweisung der Beschwerde; unter Kosten- und Entschädigungsfolgen zu Lasten von A.______ und B.______.

 

2.2 A.______ und B.______ hielten mit Replik vom 18. September 2023 an ihrem Rechtsbegehren fest. Das DBU verzichtete am 17. Oktober 2023 auf die Einreichung einer Duplik, erneuerte aber seine Anträge. Die Gemeinde Glarus hielt am 19. Oktober 2023 ebenfalls an ihren Anträgen fest. C.______ und D.______ liessen sich innert Frist nicht erneut vernehmen.

 

II.

1.

1.1 Das Verwaltungsgericht ist gemäss Art. 79 Abs. 1 des Raumentwicklungs- und Baugesetzes vom 2. Mai 2010 (RBG) i.V.m. Art. 105 Abs. 1 lit. b des Gesetzes über die Verwaltungsrechtspflege vom 4. Mai 1986 (VRG) zur Behandlung der vorliegenden Beschwerde zuständig.

 

1.2

1.2.1 Der Beschwerdegegner 4 stellt sich auf den Standpunkt, die Argumentation bzw. die rechtliche Begründung der Beschwerdeführer weiche komplett von derjenigen im vorinstanzlichen Verfahren ab. Es verstosse gegen Treu und Glauben, rechtserhebliche Einwände erst vor der zweiten Rechtsmittelinstanz vorzubringen und zu substantiieren, weshalb auf die Beschwerde nicht einzutreten sei.

 

1.2.2 Der Beschwerdeführer kann innert Beschwerdefrist und innert einer allfälligen Nachfrist neue Tatsachen, Beweisanträge und rechtliche Begründungen vorbringen (Art. 92 Abs. 1 VRG). Der Untersuchungsgrundsatz (Art. 37 Abs. 1 VRG) und die Rechtsweggarantie (Art. 29a der Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999 [BV]) bringen es diesfalls mit sich, dass im Rahmen des Streitgegenstands neue Tatsachenbehauptungen sowie neue Beweismittel grundsätzlich jederzeit vorgebracht werden können, und zwar unabhängig vom Zeitpunkt, in welchem sie sich verwirklicht haben (vgl. dazu Marco Donatsch, in Alain Griffel [Hrsg.], Kommentar zum Verwaltungsrechtspflegegesetz des Kantons Zürich, 3. A., Zürich/Basel/Genf 2014, § 52 N. 26 ff.).

 

1.2.3 Am 28. Februar 2023 wiesen die Beschwerdeführer den Beschwerdegegner 4 auf das Baureglement E.______ hin. Ein entsprechendes Beweismittel legten sie dieser Stellungnahme jedoch nicht bei. Erst im Verfahren vor Verwaltungsgericht reichten sie das Baureglement E.______ ein und stützten ihr bisheriges Rechtsbegehren mit neuen rechtlichen Begründungen. Dies ist gemäss Art. 92 Abs. 1 VRG grundsätzlich zulässig, da die rechtliche Begründung nicht Bestandteil des Streitgegenstands ist (vgl. Donatsch, a.a.O., § 52 N. 36). Den anwaltlich vertretenen Beschwerdeführern wäre es jedoch ohne Weiteres möglich gewesen, die entsprechenden Tatsachen und Beweismittel bereits im Zeitpunkt der Beschwerdeeinreichung bei der Vorinstanz geltend zu machen. Mit Blick auf die Rechtsweggarantie und Art. 92 Abs. 1 VRG, wonach neue Tatsachen und Beweismittel auch innert der Beschwerdefrist vor dem Verwaltungsgericht vorgebracht werden können, kann vorliegend indessen offenbleiben, ob diese Vorbringen infolge einer allfälligen nachlässigen Verfahrensführung aus dem Recht zu weisen wären (vgl. Donatsch, § 52 N. 28). Zu Gunsten der Beschwerdeführer ist nämlich zu berücksichtigen, dass sich der Beschwerdegegner 4 aufgrund der Stellungnahme vom 28. Februar 2023 mit der Frage, ob das Baureglement E.______ auf die streitbetroffenen Bauten anwendbar ist, befasste, was sich nicht zuletzt aus Ziff. 4.3.3.8 des vorliegend angefochtenen Entscheids ergibt. Da auch die übrigen Prozessvoraussetzungen erfüllt sind, ist auf die Beschwerde somit einzutreten.

 

1.3 Gemäss Art. 107 Abs. 1 VRG können mit der Verwaltungsgerichtsbeschwerde die unrichtige unvollständige Feststellung des rechtserheblichen Sachverhalts (lit. a) sowie die unrichtige Rechtsanwendung einschliesslich eines Missbrauchs des Ermessens (lit. b) gerügt werden. Die Unangemessenheit des Entscheids kann gemäss abschliessender Aufzählung in Art. 107 Abs. 2 VRG nur ausnahmsweise geltend gemacht werden, wobei ein solcher Ausnahmefall nicht vorliegt.

 

1.4 Gemäss Art. 38 Abs. 1 lit. f VRG kann die Behörde einen Augenschein durchführen. Der Entscheid über dessen Anordnung steht im pflichtgemässen Ermessen der Behörde. Eine Pflicht zur Durchführung eines Augenscheins besteht nur dann, wenn die tatsächlichen Verhältnisse auf andere Weise überhaupt nicht abgeklärt werden können. Ein Augenschein ist insbesondere dann geboten, wenn die tatsächlichen Verhältnisse unklar sind und anzunehmen ist, die Parteien vermöchten durch ihre Darlegungen an Ort und Stelle Wesentliches zur Erhellung der sachlichen Grundlagen des Rechtsstreits beizutragen. Der Verzicht auf Durchführung eines Augenscheins ist zulässig, wenn die Akten eine hinreichende Entscheidgrundlage darstellen (vgl. BGer-Urteil 1C_192/2010 vom 8. November 2010 E. 3.3, mit Hinweis; VGer-Urteil VG.2019.00077 vom 5. September 2019 E. II/2.2.2).

 

Vorliegend ergibt sich der rechtserhebliche Sachverhalt genügend aus den Akten. Darüber hinaus stellen sich hauptsächlich Rechtsfragen, wozu ein Augenschein kaum Entscheidrelevantes beitragen kann. Auf einen Augenschein ist daher zu verzichten.

 

2.

2.1 Die Beschwerdeführer machen geltend, das Baureglement zum Teilbebauungsplan E.______ sei am […] von der Gemeindeversammlung […] genehmigt worden. Es sei zwar unklar, wann dieses vom Regierungsrat des Kantons Glarus genehmigt worden sei. Allerdings sei von dessen Genehmigung auszugehen, da sämtliche Gebäude anhand des Teilbebauungsplans E.______ erstellt worden seien. Sodann handle es sich beim Teilbebauungsplan E.______ um einen Überbauungsplan, welcher nicht mittels Revision eines Baureglements aufgehoben werden könne. Weder die alte Bauordnung der Ortsgemeinde […] noch die geltende Bauordnung der Gemeinde Glarus enthielten einen Beschluss über dessen Aufhebung. Darüber hinaus sei auch kein entsprechender Beschluss der Gemeindeversammlung bekannt. Der Teilbebauungsplan E.______ sei somit weiterhin in Kraft und für die Prüfung des Baugesuchs der Beschwerdegegner 1 und 2 massgebend. Des Weiteren werde in Ziff. 5.5 des Baureglements E.______ festgehalten, dass die Gebäudegrundfläche nicht überschritten werden dürfte. Diese sei absolut und ergebe sich aus dem zum Überbauungsplan gehörenden Plan, welcher weder Anbauten noch Garagen beinhalte. Da der geplante Anbau der Beschwerdegegner 1 und 2 die Gebäudegrundfläche überschreite, sei dieser folglich nicht bewilligungsfähig. Schliesslich seien am 21. September 1983 die im Anhang zum Baureglement E.______ festgelegten dinglichen Rechte im Grundbuch eingetragen worden. Dieser Umstand und die tatsächliche Überbauung des Quartiers E.______ seien im Ergebnis somit klare Hinweise dafür, dass für die Erstellung des Quartiers der Überbauungsplan Gültigkeit gehabt habe.

 

2.2 Die Beschwerdegegner 1 und 2 stellen sich auf den Standpunkt, der Teilbebauungsplan E.______ sei aus heutiger Sicht als Sondernutzungsplan zu qualifizieren. Das Baureglement E.______ sei sodann einzig von der Beschwerdegegnerin 3 unterzeichnet worden, obwohl dieses gemäss dessen Ziff. 10.3 erst nach Genehmigung durch die Gemeindeversammlung und den Regierungsrat in Kraft trete. Ferner ergebe sich die Notwendigkeit zur Genehmigung durch eine kantonale Behörde direkt aus Art. 26 des Bundesgesetzes über die Raumplanung vom 22. Juni 1979 (RPG), welches im Zeitpunkt des Erlasses des Teilbebauungsplans E.______ und dem entsprechenden Baureglement gültig gewesen sei. Eine Genehmigung durch den Regierungsrat hätte zur Folge gehabt, dass den Beschwerdeführern ein vom Regierungsrat unterschriebenes Exemplar zugestellt worden wäre. Dies erkläre auch, weshalb weder die Beschwerdegegnerin 3 noch der Beschwerdegegner 4 das Baureglement E.______ in ihren Archiven hätten auffinden können. Dass die Gebäude nach dem Teilbebauungsplan E.______ erstellt worden seien, sei darüber hinaus kein Indiz für die Genehmigung des Baureglements E.______. Vielmehr spreche gerade der Umstand, dass dieses bei verschiedenen Bauprojekten im streitbetroffenen Quartier nicht angewendet worden sei, gegen dessen Inkraftsetzung. Selbst wenn das Baureglement wider Erwarten in Kraft getreten sein sollte, sei Ziff. 5.5 des Baureglements nie zur Anwendung gelangt und hätte spätestens bei ihrer Baueingabe keine Gültigkeit mehr gehabt. Eine Aufhebung von Sondernutzungsplänen sei nämlich dann geboten, wenn es sich um fertiggestellte Bauvorhaben auf Grundlage dieser Sondernutzungspläne handle, was vorliegend der Fall sei. Des Weiteren wären der Teilbebauungsplan E.______ und das dazugehörige Baureglement mit Auslaufen der Übergangsfristen gemäss Art. 85 f. RBG (fünf Jahre seit 2011) erloschen und aufgehoben worden. Im Übrigen hätten verschiedene Bauprojekte im Quartier E.______ die Gebäudeflächen überschritten. Dies gelte unter anderem für den im Jahr 1997 errichteten Anbau der Beschwerdeführer, was erneut aufzeige, dass das Baureglement nicht in Kraft getreten sei. Schliesslich sei im Grundbuch ein Grenzbaurecht eingetragen, welches den Eigentümern der Parz.-Nrn 01 und 02 erlaube, niedrige An- und Nebenbauten zu erstellen.

 

2.3 Die Beschwerdegegnerin 3 bringt vor, die Beschwerdeführer hätten von ihrer Argumentation, wonach es sich beim geplanten Bauvorhaben nicht um einen Anbau handle, allem Anschein nach Abstand genommen, da sie das Bauvorhaben selber als Anbau bezeichnet hätten. Sodann sei nicht von einem rechtsgültig erlassenen Baureglement E.______ auszugehen, da dieses nicht vom Regierungsrat genehmigt worden sei. Selbst wenn ein entsprechender Quartierplan in Kraft gewesen sein sollte, wäre dieser mittlerweile aufgehoben. Sie, die Beschwerdegegnerin 3, habe nämlich sämtliche Überbauungspläne überprüft und entschieden, welche in Kraft bleiben sollen. Ein Überbauungsplan E.______ sei dabei nicht genannt worden, was offensichtlich daran liege, dass ein solcher nie in Kraft gewesen sei. Des Weiteren sei nicht ersichtlich, inwiefern das streitbetroffene Bauprojekt nicht mit Ziff. 5.5 des Baureglements E.______ vereinbar sei. Zwar dürfe die Gebäudegrundfläche gemäss Letzterem nicht überschritten werden. Der ins Recht gelegte Plan weise jedoch keinen Massstab aus, in welchem das Quartier dargestellt werde. Es sei daher nicht möglich, die vorgesehene Gebäudegrundfläche zu bestimmen. Darüber hinaus würden (überdachte) Parkplätze nicht zur Gebäudegrundfläche zählen. Massgebend sei vielmehr die bebaute Fläche, weshalb die Gebäudegrundfläche nur durch den vergrösserten Eingangsbereich bzw. um weniger als 12 m2 erweitert werde. Folglich werde die Gebäudegrundfläche dadurch noch nicht überschritten. Schliesslich statuiere Ziff. 5.5 des Baureglements E.______ kein generelles Verbot, Anbauten zu errichten. Vielmehr könnten gemäss Ziff. 1 des Anhangs des Baureglements Anbauten und Garagenplätze erstellt werden. Im Übrigen werde bestritten, dass die Nichtanwendung dieses Baureglements auf frühere Bauprojekte irrelevant sei. Andernfalls wäre nämlich von einer ungerechtfertigten Ungleichbehandlung auszugehen.

 

2.4 Der Beschwerdegegner 4 führt aus, er habe sich bei der Beschwerdegegnerin 3 nach dem Teilbebauungsplan E.______ erkundigt. Letztere habe in ihrem Archiv keinen solchen Plan gefunden. Sodann habe er zusammen mit der Abteilung Raumentwicklung und Geoinformation des Kantons Glarus das eigene Archiv und die digitalen Ablagen durchsucht. Der Teilbebauungsplan E.______ sei aber nicht auffindbar gewesen. Dass ihm, dem Beschwerdegegner 4, nun eine mangelnde Sachverhaltsabklärung vorgeworfen werde, sei nicht nachvollziehbar. Dies umso mehr, als er so weit recherchiert habe, als es von ihm in Anbetracht der Ausführungen der Beschwerdeführer und deren Begründungspflicht verlangt worden sei. Ferner gebe es neben einem Quartierplan weitere Gründe, weshalb ein Quartier nach einer bestimmten Struktur überbaut worden sei. Er habe daher nicht darauf schliessen müssen, dass ein Baureglement bestanden habe. Vielmehr habe er aufgrund des am 1. Januar 1980 in Kraft getretenen RPG annehmen dürfen, dass Nutzungspläne und die sich auf sie beziehenden Reglemente erst mit der Genehmigung durch die kantonale Behörde verbindlich würden. Da ihm weder das Baureglement noch allfällige Genehmigungsunterlagen vorlägen, sei das von den Beschwerdeführern eingereichte Baureglement wohl nicht durch den Regierungsrat genehmigt worden.

 

3.

3.1 Eine kantonale Behörde genehmigt die Nutzungspläne und ihre Anpassungen (Art. 26 Abs. 1 RPG). Mit der Genehmigung durch die kantonale Behörde werden die Nutzungspläne verbindlich (Art. 26 Abs. 3 RPG).

 

3.2 Sondernutzungspläne regeln die Überbaubarkeit, die Erneuerung Verdichtung von Teilgebieten der Gemeinde in Ergänzung Verfeinerung der ortsplanerischen Grundordnung (Art. 21 Abs. 1 RBG), wobei als Sondernutzungspläne unter anderem Überbauungspläne gelten (Art. 21 Abs. 2 lit. b). Gemäss Art. 23 RBG regelt der Überbauungsplan insbesondere die Erschliessung, die besondere Bauweise sowie die Freiraumgestaltung eines Teilgebiets (Abs. 1). Er besteht aus einem Plan und den dazu gehörenden Sonderbauvorschriften (Abs. 2). Mit dem Überbauungsplan kann unter inhaltung der zonengemässen Nutzungsart von der Regelbauweise abgewichen werden, wenn dadurch gesamthaft ein ortsbaulich und architektonisch besseres Ergebnis verwirklicht wird und dies im öffentlichen Interesse liegt (Abs. 4).

 

3.3 Kommunale Richtpläne, Baureglemente, Zonen- und Sondernutzungspläne sind zu überprüfen und allenfalls zu ändern, wenn sich die tatsächlichen rechtlichen Verhältnisse wesentlich geändert haben, wenn sich neue Aufgaben stellen es aus wichtigen öffentlichen Interessen geboten erscheint (Art. 29 Abs. 1 RBG). Für Änderungen ist das gleiche Verfahren durchzuführen wie beim Erlass (Art. 29 Abs. 2 RBG).

 

4.

4.1 Zunächst ist festzuhalten, dass die Beschwerdeführer im vorliegenden Verfahren zu Recht nicht mehr bestreiten, dass es sich bei den streitbetroffenen Bauvorhaben um Anbauten handelt. Folglich ist darauf nicht weiter einzugehen.

 

4.2

4.2.1 Im Verwaltungsverfahren gilt sodann der Untersuchungsgrundsatz, wonach es Sache der Behörde und nicht der Parteien ist, den Sachverhalt festzustellen und dazu, soweit nötig, Beweis zu erheben. Die Parteien trifft dabei eine Mitwirkungspflicht, insbesondere für Tatsachen, welche sie besser kennen als die Behörden. Vom Untersuchungsgrundsatz ist die objektive Beweislast jedoch zu unterscheiden. Bleibt eine rechtserhebliche Tatsache trotz rechtskonform durchgeführtem Verfahren nämlich unbewiesen, trägt nach den üblichen Beweislastregeln (Art. 8 des Schweizerischen Zivilgesetzbuchs vom 10. Dezember 1907 [ZGB]), die auch im öffentlichen Recht gelten, diejenige Person die Folgen, die Rechte aus der behaupteten, aber unbewiesenen Tatsache ableitet (BGer-Urteil 1C_469/2019 und 1C_483/2019 vom 28. April 2021 E. 6.4, mit Hinweisen).

 

4.2.2 Soweit die Beschwerdeführer der Ansicht sind, es sei nicht ihre Aufgabe, zu beweisen, dass das Baureglement E.______ vom Regierungsrat genehmigt worden sei, ist ihnen nicht zu folgen. Zwar ist es Sache der Beschwerdegegnerin 3, die notwendigen Unterlagen für die Baubewilligungsverfahren zu dokumentieren und zu archivieren. Es ist aber weder ersichtlich noch wird von den Beschwerdeführern dargelegt, inwiefern die Beschwerdegegnerin 3 ihrer Aktenführungs- und Aktenaufbewahrungspflicht nicht nachgekommen ist. Vielmehr ergibt sich aus den im Recht liegenden Akten, dass der Regierungsrat das Baureglement E.______ nicht unterzeichnet hat, was für die Genehmigung und das Inkrafttreten dieses Reglements jedoch unabdingbar gewesen wäre. Sodann lässt sich weder dem Archiv der Beschwerdegegnerin 3 noch demjenigen des Beschwerdegegners 4 ein unterschriebenes Exemplar des Baureglements E.______ finden, wobei diesbezüglich der Nachweis, dass der Regierungsrat das Baureglement E.______ genehmigt hat, den Beschwerdeführern obliegt (vgl. vorstehende E. II/4.2.1). Da im Ergebnis somit kein gültiges Baureglement E.______ im Recht liegt, tragen Letztere die Folgen dieser Beweislosigkeit.

 

4.3

4.3.1 Sodann sieht Art. 21 Abs. 2 RPG vor, dass Nutzungspläne überprüft und nötigenfalls angepasst werden, sofern sich die Verhältnisse erheblich geändert haben. Im kantonalen Baurecht regelt Art. 29 Abs. 1 RBG darüber hinaus, dass Sondernutzungspläne zu überprüfen und allenfalls zu ändern sind, sofern sich die tatsächlichen rechtlichen Verhältnisse wesentlich geändert haben, wenn sich neue Aufgaben stellen es aus wichtigen öffentlichen Interessen geboten erscheint. Sowohl Art. 21 Abs. 2 RPG als auch Art. 29 Abs. 1 RBG bestimmen somit einerseits, dass der Plan nicht geändert werden darf, wenn die Voraussetzungen gemäss diesen Bestimmungen nicht erfüllt sind. Sind sie jedoch erfüllt, müssen die notwendigen Anpassungen andererseits vorgenommen werden. Ferner kann auch die Frage, inwieweit ein Nutzungsplan bereits realisiert ist, ein Kriterium sein, welches die Schwelle für die Zulässigkeit einer Überprüfung erhöht (vgl. Thierry Tanquerel, in Heinz Aemisegger et al. [Hrsg.], Praxiskommentar RPG: Nutzungsplanung, Zürich/Basel/Genf 2016, Art. 21 N. 13 und 41).

 

4.3.2 Entgegen der Auffassung der Beschwerdeführer durchlief die Beschwerdegegnerin 3 für die Änderung bzw. Aufhebung der Überbauungspläne auf ihrem Gemeindegebiet das korrekte Verfahren (vgl. Art. 29 Abs. 2 RBG). Am […]  veröffentlichte sie ihren Auflagebeschluss im kantonalen Amtsblatt. Dementsprechend hätten sich mit der Gesamtrevision der Ortsplanung und der Änderung des RBG die rechtlichen und tatsächlichen Verhältnisse in Bezug auf die kommunalen sowie kantonalen planungs- und baurechtlichen Bestimmungen in der Gemeinde Glarus geändert. Folglich seien die Überbauungspläne zu überprüfen und allenfalls zu ändern bzw. aufzuheben. Nachdem die Beschwerdegegnerin 3 daraufhin sämtliche Überbauungspläne auf ihrem Gemeindegebiet überprüft hatte, behielt sie die Überbauungspläne F.______ und G.______ in […], den Überbauungsplan H.______ in […] sowie den Überbauungsplan I.______ in […], bei. Die übrigen Überbauungspläne hob sie auf, wobei sie im Rahmen dieser Überprüfung den vorliegend streitbetroffenen Plan E.______ nicht erwähnte. Gemäss ihren glaubhaften Ausführungen wurden während der öffentlichen Planauflage darüber hinaus auch keine Einsprachen in Bezug auf das Quartier E.______ eingereicht.

 

4.3.3 Aus dem Gesagten ergibt sich, dass die Beschwerdegegnerin 3 den Teilbebauungsplan E.______ spätestens bei der Überprüfung sämtlicher Überbauungspläne gefunden und überprüft hätte, sofern dieser jemals in Kraft gesetzt worden wäre. Mit Blick darauf liegen somit insgesamt keine hinreichenden Anhaltspunkte für die Genehmigung des Baureglements E.______ durch den Regierungsrat vor, weshalb das von den Beschwerdeführern zitierte Urteil des Verwaltungsgerichts vom 13. April 2017 (Verfahren VG.2016.00136), worin es unter anderem um die Anwendung eines in Kraft getretenen Überbauungsplans ging, nicht einschlägig ist.

 

5.

5.1 Selbst wenn aber davon auszugehen wäre, dass das Baureglement E.______ rechtsgültig genehmigt wurde und in Kraft getreten ist, könnten die Beschwerdeführer daraus nichts zu ihren Gunsten ableiten. Folgt man nämlich den Ausführungen im Anhang zum Baureglement E.______, so wurden im Grundbuch ein gegenseitiges Grenzbaurecht für die Parz.-Nrn. 01 und 02 sowie ein Fuss- und Fahrwegrecht zu Gunsten der Parz.-Nr. 02 (Beleg 03), eingetragen. Dem Beleg 03 lässt sich dabei unter anderem zu entnehmen, dass sich die jeweiligen Eigentümer der Parz.-Nrn. 01 und 02 für die Erstellung von niedrigen An- und Nebenbauten, Gartensitzplätzen, Hauszugängen Garagenplätzen ein gegenseitiges Grenzbaurecht einräumen, wobei insbesondere für die Bauausführung, die Friedpflicht und die Baumbepflanzungen die Bestimmungen des kantonalen Baugesetzes, der Bauordnung und des Baureglements der Gemeinde […] sowie des Baureglements E.______ gelten.

 

5.2 Die Beschwerdeführer machen geltend, die streitbetroffenen Bauten seien nicht bewilligungsfähig, weil die Gebäudegrundfläche gemäss Ziff. 5.5 des Baureglements E.______ überschritten würde. Dem ist entgegenzuhalten, dass selbst im Anhang zum Baureglement E.______, welcher integrierender Bestandteil dieses Reglements bildet, ein gegenseitiges Grenzbaurecht für Anbauten und Garagenplätze vorgesehen ist. Die Auslegung von Ziff. 5.5 des Reglements durch die Beschwerdeführer kommt dabei einem generellen Bauverbot gleich, was Sinn und Zweck des gegenseitigen Grenzbaurechts weitgehend aushöhlen würde. Ferner weisen die Beschwerdegegner 1 und 2 zu Recht darauf hin, dass den Beschwerdeführern im Jahr 1997 die Baubewilligung für den Um- und Anbau ihres Einfamilienhauses erteilt wurde, wodurch die Gebäudegrundfläche offensichtlich erweitert wurde, was gegen die Anwendung des Baureglements E.______ spricht. Letzteres fand offenbar auch im Rahmen weiterer Bauprojekte im Quartier keine Anwendung, was die Beschwerdeführer nicht in Abrede stellen. Darüber hinaus mutet es widersprüchlich an, dass das Baureglement E.______ im vorliegenden Verfahren für anwendbar erklärt werden, für frühere Bauprojekte jedoch unbeachtlich sein soll. Würde dieser Ansicht gefolgt, wäre der Anspruch der Beschwerdegegner 1 und 2 auf rechtsgleiche Behandlung im Sinne von Art. 8 Abs. 1 BV offensichtlich missachtet, wobei für eine derartige Ungleichbehandlung denn auch keine triftigen und zureichenden Gründe bestünden. Im Ergebnis ist die Nichtanwendung des Baureglements E.______ bei diversen Bauprojekten im Quartier im Ergebnis schliesslich ebenfalls als Indiz dafür zu werten, dass dieses nicht in Kraft getreten ist. Daran vermögen auch die Vorbringen der Beschwerdeführer, wonach die Gebäude auf der gegenüberliegenden Strassenseite der streitbetroffenen Parzelle dem ursprünglichen Zustand gemäss dem Überbauungsplan entsprächen, nichts zu ändern.

 

6.

Zusammenfassend liegt kein vom Regierungsrat genehmigtes und damit gültiges Baureglement E.______ vor. Die Beschwerdegegnerin 3 fand im Rahmen der Überprüfung der Überbauungspläne insbesondere keine Hinweise auf einen Teilbebauungsplan E.______. Die Beschwerdeführer haben die Folgen dieser Beweislosigkeit zu tragen. Die tatsächliche Überbauung des Quartiers E.______ weist sodann nicht auf die Gültigkeit des Überbauungsplans hin, da verschiedene Bauprojekte im Quartier in Abweichung des Baureglements E.______ erstellt wurden. Ferner besteht ein gegenseitiges Grenzbaurecht für die Parz.-Nrn. 01 und 02, sodass die Beschwerdeführer die Erstellung von Anbauten grundsätzlich zu dulden haben. Damit erweist sich der vorliegend angefochtene Entscheid insgesamt als rechtmässig.

 

Dies führt zur Abweisung der Beschwerde.

 

III.

1.

Nach Art. 134 Abs. 1 lit. c VRG hat die Partei, welche im Beschwerde-, Klage- Revisionsverfahren unterliegt, die amtlichen Kosten zu tragen. Ausgangsgemäss sind die Gerichtskosten von pauschal Fr. 2'500.- den Beschwerdeführern aufzuerlegen und mit dem von ihnen bereits geleisteten Kostenvorschuss in gleicher Höhe zu verrechnen.

 

2.

Die Beschwerdeführer sind nach Art. 138 Abs. 2 VRG sodann zu verpflichten, den Beschwerdegegnern 1 und 2 eine Parteientschädigung von insgesamt Fr. 1'800.- (inkl. Mehrwertsteuer) zu bezahlen. Da die Beantwortung von Rechtsmitteln zum angestammten Aufgabenbereich der Beschwerdegegnerin 3 gehört und weil keine besonderen Umstände vorliegen, steht dieser keine Parteientschädigung zu (Art. 138 Abs. 4 VRG).

Demgemäss erkennt die Kammer:

1.

Die Beschwerde wird abgewiesen.

2.

Die Gerichtskosten von Fr. 2'500.- werden den Beschwerdeführer auferlegt und mit dem von ihnen bereits geleisteten Kostenvorschuss in gleicher Höhe verrechnet.

3.

Die Beschwerdeführer werden verpflichtet, den Beschwerdegegnern 1 und 2 innert 30 Tagen nach Rechtskraft dieses Entscheids eine Parteientschädigung von insgesamt Fr. 1'800.- (inkl. Mehrwertsteuer) zu bezahlen.

4.

Schriftliche Eröffnung und Mitteilung an:

 

[…]

 



 
Quelle: https://findinfo.gl.ch
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