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Urteil Verwaltungsgericht (GL - VG.2021.00059)

Zusammenfassung des Urteils VG.2021.00059: Verwaltungsgericht

Der Beschwerdeführer hat Anspruch auf Arbeitslosenentschädigung, da er die erforderliche Mindestbeitragszeit mit überwiegender Wahrscheinlichkeit erfüllt hat. Das Verwaltungsgericht hat die Beschwerde gutgeheissen und den Entscheid des Beschwerdegegners aufgehoben. Die Gerichtskosten werden von der Staatskasse übernommen. Der Beschwerdeführer erhält eine Parteientschädigung von 1'500 CHF.

Urteilsdetails des Verwaltungsgerichts VG.2021.00059

Kanton:GL
Fallnummer:VG.2021.00059
Instanz:Verwaltungsgericht
Abteilung:-
Verwaltungsgericht Entscheid VG.2021.00059 vom 09.12.2021 (GL)
Datum:09.12.2021
Rechtskraft:
Leitsatz/Stichwort:Arbeitslosenversicherungsrecht: Erfüllung der Mindestbeitragszeit
Schlagwörter: Arbeit; Beitragszeit; Beschwerdegegner; Recht; Anspruch; Rahmenfrist; Richt; Beschäftigung; Mindestbeitragszeit; Anspruchsvoraussetzung; Akten; Lohnzahlung; Lohnzahlungen; Beitragsmonat; Arbeitslosenentschädigung; Arbeitgeberin; Arbeitslosenversicherung; Umstände; Wirtschaft; Beitragszeiten; Anspruchsvoraussetzungen; Kalendertage; Lohnfluss; Praxis
Rechtsnorm: Art. 1 AVIG;Art. 13 AVIG;Art. 14 AVIG;Art. 23 AVIG;Art. 8 AVIG;Art. 9 AVIG;
Referenz BGE:-
Kommentar:
-

Entscheid des Verwaltungsgerichts VG.2021.00059

Geschäftsnummer: VG.2021.00059 (VG.2021.1099)
Instanz: K2
Entscheiddatum: 09.12.2021
Publiziert am: 15.02.2022
Aktualisiert am: 15.02.2022
Titel: Sozialversicherung - Arbeitslosenversicherung

Resümee:

Arbeitslosenversicherungsrecht: Erfüllung der Mindestbeitragszeit

Voraussetzung für den Anspruch auf Arbeitslosenentschädigung unter dem Gesichtspunkt der erfüllten Beitragszeit ist grundsätzlich einzig die Ausübung einer beitragspflichtigen Beschäftigung während der geforderten Dauer von mindestens zwölf Beitragsmonaten. Dem Nachweis tatsächlicher Lohnzahlungen kommt dabei nicht der Sinn einer selbstständigen Anspruchsvoraussetzung zu. Gleichwohl handelt es sich dabei aber um ein Indiz für die Ausübung einer beitragspflichtigen Beschäftigung, welches im Rahmen einer Würdigung aller Umstände mitzuberücksichtigen ist (E. II/4.2).
Der Beschwerdeführer hat die erforderliche Mindestbeitragszeit während der Rahmenfrist mit überwiegender Wahrscheinlichkeit erfüllt (E. II/5).

Gutheissung der Beschwerde.
 

 

 

 

VERWALTUNGSGERICHT DES KANTONS GLARUS

 

 

 

Urteil vom 9. Dezember 2021

 

 

II. Kammer

 

 

Besetzung: Gerichtspräsident MLaw Colin Braun, Verwaltungsrichter Walter Salvadori, Verwaltungsrichter Samuel Bisig und Gerichtsschreiberin i.V. MLaw Leonora Muji

 

 

in Sachen

VG.2021.00059

 

 

 

A.______

Beschwerdeführer

 

vertreten durch lic. iur. Philipp Langlotz, Rechtsanwalt

 

 

 

gegen

 

 

 

Amt für Wirtschaft und Arbeit des Kantons Glarus

Beschwerdegegner

 

 

betreffend

 

 

Anspruchsberechtigung

 

Die Kammer zieht in Erwägung:

I.

1.

A.______ meldete sich am 24. Juli 2020 beim Regionalen Arbeitsvermittlungszentrum (RAV) in Glarus an und stellte einen Antrag auf Arbeitslosenentschädigung. Das Amt für Wirtschaft und Arbeit lehnte seine Anspruchsberechtigung am 9. Dezember 2020 ab, woran es am 14. Juni 2021 trotz der dagegen erhobenen Einwände festhielt.

 

2.

A.______ gelangte am 16. August 2021 mit Beschwerde ans Verwaltungsgericht und beantragte die Aufhebung des Einspracheentscheids des Amts für Wirtschaft und Arbeit vom 14. Juni 2021 sowie die Ausrichtung der gesetzlichen Leistungen. Eventualiter sei die Sache zur Neubeurteilung an das Amt für Wirtschaft und Arbeit zurückzuweisen. In prozessualer Hinsicht seien die Akten des Strafverfahrens gegen seine ehemalige Arbeitgeberin zu edieren und ihm sei die unentgeltliche Prozessführung sowie die unentgeltliche Rechtsverbeiständung zu gewähren. Das Amt für Wirtschaft und Arbeit schloss am 16. September 2021 auf Abweisung der Beschwerde; alles unter Kosten- und Entschädigungsfolgen zu Lasten von A.______.

 

II.

1.

Das Verwaltungsgericht ist gemäss Art. 1 Abs. 1 des Bundesgesetzes über die obligatorische Arbeitslosenversicherung und die Insolvenzentschädigung vom 25. Juni 1982 (AVIG) i.V.m. Art. 56 ff. des Bundesgesetzes über den Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts vom 6. Oktober 2000 (ATSG) i.V.m. Art. 12 Abs. 2 des Einführungsgesetzes zum Bundesgesetz über die obligatorische Arbeitslosenversicherung und die Insolvenzentschädigung vom 6. Mai 1984 (EG AVIG) zur Behandlung der vorliegenden Beschwerde zuständig. Da auch die übrigen Prozessvoraussetzungen erfüllt sind, ist auf die Beschwerde einzutreten.

 

2.

2.1 Gemäss Art. 8 Abs. 1 AVIG hat der Versicherte Anspruch auf Arbeitslosenentschädigung, wenn er ganz teilweise arbeitslos ist (lit. a); einen anrechenbaren Arbeitsausfall erlitten hat (lit. b); in der Schweiz wohnt (lit. c); die obligatorische Schulzeit zurückgelegt und weder das Rentenalter der AHV erreicht hat noch eine Altersrente der AHV bezieht (lit. d); die Beitragszeit erfüllt hat von der Erfüllung der Beitragszeit befreit ist (lit. e); vermittlungsfähig ist (lit. f) und die Kontrollvorschriften erfüllt (lit. g).

 

2.2 Nach Art. 13 Abs. 1 AVIG erfüllt die Beitragszeit, wer innerhalb der dafür vorgesehenen Rahmenfrist während mindestens zwölf Monaten eine beitragspflichtige Beschäftigung ausgeübt hat. Für den Leistungsbezug und für die Beitragszeiten gelten, sofern dieses Gesetz nichts anderes vorsieht, zweijährige Rahmenfristen (Art. 9 Abs. 1 AVIG). Die Rahmenfrist für den Leistungsbezug beginnt mit dem ersten Tag, für den sämtliche Anspruchsvoraussetzungen erfüllt sind (Art. 9 Abs. 2 AVIG). Die Rahmenfrist für die Beitragszeit beginnt zwei Jahre vor dem Tag, für den sämtliche Anspruchsvoraussetzungen erfüllt sind (Art. 9 Abs. 3 AVIG). Gemäss Art. 11 Abs. 1 der Verordnung über die obligatorische Arbeitslosenversicherung und die Insolvenzentschädigung vom 31. August 1983 (AVIV) zählt als Beitragsmonat jeder volle Kalendermonat, in dem der Versicherte beitragspflichtig ist. Nach Art. 11 Abs. 2 AVIV werden Beitragszeiten, die nicht einen vollen Kalendermonat umfassen, zusammengezählt, wobei je 30 Kalendertage als ein Beitragsmonat gelten.

 

3.

3.1 Der Beschwerdeführer bringt vor, der Beschwerdegegner habe sich bei der Prüfung der beitragspflichtigen Beschäftigung zu Unrecht einzig am Lohnfluss orientiert. Es sei vollständig ausser Acht gelassen worden, ob er innerhalb der Rahmenfrist tatsächlich gearbeitet habe. Dies sei denn auch nicht ausreichend überprüft worden, was eine Verletzung des Untersuchungsgrundsatzes darstelle. Mit Blick auf die im Recht liegenden Akten werde überdies deutlich, dass eine genügend anrechenbare Beschäftigung vorliege und er folglich die Anspruchsvoraussetzungen für den streitbetroffenen Leistungsbezug erfülle. So sei er vom 1. Juni 2018 bis zum 30. November 2018 und im Februar 2019 bis März 2019 bei der B.______AG tätig gewesen. Dadurch sei ihm eine Beitragszeit von sieben Monaten anzurechnen, zumal unerheblich sei, dass die B.______AG einzelne seiner Lohnansprüche mit Gegenforderungen verrechnet habe. Sodann habe er vom 1. April 2019 bis zum 17. Juni 2020 für die C.______GmbH gearbeitet. Dabei habe der Beschwerdegegner fälschlicherweise lediglich die Monate April und Mai 2019 als Beitragszeit berücksichtigt. Ferner habe er ab August 2019 aufgrund von Zahlungsschwierigkeiten der damaligen Arbeitgeberin zwar keine kaum Lohnzahlungen mehr erhalten. Hingegen ergebe sich unter anderem gestützt auf die im Recht liegenden Stundenrapporte, die Lohnabrechnungen, die einzelnen Akontozahlungen vonseiten der ehemaligen Arbeitgeberin sowie die sonstigen Umstände, dass er von April 2019 bis zum 17. Juni 2020 für die C.______GmbH tätig gewesen sei, was als Beitragszeit anzurechnen sei. Im Übrigen sei darauf hinzuweisen, dass ihm wegen der Insolvenz der C.______GmbH gestützt auf Art. 51 Abs. 1 AVIG ohnehin drei bis vier Monate als Beitragszeit gutzuschreiben seien, was der Beschwerdegegner verkannt habe. Damit erfülle er im Ergebnis die erforderliche Mindestbeitragszeit, weshalb er Anspruch auf Arbeitslosenentschädigung habe.

 

3.2 Der Beschwerdegegner stellt sich auf den Standpunkt, während der Rahmenfrist vom 17. Juli 2018 bis zum 16. Juli 2020 sei die erforderliche Mindestbeitragszeit von zwölf Monaten nicht nachgewiesen. So sei nämlich erforderlich, dass eine beitragspflichtige Beschäftigung ausgeübt worden sei und der Versicherte hierfür auch effektiv Lohn erhalten habe. Ein solcher Lohnfluss sei in Bezug auf die Tätigkeiten für die B.______AG und die C.______GmbH lediglich für sechs Monate, namentlich für Juli bis September 2018 und für Juni bis August 2019 nachgewiesen, weshalb der Beschwerdeführer im Ergebnis keinen Anspruch auf Arbeitslosenentschädigung habe.

 

4.

4.1 Vorliegend ist unbestritten, dass die Rahmenfrist für die Beitragszeit vom 17. Juli 2018 bis zum 16. Juli 2020 angedauert hat und die Rahmenfrist für den Leistungsbezug frühestens am 17. Juli 2020 eröffnet worden ist. Ebenso ergibt sich weder aus den Akten noch wird geltend gemacht, dass der Beschwerdeführer gestützt auf Gründe im Sinne von Art. 14 AVIG von der Erfüllung der Beitragszeit befreit wäre. Strittig und zu prüfen ist indessen, ob Letzterer die erforderliche Mindestbeitragszeit von zwölf Monaten innerhalb der Rahmenfrist mit dem Grad der überwiegenden Wahrscheinlichkeit erfüllt hat.

 

4.2 Indem der Beschwerdegegner die Erfüllung der Mindestbeitragszeit mit der Begründung verneint hat, ein tatsächlicher Lohnbezug sei nur für maximal sechs Monate ausgewiesen, hat er den Nachweis der Lohnzahlung zur Anspruchsvoraussetzung erklärt, was sowohl der bundesgerichtlichen Rechtsprechung als auch der von ihm selbst angeführten Praxis (AVIG-Praxis, ALE, Oktober 2012, Rz. B144) zuwiderläuft.

 

So ist Voraussetzung für den Anspruch auf Arbeitslosenentschädigung unter dem Gesichtspunkt der erfüllten Beitragszeit gemäss Art. 8 Abs. 1 lit. e AVIG i.V.m. Art. 13 Abs. 1 AVIG grundsätzlich einzig die Ausübung einer beitragspflichtigen Beschäftigung während der geforderten Dauer von mindestens zwölf Beitragsmonaten. Diese Tätigkeit muss genügend überprüfbar sein. Dem Nachweis tatsächlicher Lohnzahlungen kommt dabei nicht der Sinn einer selbstständigen Anspruchsvoraussetzung zu. Gleichwohl handelt es sich dabei aber um ein bedeutsames und in kritischen Fällen unter Umständen ausschlaggebendes Indiz für die Ausübung einer beitragspflichtigen Beschäftigung. Soweit eine solche Beschäftigung nachgewiesen, der exakte Lohn jedoch unklar geblieben ist, hat eine Korrektur über den versicherten Verdienst zu erfolgen (vgl. BGE 131 V 444 E. 3.2.3 f.; BGer-Urteil 8C_297/2019 vom 29. August 2019 E. 5, 8C_749/2018 vom 28. Februar 2019 E. 3.2).

 

Nach dem oben Dargelegten sind anders als bei der Bemessung des versicherten Verdienstes (Art. 23 Abs. 1 AVIG i.V.m. Art. 40 AVIV) die vom Beschwerdeführer vorgebrachten fehlenden Lohnzahlungen bei der Beurteilung der erfüllten Beitragszeit einzig als Indizien zu betrachten, welche im Rahmen einer Würdigung aller Umstände mitzuberücksichtigen sind.

 

4.3

4.3.1 Aus den Akten ergibt sich, dass der Beschwerdeführer vom 1. Juni 2018 bis zum 31. März 2019 mit Ausnahme der Monate Dezember 2018 sowie Januar 2019 bei der B.______AG arbeitstätig war (vgl. hierzu den diesbezüglichen Arbeitsvertrag vom 30. Mai 2018 sowie die im Recht liegenden Lohnabrechnungen). Dies wird vom Beschwerdegegner nicht in Abrede gestellt. Mit Blick auf diese Tätigkeit und gestützt auf die bei den Akten liegenden Bankbelege bzw. die darin ersichtlichen Lohnzahlungen ging Letzterer sodann richtigerweise von einer beitragspflichtigen Beschäftigung während den Monaten Juli 2018 bis September 2018 aus. Damit ergeben sich für die Monate August und September 2018 zwei volle Beitragsmonate. Für den Monat Juli 2018 ist demgegenüber zu berücksichtigen, dass die Rahmenfrist für die Beitragszeit erst am 17. Juli 2018 begann, weshalb lediglich elf Werktage bzw. mit Blick auf die Regeln zur Ermittlung der Beitragszeit (vgl. AVIG-Praxis, ALE, Oktober 2012, Rz. B150) 15,4 Kalendertage (11 x 1,4) anzurechnen sind.

 

4.3.2 Soweit der Beschwerdegegner für die Monate Oktober 2018, November 2018, Februar 2019 und März 2019 aufgrund fehlender Lohnzahlungen davon ausgeht, dem Beschwerdeführer seien keine diesbezüglichen Beitragszeiten anzurechnen, ist ihm nicht zu folgen. So führt er gestützt auf die Aussagen der Arbeitgeberin (vgl. Klageantwort der B.______AG vom 20. August 2020) zunächst richtigerweise ins Feld, dass die B.______AG eine Arbeitstätigkeit für diese Monate bejaht hatte. Hingegen verkennt er alsdann, dass diese Monate selbst dann Beitragszeiten darstellen, wenn der Beschwerdeführer effektiv keinen Lohn erhalten hat. Vielmehr ist nach dem oben Dargelegten (vgl. vorstehende E. II/4.2) einzig relevant, dass der Beschwerdeführer in dieser Zeit eine beitragspflichtige Beschäftigung ausgeübt hat, wobei unerheblich ist, ob seine Lohnforderungen ausbezahlt mit den von der Arbeitgeberin geltend gemachten Gegenforderungen verrechnet wurden. Darüber hinaus ist zu berücksichtigen, dass die B.______AG die Lohnforderungen anerkannt hat, womit erstellt ist, dass der Beschwerdeführer eine beitragspflichtige Tätigkeit ausgeübt hat. Demgemäss sind die Monate Oktober 2018, November 2018, Februar 2019 und März 2019 ebenfalls als Beitragszeiten anzurechnen.

 

4.3.3 Somit ist festzuhalten, dass aus dem Arbeitsverhältnis zwischen der B.______AG und dem Beschwerdeführer eine anrechenbare Beitragszeit von sechs vollen Monaten und 15,4 Kalendertagen resultiert.

 

4.4

4.4.1 Weiter liegt ein Arbeitsvertrag zwischen der C.______GmbH und dem Beschwerdeführer vom 1. April 2019 im Recht, wonach Letzterer ab dem 1. April 2019 für die C.______GmbH als Gipser tätig war. Dieses Arbeitsverhältnis kündigte ihm die C.______GmbH am 7. Juli 2020 per 30. August 2020. Hierzu ist festzuhalten, dass selbst der Beschwerdegegner nicht in Frage stellt, dass ein entsprechendes Arbeitsverhältnis begründet worden war. So weist er im vorliegend angefochtenen Entscheid nämlich explizit auf einen diesbezüglichen Lohnfluss für die Monate April sowie Mai 2019 hin und anerkennt eine Anrechnung dieser Beitragszeit. Demgemäss ist zumindest für die Monate April sowie Mai 2019 von einer unbestritten gebliebenen beitragspflichtigen Tätigkeit des Beschwerdeführers auszugehen und ihm sind hierfür zwei volle Beitragsmonate anzurechnen.

 

4.4.2 Sodann ergibt sich aus dem Handelsregisterauszug der C.______GmbH vom […], dass die Firma mit Registereintrag vom […] von Amtes wegen als aufgelöst erklärt wurde. Der Registerauszug des Betreibungsamts […] vom […] erhellt überdies, dass die C.______GmbH offensichtlich überschuldet war. Folglich ist ohne Weiteres von einem Ereignis im Sinne von Art. 51 Abs. 1 AVIG auszugehen. Weil darüber hinaus nicht ersichtlich ist, dass der Beschwerdeführer der C.______GmbH seine Arbeitsleistung nicht gehörig angeboten hatte bzw. ihm erst am 7. Juli 2020 per 30. August 2020 gekündigt worden war, ist die Zeit ab der Liquidation des Unternehmens bis zum Ende der Rahmenfrist am 17. Juli 2020 ebenfalls als Beitragszeit anzurechnen (vgl. AVIG- Praxis, ALE, Oktober 2012, Rz. B144). Folglich sind der volle Monat Juni 2020 und im Juli 13 Werktage bzw. 18,2 Kalendertage (13 x 1,4 [vgl. AVIG-Praxis, ALE, Oktober 2012, Rz. B150]) bei der Beitragszeit zu berücksichtigen.

 

4.4.3 Gestützt auf das oben Dargelegte ist beim Beschwerdeführer für die Monate Juli 2018 bis November 2018, Februar 2019 bis Mai 2019 sowie Juni 2020 und Juli 2020 bereits von einer Beitragszeit von zehn Monaten und 3,6 Tagen auszugehen. Dadurch fehlen ihm innerhalb der verbleibenden Rahmenfrist, namentlich während der Monate Juni 2019 bis Mai 2020, lediglich noch eine beitragspflichtige Tätigkeit von 56,4 Kalendertagen 40,3 Werktagen zur Erfüllung der erforderlichen Mindestbeitragszeit. Zwar kann dem Beschwerdegegner diesbezüglich darin gefolgt werden, dass für diese Monate kein effektiver Lohnfluss nachgewiesen werden konnte. Wie bereits dargelegt, ist dieser Umstand jedoch lediglich als Indiz in eine Gesamtwürdigung miteinzubeziehen. Sodann ist festzuhalten, dass die im Recht liegenden Quellensteuer- und IK‑Auszüge sowie die fehlenden Sozialversicherungsabgaben ebenfalls nicht hinreichend darauf hinweisen, dass der Beschwerdeführer in der entsprechenden Zeit keiner beitragspflichtigen Arbeitstätigkeit nachging, zumal offensichtlich kein Lohn ausbezahlt wurde und entsprechend hätte besteuert beitragspflichtig abgerechnet werden müssen. Vielmehr ist gestützt auf die bei den Akten liegenden Arbeitsrapporte, die vom Beschwerdeführer geltend gemachten Akontozahlungen, dem gegenüber der C.______GmbH eingeklagten Forderungsbetrag, welcher im Übrigen betrieben und wogegen kein Rechtsvorschlag erhoben wurde, sowie den vom Beschwerdeführer zusätzlich ins Recht gelegten Belegen (beispielsweise der Screenshot der Nachricht, wonach die C.______GmbH ausführt, dass noch Zahlungen ausstehend seien) mit überwiegender Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass er innerhalb der verbleibenden zwölf Monate die zusätzlich erforderlichen beitragspflichtigen Tage (40,3 Werktage) gearbeitet hat. Hierfür spricht insbesondere auch, dass sich der Beschwerdeführer bei einer Nichterwerbstätigkeit von rund einem Jahr offensichtlich um Arbeit bemüht hätte sich zumindest gegenüber der damaligen Arbeitgeberin zu Wehr gesetzt hätte, wobei sich diesbezüglich keine Hinweise bei den Akten finden lassen. Ferner hätte bei einer einjährigen Nichterwerbstätigkeit für die C.______GmbH wohl bereits früher ein Grund dafür bestanden, das Arbeitsverhältnis zu kündigen. Dies war nachweislich jedoch erst im Juli 2020 der Fall. Schliesslich ist darauf hinzuweisen, dass der Beschwerdegegner hinsichtlich der Tätigkeit bei der C.______GmbH in der Verfügung vom 9. Dezember 2020 selbst noch von einem Lohnfluss in den Monaten Juni 2019 bis August 2019 ausging, womit er gegenüber dem vorliegend angefochtenen Entscheid noch mehr als zwei Beitragsmonate im Rahmen des Arbeitsverhältnisses mit der C.______GmbH anerkannte. Es erscheint somit selbst bei nicht nachgewiesenen Lohnzahlungen überwiegend wahrscheinlich, dass der Beschwerdeführer zwischen Juni 2019 und Mai 2020 während mindestens 40,3 Werktagen für die C.______GmbH einer beitragspflichtigen Tätigkeit nachging.

 

5.

Zusammenfassend ergibt sich, dass der Beschwerdeführer die erforderliche Mindestbeitragszeit während der Rahmenfrist vom 17. Juli 2018 bis zum 16. Juli 2020 mit überwiegender Wahrscheinlichkeit erfüllt hat. Folglich hat der Beschwerdegegner die übrigen Anspruchsvoraussetzungen zu prüfen bzw. insbesondere den versicherten Verdienst festzulegen, wozu er unter Umständen weitergehende Abklärungen (beispielsweise die Edition der vom Beschwerdeführer erwähnten Strafakten, die Einholung der Unterlagen des Treuhänders der C.______GmbH dessen Befragung) vorzunehmen hat.

 

Dies führt zur Gutheissung der Beschwerde. Der Einspracheentscheid des Beschwerdegegners vom 14. Juni 2021 sowie dessen Verfügung vom 9. Dezember 2020 sind aufzuheben und die Sache ist zur Prüfung der weiteren Anspruchsvoraussetzungen an diesen zurückzuweisen.

 

III.

1.

Die Gerichtskosten sind von Gesetzes wegen auf die Staatskasse zu nehmen (Art. 1 Abs. 1 AVIG i.V.m. Art. 61 lit. fbis ATSG). Dem obsiegenden Beschwerdeführer steht gemäss Art. 1 Abs. 1 AVIG i.V.m. Art. 61 lit. g ATSG zu Lasten des Beschwerdegegners eine Parteientschädigung zu. Diese ist ohne Rücksicht auf den Streitwert nach der Bedeutung der Streitsache und nach der Schwierigkeit des Prozesses zu bemessen und vorliegend auf Fr. 1'500.- (inkl. Mehrwertsteuer) festzusetzen.

 

2.

2.1 Der Beschwerdeführer beantragt die Gewährung der unentgeltlichen Prozessführung und der unentgeltlichen Rechtsverbeiständung. Gemäss Art. 139 Abs. 1 des Verwaltungsrechtspflegegesetzes vom 4. Mai 1986 (VRG) befreit die Behörde eine Partei, der die Mittel fehlen, um neben dem Lebensunterhalt für sich und ihre Familie die Verfahrenskosten aufzubringen, auf Gesuch hin ganz teilweise von der Kosten- und Vorschusspflicht, sofern das Verfahren nicht aussichtslos ist.

 

2.2 Da dem Beschwerdeführer keine Gerichtskosten aufzuerlegen sind, ist sein Gesuch um unentgeltliche Prozessführung als gegenstandslos geworden abzuschreiben.

 

2.3 Die Mittellosigkeit des Beschwerdeführers ergibt sich ohne Weiteres aus den Akten. Da seine Beschwerde gutzuheissen ist, kann das Verfahren auch nicht als aussichtslos bezeichnet werden. Sodann war der Beschwerdeführer auf eine rechtliche Vertretung angewiesen, weshalb sein Gesuch um unentgeltliche Rechtsverbeiständung gutzuheissen und ihm in der Person von Rechtsanwalt lic. iur. Philipp Langlotz ein unentgeltlicher Rechtsbeistand zu bestellen ist. Dieser ist mit pauschal Fr. 1'500.- (inkl. Mehrwertsteuer) zu entschädigen. Daran ist die Parteientschädigung seitens des Beschwerdegegners in gleicher Höhe anzurechnen.

Demgemäss beschliesst die Kammer:

1.

Das Gesuch des Beschwerdeführers um Gewährung der unentgeltlichen Prozessführung wird als gegenstandslos geworden abgeschrieben.

2.

Das Gesuch des Beschwerdeführers um Gewährung der unentgeltlichen Rechtsverbeiständung wird gutgeheissen. Ihm wird in der Person von lic. iur. Philipp Langlotz ein unentgeltlicher Rechtsbeistand bestellt.

3.

Der Rechtsbeistand wird zu Lasten der Gerichtskasse mit Fr. 1'500.- (inkl. Mehrwertsteuer) entschädigt. Daran angerechnet wird die Parteientschädigung seitens des Beschwerdegegners in gleicher Höhe.

und erkennt sodann:

1.

Die Beschwerde wird gutgeheissen. Der Einspracheentscheid des Beschwerdegegners vom 14. Juni 2021 sowie dessen Verfügung vom 9. Dezember 2020 werden aufgehoben und die Sache wird im Sinne der Erwägungen an diesen zurückgewiesen.

2.

Die Gerichtskosten werden auf die Staatskasse genommen.

3.

Der Beschwerdegegner wird verpflichtet, dem Beschwerdeführer innert 30 Tagen nach Rechtskraft dieses Entscheids eine Parteientschädigung von Fr. 1'500.- (inkl. Mehrwertsteuer) zu bezahlen.

4.

Schriftliche Eröffnung und Mitteilung an:

 

[…]

 



 
Quelle: https://findinfo.gl.ch
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